Journal Samstag, 17. Mai 2025 – Draußenschwumm, mehr Blinzeln ins Ahndl-Kastl

Sonntag, 18. Mai 2025 um 9:02

Eher unruhige Nacht, der gar nicht so viele Rotwein führte zu Kopfschmerzen.

Kurz vor Weckerklingeln aufgewacht; Wecker, weil Herr Kaltmamsell früh zu einem beruflichen Termin musste und ich ihm gerne noch Milchkaffee servieren wollte.

Draußen gemischter Himmel, kühle Luft. Durch die ging ich nach dem gewöhnlichen Samstagmorgenprogramm zur Schusterin: Sie sollte die Naht an meinen Wanderstiefeln flicken. Doch die bewährte Orthopädieschuhmachermeisterin wies mich darauf hin, dass sie nur durch den ganzen Schaft nähen konnte – mit der Gefahr, dass eine harte Stelle entstand. Sie riet mir, die Stiefel über Handelspartner zum Hersteller Meindl einzusenden: Dort stünden spezialisierte Maschinen zur Verfügung. Großer Seufzer wegen großem Umstand.

Daheim griff ich den bereits gepackten Sportrucksack, ich radelte zum Dantebad. Ich bekam wunderbar leere Schwimmbahnen – vielleicht hatten andere wie ich zunächst auch die Info auf der Website missverstanden, das Freibad sei wegen zu niedriger Temperaturen geschlossen. Was aber nur für den Teil galt, der als Sommerfreibad dazukommt, der sogenannte “Stadionbereich” mit 50-Meter-Becken, der auch im Winter betrieben wird, war sehr wohl geöffnet.

Ich schwamm kraftvoll und elegant, der kühle Wind und die Sommer-gesenkte Wassertemperatur ließen mich allerdings etwas frösteln. Einerseits war ich also froh über jeden Sonnenstrahl, doch bei vorhergesagtem bedeckten Himmel hatte ich mich nicht sonnengecremt und fürchtete die unerwartet vielen Sonnenabschnitte. (Ich greife vor: Nein, kein Sonnenbrand.)

Der Wind schlug Wellen, ich schluckte immer wieder einen Schwall Wasser.

Nach Hause radelte ich auf direktestem Weg, Frühstückssemmeln hatte ich schon beim Gang zur Schusterin gesichert.

Ein breiter, einst mächtiger Busch mit dicken Stämmen, die auf unterschiedlicher Höhe über anderthalb Metern abgeschnitten sind, er treibt mit hellgrünen Nadeln aus

So treibt eine brutal zusammengeschnittene Eibe aus (in unserem Hinterhof).

Frühstück kurz nach halb zwei: Apfel, Vollkornsemmeln mit Labneh und Honig.

Meine Mutter hatte am Vormittag vorm Schwimmen angerufen, um das Aufnahmedatum des alten Fotos zurechtzurücken (wahrscheinlich Ende 1945 / Anfang 1946). Sie erzählte weitere Details, die für Recherche helfen (wir müssen uns wirklich mal zusammensetzen und sammeln). Unter anderem, dass ihr unehelicher Vater (der auch der Vater ihrer jüngeren Schwester ist) ebenfalls als Zwangsarbeiter aus Polen nach Burlafingen verschleppt wurde. Laut Familiengeschichte hat er meine Oma mit den beiden Kindern sitzen lassen und ist nach England verschwunden – in einer späteren Version erzählte meine Oma aber, er sei nach England gegangen und dort bei einem Lkw-Unfall ums Leben gekommen. Das könnte sogar die interessantere Recherche sein: Sowohl meine Mutter als auch ich hatten uns eigentlich längst damit abgefunden, dass wir nie Genaueres über ihren leiblichen Vater herausfinden würden.

Die Suche nach diesem Herrn, Michal Hajek, brachte mich in den Arolsen-Archiven zu dieser Karteikarte von 1945 für DP – Displaced Persons. Es war die Berufsangabe, die mir einen Treffer wahrscheinlich erscheinen ließ: “Painter” – laut meiner Oma war er Kunstmaler und hatte an der Akademie in Krakau studiert.

Er sei, so erinnerte sich meine Mutter an die Erzählungen ihrer eigenen, in die britische Armee eingetreten. Das einzige Foto, das es in der Familie von ihm gibt, zeigt ihn in Uniform lässig an einer Laterne lehnen. Wenn man wollte (und ich weiß nicht, ob ich will), könnte man sich also in britischen Militärarchiven umtun.

Beim Schwimmen hatte ich mit Kuchenbackideen gespielt, aber letztendlich alle verworfen, wie in den verganenen Jahren fast immer: Wer sollte den denn essen?

Doch als Herr Kaltmamsell laut überlegte, wohin mit all den Eiern, fiel mir das halbe Pfund gute Margarine ein, das ich irgendwann im Kühlschrank geparkt hatte, um jederzeit Marmorkuchen-fähig zu sein. Und das, wie ein Check ergab, im März sein MHD gefeiert hatte. Sah aber noch tippitoppi aus und roch auch so, ich buk Marmorkuchen.

Aufsicht auf einen frisch gebackenen Marmorkuchen noch in seiner Form

Eine Runde Yoga-Gymnastik, um den Verfall und die alterbedingt fortschreitenden Bewegungseinschränkungen zu verlangsamen.

Da es eigentlich ein Standardrezept ist, hielt ich den Spinat in Erdnuss-Sauce mit roter Paprika auf meiner Rezepte-Seite fest.

