Journal Dienstag, 4. Februar 2025 – Urlaubstag 2 mit Mutter und Münchner Jugendstil

Mittwoch, 5. Februar 2025 um 7:42

Ich hoffte sehr auf den angekündigten strahlenden Sonnenschein für München mit meiner Mutter, doch sowas wie hell wurde es zum bleiernen Hochnebel vom Montag.

Medikament-Rezept geholt und eingelöst – wie ungemein praktisch, dass ich beim drohenden Ende eines meiner Dauer-Medikamente frei hatte und morgens einfach zur Praxis marschieren konnte, ohne Herumplanen und minutengenaues Arbeitspausen-Jonglieren.

Als ich aus dem Haus ging, sah ich wieder den Brief an der Tür, der heftige und laute Sanierungsarbeiten in einer Wohnung im Haus ankündigte. Er hängt da seit einigen Wochen, mir war sofort klar geworden, dass der Lärm exakt in meiner Urlaubswoche beginnen würde. Ungute Erinnerungen an mein Auszeitjahr, in das die Mauern-erschütternde Sanierung von zwei Nachbarwohnung gefallen war, sehr ungemütlich.

Und als ich über Lektüre der gestrigen Süddeutschen auf das Klingeln meiner Mutter wartete, setzte es auch ein: das Bohren, das man bis ins Knochenmark spürt.

Verabredet waren wir unter anderem zum Besuch der Kunsthallen-Ausstellung “Jugendstil. Made in Munich”. Als wir uns dorthin auf den Weg machten, in weiterhin klamm frostiger Luft, wurde der Himmel heller: Ich sah erstes Blau.

Meine Mutter schwärmt von Jugenstil, seit ich denken kann, blieb in Urlauben verzückt an Fassaden und Gegenständen stehen, die danach aussahen. Auf eigenen Reisen lernte ich später die vielen Varianten von Jugenstil weltweit, darunter Art déco, Modernisme. In der Kunsthalle wird derzeit die Münchner Variante ausgestellt, schließlich hat die Münchner Wochenzeitschrift Jugend dem Stil seinen Namen gegeben.

Der Andrang war groß: Dienstag, stellte sich heraus, kostete der Eintritt nur die Hälfte.

Neben Erklärungstafeln auf Deutsch und Englisch zu den Themen der einzelnen Säle gab es wieder einen Audioguide über Web und WLAN zu manchen Exponaten und Kapiteln mit Zusatzinformationen – und schon wieder hatte ich nicht an Kopfhörer gedacht. Ohnehin tauschte ich mich lieber mit meiner Mutter über die Eindrücke aus, nur hin und wieder holte ich mir über den Guide Zusatzinfos.

Großer Ausstellungsraum mit Parkettboden und Besucher*innen, gegenüber eine grüne Wand an der Meeresgischt-artige Verzierungen in Lila-Tönen angebracht sind, durch ein Glas in der Wand sieht man ausgestellte Kleider

Die Fassadendekoration des schwabinger Hofateliers Elvira von Anita Augspurg und Sophia Goudstikker nachgebildet.

Titelblatt der Wochenzeitschrift "Jugend" mit dem Gemälde des Profils eines dunkellockigen Jünglings mit goldenem Kranz

So manches Gemälde erinnerte mich an die Präraffaeliten.

In einem Ausstellungsraum mit dunklem Holzboden steht auf einer hellgrünen Säule eine mitelgroße Bronzefigur einer menschlich-förmigen gestalt mit plumen Beinen, riesigen Huffüßen, in schlurfender Bewegung

Das aber war mein Liebling: Thomas Theodor Heines Bronze “Teufel”.

An der dunkelgrünen Wand in einerm Ausstellungsraum mit Holzparkett hängt ein großes, sehr querformatiges Gemülse in Rosa- und Blautönen, nur die rechte Hälfte mit menschlichen Figuren

Nahaufnahme von zwei Krügen mit Zinndeckel, links ein hoher brauner mit Ausguss, rechts ein niedriger kugeliger mit blauem Netzmuster. Dahinter Besucher der Ausstellung

In der Abteilung zu ländlicher Handwerkskunst als Einfluss. Den Bierkrug rechts haben auch meine Eltern im Schrank stehen. (Mein Vater trinkt aber nicht gerne daraus: Wenn der Deckel hochgeklappt ist, neigt der Krug zum Umkippen. Da hätte das Funktionalitätsstreben des späteren Bauhaus gut getan.)

Wie ich schon vermutet hatte: Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Münchner Stadtmuseum, in dem ich schon einigen Münchner Jugenstil gesehen hatte. Und wo das Stadtmuseum eh die nächsten Jahre geschlossen ist wegen Renovierung, kann man ja den Bestand für eine eigene Ausstellung woanders kuratieren. Schöne Ausstellung!

Blick nach oben in einen Altbau-Innenhof, blauer Himmel

Als wir durchwaren, schien endlich die Sonne von blauem Himmel.

Es war schon nach zwei und wir beiden Nicht-Frühstückerinnen hatten Hunger: Meine Mutter lud mich ins Café des Dallmayr ein. Wir speisten Salat (ich, ein besonders feiner Teller mit u.a. Frischkäse, Pinienkernen, Physalis, konfierten roten Zwiebeln) und Tartar, wurden freundlich und herzlich umsorgt.

