Journal Samstag, 19. Juli 2025 – Hochsommer-Rückkehr / Söder hat Recht
Sonntag, 20. Juli 2025 um 8:52Unruhige Nacht, zum Teil möglicherweise dem Alkohol geschuldet, ganz sicher aber der Gaudi vorm Schlafzimmerfenster. Kurz nach sechs erklärte ich bei erneuter lauter Gaudi die Nacht für beendet.
Balkonkaffee in Wollsocken und Jacke.
Durch das frühe Aufstehen war ich sehr früh fertig für meine geplante Schwimmrunde: Ich radelte auf der schönen Strecke über Hackerbrücke, Nymphemburger Straße und Gern zum Dantebad, ohne unangenehm viel Verkehr auf Straßen, Rad- und Fußwegen befürchten zu müssen.
Schon um zehn war ich im Becken. Die Bahnen wurden emsig beschwommen, doch zu meinem Glück hatte gerade eine Schicht Geräteschwimmer*innen ihr Training abgeschlossen, meine eigenen 3.100 Meter unter wolkenlosem Himmel waren fast ausschließlich von gerätefreien Menschen begleitet.
Als ich das Becken verließ, zeigte das Thermometer 25 Grad im Schatten an – perfekte Sommerhitze. Ich legte mich für eine Stunde auf die Liegewiese (nach dem Regen der vergangenen Wochen wieder ergrünt – aber halt nur die Grashalme, die noch nicht vertrocknet waren, de facto bestand der Boden weiterhin zum Großteil aus nackter Erde), hörte den Soundtrack von Blade Runner 2049, schlief sogar kurz ein.
Nach Hause radelte ich die kürzere Strecke über die Dachauer Straße von roter Ampel zu roter Ampel, Zwischenstopp am großen Edeka Stiglmaierplatz. Dort stellte man mir einen Aufsteller Eszet-Schnitten in den Weg – deren Existenz ich komplett vergessen hatte, zu denen ich aber sofort griff: In meiner Kindheit hatten sie für mich einen ungeheuren Nimbus, waren was gaaaanz was Feines. Bei uns daheim gab es sie nicht (in den Augen meiner – vernünftigen – Mutter viel zu teuer und überflüssiger Marketing-Quatsch, machten außerdem dick), aber im Nachbars-Haushalt einer Spielkameradin (wo es ohnehin viel gaaaanz Feines gab).
Das Konzept pan con chocolate kannte ich aus Spanien, wo in meinen Kindheitsurlauben ein Stück Baguette mit einem Teil einer Tafel Billigschokolade belegt (köstlich!) eine Standard-Variante merienda für Kinder war, also die zusätzliche Mahlzeit zwischen 18 und 20 Uhr, die den Hunger bis zum Abendessen nach 22 Uhr überbrückte. Schokolade war im Franco-Spanien billig wegen enger Beziehungen zu Lateinamerika, und im Urlaub ließ meine Mutter ihre Diät-Zügel ein wenig lockerer. Zu den Urlaubsritualen gehörte damals ja auch, dass man anschließend ausgiebig darüber jammerte, wie viel man im Urlaub zugenommen hatte und was man degegen zu tun gedachte. (Macht man das heute auch noch so?)
Frühstück kurz nach zwei war also gestern eine Allgäuer Dinkel-Seele mit Butter und Tomate (wenn Gutebutter eine Backzutat ist, heißt der Brotaufstrich Dickbutter), eine besonders gute Mohnsemmel mit Eszet-Schnitten – eigentlich überrascht mich, dass es die noch gibt. Nachtrag: Außerdem gab es Aprikosen und Kirschen.
Anschließend gründliche Körperreinigung von Sonnenmilch und Freibadwiesenstaub mit Waschlappen und Seife. Mir fiel auf, dass drei der vier Waschlappen, die ich besitze, eigentlich Waschhandschuhe, noch von meinem Auszug aus dem Elternhaus stammen. Ich wuchs mit Waschlappen auf, bevorzugte aber bald nach Auszug lappenlose Körperreinigung – bei mindestens täglicher Dusche bin ich ja nicht wirklich schmutzig.
Dann brachte ich erstmal die Häuslichkeit dieses Wochenendes hinter mich: Bügeln. Es fühlte sich ausgezeichnet an, das erledigt zu haben. Die Wohnung war mittlerweile sorgfältig vor Hitze verschlossen und verdunkelt, die Lufttemperatur war draußen überraschend steil gestiegen.
Zeitunglesen, bis ich Lust auf eine Yoga-Runde bekam. Blöderweise erwischte mich genau in dieser halben Stunde ein Kreislauf-Purzelbaum inklusive Schweißausbruch.
Ich turnte bockig durch (inzwischen weiß ich, dass Hinlegen diese Kapriolen zwar etwas erträglicher macht, meist aber um den Preis, dass sie nach Aufstehen nochmal loslegen), versaute die Yoga-Matte. Schließlich bin ich gut darin, körperliche Befindlichkeiten wegzuschieben, wenn sie lediglich unannehem sind und ich eh nichts dagegen tun kann.
