Essen & Trinken

Journal Dienstag, 26. August 2025 – Wien 5 mit Meiselmarkt, Jüdischem Museum und chinesisch-spanischem Essen

Mittwoch, 27. August 2025

Nacht mit Loch: Nach einem Aufwachen um drei schlief ich lang nicht mehr ein.

Ausführliches Bloggen (wie halt immer im Urlaub), während Herr Kaltmamsell die Aufgabe hatte, den Hauptpunkt des Tagesprogramms zu entscheiden (ich hatte ihm einfach alles zugeworfen, was ich noch an Ideen auf meiner Wien-Liste hatte). Fest stand, dass wir als erstes den Meiselmarkt erkunden würden, den wir am Sonntag beim Spazieren entdeckt hatten und der uns mittlerweile unabhängig davon empfohlen worden war. Fest stand auch die Verabredung zum Abendessen. Die Entscheidung: Wir würden uns an diesem Tag mit dem Jüdischen Museum befassen.

In wieder wundervollem und mildem Sonnenwetter spazierten wir aber erstmal zum unweit gelegenen Meiselmarkt.

Das hatten wir am Sonntag von außen gesehen, der Anblick hatte mich sofort an altmodische Madrider Mercados denken lassen.

Das sahen wir nach Betreten der Markthalle.

Der Vergleich mit Mercados hielt, auch wenn es fast nur Fleisch und fast keinen Fisch in den Auslagen gab (Wien ist ja mit 380 Kilometern nur 20 Kiloemter weiter vom Meer entfernt als Madrid). Sehr viele, sehr unterschiedliche Obste und Gemüsen, viele, viele fast ausschließlich einwanderisch geprägte Metzgereistände (viele Innereien, kroatische Stände mit G’sellchtem und ganzen gebratenen Spanferkeln), spannende Gewürze, Hülsenfrüchte, ein paar Bäckereien, ein Blumenstand, dazu Marktkneipen – und nur wenige Stände waren wegen Sommerurlaubs geschlossen. Wir sahen uns ausführlich um, kauften Kleinigkeiten ein.

Einkäufe in der Ferienwohnung verstaut, ein wenig Brotzeit eingepackt, dann nahmen wir eine U-Bahn ins Zentrum.

Das Jüdische Museum in der Dorotheergasse hatten Herr Kaltmamsell und ich bei unserem ersten Wien-Urlaub vor ca. 20 Jahren besichtigt, doch seither wurde die Dauerausstellung völlig neu konzipiert, und dazugekommen ist ein weiterer Museumsteil am Judenplatz: Hier, wo ab dem 13. Jahrhundert ein jüdisches Viertel gewachsen war, hatte man unter dem Gebäude Judenplatz 8 die Reste einer Synagoge entdeckt und ausgegraben. Außerdem hatte ich gelesen, dass das Jüdische Museum die Netsuke von Edmund de Waal zeigte, die im Zentrum seines familienbiografischen Romans The Hare with the Amber Eyes stehen – deshalb wollte ich über den Palais Ephrussi hingehen, in dem seine Familie die Netsuke einst aufbewahrte.

Palais Ephrussi am Universitätsring (warum die Adresse nicht mehr wie in meiner Erinnerung Dr.-Karl-Lueger-Ring heißt, wurde im Jüdischen Museum im Kapiel Wiener Antisemitismus erklärt). Im Starbucks im Palais bekam ich meinen Mittagscappuccino (genauer: Milch mit leichtem Espresso-Aroma, ich hatte wieder vergessen, dass ich bei Starbucks immer einen Extra-Shot bestellen muss).

Spaziergang durch die touristische Innenstadt zum Jüdischen Museum, hier die Schlange vorm berühmten Café Central (dafür brauchte es ziemlich sicher keine Tiktok-Kampagne).

Die Ausstellungen im Jüdischen Museum gefielen mir sehr gut. Das Haupthaus in der Dorotheergasse konzentriert sich auf das jüdische Wien: Ein Teil schildert die jüdische Geschichte der Stadt nach 1945, thematisiert endlich auch die Jahrzehnte, in denen das nicht-jüdische Wien und Österreich jede Mitschuld an der systematischen Verfolgung und Ermordung ihrer jüdischen Mitbürger*innen im Dritten Reich von sich gewiesen hatten.

In diesem Teil konnte ich Edmud de Waals Netsuke bewundern.

Der andere Teil informiert über das jüdische Wien in den Jahrhunderten davor – sehr nahbar aufbereitet in Kapiteln mit Überblickstexten, dann anhand von ausgewählten Details (Gegenstände, Quellen, Biografien) illustriert. Es gab auch einen Online-Multimedia-Guide (plus stabilem WLAN) zu vielen Exponaten mit Fotos, Audio-Texten, Filmen, doch meist genügten mir die Informationen in der Ausstellung selbst. An passenden Stellen thematisiert: Die Rolle der jüdischen Wiener*innen, die nicht in Geschichtsbüchern auftauchen, zum Beispiel bei der Finanzierung der bedeutensten Bauwerke Wiens durch die Jahrhunderte (mehr oder meist weniger freiwillig).

Im obersten Stockwerk des Hauses besichtigten wir verschiedene Sammlungen, unter anderem eine mit historischen antisemitischen Gegenständen.

Jetzt musste ich aber wirklich etwas essen. Wir spazierten zum nahegelegenen Burggarten und setzten uns gut nach drei zwischen andere Brotzeiterinnen auf eine sonnige Bank; Herr Kaltmamsell hatte sich unterwegs an einem Würstlstand eine gebratene Burenwurst in der Semmel geholt, ich hatte Brot und Weintrauben dabei.

