Essen & Trinken

Journal Freitag, 6. Juni 2025 – Arbeit, Besorgungen, gutes Essen

Samstag, 7. Juni 2025

Kurz vor Weckerklingeln aufgewacht mit dem Gefühl, genug Schlaf bekommen zu haben.

Am fünften Tag in Folge keine Süddeutsche im Briefkasten; die ersten vier hatte ich bereits reklamiert, ungefähr bei dieser Grenze kam bislang ein Anruf mit Bitte um Entschuldigung. An Arbeitstagen kann ich mir ja mit dem Büro-Examplar behelfen, wenn ich schnell genug bin. Jetzt hoffe ich, dass wenigstens die Wochenend-Ausgabe eintrifft.

Keine Jacke für den Arbeitsweg, das langärmlige Baumwollkleid hielt warm genug. Nach nur Ahnungen in den Vortagen jetzt ganz deutlich: Die Linden blühen duftend. Weitere Natur: Zwei orange Eichhörnchen, die einander jagten, am Himmel viele Mauersegler, auf einem Bauzaun ein junger Rotschwanz. Und auf dem Platz vor dem Verkehrsmuseum zwei Frauen beim Yoga, ich passierte sie im forward fold.

Ich begegnete vielen aufgebrezelte Hijabis in prächtigem Glitzer (ihre männlichen Begleitungen ebenfalls festlich gekleidet), da fiel mir ein: Gestern war Opferfest.

Der Arbeitsrechner verschluckte sich seit 24 Stunden an erforderlichen Updates, erzwang dabei immer wieder Neustarts. Das ist immer eine ärgerliche Arbeitsunterbrechung, gestern ärgerte ich mich zusätzlich, weil ich gerade die Programme, die ich ständig brauche, zur jetzt so viel besseren Übersicht auf meine drei Bildschirm (MS Teams auf Laptop) verteilt hatte. Bisher bedeutete ein Neustart vor allem Ärger, weil ich mich in den meisten Programmen anmelden muss – und nach Neustart nochmal. (Hat da jemand „single sign on“ erwähnt? Wird in meinem Berufsleben seit mindestens 20 Jahren behauptet, ordne ich mittlerweile als Schlangenöl ein.) Die Arbeit mit mehreren Bildschirmen gefällt weiterhin sehr gut und hat eine angenehme Cockpit-Note.

Im Vordergrund ein Café-Tischchen aus Holz mit Intarsien, darauf eine blaue Tasse Cappuccino, im Hintergrund Café Besucher:innen und durch die große Glasfront sonnige Außenplätze

Mittagscappuccino im Westend, der Marsch hin und zurück in eher sonnigem Wetter, in Wind und milder Luft sehr angenehm.

Später beim Mittagessen (Nektarinen, Hüttenkäse) stellte ich allerdings den ersten Nachteil der schönen neuen Welt mit multiplen Bildschirmen fest: Der Schreibtisch ist ganz schön voll. Teetasse oder Wasserglas kann ich nur noch mit Strecken erreichen, eine Zeitung passt zum Lesen nicht mehr an die Seite – ich musste die Fensterbank rekrutieren.

Gestern zwickte es überdurchschnittlich schmerzhaft links von der Lendenwirbelsäule, was mich besonders oft zwischen Arbeiten im Stehen und im Sitzen wechseln ließ. Irgendwann probierte ich als Gegenmittel die Kamel-Rückbeuge aus der Yoga-Gymnastik im Stehen: Es krachte an verschiedenen, auch unerwarteten Stellen im Körper – und das Zwicken war weg. (Ich wünschte, ich wüsste für jede Art von Zwicken solch wirkmächtigen Gegenmittel.)

Nach pünktlichem Feierabend nahm ich eine U-Bahn in die Innenstadt für Besorgungen – leider mit geringem Erfolg. Im Camper-Laden probierte ich zwei Sandalen-Modelle, die ich online entdeckt hatte, doch schon nach wenigen Schritten wusste ich, wo ich auch nur mit 100 Schritten mehr Blasen haben würde. Also keine neuen Sandalen. Dann suchte ich beim Ludwig Beck nach meinem neuen Nagellack-Liebling: Dort wurde genau diese Marke OPI gerade aussortiert, und die gesuchte Farbe, so wurde mir beschieden, sei ohnehin seit Jahren nicht mehr im Programm. (Nebenbei wieder bemerkt: Auf der Theatinerstraße sehe ich immer ausgesprochen interessant gestylte Frauen verschiedenen Alters.)

Etwas erfolgreicher: An seinem letzten Arbeitstag vor Urlaub holte ich mir im Vorbeigehen beim Friseur einen Termin nach seinem Urlaub – werde allerdings noch drei Wochen eingewachsen durchhalten müssen. Wenigstens bekam ich im Allnatura nahezu alles von der Einkaufsliste.

Daheim Yoga-Gymnastik, dann Freitagabend-Drinks:

Auf einer Balkonbrüstung zwei Weißweingläser mit trüber heller Flüssigkeit, dahinter Bäume

Wir gossen nochmal handgemachten Vin d’orange mit Prosecco auf (das letzte Restl mit Mineralwasser – das schmeckte uns sogar noch besser).

Ein Block Thunfischfleisch in Farbverlauf hellrose bis weinrot auf einem Stück Wachspapier

Herr Kaltmamsell hatte eine Hypothek auf unsere Wohnung aufgenommen, die uns nicht mal gehört, und auf meinen seltenen Wunsch frischen Thunfisch zu Goldpreisen gekauft: Einen, den man ethisch vertreten kann, von einem spanischen Familienbetrieb mit eigenen Händen gefangen und beim Dallmayr in die Theke gelegt.