Der Alkohol des Abends war nochmal Maibowle, aber von einem neu gekauften Töpfchen Waldmeister, Version 1 war sehr schnell an seinem Mehltau verendet.

Dazu kochte Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil-Pilzen und zugekauftem Brokkoli ein Pastagericht mit Mafaldine und Labneh, leicht Chili-scharf und köstlich. Nachtisch warmer Marmorkuchen (ein bisschen zu viel).

Im Bett die nächste Lektüre begonnen: Lena Christ, Die Rumplhanni, ich hatte mich gewundert, dass ich noch nichts von Lena Christ gelesen habe.

§

Spiegel-Interview mit Marina Weisband – sehenswert. Naja, Spiegel does Spiegel (u.a. ist Sachlichkeit nicht das Ziel), aber Marina Weisband (ihr Podcast-Interview zu “Lohnt sich Fairness in der Politik?” ist immer noch ein offener Tab auf meinem Rechner) hat einfach immer interessante Gedanken – hier unter anderem zu psychologischen Auswirkungen von Migration (wie bei den meisten Themen, die das Interview anreißt, würde ich hier gerne tiefer gehen).

Ich springe zu dem Punkt, an dem @Afelia (die sie für mich immer sein wird) gefragt wird, ob sie “das Twitter von damals” vermisse:

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https://youtu.be/3krV2roDz_U?si=MRENplf5Pm64imws&t=1796

Guter Anlass, für Mastodon zu werben – wo ich mich ebenfalls wie bei “Twitter von damals” fühle, lediglich viele Leute von damals vermisse, die entweder gar nicht mehr micro-posten oder andere Plattformen bevorzugen.

Digitalcourage hat eine schöne Einführung zu Mastodon gebastelt:


die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Journal Samstag, 17. Mai 2025 – Draußenschwumm, mehr Blinzeln ins Ahndl-Kastl“

  1. Frau Irgendwas ist immer meint:

    Ahh, auch hier das Kuchenproblem … für 2 Personen viel zu viel, also was … die Hälfte einfrieren, Frau Mutter samt Freund mitversorgen (wenn die Beiden greifbar sind) oder überfressen? Meist lasse ich es dann ganz und es gibt am WE einfach nur Kaffee und/oder Tee. Geht auch, wäre aber zu meinen Kindertagen undenkbar gewesen.

  2. FrauC meint:

    Da fällt mir wieder ein, dass ich mal eine kleine Kuchenform für halbe Rezepte kaufen wollte. Jetzt muss ich nur noch daran denken, das entsprechende Offline-Geschäft zu Öffnungszeiten in meinen Weg einzubauen. Irgendwas ist immer!

  3. adelhaid meint:

    gerade dieser kuchen eignet sich hervorragend zum einfrieren in portionen. erst vor drei wochen getan: backen, hälfte einfrieren, andere hälfte über die woche in stücken mit in die arbeit, dann am gartenwochenende den rest aus dem freezer. perfektion!

  4. Croco meint:

    Vielleicht hat ja Deine Mutter Halbgeschwister in Großbritannien?
    Spannend.

  5. S. meint:

    Noch ein Gedanke zum Kuchen-Problem, das auch hier bekannt ist, aber das ich bisher immer lösen konnte – nicht zu backen ist einfach keine Lösung: die massiven Reste an Nachbarn abgeben. Und/oder am Montag mit zur Arbeit für die Kolleg:innen nehmen. Schöner Nebeneffekt: Freude über sich freuende Menschen!

  6. Mechthild meint:

    Zum Reinigungsproblem: bei Baumärkten kann man Nasssauger leihen. Oder in einem Kärcher Center (online reservieren). Eventuell reichen auch die Nasssauger von DM oder Rossmann. Allerdings weiß ich nicht, wie aufwändig das „zur Wohnung transportieren“ ist oder ob die eventuell auch geliefert werden.

  7. Sabine meint:

    Mit Marina Weisband tue ich mir aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen schwer: obwohl ich ihre Ideen sehr interessant finde und allermeistens mit ihren Ausführungen übereinstimme, geht sie mir so richtig auf die Nerven. Ich finde das selbst ungerecht und unfair, kann aber nicht anders. Ein bisschen wie bei einem zu gut gemachten Theaterstücke (The Crucible, fällt mir da ein) – was zu viel Recht hat, nervt irgendwie.

    Aber sie hat schon recht.

  8. die Kaltmamsell meint:

    Kann ich sogar nachvollziehen, Sabine. Mir hilft wahrscheinlich, dass ich sie schon als Bloggerin gelesen habe – und als sehr junge Frau hat sie (wie wir alle) hin und wieder ziemlich dumme Sachen geschrieben (die sie später revidierte), natürlich genauso überzeugt und wohl argumentiert.
    Sensationell gehandarbeitet hat sie allerdings schon immer – ich gehe davon aus, dass sie auch das wunderschöne Kleid in dem Interview selbst gemacht hat.

  9. Frau Irgendwas ist immer meint:

    Hier die Gärtnerin zum Thema Eibe. Eine der wenigen Nadelbäume die wirklich, wirklich böse bis nach unten geschnitten werden dürfen und dies nicht übel nehmen. Die/der Gärtner sollte aber einen langfristigen Plan zum Wiederaufbau des Gehölz haben…Typ Hoch hinaus, Typ Raumteiler (Hecke) oder was auch immer.

Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)

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