Auf dem Judenplatz steht ein Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah, dahinter sieht man die schmale Fassade des Jüdschen Museums.

Wir blieben gleichmal in der Ausstellung im Erdgeschoß hängen: “Sag mir, wo die Blumen sind…” 80 Jahre nach dem Krieg – Fotografien von Roger Cremers, sehr beeindruckend auf vielen Ebenen (inhaltlich, fotografisch, handwerklich).

Die Hauptausstellung im Haus: “Unser Mittelalter! Die erste jüdische Gemeinde in Wien”, inklusive der Ausgrabung im Keller sehr gut aufbereitet.

Ein drehbarer Bildschirm zeigt, wie das Innere der ausgegrabenen Synagoge wahrscheinlich ausgesehen hat.

Erstmal genug Eindrücke für einen Tag, wir nahmen eine U-Bahn zurück zu unserer Ferienwohnung. Ein Stündchen ausruhen, dann spazierten wir im goldenen Abendlicht zu unserer Abendverabredung mit einer Wienerin aus dem Internet: Auf meinen Wunsch nach asiatisch orientiertem Essen hatte sie die Chinabar vorschlagen – chinesisches Essen mit spanischem Einschlag, das klang attraktiv abgefahren.

Wir saßen draußen vor dem Lokal sehr gemütlich, teilten uns erstmal als Vorspeisen (von unten): Spanische Morcilla (Blutwurst) mit Pilzmischung, Kuttelsalat, Tofu mit Sardellen und Sesamöl (der Knaller des Abends, seither überlegt Herr Kaltmamsell einen Nachbau).

Und ein Grüntee – „Glücksei“ in Hackfleisch-Mantel auf Gemüse. Die beiden Hauptspeisen teilten wir uns auch: Thunfisch Tataki im Sesammantel auf Hausnudeln, Kalbszunge mit Pfefferoni. Dazu trank ich eine hausgemachte Limonade Himbeer-Lichee: knall-lila, sehr wenig süß, sehr gut.

Vor allem aber erzählten wir einander, was wir nicht in die respektiven Blogs oder auf Mastodon schreiben, ich konnte Details erfragen, freue mich jetzt auf die nächsten Berichte aus China. Und wir bekamen spannenden Hintergrund aus Wien und dem 15. Bezirk.

Journal Montag, 25. August 2025 – Wien 4 mit Stadthallenbad, Kunsthistorischem Museum und Loos

Dienstag, 26. August 2025

Ich hatte mir wegen Vormittagsplan sogar einen Wecker gestellt, wachte munter davor auf.

Der Plan: Schwimmen im Stadthallenbad (das eigentlich Stadthallenhallenbad heißen müsste, aber als Wienerin hätte ich auch ein -hallen- rausgekürzt).

Nach Milchkaffee, Bloggen, Selbstreinigung packte ich Minimalschwimmzeug, um halb zehn machte ich mich auf den kurzen Fußmarsch.

Wetter: wolkenlos sonnig und noch ziemlich frisch.

Da ich weiß, wie komplex die Prozesse bis ins Wasser eines Hallenschwimmbeckens sein können, trat ich an die Kassendame gleich mit einem “Guten Morgen! Ich bin zum ersten Mal hier und möchte nichts falsch machen.” heran. Sie erklärte mir dann auch geduldig, dass der Eintritt 8,50 Euro kostete (das wusste ich bereits und war leicht schockiert – im Münchner Dantebad zahlt man heuer 6,50 Euro), dass es Sammelumkleiden und einen mittelkomplizierten Prozess mit Plastikkarte plus Messingmünze für Eintritt, Spind, Verlassen des Bads gab.

Ich kam zurecht, fand auch eine der wenigen Kabinen zum Umziehen, per Ausschilderung zu Duschen und einige Treppen hoch in die Schwimmhalle, die ich bereits von Fotos recht gut kannte. Die Bahnen waren fast leer, ich genoss das Glück eines Arbeitsmontagvormittags im August. Schwimmen ging gut, allerdings sah ich bereits beim Gleiten ins Wasser vorher, was später eintrat: Ab ca. 1.500 Metern fröstelte mich, das Wasser war die wenigen Grad zu kühl für mein persönliches Optimum. So schwamm ich irgendwann mit so hoher Gänsehaut, dass sie mich vermutlich abbremste – aber bei ACHT EURO FÜNFZIG wollte ich bitte meine gesamten 3.000 Meter haben.

Auch den Ausgangsprozess absolvierte ich mit Bravour, draußen war es jetzt warm genug für Jackenlosigkeit. Größere Schleife auf dem Heimweg über eine empfohlene Bäckerei: Brot für abends.

Sehen Sie all die armen ermordeten Parkplätze am Reithofferpark an der Märzstraße?!

Meine Wien-Verliebtheit hält an, ich sehe alles in diesem goldenen Augustsonnenlicht durch die rosarote Urlaubsbrille. Und freue mich auch über das Design dieser Bäckereitüte ohne Hipster-Ausreißer.

Nächster Programmpunkt: Supermarkteinkauf. In der Nähe unserer Ferienwohnung war die Auswahl groß, wir entschieden uns für den heimischen Billa und sahen uns dort gründlich um.

Die Weinregale fast ausschließlich mit österreichischen Produkten gefüllt, Herr Kaltmamsell freute sich über den Uhudler – er hatte kürzlich zu der Traubensorte dahinter recherchiert, war auf diesen sehr speziellen Wein gestoßen und wollte ihn gern probieren. Außerdem kauften wir fürs Nachtmahl ein.