Holztisch mit Bast-Sets, darauf Glasteller mit gebratenem Thunfisch-Steak, grünem Spargel, einer mittelbrauenen Sauce, sonst auf dem Tisch gelbe Servietten, Gabel und Messer, gefüllte Weingläser mit Rosé

Es gab ihn mit gebratenem grünen Spargel (dieses Jahr habe ich nicht die geringste Lust auf weißen), beides mit einer Haselnuss-Chili-Sauce, die mir eingefallen war und die Herr Kaltmamsell umsetzte. Schmeckte alles hervorragend, dazu passte der spontanvergorene Rosé Pittnauer Dogma.

Nachtisch Speiseeis und Schokolade, Abendunterhaltung war eine neue TV-Serie, deren Beschreibung ich attraktiv fand, unter anderem weil darin allgäuer Schwäbisch gesprochen wird: Tschappel, hier in der Mediathek. Ich fand die ersten beiden Folgen tatsächlich originell in ihrer nicht-realistischen, schnellen Machart, sehr nett ein bissl drüber – doch auch die werde ich sehr wahrscheinlich nicht weiter schaffen.

Im Bett war mir nicht nach der düsteren Stimmung von Unser Deutschlandmärchen, statt dessen griff im zu einem Papierbuch, das schon so lange auf meinem Nachtschränkchen steht, dass es sich zu verbiegen beginnt: The Season. A Candid Look at Broadway von William Goldman (den man vor allem als Drehbuchautor kannte, der aber auch sehr spannende und reflektierte Bücher über die Branche schrieb). Gleich im ersten Kapitel beschreibt er einen der späten Auftritte von Judy Garland – das war genau das richtige vorm Einschlafen.

§

Gestern zum ersten Mal zufällig das Mastodon-Profil von @novemberregen geöffnet – und mich sehr gefreut, denn da steht etwas, was wir alle, die wir wo und wie auch immer Sachen ins Web schreiben, berücksichtigen sollten:

Personal Commitment:

I take responsibility for what I share on social media.
I don’t post anything that degrades, dehumanizes, or makes blanket judgments – not even for a supposedly good cause.
I check sources and think about possible impact.
I won’t build belonging through mockery or outrage.
I care about real engagement – nuanced, respectful, open.

I make mistakes. If you spot one, please tell me.

Journal Donnerstag, 5. Juni 2025 – #WMDEDGT? mit einem Streetart-Memorial

Freitag, 6. Juni 2025

Frau Brüllen fragt an jedem 5. im Monat: “Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?” -“WMDEDGT?” – und sammelt die Antworten diesmal hier.

Der sehr frühe Wecker rettete mich aus Angst mit schnell und hart schlagendem Herz: Erleichtert stand ich auf für Milchkaffee, Fertigbloggen, Zähneputzen, Katzenwäsche, Laufkleidung, Morgenkaffee für Herrn Kaltmamsell, Bankstütz. Und dann lief ich an die Isar.

Wie vorhergesagt, regnete es ein bisschen (die Unwetterwarnungen waren bereits vor Mitternacht aufgehoben worden). Doch da die Luft mild war, brauchte ich als Regenschutz lediglich meine Schirmmütze und ließ mich in hin und wieder von Regentropfen feuchtregnen.

Asphaltierter Weg durch Park mit dichten Bäumen

München ist ordentlich.

Ich war oft an ihm vorbeigelaufen, der Herr hatte es sich in der Unterführung der Brudermühlbrücke mit viel Ausstattung häuslich gemacht. Doch irgendwann standen Kerzen am Ort der Häuslichkeit. Heute entdeckte ich, dass Streetart die Unterführung in ein Memorial für ihn verwandelt hat.

Das fand ich sehr rührend.

Die gut 70 Minuten Lauf waren genau richtig, ich fühlte mich gut durchbewegt und erfrischt.

Zackiges Duschen, Körperpflegen, Anziehen, gegen das regnerische Wetter schlüpfte ich für den Marsch in die Arbeit in meinen Kapuzenmantel.

Über den Vormittag regnete es vorm Bürofenster immer wieder kräftig, gut so. Ich schaute nach einem Friseurtermin, denn ich fühle mich bereits ziemlich eingewachsen. Doch Herr Friseur macht erstmal zwei Wochen Urlaub – mal sehen, ob ich durchhalte oder einfach irgenwohin gehe.

Zum Mittagscappuccino unter Kapuze, die musste aber lediglich Tröpfeln abhalten.

Emsigkeiten bis Mittagessen, dann gelbe Kiwi sowie Hüttenkäse mit ein wenig Leinsamenschrot.

Nachmittags unter anderem jemandem etwas beigebracht, vermutlich mit deutlich zu vielen Details für echtes Hängenbleiben. Na gut, war eh die erste Stufe: Zeigen und Zugucken. Die nächste Stufe Selbermachen, während ich zugucke – die kommt ja noch.

Ich bekam meinen zweiten Bildschirm und eine Einführung. Und stellte sehr schnell fest: Wie geil ist DAS denn!

Fürs Abendessen war ich zuständig. Ich nahm eine U-Bahn zum Marienplatz, um am Viktualienmarkt beim Tölzer Kasladen noch etwas zum geplanten Ernteanteil-Salat zu kaufen. Ich musste ein wenig in der Schlange warten, tat das aber zum einen gern, weil ich das flinke, aber immer aufmerksame und zugewandte Personal schätze, zum anderen weil mir das Zeit zum Umschauen gab. Als ich drankam, erfuhr ich auch Trauriges: Den Donauwörther Landkäse gab es derzeit nicht, weil die Käserei Opfer des schlimmen Hochwassers vor genau einem Jahr wurde und jetzt erst wieder aufgebaut wird.

