Oscarnacht 2025

Montag, 3. März 2025 um 0:57

Kurz vor eins (das hier startete früher doch ein bisschen später? jetzt Senioren-kompatibler), Pro7 ist noch am roten Teppich.

Ich erwische gerade Volker Bertelmann: Ausgerechnet die Musik von Conclave hatte mich enttäuscht – und die ist nominiert?

Eingangssongs der Hauptdarstellerinnen von Wicked, Ariana Grande und Cynthia Erivo – welche RÖHREN! Das Orchester dieses Jahr im Hintergrund der Bühne.

Gastgeber Conan O’Brien kommt in einem vorbereiteten Film aus dem Körper von Demi Moore im Film The Substance heraus, dann auch auf die Bühne. Bühnenbild wieder mit Jugendstil und Old Hollywood. Er thematisiert gleich mal die Uhrzeit: “Starts at 4 in the afternoon – everybody just had brunch!” Aha, also auch vor Ort seltsam. Spricht Ralph Fiennes korrekt aus: Reyf – erst beim Abendessen bekam ich einen Vortrag dazu von Herrn Kaltmamsell, dass das nämlich im britischen Englischen überhaupt die korrekte Aussprache ist. Flacher Amazon-Scherz (übernahm die 007-Rechte kürzlich), flacher Scherz über John Lithgow (auf ewig meine Roberta in The World According to Garp).

O’Brien wird ernst: “Any award show seems superfluous” angesichts des Leids, das Los Angeles erlitt (mit den Bränden) nun angesichts der Weltlage: Aber dieses Ritual zeige die Menschen, die im Filmbusiness sonst nicht im Rampenlicht stehen, wie Techniker*innen – und es werde bleiben.

Robert Downey Jr. präsentiert Actor in a Supporting Role – erster Blick auf Isabella Rossellini, die hinter dem nomnierten Guy Pearce sitzt! Es gewinnt Kieran Culkin, der einzige, den ich gesehen habe – und der in A Real Pain wirklich sehr gut spielte.

Oh Gott, in den Werbepausen quatschen die deutschen Moderatoren, das muss ich muten.

Der frühere Start der Awards Ceremony kommt mir durchaus entgegen: Ein paar Stunden vorgeschlafen, danach gehe ich nochmal ins Bett und habe dank des freien Rosenmontags auch wirklich Zeit für eine zweite Schlafrunde.

A Complete Unknown, einer der nominierten Flme, wird vorgestellt. Biopics interessieren mich halt praktisch nie.

Andrew Garfield und Goldie Hawn sind als nächstes dran. Goldie war sehr lang die am bewundernswertesten jung operierte Person in Hollywood – mittlerweile auch sie mit 79 Jahren weit jenseits der Grusligkeit. Animated Feature Film geht an Flow: Junger Mann dankt seinen “cats and dogs” – und weist darauf hin, dass das der erste lettische Film mit Nominierung ist. Garfield und Hawn präsentieren auch Animated Short Film: In the Shadow of the Cypress. Gewinner entschuldigt sich für sein schlechtes Englisch (iranischer Film) und dass er und die Dame neben ihm ablesen müssen: Bis zum Vortag hatten sie nicht mal ihre Visa und sind überwältigt.

Präsentation von Wicked als bester Film.

Conan O’Brien grüßt auf Spanisch, einer indischen Sprache, Scherz auf Chinesisch.

Fünf Präsentator*innen für bestes Kostüm – alle aus den nominierten Filmen: Sie sprechen über ihre Erfahrungen mit den Nominierten, das finde ich sehr schön. John Lithgow für Conclave! Wenig überraschend und auch von Lisy Christl prognostiziert: Wicked. Paul Tazewell weist beim Dank darauf hin, dass er der erste Mann of colour ist, der diesen Oscar bekommt.

Im Gegensatz zu meinen früheren Oscar-Nächten kein Bedürfnis nach Snacks, auf dem Tischchen neben dem Sofa steht nur eine Tasse Roibuschtee, die Kanne dazu auf dem Stövchen auf dem Esstisch. What you wearing? Grauen Samt, ganz edel! (Hausanzug von Tchibo.)

Nächste Film-Nominierung: Der aktuelle Dune-Film (habe den Überblick über all die Fortsetzungen von Filmen verloren). Man sieht mal den Mann zur Stimme, die die Hintergrundinfos zu den Gewinnern ansagt.

Beide Drehbuch-Oscars werden präsentiert von Amy Poehler (sie hätte mehr für sie typischen Text bekommen sollen). Original Screenplay für Anora, Sean Baker dankt auch der sexworker community, die ihm geholfen hat, nice.
Adapted Screenplay geht an Conclave – der einzige, den ich gesehen habe, der hatte aber wirklich ein gutes Drehbuch. Peter Straughan trägt am Revers die Farben der ukrainischen Flagge, widmet den Oscar seiner Tochter, die ihn blegleitet.

Janet Yang, Präsidentin der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, wird kurz eingespielt – ist damit ihre Rede abgefeiert? Das wäre ein eleganter Weg, die langweiligen Formalien unterzubringen.

Kostümwechsel für Conan O’Brien, er trägt jetzt Blau. Scarlett Johansson und eine Dame, die ich nicht erkannte, die aber gute Punchlines hatte, präsentieren.
Oscar für Makeup and Hairstyling bekommt The Substance – leider interessiert mich der Film überhaupt nicht (und Horror kann ich eh nicht sehen). Drei echte Menschen weil wenig Star-aussehend auf der Bühne – und wir bekommen den pflichtgemäßen französischen Akzent!