Einkäufe verräumt, jetzt gingen wir kurz nach eins frühstücken. Am Café Lorenz hatten wir eine Tafel entdeckt, die Saure Wurst anbot und Bauernpresswurst mit Kernöl: Genau diese Speisen wollten wir probieren.

Herr Kaltmamsell überzeugte sich, dass Saure Wurst nicht dasselbe ist wie Bayerischer Wurstsalat, ich dass Bauernpresswurst nicht identisch ist mit bayerischem Presssack (sie enthielt viel mehr Fleisch) und dass Kernöl hervorragend dazu passt. Ein Genuss auch die frischen Handsemmerln.

Nachmittagsprogramm: Kunsthistorisches Museum, das wir noch nie besucht hatten; wir spazierten durch den herrlichen Tag dorthin (immer noch lieber in der wärmenden Sonne). Unterwegs in einer schicken Rösterei an der Westbahnstraße Espresso/Cappuccino.

Das Kunsthistorische Museum begannen wir mit der Ägyptisch-orientalischen Sammlung, ich war durchaus positiv überrascht, auch von der Antikensammlung.

Im Obergeschoß nahmen wir uns Großteile der Gemäldegalerie vor. Was mich hier begeisterte: Die Lösung der Beschriftung. Ein Geländer hält Besuchende von den Bildern in Sicherheitsabstand und platziert darauf die (in meinen Augen meist sehr interessanten) Informationen zu den Gemälden. (Zornige Gedanken an die Alte Pinakothek in München, in der die Schilder neben den Gemälden so klein beschriftet sind, dass alte Leute wie ich den Bildern bis Sicherheitsalarm-Gebimmel nahekommen müssen, um sie lesen zu können.)

Verhandlungen über die weitere Gestaltung des späten Nachmittags führten uns zu der empfohlenen legendären Loos American Bar – deutlich winziger als erwartet, sehr atmosphärisch, mit wunderbaren Cocktails.

Burggarten im Augustlicht.

Loos von außen.

Loos von innen: Wir bestellten beide Klassiker, ich den Side Car links, Herr Kaltmamsell den Bronx rechts. Plaudernd und herumschauend fühlten wir uns so wohl, dass wir danach noch zwei Prince of Wales zubereiten ließen – auch im Kupferbecher statt Silber schmeckte er sehr gut. Und machte uns dann doch recht betrunken. Für den Heimweg bemühten wir also die U3, auch darin gab es viel zu sehen für meine verliebten Augen.

Das Nachtmahl bereitete Herr Kaltmamsell zu: Wiener Tofu mit Paprika, Pilzen, Schalotten, außerdem Wiener Kimchi, ich reichte Tomaten-Raritäten und Roggen-Dinkel-Brot an.

Alles sehr gut. Nachtisch: Restliche Tofu-Speisen, Mannerschnitten.

Abendunterhaltung eine Folge Mad Men: Herr Kaltmamsell hatte mühsam einen Weg gefunden, von seinem Handy auf den Fernsehbildschirm der Ferienwohnung zu übertragen. Lineares Fernsehen hatte er allerdings dort nicht bekommen.

Journal Sonntag, 24. August 2025 – Wien 3 mit Grätzl-Spaziergang und Heurigen-Wanderung

Montag, 25. August 2025

Gut und noch länger geschlafen.

Gute Aussichten!

Während ich bloggte (was wieder länger dauerte als gedacht mit all den Fotos – und dabei habe ich sogar aus Erschöpfung vor einiger Zeit aufgegeben, für jedes Foto auch noch einen Alt-Text zu erfinden, schlechtes Gewissen hin oder her), hatte Herr Kaltmamsell die Aufgabe, fürs Tagesprogramm Heuriger eine Anfahrt plus Wanderung zu recherchieren. Das Ergebnis seiner Recherche ließ uns Zeit für Erkunden unserer Wohngegend im 15. Bezirk und für Mittagscappuccino.

Kardinal-Rauscher-Platz, strahlend sonnig, aber deutlich jackenkühl.

Überrraschend, wie vielen Trinkwasserbrunnen wir in Wien begegnen, da stellt sich eine Großstadt auf höhere Temperaturen ein. Das Modell oben kenne ich aus Berlin, sonst gibt es in Wien größere Metalltürme mit viel Text darauf.

Typo-Liebe, manchmal auch in Rätselform (es soll M77 heißen, das Restaurant am Eck gibt es aber nicht mehr).

Diese Kleingartenanlage des Vereins Zukunft auf der Schmelz ist so weitläufig, dass die Wege fürs Spazieren und für Sport genutzt werden (oben einer der schmalsten Wege, hinten sieht man die Graf-Radetzky-Kaserne). Für uns Deutsche überraschend: Wo in uns vertrauten Kleingartenanlagen Hütten stehen, waren das hier überwiegend große, meist schicke und bis zu zweigeschoßige Wohnhäuser mit allem Drum und Dran, manche von englischem Rasen umgeben statt von Gemüsebeeten – die Satzungen der hiesigen Kleingartenvereine müssen sich deutlich von denen unterscheiden, die wir gewohnt sind.

Mittagscappuccino im (nachvollziehbarerweise) empfohlenen Café Kriemhild.

(Schwarzer Schlabberrock, dunkle Biker Boots, hochgeschlossene Reißverschluss-Sportjacke aus dunkelgrau glänzendem dickeren Material, unterm Bund lugte ein Tuch um die Hüften gebunden hervor, dessen Muster auch Schwarz und Jackengrau enthielt, die Haare zottelig kurz, darin Metall-Klupperl, wie sie beim Haareschneiden verwendet werden – das Styling der jungen Frau gefiel mir so gut, dass ich es ihr sagen musste.)