Abstecher in den Eataly für italienische Nektarinen aus Direktimport. Daheim Yoga-Gymnastik, dann richtete ich das Nachtmahl an.

Es erwies sich, dass Nektarinen hervorragend zu Stilton passen. Das Abgefahrenste auf dem Käseteller war allerdings der noch unreife Graukäs, der aussah wie verschiedene zusammengepappte Käsebrösel. Nachtisch Schokolade.

Im Bett neue Lektüre: Dinçer Güçyeter, Unser Deutschlandmärchen – gleich mal von den poetischen Erzähltechniken überrascht worden.

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Nature writing hat in der englischsprachigen Literatur eine lange Tradition, immer wieder gibt es auch Ausgaben zu diesem Thema vom Literaturmagazin Granta. Meist geht es in irgendeiner Weise um die intensive Begegnung eines Menschen mit einem heimischen Tier, um die Auswirkungen dieser Begegnung auf die Einstellung des Menschen zu Natur und um die Reflexion dessen. Ich würde aber auch den Roman Watership Down ganz ohne Menschen in diese Kategorie einordnen. Warum gibt es wohl in dieser Ausprägung keine deutschsprachige Tradition? Tiergeschichten wie die von Felix Salten sind ganz anders.

Gleichzeitig kommen deutsche Übersetzungen von typischen Vertretern dieses nature writing in Deutschland sehr gut an, H is for Hawk von Helen Macdonald war auch als H wie Habicht ein Bestseller (Empfehlung, ist wirklich gut). Jetzt also Chloe Dalton, Raising Hare, deutsch Hase und ich (nein, mir fällt kein besserer Titel ein – schade, dass auch niemandem bei Klett-Cotta). Während der Corona-Einschränkungen lebt die beruflich sehr umtriebige Chloe in ihrem Haus auf dem Land. Sie stößt in dessen Nähe auf einen verwaisten Junghasen – und nimmt ihn nach einigem Zögern mit. Das Buch schildert, wie sie das Junge durchbringt, sehr bemüht darum, dem Wildtier das Wildsein zu lassen: Chloe gibt ihm keinen Namen, streichelt es nicht, fasst es nur notfalls an. Sie liest sich tief ins Hasentum ein, in historische Perspektiven, in seine Rolle im Ökosystem. Und sie schildert ihre Beobachtungen des Tiers – im Bewusstsein, dass sie ihm dafür so nahe kommt, wie es nur selten Menschen vergönnt wird. Natürlich macht das etwas mit Chloe, verändert sie durch Einsichten und Erlebnisse.

Das war für mich ungemein spannend und anrührend zu lesen, ich lernte viel. Lese-Empfehlung, auch wenn das letzte Kapitel überflüssig ist und den Haugout von Seitenschinden hat: Eine nochmalige Introspektion und die Predigt zu Achtsamkeit im Umgang mit der Natur hätte es aus meiner Sicht nicht gebraucht.

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“Ingolstadt erkennt Zeitungsverleger Reissmüller posthum die Ehrenbürgerwürde ab”.

Der frühere Herausgeber des “Donaukurier” hatte seine Rolle im NS-Staat bis zu seinem Tod vertuscht. Nun distanziert die Stadt sich von der einstigen Machtfigur, die Kritik rigoros unterdrückte.

Dieses Reissmüller-Ingolstadt ist auch das Ingolstadt, das man in Marieluise Fleißers Werken erleben kann. Und das, wie ich auf einer Beerdigung vor zwei Jahren feststellte, immer noch gelebt wird. (Es gibt auch andere Ingolstädte! Sonst würden sich nicht so viele wundervolle Menschen dort wohl fühlen!)

Journal Mittwoch, 4. Juni 2025 – Aber schöne Füße

Donnerstag, 5. Juni 2025

Nacht mit vielen Träumen (unter anderem irgendeine Mischung aus “Bares für Rares” und “Kunst und Krempel”, der wertvolle antike Gegenstand hatte irgendwas mit Nasen zu tun), zu denen mein Körper sich unbequeme Armhaltungen ausdachte: Einmal wachte ich auf dem Rücken auf (ich werde über die vergangenen Jahre immer deutlicher von der Seiten- zur Rückenschläferin – vielleicht Auswirkung der Physio-Erklärung in der Reha 2019, das sei mit sehr flachem oder gar keinem Kissen die LWS-freundlichste Schlafhaltung) mit Händen hinterm Kopf, einmal mit den Unterarmen überm Bauch.

Ich wachte unwillig, aber zu blauem Himmel mit Sonnenschein auf, durchs offene Fenster kam milde Luft herein. Das passte mir gut, so konnte ich für den mittäglichen Pediküre-Termin frierfrei in Sandalen schlüpfen.

Sonniger Platz mit einer prächtigen Villa, davor Bäume

Bis zu diesem Termin war eine Menge zu tun, aber nichts Unangenehmes, und es drängelte auch niemand.

Mittagscappucino bei Nachbars, zu echter Mittagszeit marschierte ich ins östliche Westend zu meiner Kosmetikerin. Es war sehr warm geworden, ich suchte den Schatten. Allerdings passierte, was mir immer beim ersten Laufen in offenen Schuhen der Saison passiert: Ich lief mir sogar in den rundum bequemen Sandalen eine kleine Blase.

Blick von oben auf nackte Füße in weißen Sandalen, die Zehennägel dunkelpink lackiert

Eine Weile später marschierte ich mit schönen Füßen und lackierten Zehennägeln zurück, inklusive Wissen um den Namen des neuen Lack-Lieblings bereits vom letzten Mal – vielleicht komme ich ja doch noch ran und kann ihn auch daheim einsetzen.

Mittagessen über der Tastatur: Aprikosen, Quark mit Joghurt.