Halle Berry in sensationellem Kleid, dem besten bisher besten: Berichtet die Governors Awards. Sie kündigt ein James Bond Tribute an. Nach einem Film-Zusammenschnitt eine Tanzszene auf der Bühne, hm, schräg. Wird zu einem Medley aus Bond-Titelsongs, schon besser, aber mit teilweise anatomisch erschreckenden Kleidern (es gibt DAFÜR kompatible Brüste?). Man sieht nochmal das Orchester im Bühnenhintergrund.

Conan O’Brien mimt einen Werbespot für eine ganz neue Art des Streamings (das mag das Wort für Nicht-live-Fernsehen sein, das sich durchsetzt): Kinos.

Daryl Hannah präsentiert Film Editing: Anora. Nochmal Sean Baker, nachdem er auch Regie geführt hat, kann er den Scherz machen: “I saved the film in editing! This director should never work again.”

Divine Joy Randolph kommt auf die Bühne für Actress in a Supporting Role. Den Oscar bekommt Zoe Saldaña – die ersten Tränen auf der Bühne, sie beginnt ihren Dank mit dem Ruf “MAMI!”. Das Kleid ist nicht nett zu ihren Brüsten, sie tun mir sehr leid. Saldaña betont unter Tränen ihre Herkunft als Kind dominikanischer Einwanderer, die sich hart hochgearbeitet haben.

Die Show bislang eher verhalten, möglicherweise vor den realen Hintergründen beabsichtigt.

Production Design wird präsentiert von Ben Stiller – gleich mal in einem fehlerhaften Bühnenbild, aus dem er erst hochklettern muss. Der Oscar geht an Wicked – eine auch für Laien offensichtliche Leistung an Bühnenbild. Lee Sandales dankt auch seinem Ehemann, das könnte eine Premiere gewesen sein.

Mick Jagger als Präsentator! Er macht Alterswitze! (Der Mann ist 81.) Original Song geht an “El Mal” aus Emilia Pérez. Beim Dank nochmal französischer Akzent. Und sie singen!

Samuel L. Jackson und Selena Gomez kommen auf die Bühne. Documentary Short Film geht an The Only Girl in the Orchestra. Gewagte Kleider beim Dank an Molly O’Brien und Lisa Remington, einmal Vorder-, einmal Rückenausschnitt. “Art is giving meaning to the chaos we are living through now” im Dank, schön formuliert.

Documentary Feature Film-Oscar für No other land. Der Dank kann nur politisch sein, beleuchtet das Leid der Palästinenser*innen und der israelischen Geiseln (Film von einem israelisch-palästinensischen Team).

Spendenaufruf für die Leidtragenden der Brände in Los Angeles. Es zieht sich. Und mit fast zweieinhalb Stunden bereits bis jetzt fürchte ich Überziehung.

LA-Feuerwehrleute auf der Bühne – stehende Ovationen. Und drei davon dürfen Witze performen, wie charmant.

Miles Teller und Miley Cyrus präsentieren Sound: Dune: Part Two. Von den drei Herren im Tux kommen nur zwei zum Danken, der dritte wird von der Bühne gespielt. (Sie wollen’s wohl auch nicht zu spät werden lassen).

Gal Gadot und Rachel IchkenndieDameleidernicht für Visual Effects: Geht ebenfalls an Dune: Part Two. Hahaha, jetzt auch Schwäbisch auf der Oscar-Bühne! Gerd Nefzer.

Oj, die beiden nächsten Präsentationsmenschen kenne ich nicht, ich bin einfach aus dem aktuellen Filmgeschehen raus. Live Action Short Film: I’m Not a Robot. Großartiges rotes Kleid an Victoria Warmerdam.

Morgan Freeman kündigt die In Memoriam-Sequenz an – den habe ich auch so lange schon nicht mehr gesehen, dass ich von seinem Altern überrascht werden kann. Er erinnert an den eben verstorbenen Gene Hackman.

Auch Cinematography wird von fünf Darsteller*innen aus den nominierten Filmen präsentiert: Es gewinnt nun auch mal The Brutalist. Oh, da freut sich jemand ganz besonders, Lol Crawley. Er liest von einem vielfach gefalteten Blatt ab.

Penelope Cruz (yay!) für International Feature Film, es gewinnt I’m Still Here, wahrscheinlich nicht nur für mich eine Überraschung, erster Oscar-Gewinn für Brasilien.

Mark Hamill kommt zum Star-Wars-Theme auf die Bühne, er präsentiert Music (Original Score): The Brutalist von Daniel Blumberg. Aww, ein ganz schüchterner, er dankt vor allem den Musiker*innen, schön. Hm, der Film wird immer interessanter.

Oprah Winfrey und Woopi Goldberg zusammen – und Woopi ist die mit dem großen Kleid, Überraschung! Sie kündigen eine Homage an Quincey Jones an: Es singt Queen Latifah.

Cillian Murphy verkündet Actor in a Leading Role: Adrien Brody! Ich hätte die Auszeichnung Ralph Fiennes sehr gegönnt. Diesmal ist Brody beherrschter als damals bei seinem ersten Oscar (das war 2003, ich tue mir jetzt doch die beiden Pro7-Moderatoren in den Werbepausen an, sie erwähnen unter anderem solche Details), er hält eine philosophische Rede über das Schauspielen. Er bekommt viel Zeit für viel Dank, an alle und jeden, jetzt sind wir gleich beim Großonkel, “and who else?” – jetzt spielen Sie ihn aber endlich von der Bühne. Nein, er fängt nochmal an, und zwar von vorne, jetzt nochmal philosophisch. Ich bin müde.