Dann gingen wir auf Einkaufstour durch Münchner Läden (in Ingolstadt gibt’s ja nicht mehr viel). Zwar spazierten wir schon auch aus reinem Interesse in ein paar Bekleidungsgeschäfte, doch die Suche meiner Mutter galt einer neuen schwarzen Handtasche, und dafür steuerte sie gezielt den Kaufhof am Marienplatz an – mit Recht, denn zu meiner Überraschung war die Auswahl dort riesig in verschiedenen Preisklassen.

Blick eine schmale Altstadtstraße entlang, durch die das Sonnenlicht entgegenscheint und das Glas der Laternen ausleuchtet

Die schräge Wintersonne hatte gerade ihren großen Auftritt in der Sendlinger Straße. Bei uns daheim nur kurzer Austausch von Dingen, dann machte sich meine Mutter auf den Weg zurück zum Hauptbahnhof.

Ich verließ das Haus nochmal, um ein Paket in einem bislang unbekannten Paketshop abzuholen – und geriet in eine Parallelwelt, die ich hier wirklich nicht vermutet hatte: Die Adresse führte mich in den Hinterhof eines Hauses im feinen Hackenviertel, dort aber in einen überaus schraddligen Getränkeladen. Estrich-Boden, Getränkekastenstapel, an der Wand bei der Kasse auf der einen Seite Regalbretter mit Spirituosen, auf der anderen Plastikdosen mit einzeln zu erwerbenden Gummisüßigkeiten, die Theke abgeschirmt durch eine übrig gebliebene pandemische Plexiglasfläche, die an einer Kette von der Decke hing. Eben bestellte jemand für den hippen Friseurladen ums Eck eine Getränkelieferung, ich wartete gern und sah mich um.

Nachdem ich schließlich nach meinem Paket fragen konnte, dauerte es sehr sehr lang, bis Herr Getränkehändler aus dem Hinterzimmer wiederkam, erstmal mit der Nachricht, es sei nicht da. Ich brachte ihn dazu, anhand der Versandnummer nochmal zu suchen, und nach einer wieder so langen Länge, hinter mir hatte sich bereits eine deutliche Schlange formiert, brachte er es auch: Das Kochbuch von Schmock-Wirt Florian Gleibs. Daheim eine Abschlussfolge Yoga-Gymnastik, das 30-Tage Programm “Center” werde ich gleich nochmal von vorne turnen.

Das Rezept fürs gestrige Abendessen entlehnte Herr Kaltmamsell Jamie Oliver:

Blick von oben in einen weiten, runden Topf, darin strahlenförmig angeordnet kleine Krautwickel in roter Sauce, hinter dem Topf ein großer Glasteller auf einem grünen Platzset

Der Wirsing aus Ernteanteil wurde zu Rouladen mit Tomatensauce und Camembert. Hervorragend, die Füllung mit Reis und Hackfleisch (im Original “sausage meat”) ist genau das Meine. Aus dem zweiten Wirsingkopf briet er Pflanzerl u.a. mit Haferflocken und gehacktem Tofu, die schmeckten mir ebenfalls sehr gut. Nachtisch Schokolade aus bedrohlich lichter Süßigkeitenkiste.

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Johnny Häusler fasst in seinem Newsletter nachvollziehbar zusammen, was er über Hoffnung gelernt hat.
“What Are We Gonna Do Now?”
Das möchte ich nicht durch einen zitierten Ausschnitt bis zu Nicht-Nachvollziehbarkeit verkürzen, bitte lesen Sie bei ihm.

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Wirbelsäule selbst entklemmen? Diese Übung eines Physiotherapeuten im Münsterland probierte ich gleich mal aus – auch ich hörte es wohltuend rumpeln.

via Bingereader

die Kaltmamsell

Journal Montag, 3. Februar 2025 – Urlaubstag 1 mit schönen Wiederbegegnungen

Dienstag, 4. Februar 2025 um 6:59

Wecker nur wenig weniger früh als sonst, wegen Morgenkaffee für Herrn Kaltmamsell und mich.

Die weitere Tagesplanung orientierte sich daran, dass montags immer einer der beiden Herren Putzprofis kommt und ich ihn in Ruhe die Wohnung reinigen lassen wollte. Wie praktisch, dass ich meine Schwimmrunde auf diesen Montag geschoben hatte! Ich wäre nach gemütlichem Bloggen und Timeline-Nachlesen schon vor neun startklar gewesen, doch das hätte mich zu früh zurück nach Hause gebracht, trotz der zusätzlichen Einkaufs- und Frühstückspläne. Also las ich noch eine Weile im Internet rum, flickte die linke Spitze meiner grauen Wollstrumpfhose (bereits zum dritten Mal, hier wirkt mein linker großer Zeh besonders zerstörerisch), brachte Müll zur Wertstoffinsel.

Das Wetter vorhersagengemäß düster und feuchteisig (ein Bildschirm zeigte 2 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit für München an).

Dann zog ich gepackt los, ging aber erstmal zur Schusterin: Ein paar Halbschuhe brauchte urplötzlich eine neue Sohle. War eben noch pfenniggut gewesen, doch als ich sie zuletzt anziehen wollte, sahen die unteren Spitzen verheerend aus. Smalltalk mit der Schusterin, ich freute mich sehr, sie mal wieder zu sehen.

U-Bahn zum Olympiabad.

In düstergrauem Nebel die Schemen von Olympiaturm un Olympiaschwimmhalle

Die Bahnen waren erwartungsgemäß wenig beschwommen, ich konnte gelassen und ungestört meine 3.000 Meter wegkraulen.