Am Nachmittag ordentlich was weggearbeitet, noch keinerlei Anzeichen für die angekündigten Umwetter.

Auf dem direkten Heimweg ein paar Regentropfen, es war sehr schwül. Zu Hause Yoga-Gymnastik und Häuslichkeiten: Unter anderem den schon wieder mehltauigen Waldmeister im Topf vor seinem sicheren Tod abgeernetet und in vier Bündeln eingefroren, im Vorjahr hatte ich ja belegt, dass Einfrieren dieselbe Wirkung wie Welken hat und den Duft freisetzt.

Auf einem Holztisch eine weite Pfanne mit Mohnnudeln, dahinter auf einem Bastset ein Glasteller

Zum Nachtmahl verwendete Herr Kaltmamsell Lagerkartoffeln aus Ernteanteil für köstliche Mohnnudeln. Danach ging aber noch Schokolade.

Jetzt gab es ein bisschen Hagel und Sturm, hörte bald wieder auf.

Früh ins Bett zum Lesen, Chloe Dalton, Raising Hare beendet – dazu später mehr.

Journal Dienstag, 3. Juni 2025 – Verschiedene Vergangenheiten zur selben Zeit

Mittwoch, 4. Juni 2025

Es regnete morgens genau den sanften Landregen, den der Boden gerade dringend benötigt. Total super, nur gestern ungeschickt getimet, weil ich auf dem Weg in die Arbeit beide Hände voller Tablett mit Nussbaierkuchen haben würde und keine frei für Regenschirm.

Hier das Rezept.
Ich schlüpfte in meinen Kapuzenmantel, und tatsächlich erwies sich dieser als genau richtig: Es ging nicht der geringste Wind, die weite Kapuze blieb schützend über meinem Kopf.

Diesmal war ich gerüstet für Nässe von unten, hatte Wechselfußkleidung eingesteckt – doch bei leicht trocknenden Schuhen und lediglich feuchten großen Zehen brauchte ich sie nicht.

Einen zweiten Bildschirm beantragt, weil ich
– beim Hantieren mit Kalendern, Listen, Websites für eine meiner zentralen Aufgaben davon wirklich profitieren könnte,
– Angst habe, zu der einen alten Kollegin zu werden, die sich störrisch an ihre veraltete Ausstattung klammert, weil MEHR BRAUCHT’S JA WOHL NICHT, IHR WEICHEIER!

Etwas tumultöser Vormittag, aber ich floh auf einen Mittagscappuccino ins Westend. Als ich zurückkam, standen alle vorm Bürogebäude: Feueralarm. (Nichts passiert, nach wenigen Minuten durften alle zurück.)

Später gab es zu Mittag eingeweichtes Muesli mit Joghurt, außerdem Aprikosen (überraschend gut). Mehr heftiges Arbeiten.

Nachmittags Kreislaufturbulenzen mit Schweißausbruch, anschließendem Frieren und Fressattacke: Zwei Stücke Kuchen in der Teeküche mussten dran glauben.

Insgesamt war ich zu Feierabend schon wieder so durch und erschöpft, dass ich es fast nicht auf den Heimweg schaffte.

Nach Hause über Einkäufe im Vollcorner, die Luft sehr schwül.

Kurz vor daheim fiel mich ein wundervoller Blütenduft an. Ich indentifizierte die Quelle.

Hellrosa offene Rosenblüte zwischen schmiedeeisernen Zaunstangen

Daheim Waschmaschine gefüllt, Erdbeeren geschnippelt, Brotzeit vorbereitet.

Ich lasse mich ja von Ihnen influencen, auf Empfehlung von Sylvia gingen wir also fürs Abendessen zur Slurp Nudelbar am Bahnhof.

Völlig kahle Litfaßsäule vor Straßenbahn und Bäumen

Anblick unterwegs – lasst die Litfaßsäule doch nicht so nackig rumstehen, zieht ihr doch wenigstens ein Röckchen an.

Holztischplatte mit zwei schwarzen Suppenschüsseln, darin Suppe mit reichhaltiger Einlage, Stäbchen, großer schwarzer Suppenlöffel

Baukastensystem mit sechs verschiedenen Zutaten-Zusammenstellungen: Für mich mit gebratenem Hühnchen, viel Gemüse, Glasnudeln. Schmeckte wirklich gut, die Spielkomponente des Zutaten-Buffets fehlte natürlich. Als Nachtisch gekamen wir eine Kugel Vanilleeis spendiert.

Auf dem Heimweg immer wieder Regentropfen, zu Hause gab es als zweiten Nachtisch Erdbeeren und Mini-Schokoküsse.

§

Bereits am Montag bloggte Maximilian Buddenbohm:
“Entscheidungsfragen”.

Ich habe die Vermutung, aber das ist nur ein vollkommen unbelegter Gedanke ohne jede empirische Grundlage, dass in den Jahrgängen der Söhne Zufallsverbindungen eine größere Rolle bei der Berufswahl spielen werden als bei denen, die vor ihnen dran waren. Etwa im Sinne von: „Ein Kumpel macht gerade was in einer Werbeagentur, dann sehe ich mir das da auch einmal an.“ Was dann eine eher lapidar anmutende Art wäre, zu großen Entscheidungen zu kommen. Aber vielleicht ist es auch die genau passende Art für eine Generation, die sich jederzeit umentscheiden kann. Nach aller Voraussicht sogar für lange Zeit, vielleicht lebenslang. Denn sie wissen natürlich, dass dies so ist.