Quentin Tarantino kommt zu tosendem Applaus auf die Bühne. Oscar für Directing: Anora, der dritte heute Abend für Sean Baker. Gedankt hat er ja schon, jetzt liest er was vor: Er macht Werbung fürs Kinogehen. “Filmmakers: Keep making films for the big screen!”

In Los Angeles ist es halb acht (die Kamera kam hinter der Bühne an einer Uhr vorbei): Mit diesen Zeiten kommen die Leute ja zum Abendessen wieder heim!

Emma Stone präsentiert Actress in a Leading Role: Nochmal Anora, es gewinnt Mikey Madison. Sie liest von einem vorbereiteten Zettel – eine lange Reihe Namen, die konnte man sich wirklich nicht merken. Auch hier Dank an die sexworker community. Demi Moore nur mühsam beherrscht nicht zu enttäuscht.

Meg Ryan und Billy Christal präsentieren Best Picture! Wie wundervoll, sie beide zu sehen! (Er ist ja einen halben Kopf kleiner als Meg.) Mittlerweile sieht sie wieder erkennbar aus – bitte gebt ihr Rollen!
Anora gewinnt auch diesen fünften Oscar 2025. Diesmal aber mit mehr als einer Person auf der Bühne. Produzent plädiert für mehr Independent-Filme, seiner sei der Beweis, dass es sich lohne.

Bis zum Ende eher lahm. Jetzt aber nochmal ins Bett (zu original Vogelgezwitscher), ich gucke später nochmal nach Tippies.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 2. März 2025 – Kochen, Laufen, Conclave im Kino

Sonntag, 2. März 2025 um 20:54

Ausnahmsweise Abendposting – zur Abgrenzung zum Oscar-Bloggen.

Gut und ausgeschlafen, zu erstem Morgenblau am Himmel aufgewacht, zu einem sonnigen Tag.

Ich hatte auch für diesen Tag Pläne – und freute mich abends darüber, dass ich nicht nur Ideen habe (siehe Hummeln im Hirn), sondern auch die Energie und die Stimmung, sie umzusetzen und zu genießen. Also auch gestern ein Zeitplan. Zu dem gehörte, dass ich morgens die Hühnerbrühe für abends aufsetzte, mit echtem Suppenhuhn, dem man seine Karriere als Bioeierlegerin durchaus ansah.

Als ich mich nach Bloggen und Internetlesen, also nach Milchkaffee, Wasser, Kurkuma-Ingwer-Tee, für meine Isarlauf fertigmachte, war der letzte Handgriff vor Verlassen der Wohnung das Abstellen der Hitze unterm Suppentopf.

Ich lief ab Haustür los, war noch nicht sicher, ob ich eine Runde laufen würde oder bis hoch nach Pullach zum dortigen S-Bahnhof. Unterwegs in Sonnenschein unter Schleierwolken und für den frühen Vormittag erstaunlich viel Volk war mir immer mehr nach einer Runde: Die S-Bahn fuhr nur (jaja, ich weiß) alle 20 Minuten, ich hatte keine Lust auf Warten mit möglichem Frieren.

Die Aussichten unterwegs waren so schön, wie es im Spätwinter möglich ist, ich bekam durchaus Frühlingsblümchen zu sehen. Doch das Laufen strengte an, ungewohnterweise auch immer mehr, es zog und ziepte über der Hüfte und in den hinteren Oberschenkeln.

Flusslandschaft mit kahlen Bäumen unter blauem Himmel

An einem Hang mit kahlen Bäumen eine geschwungene Treppe aus Erdstufen

Wiese voller lila Krokus in einem sonnigen alten Friedhof

Zum Abschluss bekam ich auf dem Alten Südfriedhof eine große Krokantenparty.

Ich war so früh zurück, dass ich nach dem Duschen noch keinen Frühstückshunger aufbrachte und erst noch eine Tasse Kaffee trank, Zeitung las. Um halb zwei gab es dann selbstgebackenes Brot (ich wurde daran erinnert, dass ich dieses besonders gern mochte), eine Grapefruit.

Für eine Nachmittagsvorstellung von Conclave in den Museum Lichtspielen hatte ich morgens eine Karte gesichert, bis dahin machte ich aus dem gekochten Fleisch des Suppenhuhns altmodischen Geflügelsalat (Dosenchampignons, Dosenananas, vorhandene Haselnüsse statt Walnüsse, Majo, Currypulver) – im Grunde tatsächlich mal “wie bei Oma”, halt nicht meiner, sonder wie bei meiner Mutter, die seit gut zwei Jahrzehnten auch Oma ist.
Ein gutes Gefühl, von diesem Tier so wenig wie möglich vergeudet zu haben (danke, Huhn!).

Ins Kino ging ich wieder eine halbe Stunde zu Fuß: Das Wetter war gar zu herrlich, die Isarufer wuselten von Menschen – obwohl es bei aller Sonne zapfig kalt war.

Dann also Conclave. Ich bin schon in einen Film gegangen nur wegen der Musik (Joker, Hildur Guðnadóttir), diesmal wegen der Kostüme (Lisy Christl). Denn als ich seinerzeit von Conclave hörte, war meine Reaktion: Wie will man bitte aus einer Papstwahl einen fesselnden Film machen, ohne zu Dan-Brown-Spektakel zu greifen? Dabei basiert er doch auf einem Roman von Robert Harris, und Robert Harris kann das wirklich.