Zurück in der Wohnung aß ich zum Frühstück ein ordentliches Stück Picknick Pie, das Herr Kaltmamsell in München aus Ernteanteilgemüse zubereitet hatte. Dann begannen wir den Öffi-Triathlon, der uns nach Grinzing zur Weinberg-Wanderung brachte: Bim, U-Bahn, Bus. Der Bus war dicht besetzt mit als Bayer*innen verkleidetem Volk, und wir mussten vor der eigentlichen Endhaltestelle der Linie raus: Akkrat an diesem Wochenende fand der Neustifter Kirtag statt, der das letzte Stück der Buslinie belegte. Ich konnte mir nicht recht vorstellen, dass Wiener*innen Oktoberfestbesucher*innen cosplayen – als was fühlten die sich wohl angezogen?

Das schmale Landsträßchen war nicht nur für uns Fußgänger*innen die Umgehung des Volksfestgebiets (und wir waren bei weitem nicht die einzigen Sonntagsspaziergänger*innen), sondern auch für die Autos: Einige Male mussten wir in die Weinberge steigen, um auszuweichen.

Harmlos scheinende Mariensäule.

Mit echtem katholischen Grusel beschriftet.

Dagegen wirkte die Reblaus-Figur niedlich.

Der Wanderweg, den Herr Kaltmamsell gefunden hatte, war wunderschön. Er bot sonnige Nahblicke in die Weinberge und weite Aussichten auf Wien, zwei Stunden mit viel Abwechslung. Die erste Stunde für mich leider getrübt von absurden Kreislauf-Purzelbäumen, die mich vor Schwindel einmal sogar eine Bank benötigen ließen (nicht lang, denn sie stand riechbar neben einer Sickergrube).

Die Wanderung führte uns auch an der umgebauten Sisi-Kapelle Am Himmel vorbei, hier die Geschichte.

Ich hatte mir den kleinen Heurigen Zawodsky empfehlen lassen, schön klein und grün eingewachsen.

Die Weinkarte:

Er schmeckte mir sehr gut: blumig, vielfältig, kräftig, mit Nachhall. Nachfrage ergab: ein Gemischter Satz.

Dieser Heurige ist bekannt für Gegrilltes, wir aßen je eine Scheibe Schweinernes mit Salat, ich ließ mir zusätzlich einen Maiskolben grillen.

Und wir genossen die Aussicht mit Abendsonne.

Reschpekt, Sievering: Eine Barock-Kirche mit Show-Treppen. Und als hätte das nicht gereicht, heißt sie auch noch Wallfahrtskirche Mariä Schmerzen Kaasgraben – Humor konnte man der katholischen Kirche noch nie absprechen.

Für den Heimweg gingen wir das erste Drittel des Öffi-Triathlons zu Fuß, dann brachten uns Regional- und U-Bahn zu unserer Straße.

Erstmal gingen wir aber auf ein Eis als Nachtisch 1 zur Gelateria di Jimmy (kosmopoliter wird’s wahrscheinlich nicht), spazierten dann mit dem (wirklich guten) Eis in der Hand durch die Abenddämmerung.

Vor dem Schlafengehen gab es als Nachtisch 2 einen Teil der Tofu-Desserts, die wir am Samstag in der Tofu-Manufaktur entdeckt hatten:

Von rechts: Säuerlicher, schaumiger und nur leicht süßer Tofu / Cheesecake / Schoko-Tofu, ziemlich fest. Alles ganz ausgezeichnet und überraschend.

Stärkstes Glücksgefühl: Es war Sonntagabend, und ich musste am nächsten Tag NICHT in die Arbeit!

In der Wochenend-SZ hatte ich den Selbstversuch von Sebastian Strauß gelesen, der wie die jungen Leute heutzutage seinen Amsterdam-Urlaub anhand von Tiktok-Empfehlungen organisierte (€):
“Wie die Generation Tiktok Urlaub macht”.

Ergebnis nicht überraschend, ich kenne die ohne Tiktok-Empfehlung nicht erklärbaren Schlangen vor random Lokalen und Geschäften ja aus der Münchner Innenstadt. Und bin sehr sicher, dass es auch anders planende junge Leute gibt.

Selbst folge ich sehr gerne persönlichen Empfehlungen, meist von Menschen, die ich kenne (manche habe ich diesmal mitgeschrieben, als jemand anders kürzlich auf Mastodon um Wien-Tipps bat, unter anderem den Heurigen Zawodsky). Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht: An den Bremen-Urlaub entlang den Empfehlungen einer Freundin, die dort studiert hatte, denke ich bis heute sehr gern, das englische Bath mit der Tipp-Liste einer Kollegin, die dort das Auslandsjahr ihres Studiums verbracht hatte, brachte mich an viele sehens- und erinnernswerte Stellen, auf die ich sonst nie gekommen wäre (von denen die meisten tatsächlich in keinem Reiseführer auftauchten). Aber: Meine FOMO ist stark unterentwickelt. Alles (wovon eigentlich?) schaffe ich eh nicht, Superlativen misstraue ich (“schönstes”, “bestes” – nach welchen Kriterien?), bevorzuge Eigen- und Besonderheiten, die auch Menschen schätzen, die an meinem Urlaubsort leben.

Journal Samstag, 23. August 2025 – Wien 2 mit Karmelitermarkt, Tofu, Rosebar

Sonntag, 24. August 2025

Lang geschlafen und auch recht gut. Erstmal Milchkaffee, dafür liebe ich Übernachtung in einer Ferienwohnung.

Und wenn das Wetter schön genug ist, braucht man auch keinen direkten Blick zum Himmel, um es zu erkennen. Außerdem haben wir sogar eine Terrasse!

Von innen.