Für den Nachtisch schnippelte ich die letzten Erdbeeren der Saison.
Rückblick auf die Erdbeersaison. Auffallend dieses Jahr: Die Standard-Pappschachtel fürs Pfund heimischer Erdbeeren verschwindet; von allen Verpackungen kam sie nur zweimal vor.
Nachtrag: Als Aperitif Negronis. Zum Nachtmahl verwertete Herr Kaltmamsell die jungen Zucchini aus Ernteanteil und machte sie zu Blog-Salat. Die erste Aubergine der Saison aus unserer Kartoffelkombinat-Gärterei feierte er mit Braten in Scheiben.
Ganz köstlich. Nachtisch Erdbeeren mit Sahne, Schokolade.
Im Bett umständlicher Start meiner neuen Lektüre, weil nicht nur Papierbuch, das die Leselampe um meinen Nacken erfordert, sondern auch großes, dickes Buch: Thomas Tabery, Kevin Schumacher-Shoji (Hrsg.), Farben Japans, der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung.
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Ute Vogel verbloggt eine Besichtigung des Landtagsgebäudes in Düsseldorf:
“Landtag NRW: Demokratische Architektur”.
Darin verlinkt ein großartiges Video über den Bau – mir war gar nicht bewusst, dass noch 1989 dieser Doku-Stimmen-Duktus üblich war, den hätte ich in den 1970ern verortet.
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Andreas Rüttenauer deckt in der taz auf, wie genau Markus Söder mit seinen Aussagen über die DNA der hiesigen Bevölkerung trifft:
“Unser uriges Gen”.
Und wer es immer noch nicht glaubt: @cucinacasalinga hat nachgesehen.
7 Kommentare zu „Journal Samstag, 19. Juli 2025 – Hochsommer-Rückkehr / Söder hat Recht“
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20. Juli 2025 um 9:22
Sehr gelacht über den Rüttenauer Andi, nachdem ich aus der Frühmesse nach Hause gekommen bin. Richte jetzt den Schweinebraten mit Blaukraut und Knödeln zum Mittagessen her und tanze dann noch einen Zwiefachen.
20. Juli 2025 um 9:43
… bevor du hoffentlich nach den Kühen siehst und zum Heumachen gehst, Der Bruder!
20. Juli 2025 um 12:08
Danke für die Links zum Landtag NRW. Dieser hatte zu meinen Praktikumszeiten Ende der 90er einen Besucherdienst, dessen MA sehr gut auf die großen und kleinen Details dieses Baus eingingen. (Der „Wurmfortsatz“ für die Petitionen!).
Und noch eine Frage: Gab es bei Ihnen zufällig die Nussvariante der Eszett-Schnitten? Ich vermisse diese seit mehreren Wochen im Laden.
20. Juli 2025 um 13:52
Die Eszett-Schnitten gab es ab und an auf das Schulbrot, ein Fest. Sie knackten so schön. Der schmierbare Nachfolger Nutella hat mich nie begeistert.
Das Bayern-Gen scheint auf dem Y-Chromosom zu wohnen. Die Frau dreht sich wie ein Derwisch ohne umzufallen und er hüpft ein bisschen und wird erwähnt. Ich habe mir vorgestellt, der Mann trägt das Röckchen und die Dame die Lederhosen und schon wird es witzig.
Diese ironiefreie bairische Selbstinszenierung ist schon was Besonderes. Umfasst sie eigentlich auch die Franken und die Schwaben? Ich blick da ja nicht so durch.
20. Juli 2025 um 13:59
Das weiß ich nicht, Corsa, ich griff direkt zum Klassiker Vollmilch.
Da müsste man Dr. Söder fragen, Croco, als gebürtiger Franke kennt er sich da sicher aus.
20. Juli 2025 um 16:08
An die Eszett-Schnitten erinnere ich mich gut und gerne. Die gab es auch bei uns (am Niederrhein) nur ganz selten, als Luxus sozusagen. Dann nur auf einem frischen Brötchen mit Butter – köstlich. Durch die Nähe zu den benachbarten Niederlanden entdeckten wir auch Schokostreusel, ebenfalls auf einem Brötchen. Und es gab auch die Variante, die wurde sogar in den Konditoreien im Ort so verkauft, eines Brötchens mit einem Schokokuss zwischen den beiden Hälften. Schöne Erinnerungen!
20. Juli 2025 um 18:40
Vielen Dank für den Hinweis zum Bau des Landtags. Insbesondere die Minuten in der Mitte des Filmes haben mich als Vermesserin sehr faszieniert!
~
EssZett-Schnitten gab es bei uns daheim nur, wenn Onkel Siegfried zu Gast war.
Hier gibt es an besonderen Tagen manchmal Nutella mit Schokostreuseln – Double-Choc.