Es wurde durchaus ein konventioneller Film, aber im guten Sinn traditioneller Erzähltechiken – wie es halt auch Robert Harris gut macht. Ein paar Mal griff das Drehbuch zu leicht unrealistischem Erzählen, aber auch das war sanft eingesetzt. Ja: Man kann mit hervorragenden Schauspielern, superschönen und im Detail überraschend Bildern sowie sauberem Drehbuch einen spannenden Film aus einer Papstwahl machen.

Und ab zwei Dritteln fand ich es supercool, dass ich alle Sprachen im Film (Englisch, Italienisch, Latein, Spanisch) im Original verstand und nicht auf die Untertitel angewiesen war. Wenn ich schon sonst bildungsmäßig uNTeR MEinEm pOTenZiAL geblieben bin.

Rückweg durch München unter Abendhimmel – einfach scheiße schön.

Fluss im Abendlicht, ins Bild ragen kahle Äste, im Hintergrund die Silhouette einer Kirche

Daheim war noch Zeit für Yoga-Gymnastik, bevor ich der Hühnerbrühe den größten Gefallen tat, den man ihr tun kann: Ich servierte sie als Tortellini (gekauft, Käse-gefüllt) in Brodo. Nachtisch Käsekuchen – und ein wenig Schokolade.

Früh ins Bett mit Wecker auf 0:45 Uhr – endlich mal wieder Oscar-Verleihung gucken.

§

Auch in ihrem aktuellen Blogpost/Newsletter schreibt Andrea Diener Bedenkenswertes:
“Ein Shoutout an die Blümchenknipser (und eine Frage)”.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 1. März 2025 – Programmreicher Faschingssamstag

Sonntag, 2. März 2025 um 8:35

Sehr gut geschlafen, als ich die Augen aufschlug, wurde der Himmel bereits hell – endlich spürbar längere Tage.

Ein straffer Morgen, denn ich hatte frühe Pläne. Das Draußen überraschte mit eisigem Nebel.

Moderner Kirchturm in fahlem Nebel, davor kahle Bäume

Schon um zehn traf ich mich am frisch renovierten Alpinen Museum auf der Praterinsel. Ich ging zu Fuß dorthin, im weiterhin eisigen Nebel ein begrenztes Vergnügen. Aber ich bekam, nur wenige Meter von meinen vertrauten Wegen entfernt, neue Anblicke.

In trübem Winterlicht ein Kanal, darüber eine niedrige Brücke, links eine große, kahle Weide, die sich im Wasser spiegelt, darunter von hinten ein Mensch mit Kind auf den Schultern

Trübes Winterlicht, im Vordergrund eine Wassserfläche, hinter einer niedrigen Brücke im Nebel kahle Bäume und ein helles Jugendstilgebäude mit Turm

Müller’sches Volksbad

Kanal im Vordergrund, am anderen Ufer ein helles, klassizistisches Gebäude, über dessen Eingan "Alpines Museum" steht

Das Alpine Museum ist sehr schön renoviert, der Eingangsbereich roch herrlich nach Holz. Erstmal führte es mich allerdings aufs Männerklo.

Aus Messing auf Weiß zwei Klof iguren: Links mit einem Kleid mit runden Schultern, rechts mit einem Dreiecks-Kleid

Ich hatte zunächst nur die Tür mit dem linken Symbol gesehen und es als Kleid gedeutet. Egal, auf vielen Ebenen, unter anderem fand ich die Türklinken an beiden Türen ganz besonders schön.

Schlichte Türklinke mit Blatt aus Messing auf weißer Fläche

Wir gingen durch die übersichtliche Dauerausstellung, die verschiedene Seiten des Bergwanderns aus historischer Perspektive und des Deutschen Alpenvereins DAV beleuchtet, mit Exponaten von Mitgliedern, alten Fotos, Tondokumenten. In einem eigenen Bereich wurde die schlimme Rolle des Antisemitismus im DAV in den 1930ern und 40ern, gegenübergestellt der heutigen Aufmerksamkeit für Diversität.

Ausstellung mit grauen Trennflächen in Zacken, in der rechten Wand eingelassen in Vitrinen Exponate, von hinten eine Ausstellungsbesucherin, links sieht man große Fenster mit weißen Holzsprossen

Originalausstattung namhafter Bergmenschen.

Im 2. Stock eine Sonderausstellung zu Klimawandel und Alpen, weitläufig und die schönen und sorgsam renovierten Räume des Gebäudes nutzend. Ein Blick aus dem Fenster fiel auf den Außenbereich des Museum-Cafés mit Isar-Aussicht: Das müsste im Sommer genau die Isargastrononomie sein, die mir fehlt, nämlich direkt an der Isar. Wenn halt auch nur zu Museumsöffnungszeiten. Eingemerkt für einen Test.

Wir setzten unsere Verabredung mit einem Spaziergang im unverändert kaltem Nebel fort: Mir war die Route am Auer Mühlbach entlang eingefallen, diesmal allerdings nach Süden. Das war selbst in weiterhin fahlem Licht und kahler Natur schön. Wir sahen Eichkatzerln, samstägliches Straßenleben, in einem Vorgarten zusammen präsentiert Schneeglöckchen, Krokus, Winterlinge, Märzenbecher. Auf einem Hang bereits die ersten Bärlauchblätter.

Außenmauer mit viel bunter Streetart, rechts ein Durchgang und ein Baumstamm

Am Müller’schen Volksbad.

Blick steil nach oben: Vor grauem Himmel in trübem Licht der Turm einer neogotischen Backsteinkirche

Giesinger Berg von unten.

In der Krämer’schen Kunstmühle kehrten wir im Café Fausto ein, tranken Mittagscappuccino, füllten beide unsere Vorräte an Espressobohnen auf.