Auf dem Rückweg stieg ich schon an der Münchner Freiheit aus: In der Lebensmittelabteilung des dortigen Kaufhauses hatte ich das Angebot an Spirituosen als besonders vielfältig in Erinnerung, und ich wollte mal wieder Kahlua – für Tiramisu jetzt im Urlaub und für potenzielle White Russians. Auch hier eine erfreuliche Wiederbegegnung: Eine der Kassierinnen kannte ich aus der (schmerzlich vermissten) Lebensmittelabteilung des verblichenen Hertie am Hauptbahnhof. Sie war mir wiederholt wegen ihrer freundlichen Aufmerksamkeit aufgefallen und ich freute mich, dass sie trotz der Schließung am Hauptbahnhof weiterhin einen Job hatte.

Zu Fuß ging ich die Leopoldstraße Richtung Siegestor und Maxvorstadt, frühstücken wollte ich nämlich im Café Puck. Es begrüßte mich die Bedienung von schon immer, wie schön.

Tisch in Café, darauf ein Teller mit French Toast, Pancake, Rührei, Joghurt, außerdem auf dem Tisch Cappuccino, Apfelschorle, eine Flasche Ahornsirup. Im Hintergrund der Gastraum mit dunklen Möbeln

Ich genoss French Toast aus Brioche und Pancake mit Ahornsirup, Rühreier, griechischen Joghurt, las die Süddeutsche des Tages.

Blick nach draußen durch ein doppeltes Altbau-Sprossenfenster, davor eine Bautafel vor einem bereits fertiggestellten Luxuswohnungsbau, auf der Tafel "Wohnungen
Townhouses
Maisonetten
Penthouses"

Münchner Ausblicke.

Nach dem Zahlen verabschiedete mich die vertraute Bedienung mit: “Schön, dass Sie wieder mal hier waren.” Ich weiß nichts über die Dame, außer dass sie schon seit mindestens 14 Jahren hier arbeitet, und doch wärmte die Begegnung wie immer mein Herz.

Nächster TOP: Ich wollte eine neue Jeans. Die blaue Skinny Jeans, die ich seit vier Jahren oft trage, ist nicht nur aus der Mode geraten (sowas kann mir ja ungeheuer egal sein) und abgetragen: Sie gefällt mir schlagartig nicht mehr an mir. Aber – neue Jeans? Wo anfangen? Da fiel mir ein, dass mir in den vergangenen Jahren die Kleidung des Herstellers COS meist sehr gut gefallen hat, und siehe da: Laut Website bietet er auch Jeans an, einige Modelle gefielen mir. Gesten steuerte ich also den Laden beim Marienplatz an und probierte mich durch ein paar Schnitte und Größen. Mit Erfolg: Eine der Jeans kaufte ich in Grau. Der Plan: Wenn ich mich darin rundum wohlfühle, bestelle ich sie im Web-Shop auch in Dunkelblau (gestern im Laden nicht in meiner Größe vorrätig).

Neue Erkenntnis: Mit den Spiegeln in Bekleidungsgeschäft-Umkleidekabinen habe ich eigentlich selten Beef; vielmehr verstört mich immer wieder, dass die fürs Anprobieren abgelegte Tageskleidung hier immer schlagartig gammlig und abgetragen aussieht. Inklusive Schuhe.

Letzter Unterwegs-Programmpunkt: Lebensmitteleinkäufe im Alnatura in Wohnungsnähe (Standort nach einer Pause, in der das Gebäude an der Sonnenstraße abgerissen und neu gebaut wurde, jetzt wieder an selber Stelle).

Zu Hause knetete ich erstmal Teig für Roggenschrotbrot, dann Auspacken, Häuslichkeiten, familiäres Geburtstagstelefonat, Abstimmung mit meiner Mutter, die am Dienstag für einen gemeinsamen Tag nach München kommt.

Abendessen machte ich. Der jüngste Ernteanteil hatte rote Zwiebeln enthalten, das heißt bei uns automatisch: Flammkuchen nach Delicious Days. Allerdings nahm ich eine Abkürzung, die ich bei Frau Brüllens Geburtstag gelernt hatte: Flammkuchenböden aus dem Kühlregal. Gelang sehr gut, dazu gab es restlichen Gelbe-Bete-Salat. Nachtisch Schokolade.

Parallel kümmerte ich mich ums Brotbacken.

Auf Backpapier auf Backblech auf schwarzer Herdplatte zwei ordnungsgemäß aufgerissene Laube Brot, rechts davon eine weiße Tasse mit Wasser

Auch hier Erfolgsmeldung: So soll das.

Auf einem weißen Kunststoff-Schneidebrett ein halbierter Laub Brot, Anschnitt gleichmäßig geport mit Schrot

Anschnitt vom nächsten Morgen.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 2. Februar 2025 – Fahle Isarauen, schräge Web-Entwicklung

Montag, 3. Februar 2025 um 7:27

Gut und lang geschlafen – die 7-Uhr-Kirchenglocken hörte ich zwar, schlief aber weiter.

Beim Aufstehen sah ich einen Falken vom Haus weg in den Park fliegen, bei einem weiteren Blick aus dem Fenster saß er kurz vorm Wohnzimmer auf der Straßenlaterne.

Für den Tag waren graue Düsternis und Kälte angekündigt, dennoch freute ich mich auf meinen Isarlauf. Ich trat ihn nach Bloggen und Wäscheaufhängen noch später als sonst an, stellte ohnehin über den Tag hinweg fest, dass so langes Schlafen den Tag spürbar verkürzt.

Tram zur Paradiesstraße kurz vor Tucherpark, Lauf nach Norden durch die Isarauen des Englischen Gartens.

