Journal Sonntag, 2. November 2025 – Manche Fotomotive gibt’s nur im Regen

Montag, 3. November 2025 um 6:20

Lang geschlafen – das war schön, denn nachts war ich oft aufgewacht, allerdings immer gleich wieder eingeschlafen.

Draußen hörte ich Regen, wie angekündigt.

Gemütliches Bloggen, Kaffeetrinken, Wäschewaschen. Ich plante eine Laufrunde: Laut Vorhersage würde es eh den ganzen Tag durchregnen, es war also egal, wann ich dazu das Haus verließ – ich würde nass werden.

Ich kleidete mich Regenlauf-tauglich und nahm eine U-Bahn zum Odeonsplatz.

Manche schöne Fotomotive gibt’s halt nur mit Regen.

Diesmal kein Pfützenspringen: Nach einem Fehltritt gleich am Anfang (Pfütze versteckt unter Laub) waren Schuhe, Socken, Füße nass – jetzt war’s wurscht, ich konnte durch die nächsten einfach quer durch patschen. Versuchte allerdings, Wassertiefen über Knöchel zu vermeiden.

Es regnete mal mehr, mal weniger, aber nie so stark, dass der Schutz meiner Brille durch den Schirm der Mütze überwunden wurde und ich nichts mehr sah.

Dreimal Menschliches:

1) Vor mir joggte langsam ein Frau, die immer wieder anhielt, sich die Seite hielt. Sogar langsamer als ich (zur Erinnerung: ich bin die langsamste Joggerin an der Isar und sorge mich immer, wenn ich jemanden überholen muss). Nach blitzschnellem inneren Hin und Her (Scheu vor Übergriffigkeit versus Hilfsbereitschaft) sprach ich sie beim Passieren vorsichtig an: “Alles ok?” Sie wehrte glaubhaft ab und machte nicht den Eindruck, sich belästigt zu fühlen

2) Der barhäuptige, patschnass geregnete Jogger, der mir mit strahlendem Lächeln entgegenkam, beide Daumen reckte: “Großartig!”

3) Die Frau in kompletter Regenkleidung, die ich schon von Weitem mit dem Rücken zu mir auf dem Weg kauern sah, die Arme ausgebreitet. Beim Näherkommen sah ich, dass ihr Blick und wohl auch die Arme einem mittelgroßen Hund galten, der etwa 20 Meter vor ihr stand und sie regungslos anblickte. Als ich an ihr vorbeilief, erhob sie sich gerade und erklärte: “Der hat heute wirklich keinen Bock. Das hat er mir sehr klar gemacht.” Ich lachte auf. (Bedürfnisorientierte Hundehaltung?)

Der Körper machte super mit (ich behalte das mit dem vorbereitenden Faszienrollen mal bei, vielleicht gibt es einen Zusammenhang), ich gönnte mir zwei Stunden Lauf.

Heimfahrt mit der Tram, ich begann zu frösteln. Daheim ausgiebige heiße Dusche.

Zum Frühstück gab es um zwei ein Äpfelchen, dann restlichen Zuckerhut in Joghurtdressing mit reichlich Granatapfelkernen, abschließend ein Honigbrot.

Nach einem komplexeren Lochzunähen (für das ich inzwischen nicht mehr die richtige Brille habe – ich dachte an meine polnische Oma mit Näh-Brille auf der Nasenspitze, die mich bat, mit meinen “jungen Augen” Faden für sie in die Nadel zu fädeln), machte ich mich an die geplante Erledigung Bügeln, dabei hörte ich Holger Kleins Interview mit Sepp Stückl, dem Gründer der Münchner Schwuhplattler an (vielen Dank für den Tipp in den Kommentaren!): Unter anderem ein Stück Zeitgeschichte über das Coming Out auf dem Land in den 1990ern (Stückl kommt aus Uffing am Staffelsee):
“Sepp Stückl: Ein Schwuhplattler über Toleranz und Tradition”.

Es wurde früh dunkel bei immer noch pritschelndem Regen.

Eine Folge Yoga (ich merkte den Zwei-Stunden-Lauf an sehr mangelnder Geschmeidigkeit), zum Abendessen machte ich mir restliche Pasta e lenticchie warm, mit Gemüsebrühe verlängert. Nachtisch Schokolade.

§

Vielleicht gibt es neben Introvertierten und Extrovertierten noch eine Menschengruppe, die keiner dieser Neigungen zuzurechnen ist:
“Oft ist in der Psychologie von Introvertierten und Extrovertierten die Rede. Psychiater Rami Kaminski will einen dritten Typus identifiziert haben.”

Man könnte diese Leute als freiwillige Außenseiter bezeichnen: Sie hegen eine tiefe Skepsis gegen Gruppenbildungen jeglicher Art und halten sich davon fern.

Auch wenn ich erstmal skeptisch war und Kaminski vor allem mediale Aufmerksamkeit als Ziel unterstellte, lasen sich die konkreten Menschen, deren Verhalten er beschreibt, tatsächlich zuordenbar.

§

“Manfred Rebhandl über das leere Haus seiner Eltern. Eine Erinnerung”.

Zwar gibt es kein Haus, zu dem ich solch einen Bezug habe (in dem eisern erarbeiteten Eigenheim meiner Eltern, das sie fast so wie beschrieben pflegen und versorgen, lebte ich nur drei Jahre vor meinem Auszug in die eigene Wohnung), doch ich kann alles nachfühlen.

§

Margaret Atwoof geht es gut, sie ist streitbar wie eh und je – ein schönes Interview mit ihr im Guardian:
“‘It is the scariest of times’: Margaret Atwood on defying Trump, banned books – and her score-settling memoir”.

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Sonntag, 2. November 2025 – Manche Fotomotive gibt’s nur im Regen“

  1. Karin meint:

    Danke für den Artikel von Manfred Rebhandl. So traurig, so wahr. Ich kann das zu 100 Prozent nachfühlen. Noch schlimmer: wenn das Haus dann verkauft und abgerissen wird. Wie ein zweites Mal die Nabelschnur durchtrennen.

  2. Nadine meint:

    Danke für den Artikel zu den “Otrovertierten” – das bin voll ich… Was mir aber beim Lesen schon in den Sinn kam und auch in den Kommentaren zu dem Artikel thematisiert wurde. Eigentlich beschreibt das ganz gut das Denken/Verhalten neurodiverser Personen…

  3. PaulineM meint:

    Auch von mir Danke für den berührenden Artikel von Manfred Rebhandl. Vieles darin hätte mein Elternhaus und meine Familie sein können. Meine Eltern haben das Haus 1952 aus einem Trümmergrundstück aufgebaut, vieles mit eigenen Händen. 2007 haben wir Kinder es verkauft nach dem Tod unserer Mutter, der Vater war schon Jahre vorher gestorben. Nie wäre uns der Gedanke gekommen, es zu verkaufen, wenn einer der beiden noch gelebt hätte.

  4. Frau Irgendwas ist immer meint:

    Zum Thema Elternhaus ohne Eltern: `This house is empty now`! Damit ist alles gesagt – nicht das Gebäude, die Menschen machen DAS! Haus aus.

Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)

XHTML: Folgende HTML-Tags sind erlaubt: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>


Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.