Aufsicht auf zwei Tassen mit Cappuccino mit unterschiedlicher Milchschaumkunst

Es war sehr voll, ein wenig überraschender Gegensatz zu meinem letzten Besuch an Heilig Abend.

In den Gesprächen erfuhr ich unter anderem Auswirkungen der internationalen und bundesweiten politischen Lage auf den wissenschaftlichen Betrieb, Einblicke in die Lage der Geisteswissenschaften in den USA. Austausch verschiedener Aspekte von Ratlosigkeit und Pessimismus. Gleichzeitig: Hilft ja nix.

Zurück in die Innenstadt nahmen wir die Tierpark-Buslinie 52, Abschied von der Freundin am Sendlinger Tor.

Ich ging weiter zu Lebensmitteleinkäufen im Alnatura, holte mir an der Bäckertheke dort Frühstückssemmeln. Die gab es gegen zwei mit Butter und Marmelade, dazu etwas Joghurt.

Back-Nachmittag: Ineinander verschränkt produzierte ich Käsekuchen Buddenbohm und ein Bauernbrot.

Blick in einen Backofen, darin eine Springform mit ungebackenem Käsekuchen, oben dunkle Sauerkirschen

Man erkennt‘s nicht auf den ersten Blick, aber das da oben sind Mandarinen (gab keine konservierten im Alnatura und ich hatte keine Lust, in einen weiteren Laden zu gehen). Mittlerweile hatten sich draußen Wolken und Nebel gelichtet, endlich schien die fürs Wochenende angekündigte Sonne.

Nachdem ich den Kuchen aus dem Ofen geholt hatte und in einer Gar-Phase des Brot-Teiglings ging ich mit Herrn Kaltmamsell nochmal aus dem Haus: Unser SoLawi-Olivenöl von Platanenblatt aus Lesbos war eingetroffen, an einer Verteilerstelle (Wohnung eines Kartoffelkombinatlers) nahmen wir unsere drei Kanister mit.

Ebenfalls mit den Brotback-Schritten verzahnt: Eine Einheit Yoga-Gymnastik, die gut tat. Und während der ich in der letzten Phase des wolkenlosen Sonnenuntergangs am Himmel eine wunderschöne hauchfeine Mondsichel sah.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell die Ringelbete aus Ernteanteil mit einer Erdnusssauce, den Kohlrabi tonnato, also mit Thunfisch-Püree, außerdem Käse.

Aufsicht auf gedeckten Tisch mit zwei grünen Platzsets, darauf große Glasteller, daziwschen eine Schüssel mit orangen Bete-Vierteln, eine mit Kohlrabiwürfeln in heller Sauce, ein Teller mit Käsestücken und Tomaten, gefüllte Sektgläser

Dazu öffnete ich eine Flasche Riesling-Sekt von Buhl. Nachtisch Käsekuchen (Mandarinen passen besser).

Runder Brotlaib mit dunkler, glatter, glänzender Oberfläche

Das Brot sah ok aus, Anschnitt am nächsten Tag:

Schnittflächen des halbierten Brotlaibs, feine Porung

§

In der Freitags-Süddeutschen ein Portrait von / Interview mit Lisy Christl, Kostümbildnerin aus München-Forstenried, die für ihre Arbeit in Konklave zum dritten Mal für einen Oscar nominiert ist. Wie bei allen Hintergrund-Techniken der Filmkunst stecken hier die eigentlich interessanten Überraschungen. (€)
“Sie hat den Vatikan neu eingekleidet”.

Für „Konklave“ hat sie sich an eine Herausforderung gewagt, bei der einem schwindlig wird, wenn man auch nur darüber nachdenkt. Lisy Christl musste den Vatikan neu einkleiden. Damit die liturgischen Gewänder der Kardinäle, des Papstes und der Nonnen in einem Film glaubhaft aussehen, reichte es nicht, einfach die realen Roben möglichst getreu nachschneidern zu lassen.

Dafür sind die Originale nicht schön genug, sie hätten die falsche Geschichte erzählt, sie hätten profan ausgesehen, nach Kostümen, so paradox das zunächst klingen mag. Es galt, wenn man so will, alles Störende und Falsche von den Entwürfen abzustreifen, so jedenfalls sehen die Skizzen mit den verschwimmenden Gesichtern auf der Pinnwand aus: wie von der Wirklichkeit gereinigt.

(…)

Die Kardinäle reisen im Film in ihren gewöhnlichen Alltagsmänteln an, von da an tragen sie fast identische Chorgewänder. Sie unterscheiden sich dann nur noch über ihre Brillen und Kruzifixe. „Bei einem Film mit sehr vielen Kostümen, wenn eins nicht perfekt ist, verspielt sich das, hier nicht“, sagt Christl. „Du hast einen Wurf und keine zwei.“

(…)

Als Christl 1992, nach der Meisterschule für Mode, von den Münchner Kammerspielen zu ihren ersten Filmproduktionen kam, sei an den Sets noch spöttisch vom „Rupf-und Zupf-Gewerbe“ gesprochen worden. „Da habe ich gesagt, Entschuldigung, so redet bitte keiner mit uns. Ich sage ja auch nicht zum Kameramann: Schmeiß mal die Knipse an!“

(Und dann diese wunderschöne Frau! Ich lass mir von keinem Schönheitsideal einreden, dass sie mit weniger Falten schöner wäre.)
(Apropos schöne faltige Frauen: Hier mal wieder Jamie Lee Curtis.)