Dicht bedeckter Himmel und Winterkahlheit führten zu fahl entsättigten Farben, ich lief fast blicklos in mich gekehrt und ließ meine Gedanken fließen, verarbeitete die vorhergehenden Tage. Ohne Foto-Stopps kam ich in meinen eindreiviertel Stunden weiter als schon lang nicht mehr hinter Unterföhring.

Flusslandschaft mut hohen hellbraunen Gräsern im Vordergrund, kahlen Bäumen, Kiesbänken im Wasser

Flussbett mit wenig Wasser und großen Steinen, auf diesem Ufer kahle Bäume, am gegenüberliegenden ein Zwiebel-Kirchturm

Der Körper spielte problemlos mit. Die Schmerzfreiheit in Waden und Kreuz führe ich auf die neuen Laufschuhe zurück, wunderte mich dennoch (durchaus erfreut), dass ich die derzeitige LWS-/Hüftbefindlichkeit hier nicht spürte.

Städtische Altbaustraße mit Zeitungskästen, rechts eine Ladenfront mit der Schrift "Schuhwerk Lehel"

Graues Februar-Lehel.

Zurück daheim kochte ich erstmal Frühstück: Ich wollte nach der Kälte draußen warmen Porridge. Dann erst Duschen, damit der Brei auf Esswärme abkühlen konnte.

Aufsicht auf eine weiße Schüssel, darin Joghurt, Orangenmarmelade, darunter sieht man einen Ausschnitt Haferbrei, neben der Schüssel ein roter Apfel

Frühstück um halb drei also Porridge mit Joghurt und Orangenmarmelade, dazu ein Apfel.

Internet- und Zeitunglesen. Fürs Abendessen war ich zuständig: Rinderbeinscheiben nach Kaltmamsell-Familienart. Da es sich um ein Schmorgericht handelte, fielen die ersten Handgriffe bereits um halb fünf an, dazwischen hatte ich außerdem die Gelben Bete aus Ernteanteil gekocht, die ich jetzt zu Salat verarbeitete.

In der Schmorphase war Zeit für Yoga-Gymnastik: eine kurze, sportliche Folge. Und schon war der Tag rum, Herr Kaltmamsell rührte uns Manhattans als Aperitif.

Die Beinscheiben gerieten wohl, für die Sauce wendete ich die Methode Zerstören-statt-Binden an – und stellte überrascht fest, dass Herr Kaltmamsell sie nicht kannte. Der neue Zerstörer erreicht ein besonders sämiges Resultat.

Längs-Sicht auf gedeckten Tisch für zwei Persinen, von vorne offener Topf mit Schneckennudeln, weiter Schmortopf mit Glasdecken, daneben zwei Glasteller auf grünen Sets mit Fleisch, Sauce, Nudeln, dahinter Weinglas mit Rotwein, Rotweinflasche, Pfeffermühle, geschlossener Laptop, Bücherstapel

Bitte beachten Sie die Nudeln im Vordergrund: Das ist die einzig zulässige Form als Beilage zu diesem Gericht, weil daheim bei Mutter so gewohnt (die das wahrscheinlich deutlich weniger eng sieht) – heutzutage gar nicht so einfach zu finden.

Im Glas der restliche Lemberger-Merlot vom Freitagabend, echtes Sonntagsessen. Nachtisch Schokolade.

§

Mama-Blogs gibt es ungefähr so lang, wie es Bloggen gibt – klar, wer über ihr Leben blogt, deckt damit auch Mutterschaft ab. Doch das nahm irgendwann eine eher gruslige Entwicklung, als die Eigenfamilien-Berichterstatttung auf YouTube Reality TV wurde mit Kindern vor der Kamera, die sich das nicht wirklich ausgesucht hatten. Der Guardian interviewt eine dieser Töchter, die heute 21 ist und deren Mutter in den USA mittlerweile wegen Kindesmisshandlung verurteilt eine Haftstrafe absitzt: Hinter der Vorbildwelt auf YouTube hatte blanke Gewalt gesteckt.1 Wobei diese christlichistisch geprägte Sonderform der Familienbelehrung sicher spezifisch US-amerikanisch ist.

“‘The nice version of her was manufactured for YouTube’: my mum, the family vlogger who became a child abuser”.

Mal wieder wird mir bewusst, welch komplett anderer Planet mein Internet war und ist.
Das prägende Erlebnis war die Blogmich 2005, also nach den ersten Jahren des Mitmach-Webs. Wir Blogger*innen standen komplett star struck umeinander herum: Das waren die Leute, die wir im Internet lasen – IN ECHT! Mein Eindruck war: Jeder und jede hielt alle anderen für Berühmtheiten. Was wir selbst ins Internet schrieben, war ja bloß…
Sehen Sie sich nur mal meinen damaligen Blogpost über das Treffen an!
Es war eine Online-Welt auf Augenhöhe. Beleg: Nicht wenige Blogger*innen kamen betont nicht, weil sie diese anderen Leute im Web, die sich offensichtlich für so wichtig hielten, doof fanden. (Und das natürlich in ihr Blog schrieben.)

Schon bald gab es Leute, die mit dem Ins-Internet-Schreiben Geld verdienten und sich nach meinem Gefühl von dieser Blogger*innen-Generation lösten. Immer mehr Menschen hatten Zugang zum Web, doch die wenigsten hatten das Bedürfnis, es für eigene Inhalte zu nutzen – die Gruppe der reinen Leser*innen/Gucker*innen wurde immer größer. Ich beobachtete die Ära der YouTube-Stars, geriet in Berlin mal versehentlich in eine Veranstaltung, auf der Fans ihre YouTube-Idole persönlich treffen konnten – hier war das star struck längst einseitig geworden. Und viel später gab es “Influencer*innen” die mit dieser Einseitigkeit ihren Lebensunterhalt bestritten, Unternehmen darauf gründeten und immer noch gründen. Jetzt war die Trennung Star-Fan endgültig abgeschlossen.