Von außen. Ich muss gestehen, dass mich die gestalterische Energie dieser Innenhofnutzung ein bisschen beeindruckt (Typus corrales). Unser corral ist eh nicht nutzbar, weil es durchgehend vom Balkon darüber tropft und alles nass ist.

Für gestern hatte ich einen Marktbesuch geplant, und da der Wiener Naschmarkt vielen verlässlichen Quellen zufolge reine Touristenabfütterung geworden ist (siehe auch Boquería in Barcelona), wollte ich den Karmelitermarkt sehen.

Weil ja meine Orientierung in Wien besser werden soll, gingen wir zu Fuß hin – und kamen erstmal nur sehr langsam voran, weil es so viel Aufregendes zu sehen gab (und in meinem Fall zu fotografieren). Das ist ja das Schöne am befreundeten Ausland: Dass sich bereits auf den anderthalbten Blick all die Unterschiede im Detail zeigen – Unterschiede im Sinne von Vielfalt, nicht von Andersheit. Andere Typografie, anderes Vokabular, andere Wegführung. Ich war schockverliebt in praktisch alles davon.

Nächstes Herzhüpfen: Ich entdeckte, dass das Wiener Hallenbad, das ich per regelmäßigen Fotos am besten kenne, nur fünf Minuten zu Fuß von der Ferienwohnung entfernt liegt -> Schwimmpläne.

Es war bei freundlichem Wetter kühl, kurz bereute ich meine Entscheidung der Jackenlosigkeit, doch über die nächsten Stunden erwies sie sich als richtig.

Nächster Wien-Effekt: Ich fühlte mich angesichts der Großzügigkeit von Straßen, Grünanlagen, Bauwerken wie eine Besucherin aus der Provinz.

Trotz Touristensaison war nicht viel los; erst am Heldenplatz stießen wir auf die erwarteten Besucherhorden, die nach nicht mal einem Kilometer Richtung Salztorbrücke über den Donaukanal schon wieder verschwunden waren.

Noch bei in unserem 15. Bezirk erste Male: Anführungszeichen in einer URL. (Die Uhr geht falsch.)

Aww, wie im Münchner Glockenbachviertel.

Immer wieder Begegnung mit wiener Wörtern, die hochsprachifiziert wurden – sehr sympathisch.

In der Westbahnstraße standen wir lange vor den Schaufenstern von Baiers Enkel: So viel spannendes Werkzeug!

Gussformen. Auch sonst heiteres Raten und Recherche, wozu welches der Exponate wohl diente.

Mehr bemerkenswerte Anführungszeichen.

Auf der anderen Seite des Donaukanals.

Vielfache Begegnung mit orthodoxen Juden im Schabbat-Festgewand.

Karmelitermarkt (die Uhr stimmt). Entgegen anderslautenden Informationen wurde kurz nach zwölf bereits abgebaut. Dass zahlreiche Stände im Sommerurlaub waren, überraschte mich dagegen nicht. Auf diesem Markt hatte ich ein spezielles Ziel: Ich hatte von der ersten Wiener Tofu-Manufaktur gelesen, die hier eingezogen war. Da wir ziemlich lange suchten, hier ein Foto von der Lage:

Und von der Beute, die Herr Kaltmamsell darin machte.

Jetzt hatten wir Hunger. Ich hatte ein Lokal notiert, das diesen selbstgemachten Tofu servierte (sie stehen hinter der Manufaktur) und auch sonst sehr attraktiv klang: Liwei’s Kitchen. Dorthin gingen wir.

Herr Kaltmamsell bestellte Mapu Tofu, ich gebratenen Tofu mit Gemüse.

Ganz hervorragend, meine Sauce mit einer bislang unbekannten Note, der gebratene Tofu sehr aromatisch. Dazu trank ich Reistee, ebenfalls sehr schmackhaft.

Beim Rausgehen fragte ich nach einem großen Glasbehälter auf der Theke, in dem kleinkugliges Obst in einer dunklen Flüssigkeit schwamm: Eingelegte Baum-Erdbeeren, erklärte mir der freundliche Wirt, aus seiner Heimat. Die kenne ich ja von Begegnung und Probieren auf meiner Mallorca-Wanderung vergangenes Jahr – jetzt spiele ich mit dem Plan, für ein Verkosten dieser Variante nochmal hier einzukehren.

Rückweg nur leicht variiert zum Hinweg.

Aber mit Kalauer.

Kurz vor der Ferienwohnung wurden wir auf die Tüte mit Tofu angesprochen: Ob es den wohl auch in der Nähe gebe? Stellte sich heraus, dass die Fragerin gestern diesen handgefertigten Tofu auf dem Karmelitermarkt gegessen hatte und auf eine Quelle näher daheim hoffte.

Die nächsten Stunden lasen und ruhten wir in der Ferienwohnung. Für den Abend machten wir uns ein wenig fein: Ich hatte einen Tisch im empfohlenen Rosebar Centrala reserviert, animiert u.a. von dieser Restaurant-Besprechung.

Zwei Straßenbahnen schaukelten uns eine längere Weile auf die andere Seite des Donaukanals, noch ein Stück nördlicher als mittags. Dann aßen wir sehr gut und lernten einen spannenden Wein kennen. Der freundliche Service erklärte uns das hier praktizierte Prinzip sharing dishes: Man bestellt zusammen eine ganze Reihe kleinere Gerichte, die in die Mitte gestellt und geteilt werde. Das kenne ich seit vielen Jahren aus England, vor allem aus London, habe auch den Versuch in München erlebte – wo er bald wieder verschwand, das scheint bei uns nicht recht zu funktionieren.