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 28. Februar 2025 – Absprung in die Faschingstage, Befindlichkeiten

Samstag, 1. März 2025 um 7:34

Aufgewacht mit ungewöhnlich schlechter Laune und Ungehaltenheit. Kenne ich ja, ist irgendwas mit Stoffwechsel und Sich-Anstellen, geht auch wieder vorbei – doch diesmal war eine Note Gereiztheit dabei, die mich zu Selbsterforschung brachte: Gab es vielleicht diesmal einen echten Anlass, so subjektiv er auch sein mochte? Und so kam ich drauf, dass mich einige (nicht besonders relevante) Arbeitsaufgaben belasteten, die schlecht liefen, auf die ich aber praktisch keinen Einfluss hatte. Nach dem Marsch in die Arbeit unter düsterem Himmel und in kalter Luft machte ich mich also an meinem Schreibtisch daran, an allem und jeder, die mir einfielen, zu zupfen und nachzuhaken, um das zu ändern.

Es dauerte aber bis nach meinem Mittagscappuccino (nur einmal quer unterm Heimeranplatz durch), bis es erlösend weiterging, erst von der einen Seite (mit Entschuldigungen wegen Überlastung), dann durch ein informatives Gespräch von der anderen. Meine Stimmung besserte sich dadurch so massiv (jetzt freute ich mich endlich auf die vier freien Faschingstage!), dass ich zugeben musste: Ja, auch banale Arbeitsdinge können mir alles versauen.

Jetzt nahezu ungehindert rödelte ich also los und tat viele Sekretärinnendinge.

Danach gab es zu Mittag Äpfel und Hüttenkäse, anschließendes Weiterrödeln. Vergangene Woche war ohnehin von binge working geprägt: Wegarbeiten mit hohem Druck, dazwischen immer wieder Phasen von Zeittotschlagen, weil nichts vorwärts ging.

Stark erhöhter Blick über eine Großstadt, im Vordergrund links ein angeschnittenes Hochhaus, über der Stadt wolkiger Himmel mit leuchtend blauen Löchern

Zweites Hochhaussteigen, als Vorarbeit für vier Tage ohne.

Nach Feierabend hatte ich einen Termin bei meiner geschätzten Kosmetikerin: Füße schön machen, Gesichtsbehandlung. Erst im Gespräch mit der Fachfrau und beim Austausch von Urlaubsgeschichten stellte ich fest, dass ich seit September 2024 nicht mehr bei ihr gewesen war – irgendwie hatte es immer einen Grund zur Verschiebung gegeben. Kein Wunder, dass ich mich beim Anblick meiner Füße sehr, sehr nach professioneller Fußbehandlung gesehnt hatte. Ich verließ das Kosmetikstudio mit wohligem Gefühl und einer Nagellackfarbenentdeckung.

Heimkehr wenig vor der Tagesschau in eine leere Wohnung: Herr Kaltmamsell traf sich aushäusig mit schwierig zu erwischenden Freunden. Ich machte mir nach Blumengießen und weiteren Handgriffen fürs wochenendliche Brotbacken einen lauwarmen Nicht-Nudelsalat mit roter Paprika, Gurke, Tomate, mit den Nudeln kochte ich ein paar Ernteanteil-Karotten (roh bereiten sie mir seit einigen Jahren leider Bauchschmerzen), in reichlich Joghurtsauce – und genoss ihn sehr. Dann noch mehr Schokolade geschafft, als ich gedacht hätte.

Die Tagesschau holte ich nach, die Weltordnung-erschütternde Attacke Donald Trumps auf den ukrainischen Regierungschef Selenski bei dessen Besuch im Weißen Haus hatte ich bereits im Internet mitbekommen.

§

Prof. Dr. Sophie Schönberger ist Professorin für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Direktoriumsmitglied des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung,1 und sie schaut sich im Verfassungsblog zu der Wellen schlagenden kleinen Anfrage der CDU/CSU an:
“Man wird ja wohl mal fragen dürfen?
Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Kommunikation aus dem Parlament”.

Das Fragerecht der Fraktionen, das aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG folgt, ist ein parlamentarisches Recht zur Kontrolle der Regierung. Einige Fragen in der kleinen Anfrage beziehen sich auf die Arbeit der Regierung und sind daher auch vom Fragerecht umfasst. Ein Großteil der Punkte weist diesen Bezug zur Regierungsarbeit aber gerade nicht auf, sondern richtet sich der Sache nach ausschließlich gegen bestimmte NGOs. Manchmal wird dies mit einem mehr als oberflächlichen Regierungsbezug zu bemänteln versucht, oft auch nicht. Die Prüfung, ob einzelne Bürgerinnen und Bürger sich steuerlich rechtmäßig verhalten, ist hingegen gerade keine Aufgabe des Parlaments, sondern der Finanzbehörden, die dann in gewissem Maße ihrerseits von der Regierung kontrolliert werden, und ggf. der Gerichte. Diese Kontrolle erfolgt dann in entsprechenden Verwaltungsverfahren, die nicht öffentlich sind. Das dient nicht zuletzt auch der Wahrung der Grundrechte der Betroffenen, die auf diese Weise davor geschützt werden, an den Pranger gestellt zu werden.