§

Die CSU wirbt Wahl (wahlwirbt?) in Oberbayern mit dem Slogan „Zeit, dass sich was ändert“ – das sollte niemanden wundern, denn das ist schon immer das Selbstbild der (seit 70 Jahren an der bayerischen Landesregierung befindlichen) CSU, siehe “Der Revolutionär” von Gerhard Polt, hier eine Aufnahme von 1987.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=lQjxmbf2bsE

  1. Was um Himmels Willen nicht umgekehrt bedeutet, wieder mal zur Sicherheit, dass alle Mütter, die ihre Kinder auf YouTube für sich arbeiten lassen, sie schlagen und hungern lassen! []
die Kaltmamsell

Journal Samstag, 1. Februar 2025 – Uni-Erinnerungen

Sonntag, 2. Februar 2025 um 9:21

Gut und lang geschlafen, interessant geträumt. Gemütliches Bloggen, Nachlesen der Mastodon-Timeline der vorhergehenden 24 Stunden – anhand der Verarbeitung dort auch tagespolitische Ereignisse des Vortrages nachverfolgt, ähnlich wie die Aufzeichnung eines Sport-Ereignisses.

Erst beim ersten Auftauchen von Lieblings-Microblogging-Posts in dieser Timeline bemerkte ich, dass ich selbst die für Januar komplett vergessen hatte. Vermutlich wäre ich eh nicht dazu gekommen, aber diesmal hatte sie einfach vergessen.

Fester Plan war Schwimmen gewesen, vor allem hatte ich darauf gehofft, dass dadurch die seltsamen Kreuz-/Hüftschmerzen verschwinden würden. Doch als es Zeit für Packen und Aufbruch wurde, hatte ich keine Lust. In diesem Fall fiel das Hadern aus: Ich hatte ja Urlaub, also verschob ich die Schwimmrunde einfach auf Montag – an dem ich ursprünglich wandern wollte, für den mir aber keine wirklich attraktive Route eingefallen war.

Statt dessen: Schweizer Sonntagszopf! Ich hatte sehr im Kopf, dass noch ein angebrochener Würfel Hefe im Kühlschrank mit Vergammeln drohte. Während der Teig ging (ohne Ei, weil keines im Haus, aber ich wusste ja, dass er auch ohne funktionieren würde), duschte ich und ging auf eine Einkaufsrunde – für die ich energisch “Blumen” auf die Liste setzte, schließlich konnte ihr Anblick mich in der Urlaubswoche besonders häufig erfreuen.

Die Front eines sehr alten Kinos mit leeren Schaukästen, mit verblichen rotem Samt ausgekleidet, über dem Eingang die Buchstaben "Filmtheater Sendlinger Tor", ein Mann mit Wollmütze und Jeans geht gerade vorüber

Trauriger Abschied von einer Kino-Institution:1 Das Kino Sendlinger Tor ist jetzt Vergangenheit, Mitte Januar war die letzte Vorstellung.

Auch in den Nachbarschafts-Blumenladen bog ich ein, bewunderte beim Warten die überraschend große Auswahl an Nelken, nahm davon ein paar in Dunkelweinrot mit, die Kundin nach mir war eine der örtlichen Verkehrswächterinnen.

Weiterarbeit am Sonntagszopf, wieder scheiterte ich am zweisträngigen Flechten (vielleicht fehlt mir einfach die Ablenkung durch ein Gespräch über Relativitätstheorie), aber das Ergebnis war zopfoid.

Durch die Backofenscheibe fotografierter Hefezopf, der gerade am Aufgehen ist, noch ungebräunt

Meiner Nase traue ich beim Backen mehr als der Uhr: Wenn der Duft meldet “Hefezopf 1 Minute über fertig”, kann die Uhr noch so sehr anzeigen “noch 5 Minuten Backzeit” – Zopf kommt raus.

Aufsicht auf glänzend braun gebackenen Hefezopf auf Backpapier auf Blech

Nach 20 Minuten Abkühlen ließ er sich in flaumige Stränge zupfen, die ich mit Käse und Orangenmarmelade genoss. Ich freute mich sehr darüber, dass ich backen kann.

Zeitungslektüre, doch dann holte ich die Lieblingsmicrobloggingpostst nach: Die nächste Runde hat bereits die Bundestagswahl hinter sich, Vieles würde sich überholt haben.

Programm war gestern ein Ausflug nach Augsburg: Herr Kaltmamsell ist immer noch im Verteiler des Anglistentheaters der Uni Augsburg, dessen Teil er als Student war (nicht auf der Bühne, sondern mit Orga und Ticketverkauf), und jetzt hatten wir uns nach Jahrzehnten aufgerafft, mal wieder Tickets für eine Vorstellung zu kaufen. (Wir haben beide an der Uni Augsburg studiert, uns dort als Hiwis kennengelernt.) Gegeben wurde Dracula: A Postmodern Postmortem, eine Verarbeitung von Bram Stokers Roman von 1897.