Der Wein von der kleinen, Naturwein-betonten Karte:

Ein Pinot noir Didon aus dem Burgund, leicht moussierend und mit der typischen Note des spontanvergorenen – schmeckte mir sehr gut, und ich bleibe bei der Ansicht, dass der Einstieg in Naturweine mit roten einfacher ist als mit den oft stark mostig schmeckenden Orange Wines. Rechts sieht man eine der Speisen: köstliche Schweine-Rilettes und Karotten.

Auch gab es eine wundervolle geschmorte Tomate mit Sardelle, brauner Butter und Thymian, davor steht der Teller mit Maispuree, roter Paprika, Sonnenblumenkernen – ganz hervorragend, wir fragten uns sofort, warum Herr Kaltmamsell nicht viel mehr mit Sonnenblumenkernen kocht.

Ebenfalls ein Highlight: Fisolen mit Pfirsich auf Mandelcreme – diese Kombination verstand sich besonders gut mit dem Wein.

Als Hauptgericht hatten wir Schlesische Knödel mit Eierschwammerl-Sauce und Salbei bestellt: Die Knödel stellten sich als Kartoffelteig heraus, die Pilze waren besonders gut.

Damit waren wir satt und hatten kein Bedürfnis nach Dessert (!), nahmen bald die Bim zurück zur Westbahnstraße. Auf den Anschluss zur Wohnung hätten wir über zehn Minuten warten müssen: In dieser Zeit, so wussten wir bereits, waren wir auch zu Fuß dort, also spazierten wir durch die kühle Augustnacht.

Journal Freitag, 22. August 2025 – Teilzeit-Wienerin im Herzen

Samstag, 23. August 2025

Noch vor Wecker aufgewacht, mit innerer Unruhe und nur mittel erholt.

Mehr urlaubsvorbereitendes Wirbeln, mittlerweise durchaus mit dem nagenden Zweifel, ob eine Reise all die Tage mit Unruhe, Hektik, Organisation und Erschöpfung wert ist.

Der Himmel hatte aufgerissen, auf meinem Marsch in die Arbeit bekam ich in kühler Luft sogar Sonnenschein.

Im Büro von der ersten Minute an viel Handarbeit und Gerenne – darauf war ich aber gefasst gewesen. Dann Ackern am Schreibtisch, Gehirn wie Stubenfliege – ich schloss keinen Job am Stück ab, sondern sprang ständig zwischen allem Möglichen hin und her, dazu passten einige Querschüsse, war auch schon egal. Zumindest schloss ich alles urlaubsfertig ab, es wurden keine neuen Fässer aufgemacht, die mich im Urlaub verfolgen würden (Kopfkino barrel chase).

Mittagscappuccino im Westend – nicht ganz so schnell weggekippt wie ideal, weil er dafür zu heiß war.

Auch zum Mittagessen räumte ich auf:

Letzte Tomaten und Gurke aus Ernteanteil, letzter Apfel aus dem Obstkorb, Rest Joghurt (und eine Hand voll Nüsse als Substanzielles, das zu schnellen neuen Hunger verhindern sollte).

Mehr Abarbeiten und Übergaben, erneute Erkenntnis, dass die Vorbereitungen für eine Woche Urlaub sich nicht groß von denen für drei Wochen unterscheiden; zumindest habe ich eine weitere Stellvertretungs-Infrastruktur geschaffen, die ich auch für meine Oktoberfestflucht ab Ende September nutzen kann.

Da doch noch einiges zu tun war, packte ich um drei recht abrupt und nahm eine U-Bahn zum Hauptbahnhof, wo Herr Kaltmamsell mich mit den Koffern bereits erwartete. Ereignislose Fahrt mit dem Railjet nach Wien Hauptbahnhof, ich übte gleich mal Blödschaun durchs Fenster auf die wechselnde Landschaft, las neben Mastodon-Timeline lediglich das aktuelle SZ-Magazin,1 hörte ein wenig Musik. Möglicherweise setzte hier bereits Loslassen ein!

(Kaputte Klos kann übrigens auch die ÖBB, drei der sechs am nächsten erreichbaren.)

Die eigentliche Beschallung kam von einer größeren Gruppe junger Frauen, die in München bereits feiernd und johlend eingestiegen war – ein entsprechender Gesang wies auf den Anlass Geburtstag mindestens einer der Frauen hin – und in Salzburg Zuwachs bekam: Eine sehr fröhliche und freudige Geräuschkulisse, ich freute mich mit. Ankunft in Wien mit nur wenig Verpätung (Bauarbeiten -> eingleisige Abschnitte).

Unterwegs dachte ich nach über einen Umstand, der mir bei der etwas detaillierteren Planung unserer Woche aufgefallen war: Ich fühle mich Wien sehr nah, weil ich hier einige Leute aus dem Internet kenne, zum Teil schon seit Jahrzehnten. Über sie verfolge ich Wetter, Stadtpolitik, Anekdoten, Gastronomie, Selbstverständnis, Veränderungen. Im Grunde ähnlich wie bei Berlin und meinen berliner Internet-Freund*innen, das sogar deutlich weiter von München entfernt ist. Nur: In Wien bin ich fast nie. Zuletzt reiste ich zu einer Hochzeit im April 2016 her, davor war ich im Abstand von einigen Jahren zweimal ein paar Tage auf Besichtigung da. Das Resultat: Bei aller gefühlten Nähe ist mir die Topografie Wiens unvertraut – im Gegensatz zu der Berlins, wohin ich mindestens einmal im Jahr fahre. Das fand ich lustig und nahm mir vor, bei diesem Besuch sehr viel rumzulaufen und auf Stadtpläne zu schauen.