Nun, man wird sehen. Die furchtbare Grundangst jedenfalls, bei der Richtungswahl schwere und folgenreiche, kaum jemals wiedergutzumachende Fehler zu begehen, die meiner Generation noch so vertraut war, die uns auch von den damals wirtschaftswundergeprägten Erwachsenen so gründlich eingeimpft wurde, die nehme ich bei dem, was mir an Jugend zur Beobachtung gelegentlich zur Verfügung steht, bisher jedenfalls nicht wahr.

Und wieder fällt mir auf, dass man zur selben Zeit im selben Alter und in derselben Kultur komplett verschiedene Vergangenheiten haben kann (soviel zur Abgrenzbarkeit von Generationen, in diesem Fall der Generation X). Denn mein eigenes Gefühl am Ende der Gymnasialzeit 1986 war: Ich kann ALLES machen, was nehm ich nur? Mich damit für alle Zeit und Ewigkeit zu etwas zu verpflichten, gehörte überhaupt nicht dazu. Um ein Zeitungs-Volontariat bewarb ich mich nicht nach sorgfältiger Recherche und Überlegung oder weil ich dort vorher bereits tätig gewesen wäre, sondern weil mein hoch geschätzter Griechischlehrer diese Ratlosigkeit kommentierte mit: “Sie sind so vielseitig interessiert – warum gehen Sie nicht in den Journalismus?”

Was unterschied mich wohl?
1. Meine Eltern (“Gastarbeiter” und Zwangsarbeiter-Tochter – deutlicher Unterschied zur gebürtig deutschen Nachkriegsgeneration) erzeugten eher Druck mit: Wir haben dir alle Möglichkeiten verschafft, die uns selbst nicht zur Verfügung standen, und der Hergott hat dir Talent geschenkt – das MUSST du zu Großartigem nutzen. (Unter anderem kam das von meiner Mutter als Empowerment gemeinte “Du kann alles werden, was du willst” bei mir so an.) Sie unterstützten alle meine Ideen: Ich erinnere mich, wie mein Vater nach Verlautbarung meiner Journalismus-Pläne Broschüren aus der Audi-Presseabteilung als Infomaterial heimbrachte – <3.
2. Meine impulsive und wissbegierige Persönlichkeit: Ich fand SO viel spannend und versuchenswert.
Meine Zuversicht, dass ich spannende Dinge ausprobieren konnte, ohne mich damit für alle Zeit festzulegen, mag auch eher an Persönlichkeitsstruktur liegen.
3. Ich hatte keinerlei Familienpläne, im Gegenteil war mein Nichtkinderwunsch von klein auf ausgeprägt (erste bezeugte Äußerung “Also ich will mal KEINE Kinder haben!”, als ich sieben war). Das verschaffte mir enorme Freiheit, weil ich in meiner Lebensplanung (welcher junge Mensch hat die wirklich?) nicht einkalkulieren musste, irgendwann eine Familie zu versorgen / zu betreuen.

Gleichzeitig gab es in meinem Abiturjahrgang (nur 49-köpfig, weil altsprachliches Gymnasium) viele, die BWL oder Maschinenbau studierten: Das versprach in der Audi-Stadt Ingolstadt Job-Sicherheit – ein Irrtum, wie sich erwies, viele mussten mit diesem Studienabschluss Anderes tun.

Über die Jahrzehnte Berufstätigkeit erlebte ich dann unter anderem im ca. ersten Jahrzehnt des Jahrtausend (komplett nicht repräsentativ natürlich) eine Generation, die als Studierende ungemein zielgerichtet und erfolgsorientiert war, unter anderem jedes Praktikum auf Wirkung im Lebenslauf abklopfte, das Auslandssemester lieber bleiben ließ, um schneller den Abschluss zu schaffen – und dann mit 22 und einem Uni-Abschluss auf der Straße stand, weil sie den Unternehmen trotz aller schicker Praktika einfach zu jung und unerfahren waren.

Derzeit erlebe ich wieder eher Azubis und Studierende, die mir offen für Vieles vorkommen, und nicht alles muss gleich gelingen.

Journal Sonntag, 1. Juni 2025 – Geschäftigkeit vor Arbeitsstart

Montag, 2. Juni 2025

Mai schon rum, dieses Jahr habe ich das Gefühl, nichts davon mitbekommen zu haben.

Der Morgen war wie angekündigt düster, aber mild genug für Balkonkaffee.

Für meinen Isarlauf setzte ich lieber eine Schirmmütze gegen potenzielle Regentropfen auf Brille auf, nahm auch statt Fahrrad die U-Bahn raus nach Thalkirchen, lief von dort Richtung Süden. Es wurde ein schöner Lauf, die wenigen Phasen Sprühregen beeinträchtigten ihn nicht. Ich bekam Blüten in vielen Farben und Formen zu sehen und zu riechen, die Pflanzenwelt barst vor Saft. Und ich begegnete Küken (bairisch Biberl) – es ist Flausch-Time! Der alte Körper spielte problemlos mit, ich achtete wieder darauf, nicht zu sehr auf dem Vorfuß zu federn; erst ganz am Ende zwickte die böse Wade ein wenig.

Blesshuhnnest im Hintergrund.

Regentropfen auf dem Hinterbrühler See.

Der Isarstand nicht ganz so elend niedrig wie auch schon.

Düsterer Himmel und Regen sorgten für Menschenarmut, herrlich.

Akelei mit Sinn für Location.

Bei Pullach.

Nach gut 100 Minuten Lauf nahm ich die U-Bahn zurück nach Hause.

Gestern kochte Herr Kaltmamsell schon mittags, denn zum Abendessen war ich anderweitig eingeladen.

Es gab die Agretti aus Ernteanteil als Pastagericht mit Pinienkernen und Parmesan, so schmeckte das Grüne so herb intensiv wie möglich.