Das Hinkommen war gar nicht so einfach: Die Regionalbahn, die uns mit unserem Deutschlandticket rechtzeitig für einen Abend-Snack vor der Vorstellung nach Augsburg bringen sollte, fiel aus – „Grund ist die kurzfristige Erkrankung des Personals.“ Herr Kaltmamsell spendierte kurzerhand zwei ICE-Tickets, doch in diesem schickeren Zug saßen wir erstmal: Er fuhr „auf unbestimmte Zeit“ nicht ab, „wegen fehlendem Personal“.

Schließlich kamen wir aber nach Augsburg, zu spät für ein Einkehren (wir hatten nach dem vielen warmen Sonntagszopf eh noch keinen Hunger), doch mit reichlich Zeit für einen Spaziergang übers Uni-Gelände.

Augsburg hat eine Campus-Uni im Süden der Stadt, wir versuchten uns in der nächtlichen Szenerie zu erinnern, welche Gebäude und Infrastruktur es zu unserer Zeit schon gab (Abschluss 1995 – mein Studiengang Englische Literaturwissenschaft existiert längst nicht mehr, nicht mal mehr mein Studienabschluss Magister), sahen in der Zentralbibliothek vorbei (die rosa Zettel damals für Fernleihe!), rekonstruierten unsere Recherche-Wege durch die Bibliotheksgebäude als Hiwis, guckten von außen in die stille Cafeteria. Ich hatte schon sehr lang nicht mehr an diese Zeit gedacht. (Damals, krächzte sie, gab es ja noch nicht mal die Straßenbahn raus zur Uni, es fuhr nur ein Bus, und die Haltestelle hieß “Alter Postweg, Universität” – mit Universität als Nebensache.)

Vertraut war das Hörsaal-Gebäude, in dem das Theaterstück aufgeführt wurde.

Kunstbeleuchtetes Foyer eines modernen Hörsaalgebäudes, vom ersten Stock aus fotografiert; der Boden besteht aus Pflastersteinen, Wände und Treppen aus Beton, links sieht man eine gelbe Hörsaaltür, manche Blenden sind grün. Vereinzelt stehen Menschen herum

Ich weiß, dass rechts unten ein öffentlicher Telefonapparat hing, unter anderem weil ich daran im ersten Semester für meine allererste Uni-Seminararbeit telefonierte, die gleich mal ein großes Abenteuer war (Nebenfach Alte Geschichte, Proseminar Epigrafie, Inschriften aus der späten Kaiserzeit) – die Geschichte habe ich immer noch nicht erzählt.

Im gut gefüllten Hörsaal fühlte sich der Holzsitz unterm Po durchaus vertraut an (und immer noch bequemer als die Sitze in den Münchner Kammerspielen, aber dazu gehört nicht viel), der heruntergeklappte Tisch machte das Sitzen noch bequemer – ich sitze einfach am liebsten an einem Tisch.

Das konventionelle Bühnenbild mit realistischen Möbeln und einem silbernen Theaterdeko-Sarg bereitete mich auf die Art der Inszenierung vor. Bis zur Pause fühlte ich mich gut unterhalten von der leichten und immer wieder scherzhaft erklärten Geschichte um Jonathan Harkers Reise zu Graf Dracula, das war liebevoll und mit Herzblut (haha) gemacht. Nach der Pause allerdings zog sich der Abschluss der Handlung in Wiederholungen, da half auch Klamauk nicht.

Draußen war es knackig kalt, statt an der Uni auf die nächste Tram zu warten, marschierten wir eine Haltestelle weiter. Dann erwischten wir aber gleich eine pünktliche Regionalbahn zurück nach München – auch wenn wir in Pasing nochmal umsteigen mussten (am Wochenende immer Bauarbeiten), kamen wir noch vor elf nach Hause. Hunger hatten wir beide immer noch keinen echten, doch aus Vernunftgründen bereitete Herr Kaltmamsell aus den Fertig-Gnocchi im Kühlschrank mit Käsesauce ein kleines warmes Abendessen zu.

§

Nochmal Prof. Drosten zu Corona – mei, er ist halt auch weiterhin weltweit führend in der Sars-CoV-Forschung, es ist nur seriös, sich mit Fragen dazu an ihn zu wenden. Zum Beispiel mit Fragen über den Forschungsstand zum Ursprung des Sars-CoV-2-Virus.
“Christian Drosten
‘Je mehr Zeit vergeht, desto skeptischer werde ich'”.

(Herzchen für den Schlusssatz:
“Drosten: Mitdenken ist anstrengend. So ist das nun mal.”)

  1. Sehr schön in der kleinen Doku: Der Sprachunterschied zwischen den Generationen – eine spricht noch Bayrisch, die nächste komplett ungefärbtes Deutsch, rollt nichtmal das R. []
die Kaltmamsell

Lieblingsmicroblogging-Posts Januar 2025

Samstag, 1. Februar 2025 um 14:57

Bitte verzeihen Sie, ich hatte das Sammeln und Veröffentlichen für Januar gestern komplett vergessen, hiermit nachgeholt (weil vor dem nächsten Monatsende die Bundestagswahl steht und manche Posts wahrscheinlich schlagartig unverständlich werden – und schließlich sind diese Sammlungen auch eine Art Chronik, zumindest für mich).

Ein wenig war ich auch auf Bluesky unterwegs:

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 31. Januar 2025 – Veranstaltungsorga-Gewusel und sehr spezifischer Ruhm des Alkohols

Samstag, 1. Februar 2025 um 8:33

Weckerklingeln eine halbe Stunde früher als sonst, denn gestern war der vorbereitete Großkampftag in der Arbeit.