Was mir erleichtert wird durch die Lage unserer Ferienwohnung: Nachdem das gezielte Buchen einer Wohnung in bestimmten, vorher als sehenswert recherchierten Gegenden Wiens gescheitert war, hatte ich die Lust verloren und irgendwas genommen, Hauptsache verlässlich und professionell vermietet (in den vergangenen Jahren war ich ja durchgehend reingefallen) und irgendwie zentral. So landeten wir in der Nähe des Westbahnhofs, außerhalb des Gürtels (ich beginne, lokale Terminologie zu lernen), in einem Außenbezirk. Meine Wochenplanung hatte gezeigt, dass es zu fast allen erstrebten Zielen ein ganz schönes Stück Weg ist.

In der Dämmerung fanden wir zum Haus mit unserer Ferienwohnung, kamen durch drei Türen mit bis zu achtstelligen Tipp-Codes hinein: Sauber, freundlich, mit allem Versprochenen ausgestattet – nur halt im Erdgeschoß zu einem Innenhof und ohne Außenfenster. Aber insgesamt zufriedenstellend, kein Reingefallen-Gefühl.

Es war schon spät, wir hatten großen Hunger. Also nur schnell entknitternd ausgepackt, dann spazierten wir in milder, trockener Nacht zu einer vorher ausgesuchten Wirtschaft zum Abendessen. Wie schon auf dem Wegstück von U-Bahnhof zur Wohnung war ich sehr angetan: Viele Menschen vor Gastronomie, beides höchst bunt und einwanderisch geprägt wie mein heimisches Bahnhofsviertel, spielende Kinder in Parkanlagen, viele Cafés, offensichtlich bewohnte Gründerzeithäuser. Schön auch der für mich typisch wienerische Blick Seitenstraßen entlang hinunter auf die nächtlich glitzernde Innenstadt.

Frischkäse mit Drumrum und Süßkartoffelfritten für mich, dazu zwei Achtel Gemischter Satz – angenehmes Nachtmahl.

Sehr dekorative Kneipenkatze, die sich ihrer Instagramabilität durchaus bewusst schien.

Auf dem Heimweg holten wir uns Nachtisch in einer riesigen Eisdiele: Meine Kugel Himbeer-Mohn schmeckte hervorragend (die zweite Kugel Karamell-Cheesecake ok).

  1. Oh Gott oh Gott: Tobias Haberl lobt und preist darin die Pfälzer Weinstube in der Münchner Residenz. Hoffentlich glaubt ihm niemand! []

Journal Dienstag, 19. August 2025 – Standardarbeitstag in Lieblingssommerwetter

Mittwoch, 20. August 2025

Wieder ein Betriebssystem-Update des heimischen Rechners, nach dem ich sorgfältig iCloud und Siri umschifft habe (dafür, dass ich nicht “Nein”, sondern nur ein manipulatives “Später” wählen kann, möchte ich sehr gerne jemanden beißen).

Eine eigentlich gute Nacht, dennoch fühlte ich mich morgens wieder erschlagen. Vor meinem Aufbruch in die Arbeit konnte ich dem Übernachtungsgast noch einen guten Morgen wünschen.

Die nackten Schultern im Sommerkleid ohne Jacke erforderten gestern bei wieder knapp über zehn Grad trotz Sonnenschein beherztes Marschtempo, damit ich nicht fror.

Im Büro freute ich mich darüber, dass ich als Kanne Kräutertee des Vormittags Lindenblütentee aufbrühen konnte: Ich hatte ihn am Montag im Vollcorner entdeckt, ist in München gar nicht so einfach aufzutreiben.

Arbeitsvormittag mit viel Bewegung, ich kümmerte mich ums Äußere eines Workshops (ab 1. September entfällt wahrscheinlich dieser Teil meines Jobs, dafür gibt es dann wieder einen Dienstleister).

Als ich gerade nicht gebraucht wurde, ging ich auf meinen Mittagscappuccino ins Westend und freute mich an Sonne und Farben.

Zu Mittag gab es später Apfel, Banane, Hüttenkäse, Aprikosen.

Dichter Arbeitsnachmittag, an dessen Ende ich mich wieder ziemlich durch fühlte. Auf dem Heimweg kurze Einkäufe, zu Hause eine längere und anstrengende Einheit Pilates.

Abendessen spontan umgeplant, denn: Mit Blumenkohl habe ich mich ja erst angefreundet, als ich die Zubereitungsform im Ofen kennenlernte, den Geruch von Blumenkohl beim Kochen fand ich schon immer furchtbar. Nun hatte Herr Kaltmamsell mit dem Ernteanteil-Blumenkohl ein neues asiatisches Rezept ausprobiert, für das er erstmal gekocht werden musste. Der Geruch davon füllte die Wohnung, während ich turnte – und ich fand ihn so abstoßend, dass ich mein Pilates fast abgebrochen hätte: Er erinnerte mich an Müll, der seit zwei Monaten nicht rausgebracht worden war. Essen wollte ich das wirklich, wirklich nicht (auch wenn es mir leid tat um das mit viel Liebe zubereitete Gericht). Aber das war ja nicht das einzige Lebensmittel im Haus, ich holte mir statt dessen Brot und Käse, außerdem war noch ein Restchen der köstlichen Auberginen vom Vorabend übrig. Nachtisch Eiscreme und Schokolade.

Am Abend kam unser Übernachtungsgast zurück von einem Konzertbesuch, wir unterhielten uns, bis ich wieder erledigt ins Bett ging.

§

Nachruf auf eine britische IT- und Frauenrechts-Pionierin:
“Ein unmögliches Leben ist zu Ende: Zum Tode von Dame Stephanie Shirley”.