(…)

Schon die Fragen als solche [stellt] bestimmte NGOs an den Pranger (…) und [schürt] gezielt Verdachtsmomente (…). Aus der verschwörungsideologischen Szene, zu der das Geraune von den „Schattenstrukturen“ in der Einleitung ja durchaus gewisse Bezüge herstellt, ist der Mechanismus gut bekannt, dass weniger gezielte Falschaussagen getroffen werden, als einfach nur konsequent Fragen gestellt werden, die die verschwörungsideologischen Falschbehauptungen nicht als Tatsachen aufstellen, aber über die Frageform doch sehr hartnäckig insinuieren. Man stelle sich einmal vor, eine Bundestagsfraktion würde im Rahmen ihrer politischen Agenda gegen häusliche Gewalt die Frage an die Bundesregierung stellen: „Schlägt Ulf Poschardt seine Frau?“ Auf diese Weise wolle man kontrollieren, ob die Strafverfolgungsbehörden auch ihre Arbeit erledigten und genug gegen häusliche Gewalt getan wäre. Es liegt völlig auf der Hand, dass allein schon die mit der Fragestellung verbundene Unterstellung die Grundrechte von Ulf Poschardt verletzte, selbst wenn die Bundesregierung später antworten würde, dass ihr dazu keine Erkenntnisse vorlägen.

§

Einerseits tut mir schon beim Lesen das Herz weh, andererseit ist der Umgang von Mek wohl der beste mit einer Mutter auf dem Weg in die Demenz.
“In der Gegenwart sitzen.”

Wir können es nicht mehr ändern. Ich kann ihr nur eine schöne Gegenwart geben.

  1. Haha, da hab ich’s mit “Sekretärin” echt einfach. []
die Kaltmamsell

Lieblings-Breviloquia* Februar 2025

Freitag, 28. Februar 2025 um 16:14

Auf Mastodon:

Auf Bluesky:

*”Breviloquia” erscheint mir ein deutlich praktischerer Begriff als Microblogging-Posts, siehe entsprechenden von gestern.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 27. Februar 2025 – Von Alltag bis Hupfkastl

Freitag, 28. Februar 2025 um 6:14

Gut geschlafen, kurz vor Weckerklingeln aufgewacht.

Zu meiner Überraschung tagte es wolkenlos, wundervolles erstes Sonnenlicht auf meinem Weg in die Arbeit bei deutlichem Frost.

Das angekündigte ungemütliche Wetter kam mit Verspätung: Der Himmel zog komplett zu, mittags begann Regen. Da war ich zum Glück bereits von meinem Mittagscappuccino im Westend zurück.

Zu Mittag gab es eingeweichtes Muesli mit Joghurt; untergemischt hatte ich auch ein wenig Zitronat- und Orangeatreste von der Weihnachtsbäckerei: Eine ausgezeichnete Idee, das Muesli schmeckt sehr fruchtig.

Ein seltsamer Arbeitstag war das gestern, auch weil ich nicht allein im Büro saß.

Heimweg im Trockenen aber in winterlicher Kälte über ausführliche Lebensmitteleinkäufe, unter anderem für den Freitagabend vor langem Faschingswochenende, den ich allein feiere.

Zu Hause war noch Zeit für eine längere Folge Yoga-Gymnastik vor ersten Handgriffen fürs wochenendliche Brotbacken. Dann servierte Herr Kaltmamsell denn viel befreuten Spinat aus Ernteanteil (Frischzeug!) als spanisches Gericht mit Kichererbsen (aus Immer schon vegan von Katha Seiser).

In einem weißen tiefen Teller eine Suppe aus Spinatblättern und Kichererbsen in roter Brühe

Ganz wunderbar. Nachtisch Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen.

§

Nicht mehr taufrische News, rechtzeitiges Veröffentlichen vergessen:
Unser Kartoffelkombinat ist eine der beiden ersten Slow Food Farms in Deutschland!

§

Interessante Details, warum viele Auslandsdeutsche zu spät ihre Briefwahlunterlagen bekamen – es scheint wohl hauptsächlich am individuellen Vorgehen der Kommunen gelegen zu haben:
“Schlechte Vorbereitung und Schneckenpost”.

§

Hupfkastl gehörte zu meinen Lieblinsspielen in der (eher späteren) Kindheit – auch wenn meine Spielkamerad*innen und ich nie rausfanden, worin das Spiel außer dem Hüpfen bestand und warum Ziffern auf den Feldern standen. Über Letzteres waren wir uns einig, in dieser Reihenfolge war ein Steinderl aufs Feld zu werfen, das beim Zurückhüpfen aufgehoben werden musste – aber uns fiel keine Regel ein, die das irgendwie in Punkte umsetzen würde (Kinderspiele bestanden bei uns vielen Kindern im Wohnblock meiner Erinnerung nach zu einem großen Teil im Aushandeln von Regeln). Egal, hier ein wundervolles Beispiel – ob das vor unserem Haus in der Innenstadt funktionieren würde?
(Zudem ein schönes Beispiel, wie unterschiedlich arabische Ziffern in westlichen Kulturen geschrieben werden.)

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 26. Februar 2025 – Zsuzsa Bánk, Der Schwimmer

Donnerstag, 27. Februar 2025 um 6:25

Zsuzsa Bánk, Der Schwimmer ist ein seltsames Buch (ich konnte mich nicht mehr erinnern, wie ich draufgekommen war). Eine Mutter geht weg von ihre Familie mit zwei Kindern auf dem Dorf, beide noch recht klein. Die Geschichte wird aus der Perspektive des älteren Kinds erzählt, fast ohne Filter der späteren Erwachsenenperspektive, lediglich mit erwachsener Sprache. Sie hat einen kleinen Bruder, Isti. Schnell ist klar, dass wir uns in Ungarn befinden, doch ich brauchte eine ganze Weile, bis ich die Geschichte zeitlich einordnen konnte (mag an meinem mangelnden Wissen über Ungarn und seine Nachkriegsgeschichte liegen – oder daran, dass ich keine Klappentexte von Büchern lese). Die Mutter ist wohl nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands 1956 in den Westen geflohen, mit nichts als was sie am Leib trug.