Vor nächtlich nebligem Himmel ein älteres Hallen-Gebäude mit beleuchteten Fenstern, die ihren Schein auf die nasse, gepflasterte Fläche davor werfen

Verkehrsmuseum im Stockdunklen, auf den nassen Boden nur hin und wieder ein paar Nieseltropfen.

Unter anderem nutzte ich die menschenleere Zeit in der Teeküche meiner Büro-Etage, um die ersten fünf großen Kannen Kaffee aufzubrühen. Inzwischen weiß ich, wie lange welche Veranstaltungs-Vorbereitung am Veranstaltungstag dauert, die früher mal ein Inhouse-Service erledigte. Mein Teil der Vorbereitungen lief glatt, diesmal hatte ich bereits um 9 Uhr die 10.000 Schritte voll.

Wie gewohnt war bei aller Glattheit immer mal wieder etwas zu tun – ich gab bald die Idee auf, an der Veranstaltung selbst auch teilnehmen zu können, kam mir ein wenig dumm für die Idee vor. So ging das durch bis Veranstaltungsende um 15 Uhr (allerdings hatte ich auch Ruhephasen, in denen ich mich an meinen Schreibtisch setzen konnte und Schreibtischdinge erledigen), als ich Abbau und Aufräumen starten konnte. (Bei all meinem Gewusel wieder regelmäßige, aufrichtig gemeinte Angebote: “Kann ich dir was helfen?” Mangels Team-Fähigkeit – und mangels verfügbarem Personal, wie erwähnt bin ich bereits das letzte Glied der Delegier-Kette – hatte ich aber die Orga für eine handelnde Person durchgeplant. Und auf “Erschieß mich” wird erfahrungsgemäß nicht eingegangen.)

Ich kam gut und geradezu heiter durch alles durch, konnte am Schreibtisch letzte Dinge für meine anschließende Urlaubswoche erledigen, noch zu Tageslicht machte ich Feierabend. Wozu ich leider nicht mehr kam: Nach einem Demo-Plakat-tauglichen Karton für den 8. Februar und die Kundgebung “Demokratie braucht DICH” auf der Theresienwiese zu suchen.

Essen konnte ich den ganzen Tag nichts, zum Glück habe ich stabilen Blutzucker, und für schwindelige Mattigkeit war wohl zu viel Adrenalin im Blut.

U-Bahn stadtauswärts zum Metzger Franz: Ich besorgte Rinderbeinscheiben fürs Sonntagsessen. Auf der Rückfahrt stieg ich an der Schwanthalerhöhe aus, um das gestrige Abendessen zu besorgen: Herr Kaltmamsell hatte einen beruflichen Abendtermin, davor gab es Take-away vom Balkanbäcker.

Daheim holte ich die Yoga-Gymnastik mit Schnaufen und Dehnen nach, sie brachte mich nicht wirklich runter. Das schaffte erst Alkohol (ein Grund, warum ich die medizinische Wirkung trotz aller Nebenwirkungen so schätze): Erst nach einem Glas Wein (ca. 150 ml) konnte ich die Erleichterung spüren, dass die Arbeitswoche zu Ende war und ich jetzt eine Woche Urlaub hatte.
Auf ein zweites Glas hatte ich dann nicht mal Lust.

Abendessen war Drei-Gänge-Burek vom Balkanbäcker: Ich hatte die Sorten Pizza (Schinken-Käse-Tomate – nicht ideal), Spinat-Käse (schon besser) und Käse (mein Liebling) mitgebracht, wärmte das Gebäck in der Mikrowelle auf und teilte jedes mit Herrn Kaltmamsell. Zum Nachtisch hatte ich Haselnuss- und Mohn”strudel” mit Hefeteig geordert – der wohl nicht erst gestern gebacken war, ein Glas Milch dazu tat ihm gut.

Bewegungsresultat des Tages: 25.000 Schritte, gut 15 Kilometer, 80 Stockwerke.

Aufsicht auf einen verwelkten und vertrockneten Tulpenstrauß, im Vordergrund eine fahl gelb-rote Blüte

Fast schon ein Foto-Topos: Die Ästhetik verblühter Blumensträuße.

§

Ich feiere die taz sehr für ihren gestrigen Titel – sie hat’s einfach immer wieder drauf.

§

Hierfür können sich wahrscheinlich deutlich weniger Menschen begeistern – aber ich gehöre definitiv dazu: Das Intro der ursprünglichen Rauschiff-Enterprise-Fernsehserie, aber mit dem Sound, als käme er aus der USS Enterprise selbst.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=PDgD99c7v28

via @dentaku

Schöne Antwort auf die Frage: Was ist Sound Editing und warum gibt es einen Oscar dafür?

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 30. Januar 2025 – Der mit wunderschönen Ohrringen endete

Freitag, 31. Januar 2025 um 5:48

Auch dieser Januar scheint zwei Monate und Jahreszeiten lang zu sein, er nimmt schier kein Ende. Deshalb war ja mein Plan gewesen, diese letzte Januarwoche Urlaub zu nehmen: Ich hoffte, den gefühlten Doppelmonat mit Gewalt zu kürzen. Doch Mitte Dezember wurde eine große interne Berufsveranstaltung am 31. Januar angesetzt, für deren Organisation ich zuständig bin – ich musste das Experiment um ein Jahr verschieben.

Gestern stand ich mit überdurchschnittlich starken Kreuz- und Hüftschmerzen rechts auf, hatte mich wohl nachts verlegen.

Ein schöner, strahlender Morgen, ich genoss den Weg in die Arbeit.