Durchgetakteter Nachmittag bis Abendverabredung. Am Dienstag bin ich beruflich dran mit Kuchenmitbringen, da ich am Montagabend nicht zu Kuchenbacken gezwungen sein wollte, backte ich vor: Dieser klassische Nussbaiserkuchen (ein Rezept, das vermutlich auf handgeschriebenen oder Schreibmaschine-getippten Zetteln in vielen Küchen meiner Generation und der meiner Mutter herumliegt) schmeckt erfahrungsgemäß nach dem einen oder Tag sogar eh besser.

Wenn ich ein Foto vom angeschnittenen Kuchen machen kann, verblogge ich das Rezept in meiner jetzigen Version.

Nächster Programmpunkt Bügeln. Ich nutzte es für das Aufräumen eines lang offenen Podcast-Tabs:
Marina Weisband fragt in ihrem Podcast Wind und Wurzeln:
“Lohnt sich Fairness in der Politik?”
Wie erwartet mit vielen interessanten Gedanken (die zum Teil von Jeanette Hofmann in ihrem re:publica-Talk unterfüttert wurden), auch wenn ich nicht in jedem Detail mitgehe.

Während meiner Bügelstunden war es draußen wieder sonnig geworden, und sofort kam es durch die offene Balkontür sehr warm herein. Ich ließ es zu, da die kommenden Tage kühler werden sollen.

Brotzeitvorbereitung. Montagmorgen würde dem Arbeitsweg gehören, ich musste also wieder wie im Arbeitsrhythmus vorbloggen, abends war ich ja verabredet. Gleichzeitig sonntägliches Back-up. Nur ganz kurz ins Arbeitspostfach geblinzelt, keine Stinkbomben. (Nein, ich weiß auch nicht, was ich bei Auffinden von ebensolchen getan hätte.)

Dann aber aufbrezeln und ab in die Brasserie Colette. Dort gab es Cremant, Garnele Marocain (die ich in sehr guter Erinnerung hatte – zurecht), Cannelloni (die sich als ein aufrechtes Stück gefüllte Teigrolle erwies) in sehr feiner Erbsensuppe mit einem Glas Sauvignon Blanc, vor allem aber Erzählungen von einer Konferenz in Florenz samt ausgesprochen hochklassiger Unterbringung, von einem Stadtetripp nach Prag (der allerdings meine Trauer verstärkte, dass ich diese komplett überrannte Stadt niemals besuchen werde, Spuren Friedrich Torbergs würde ich ohnhin in diesen Touristenzirkus nicht finden – Prag vor 30 Jahren ist weit oben auf meiner Zeitreise-Liste). Heimweg durch eine warme und schwüle Nacht.

§

Edmund de Waal kündigt in einem instagram-Post sein neues Buch an, an archive. Und erwähnt:

‘there is an element, in any archive, of trespass. Am I allowed in? What is my responsibility to the people who have been here before? How do I respect the dead and their integrity, their individuality and separateness from me? What is excluded, suppressed, forgotten?’

Meine Übersetzung:
Jedes Archiv hat etwas von Grenzüberschreitung. Darf ich hereinkommen? Worin besteht meine Verantwortung den Menschen gegenüber, die vorher hier waren? Wie respektiere ich die Toten und ihre Integrität, ihre Individualität und ihre Unterschiedlichkeit zu mir? Was ist ausgespart, unterdrückt, vergessen?

Wieder eine sehr kluge Perspektive (oft überblättere ich Edmund de Waals Posts auf instagram, weil sie mich in dieser Situation überfordern mit ihrer Tiefe und Intensität): Selbst beim Klick auf Archiveinträge zu mutmaßlichen Verwandten fühlte ich dieses möglicherweise Unerlaubte.

Journal Samstag, 31. Mai 2025 – Freibadsommertag

Sonntag, 1. Juni 2025

Früh aufgewacht, zu meiner großen Freude war es am letzten Tag im Mai warm genug für den ersten Balkonkaffee der Saison (mit Strickjacke).

Blick über Balkonbrüstung in morgensonnigen Park, im Vordergrund auf Balkontisch aufgeklappter Laptop, gefüllte Kaffeetasse, Wasserglas

Balkonblick nach oben in sonnenbeschienenes grünes Laub und blauen Himmel

Und hoch am Himmel ganz viele Mauersegler (falsche Kamera dafür, müssen Sie mir halt glauben).

Herr Kaltmamsell verbrachte den Vormittag vor dem Fernseher: Die Sender mussten nach Pflicht-Providerwechsel neu eingestellt werden, ich bin ihm zutiefst dankbar, dass er das übernahm.

In echtem Sommerlicht mit dazu passenden Temperaturen radelte ich zum Dantebad für meine Schwimmrunde, auf die ich mich sehr freute. Noch bekam ich problemlos einen Parkplatz, die Warteschlange an der Kasse passierte ich mit meiner gut geladenen Bäderkarte.

Im Becken dann sogar überraschend wenige Schwimmer*innen, alle zivilisiert. Wie erhofft befassten sich meine Gedanken mit den Erlebnissen der vergangenen Berlin-Woche, das nahm allerdings ein wenig Konzentration beim Bahnenzählen: Laut Zeit war ich mehr als 3.000 Meter geschwommen.

Duschen, sonnencremen (Gesicht, Nacken, Rücken und Schultern hatte ich bereits daheim versorgt), Bikini-Wechsel, ich legte mich auf der Wiese ein Stündchen in die Sonne.

Jemand fotografiert sich im Liegen auf einem roten Handtuch in rosa Bikinihose, drumrum Freibad-Liegewiese und Bäume

Von Herr Kaltmamsell (echt nicht verfroren) muss die Heizung aufdrehen zu Freibadwetter mit „lange halte ich es nicht in der Sonne aus“ in 48 Stunden.