Tatsächlich unterzeichnete Stephanie Shirley ihre Geschäftskorrespondenz als Steve Shirley.

Hier ihr TED Talk von 2015:
“Why do ambitious women have flat heads?”

Unter anderem schildert Shirley, wie Programmieren in den frühen 1960ern tatsächlich aussah (fast keine Computer involviert).

Vielleicht noch eine Kandidatin für ein Bild, das neben den Portraits von Ada Lovelace und Margaret Hamilton in Informatik-Schulzimmern aufgehängt werden könnte?

Journal Montag, 18. August 2025 – Perfektes Sommerwetter und Besuch

Dienstag, 19. August 2025

Nachts holte mich bereits die unangenehme, anstrengende Arbeitswoche ein, die mir bevorsteht: Alle in der Vorwoche ungelösten Fragen zwickten mich, eine Angstwelle spülte einige zusätzliche der kommenden Wochen hervor, dazu kamen Zweifel an der einen oder anderen Entscheidung, die ich beruflich getroffen hatte. Nach mehrfachem Aufwachen zwischendurch konnte ich schon weit vor Weckerklingeln nicht mehr schlafen.

Zustand bei Aufstehen folgerichtig: gerädert. Vorbereitungswirbeln aller Art, unter anderem kontaktierte ich die Vermieter unserer Ferienwohnung in Wien: Ein paar Tage vor Ankunft möchte ich dann doch wissen, wie der Bezug der Wohnung funktioniert (und sichergehen, dass die Buchung und Bezahlung über FeWo-direkt auch bei ihnen angekommen ist).

Der Morgen wurde nahezu wolkenlos sonnig, allerdings ausgesprochen kühl. Ich ließ dennoch die Jacke daheim, auch bei wenig über 10 Grad reichte ein strammer Marsch gegen Frieren. Weiterhin leichter Muskelkater in den hinteren unteren Oberschenkelmuskeln – die mich eigentlich ein wenig beleidigen, denn was mache ich denn bitte Tag für Tag, wenn nicht gehen, auch extra viel rauf und runter? Und das wollen die Muskeln auf einmal nicht gewohnt sein?

Am Schreibtisch ging es wie erwartet nach meinen drei arbeitsfreien Tagen rund, zu meiner großen Erleichterung ließ sich aber gleich eines der Probleme lösen, das mich nachts wachgehalten hatte.

Emsiger Vormittag, genau zur richtigen Zeit konnte ich mich ohne schlechtes Gewissen auf einen Mittagscappuccino im Westend losreißen. In der Sonne war es jetzt schon wieder heiß.

Ein bisschen sieht man am Unterschenkel die Wanderkrätze vom Samstag.

Gollierstraße mit Sommerfarben.

Zu Mittag gab es Nüsse, Apfel, selbstgebackenes Brot. (Warum das unterm Strich böse Bauchschmerzen ergab, ist mir ein Rätsel.)

Auch der Nachmittag war recht emsig. Zu meiner Erleichterung reagierten die Vermieter in Wien, sogar sehr freundlich: Jetzt bin ich beruhigt, dass wir wirklich eine Unterkunft haben, erst kürzlich berichtete Feinanteil in ihremseinem Blog, wie sie als vierköpfige Familie in London überraschend ohne dastanden.

Im Gespräch mit einer jungen, geplagten Frau kam ich zur Erkenntnis, dass die meisten Hochzeiten heute einfach LARPs sind (“alle gleich!”): Zwei Leute spielen Brautpaar, die Eingeladenen Hochzeitsgesellschaft.

Eher später Feierabend. Auf dem Heimweg durch herrliche Luft mit Wind noch Lebensmitteleinkäufe beim Vollcorner – ich genoss das für mich perfekte Sommerwetter.

Zu Hause gesellte sich bald zu Herrn Kaltmamsell und mir der Übernachtungsbesuch aus Goslar, ab bald wird er aus Hannover anreisen (Anlass diesmal: Söhne werden bereits 30). Es gab viel zu plaudern, Herr Kaltmamsell kochte das Nachtmahl:

Erstmal die köstlichen Zucchini auf Ricotta mit Haselnuss.

Dann Duftauberginen, unter anderem mit dem sensationellen Sechuanpfeffer – eine meiner Lieblingszubereitungen eines meiner Lieblingsgemüse. Dazu natürlich viel Austausch über die jüngste und weiter zurückliegende Vergangenheit, Überlegungen zu dem Menschen im Nußbaumpark und zu den Niederlanden.

Allerdings war ich zum einen komplett erledigt, zum anderen wartete am Dienstag ein weiterer Arbeitstag auf mich: Ich ging wie sonst auch Schlafen.

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Die Betonfreundin in mir (doch, wirklich!) jubelt: Fotografin Cordula Schulze war in Frankreich unterwegs und hat Fremdenverkehrsarchitektur einer bestimmten Zeit festgehalten.
“La Grande-Motte: futuristische Ferienarchitektur”.

via @frauvogel

Hier mal nicht über die Ästhetik des Verfalls vermittelt, sondern in wertgeschätzter, gut erhaltener Form.

Was ist denn jetzt das Besondere an La Grande-Motte? Schließlich entstanden zu dieser Zeit überall rund ums Mittelmeer Infrastrukturen für Massentourismus – mehr oder weniger originell und grün. Meine Antwort lautet: Weil der Architekt den damals schicken, flüssigen Baustoff Beton nutzte, um Skulpturen zu schaffen. Die Tatsache, dass es viel Kunst im Öffentlichen Raum gibt, lenkt ein bisschen von der Skulpturenhaftigkeit der Gebäude ab – und genau diese macht La Grande-Motte aus meiner Sicht aus.