Rosa-blauer Morgenhimmel, darunter die Silhouette einer Häuserreihe, im Vordergrund eine weite, asphaltierte Fläche

Mitten auf der Theresienwiese Richtung Osten geblickt.

Im Büro war schnell klar, dass die Untenrum-Schmerzen diesen zu einem Auf- und Nieder-Tag machen würden: Häufiger Wechsel zwischen Schreibtisch-Arbeit im Sitzen und Stehen, immer in der Hoffnung auf Schmerzmilderung durch Wechsel.

Vielfältig konzentrierter Vormittag, doch bevor der Himmel zuzog, kam ich nochmal raus in die Sonne: Mittagscappuccino, berufliche Besorgungen.

Breites hölzernes Fensterbrett, von Sinne beschienen, darauf ein Blumenstrauß, auf einem Metalltablettchen eine Tasse Cappuccino, ein Glas Wasser, vor dem Fenster schattige Straße

Schlimme Krankheitsinfos über eine einst sehr vertraute Kollegin lenkten mich fast von der Sorge um einen jahrzehntelangen Kontakt aus dem Internet ab. Und dann erreichte mich eine weitere besorgniserregende Krankheitsmeldung – was ist mit den Leuten?! (Ist eine völlige unangemessene Reaktion, ich weiß.)

Zu Mittag hatte ich so richtig Hunger, es gab einen Apfel sowie Granatapfelkerne mit Joghurt: Im Süpermarket hatte ich einen Becher von einem bislang unbekannten Hersteller mitgenommen, der Joghurt, 3,5% Fett, erwies sich als ungewöhnlich fest – im Sinne von Wasser-arm: Mochte ich sehr, werde ich gezielt wieder kaufen. Außerdem ein Resterl Leinsamenschrot.

Der Arbeitstag wurde länger als geplant, und das, wo der eigentliche Großkampftag der Freitag sein würde. Mit hängenden Flügeln machte ich mich auf den Heimweg, wälzte Sorgen um die lieben Kranken. Und gab genau deshalb dem Impuls nach, die seit drei Monaten im Schaufenster der Goldschmiede Silberfisch angehimmelten Ohrringe nicht mehr weiter nur anzuhimmeln, sondern anzuprobieren. Mit dem erwarteten Ergebnis, dass sie am Ohr genauso schön aussahen. Also kaufte ich sie.

Ein zweiteiliges schwarzes Schmuckschächtelchen, das Unterteil aufgestellt, darin eine hellgrüne Edelsteinpampel an goldenem Haken, die zweite Pampel liegt auf dem Deckel der Schmuckschachtel, auf dem ein silberner Schriftzug „Silberfisch“ in Fischform geprägt ist.

Zwei Prasiolithe und Gelbgold.

Und wenn Ihre Reaktion ist: Pft, ist halt ein aufgehängter zugekaufter Stein – dann gucken Sie nicht so viel und seit so vielen Jahren in Goldschmiede-Schaufenster wie ich und müssen sich darauf hinweisen lassen, dass das so ziemlich die schönste und eleganteste schlichte Aufhängung einer Pampel ist, die ich je gesehen habe. Und dass diese Pampeln exquisit geschliffen sind. Die Goldschmiedin: Irina Grünberger. (Die gerade nicht im Laden war, Silberfisch ist ein Kollektiv, eine Kollegin schlug Material und Preis nach.)

Nach Lebensmitteleinkäufen kam ich so spät daheim an, dass mir nach Häuslichkeiten die Lust auf Yoga-Gymnastik fehlte (außerdem hatte ich gespickt, dass nur geschnauft und gedehnt wurde). Ums Abendessen kümmerte ich mich, der gestern geholte Ernteanteil hatte Feldsalat enthalten.

Gedeckter Tisch, im Vordergrund auf einem grünen Set ein großer Glasteller, darauf Feldsalat, vier aufgeschnittene Avocado-Viertel, in der Mitte ein Ei-Fragment; dahinter ein Teller mit zwei Stücken Käse, links davon ein Glas dunkelgoldenes Gelee

Dazu Crowdfarming-Avocados und ein – wachsweich geplantes, aber geplatztes – Ei. Außerdem Käse. Und dann noch Schokolade.

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Für den Freundeskreis CO2-Vermeidung durch Bahnfahren: Eine Frau reiste von Cornwall (Großbritannien) nach Manchester (Großbritannien) per Flugzeug über Málaga (Spanien) – weil das immer noch billiger war als mit dem Zug und direkt:
“Woman travels to Manchester via Spain to save cash”.

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“Ich vertrage seelisch nicht alles, was mich intellektuell interessiert.”
schreibt @Sammelmappe auf instagram

Es braucht im Grunde gar keine schwierigen Wörter, um exakt zu treffen, was ich von klein auf kenne – Claudia hat sie gefunden.

Ja: Von klein auf. Zum ersten Mal ja, als meine Eltern mich als kleines Kind ins kurz davor eröffnete medizinhistorische Museum in Ingolstadt mitnahmen – und sich sicher in dieser Entscheidung bestätigt sahen, als ich völlig fasziniert war. Um danach wochenlang mit Alpträumen von dem Gesehenen verfolgt zu werden. Das war nur die erste von doch einigen solchen Erlebnissen.
Ich erkläre mir den Abbruch meines beruflichen Potenzialausschöpfens damit, dass ich diese seelische Unverträglichkeit ein paarmal zu oft nicht bemerkte oder wegdrückte. Bis halt gar nichts mehr ging und ich beruflich eiserne Bande um mein intellektuelles Interesse schmieden musste.

die Kaltmamsell