Als ich das Bad verließ, waren die Liegewiesen dicht belegt, es hatte ja auch richtiges Freibadwetter (Erinnerung an meine Schulzeit vor 40 bis 50 Jahren, als es die absolute Sensation war, wenn man schon in den Pfingstferien ins Freibad konnte).

Auf dem Rückweg noch mehr Männer in Profifußball-Shirts (zu 90 Prozent Italo-Hablantes) auf den Straßen und Wegen (denen das Konzept Radweg offensichtlich komplett fremd war). Zweimal für Ohrenzuhalten wegen LALÜ! vom Rad gesprungen.

Beim Heimkommen war es schon drei, weil mir bereits schwach war, machte ich mir noch vor Aufräumen und Selbstsäuberung Frühstück: Mango und Kiwi mit Sojajoghurt, darin auch Leinsamenschrot und Kürbiskerne.

Die Süddeutsche erinnerte mich per E-Mail daran, dass gestern der letzte Tag meiner Urlaubs-Umstellung auf Online-Abo war. Ich hatte aber keine Lust auf Wochenend-Zeitung (oder die aller Tage der Vorwoche bis auf Mittwoch – ich hatte nur eine geschafft), sondern las lieber meine Mastodon-Timeline und stellte Lieblings-Kurzposts zusammen.

Dazu setzte ich mich auf den verschatteten Balkon, wurde überrascht, dass der leichte Wind eher zusätzlich heizte statt zu kühlen.

Jetzt fühlte ich mich endlich urlaublich träge und entspannt, die Teufelchen auf der rechten Schulter flüsterten nur ganz leise, welche eingebildeten Pflichten ich gerade vernachlässigte (u.a. Bügeln).

Orange Markisenwand lässt nur einen Spalt zum Balkonsims, dadurch sieht man eine Wasserschale, in die gerade eine Amsel ihren Schnabel taucht

Amsel an der Wasserschale.

Yoga-Gymnastik mit viel eagle arms, genau das Richtige nach dem Schwimmen.

Auf einem Balkonsims steht eine hohe schlanke Flasche mit dunklem Inhalt und der Aufschrift "PALO", auf beiden Seiten Longdrinkgläser mit Eiswärfeln und dunkler Flüssigkeit, dahinter Laubbäume in Abendsonne

Als Aperitif endlich ein Gastgeschenk geöffnet, das wir mit der Spielanleitung “mit Mineralwasser aufgegossen abends auf dem Balkon trinken” bekommen hatten: Mallorquinischer Johannisbrot-Kräuter-Likör, gut! Und wenn ich die katalanische Beschriftung der Flasche richtig verstanden habe, dient er auch noch der Malaria-Prophylaxe und verhilft zu ewiger Jugend.

Als Nachtmahl erfüllte mir Herr Kaltmamsell einen weiteren Wunsch: Perfektes Paprikahendl. Unser Traditionsrezept stammt aus dem Blog einer Ungarn-stämmigen Ur-Foodbloggerindem damaligen Rezept-Blog der Zeit und wird sehr gemocht, aber Herr Kaltmamsell probiert ja gerne Neues aus.

Sehr saucenreich und klassisch mit Spätzle serviert, schmeckte gut, aber die kräftigere alte Variante mögen wir lieber. Dazu gab es den Rest Weißwein vom Vorabend.

Nachtisch Schokolade, während draußen der Himmel zuzog, es waren Gewitter angekündigt.

§

Gute verständliche Analyse von Emily Kossak bei den Krautreportern:
“Darum wollen China und die USA die Globalisierung abschaffen
Aber vor allem die Tech-Unternehmen untergraben diese Pläne.”

Der US-chinesische Handelskrieg macht nur Sinn, weil beide glauben, sie kämpfen ein Nullsummenspiel. The winner takes it all, das Techwettrennen kann nur ein Land gewinnen. Aber stimmt das überhaupt? Tim Rühlig hat eine klare Meinung dazu: „Nein, das sind geopolitische Fantasien von Politiker:innen, die keine Ahnung von Techentwicklung haben.“

Journal Freitag, 30. Mai 2025 – Fahrt von Berlin nach München in die Wärme

Samstag, 31. Mai 2025

Vor Weckerklingeln aufgewacht, Wetter unwirtlich.

Erhöhter Blick auf eine regnerische Großstadtkreuzung, umgeben von sachlichen Gebäuden

Bis zum Aufbruch zu meinem Zug zurück nach München hatte ich lediglich Sortieren und Benamsen der Fotos vom Vortag einkalkuliert, Bloggen würde ich auf der Reise.

Nur dass mir so viele bereits ausformulierte Gedanken zum Museumsbesuch am Vortag durch den Kopf gingen, dass ich bei Morgentoilette, beim Anziehen und beim Packen immer wieder an den Rechner springen musste, um sie aufzuschreiben.

Auschecken und Fahrt zum Hauptbahnhof (S-Bahn, damit ich noch ein bisschen gucken konnte) verliefen so flugs, dass ich viel zu früh dran war. Setzte ich mich halt noch lesend an den Bahnsteig. Dort stand abfahrbereit ein ungarischer Zug nach Budapest, ich sah im Speisewagen Passagiere frühstücken, so richtig frisch zubereitetes Frühstück an gedeckten Tischen mit Tischdecken – noch ist die Zivilisation nicht überall untergegangen.

Eine Hand hält einen kurzen blauen Papierstreifen, am Handgelenk ein Band, auf dem man erkennt „blica25“, im Hintergrund unscharf ein Bahnwagon von außen

Fundstück in meiner Handtasche zum Abschied aus Berlin, ein Rest des Konfettiregens bei der Abschiedssause der re:publica (Bändel wurde erst daheim abgeschnitten, sonst sieben Jahre Online-Pech). Auf instagram DM1-Austausch mit einem langjährigen Internet-Kontakt, jetzt stehe ich auf einer Gästeliste Anfang Dezember (ICH WAR NOCH NIE AUF EINER GÄSTELISTE!!1!111).

Im ICE packte ich umgehend meinen Laptop aus und machte mich an die Blog-Arbeit. Mit mir war eine Schulklasse in den Wagen gestiegen, doch wie schon früher in solchen Situationen erwiesen sich die jungen Leute als unauffällige Reisegefährten. (Wenn nicht sogar niedliche: “Ey, kannst du mir a Gummibärli ge’m, Bro?”)

Ganz direkt hatte ich drei Sitznachbarn aus Italien. Die Dame neben mir fragte bald unterwegs, ob wir uns jetzt in der ehemaligen DDR befanden: Der Bildschirm an der Decke zeigte praktischerweise gerade eine Landkarte mit Fahrtverlauf, ich konnte daran die Lage der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze zeigen. Und ergänzte Infos zur chemischen Industrie um Bitterfeld, die man vom Zug aus sehen würde. Später fragten die Herrschaften nach den gelb blühenden Feldern – ich lernte, dass man in Italien Raps nicht kennt (sie recherchierten auf ihren Handys sofort Details). Wir tauschten uns in einer Mischung aus Deutsch und Italienisch aus, ich lernte ein wenig über die Herkunft und Familie dieser Nachbarn.

Blick durch leicht spiegelndes Zugfenster auf Gleise, Bahnleitung, dahinter Robinienwald

Verblühende Robinienwälder.

Allerdings ertappte ich mich, wie ich mich schnell zuständig (und kompetent) für die Erklärung von ALLEM fühlte, bloß weil ich die Einheimische war und sie nicht. Dabei bin ich recht stolz, dass ich meinen angeborenen Hang zum Mansplainen (ist leider nicht zwangsläufig an einen bestimmten Chromosomensatz gekoppelt) mit viel Mühe und Sorgfalt in den Griff bekommen habe (unter anderem durch Vermeiden von Menschenkontakt, aber da trafen sich wohl zwei Ziele besonders günstig). Dass ich mit Bloggen beschäftigt war, half mich zu bremsen.

Keine Lust auf Mittagscappuccino – unter anderem wegen eh Überdrehtheit (oder ich habe mir durch einen Tag nasse Füße doch was geholt?).

“Aanesibzig bis achdeachzig”: In Bamberch gab’s frische Passagiere. Die sich schon wieder als Fußballfans erwiesen, deutlich ungehobelter und alkoholisierter als auf der Hinreise, ich hätte sie gern gegen eine weitere Schulklasse getauscht. Was allerdings schnell dadurch aufgewogen wurde, dass das italienische Trio total begeistert über dieses authentische Erlebnis war (“allegri!”), den Dialekt bemerkte und offensichtlich Geschichten für daheim sammelte. Da freute ich mich für sie.

In Berlin hatte ich eine Kürbiskernbreze als Brotzeit gekauft, beim Warten am Bahnsteig meinen Apfel an eine Bettlerin verschenkt, unterwegs dann aber trotz kneifendem Magen überhaupt keinen Appetit.

Wenig verspätete Ankunft im sonnigen und überraschend warmen München, daheim Herzen und Küssen des Herrn Kaltmamsell. Jetzt musste ich kurz vor drei aber wirklich was essen, es wurde die Breze mit Butter sowie Joghurt mit Resten Zitronat/Orangeat aus der Backkiste (besser wenn länger im Joghurt eingeweicht, aber immer überraschend gut).

Verschiedene Häuslichkeiten, Kofferauspacken, auf meiner Einkaufsrunde für Lebensmittel (u.a. wegen Backplänen) war es noch wärmer geworden.

Yoga-Gymnastik endlich wieder auf einer vernünftigen Matte, die Reisematte (um die ich für die beiden Einsätze sehr froh war) ist halt doch recht glitschig.

Balkonholztisch, darauf zwei Ballongläser mit durchsichtigerEiskugel, leicht rose Drink mit Erdbeerstücken, dahinter über der Balkonbrüstung sonniger Park, vor der Brüstung eine völlig runtergeschnittene große Pflanze

Ernsthaft Balkon (die Pflanzen, Hakenlilien, sahen derart armselig aus, dass ich sie mal wieder abschnitt – braucht also noch eine Weile bis Balkongrün). Wir brauchten den restlichen Erdbeer-Gin vom Vorjahr mit Tonic Water auf.

Dunkle Weinflasche mit schlichtem Etikett vor weißer Wand, zu beiden Seiten gefüllte Weißweingläser

Zum Nachtmahl begleitete ich uns mit einem Schweizer Wein, Direktimport als Gastgeschenk vor fast zwei Jahren: Ein Marsanne Blanche Wittwer aus dem Wallis, kräftig und mit deutlicher Holznote, wenig Säure – passte gut zum Hüftsteak, das Herr Kaltmamsell servierte. (Doch beim Anrichten des Fotos oben ging nach Langem mal wieder ein Glas kaputt; zum Glück nur großer Sprung, ich musste keine Sauerei beseitigen.)

Gedeckter Tisch mit Stroh-Sets, Glasteller mit aufgeschnittenem Fleisch, Gemüse, daziwschen eine Glasschüssel Blatsalat, gegenüber sitzt ein Mann in rötlichem T-Shirt, der auf seinem Teller schneidet

Es beginnt wieder die Zeit mit sommerlichen Stroh-Tischsets und besonders unattraktiv forografierten Glastellern.

Nachtisch: Erdbeeren, Schokolade, schöner Urlaubsabschluss.

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