Die Erzählstimme bleibt ganz nah an der Erzählgegenwart, in der der Vater der beiden mit seinen Kindern das Dorf verlässt, erst zu Verwandten nach Budapest geht, dann zur Großmutter der Kinder in einem anderen Dorf, dann wieder zu entfernteren Verwandten an einem sehr großen unbenannten See. Er kümmert sich kaum um die beiden. Der kleine Isti lernt im See schwimmen, ist begeistert davon, wird zum Schwimmer des Romantitels. Einmal kommt die Großmutter zu Besuch, sie erzählt anhand von Briefen der Mutter aus dem Westen, wie sie mit einer Freundin fortgegangen ist, was sie erlebt hat, wo sie arbeitet.

Die Perspektive des Kindes bedeutet auch, dass nichts erklärt wird, keine Zusammenhänge, ob historisch, technisch, geografisch oder gesellschaftlich – außer eine der Figuren sagt sie explizit, doch diesen Kindern wird fast nie etwas erklärt. Das ist erzähltechnisch konsequent, macht die Atmosphäre fast märchenhaft, löste aber bei mir den Wunsch nach einem Begleitheft mit weiterführenden Informationen aus – und sei es über den Weinanbau am Balaton. Es gibt keinen Spannungsbogen, nur eine Aneinanderreihung von Erlebnissen, aus denen das Leben der Erzählerin besteht; die Kapitel sind mit Namen der Personen überschrieben, die darin im Mittelpunkt stehen. Wir erfahren viel darüber, wie der kleine Isti all das verarbeitet, aber kaum etwas über die Gefühle seiner großen Schwester Kata. Von Schulbesuchen ist nie die Rede. Der Roman hinterlässt mich recht ratlos.

Kleine orthografische Eigentümlichkeit: Es wird immer kk statt ck geschrieben.

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Eigentlich eine gute Nacht, doch nach dem Klogang um fünf schlief ich nicht mehr ein, obwohl noch sehr müde.

Beim Marsch in die Arbeit unter gemischtem Himmel merkte ich erst an der zweiten Ampel, dass es recht frisch geworden war und setze mein Stirnband auf.

Am Schreibtisch erstmal Dinge weggeschafft, dann gab es eine interne Info-Veranstaltung aushäusig im Backstage, zu der ich marschieren konnte, hin und zurück in kühler, aber angenehmer Luft.

Mittags zurück im Büro schaufelte ich das zwischenzeitlich Reingekommene weg, mehrsprachig (in meiner Arbeitswelt die große Ausnahme).

Als Mittagessen gab es selbstgebackenes Brot und die vorerst letzte Orange – die sauerste der gesamten süßen Lieferung.

Emsiger Nachmittag. Einmal hörte ich
*popp* *popp-popp* *popp* *popp* *popp* *popp-popp*
Ich schaue aus dem Fenster und sah einen jugendlichen Burschen vorbeigehen: Selbstverständlich kann man einen Basketball nicht anders transportieren, weiß ich doch.

Heimweg nach Feierabend ohne Umwege. Nach meiner Yoga-Gymnastik servierte Herr Kaltmamsell Sauerkraut und Kartoffeln aus Ernteanteil so:

Gedeckter Tisch  mit grünen Sets, darauf Glasteller mit Bratwurst, Kartoffelpü und Sauerkraut, dazwischen zwei Gläser Senf

Gut! Nachtisch Schokolade.

Wieder war ein bestelltes Buch genau zum richtigen Zeitpunkt in der Münchner Stadtbibliothek verfügbar: Im Bett begann ich die Lektüre von Rebecca F. Kuang, Yellowface, gleichmal sehr süffig.

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Diesmal ist es nicht Trump in den fernen USA, sondern die eben am meisten gewählte Partei in meiner Bundesrepublik Deutschland. Und ich überlegte durchaus erstmal, ob der Protest dagegen eine Überreaktion ist (ich bin des Protestreflexes so müde!). Ergebnis: Nein, ist es nicht. In meinem Sichtfeld war es der damalige CSU-Generalsekretär und heutige Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume, der 2018 erstmals das Trump-Playbook in Reinform nachspielte, nämlich einfach das Gegenteil der Tatsachen als Realität zu behaupten: Als er die Demo gegen Hass und Hetze kurzerhand zu einer Hass-Aktion umdefinierte (entsprechende Plakate auf Kleinlastern entlang der Demo-Strecke, mir blieb kurzzeitig die Luft weg).

Davon haben seine Partei-Kollegen gelernt, das zeigten die Wahlkampf-Behauptungen von Friedrich Merz. Und so stellt die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag eine Kleine Anfrage “Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen”. Der deutsche Journalistenverband nennt sie “551 Messerstiche ins Herz der Demokratie”. Nicht nur dieses seriöse Medium beleuchtete die Tatsachen zu Förderprogramme und Gemeinnützigkeit, hier die Erklärungen auf tagesschau.de (“Müssen NGOs politisch neutral sein?”) und beim Bayerischen Rundfunk (“‘Retourkutsche’ nach Demos? CDU/CSU und die NGO-Finanzfrage”).

Nachtrag: Es gibt eine offizielle Bundestags-Petition “Sicherstellung einer langfristigen ausreichenden Finanzierung für zivilgesellschaftliche Initiativen”. Sie wurde bereits am 19. Januar 2025 gestartet, wohl aus tiefer Kenntnis der Lage. Die Mitzeichnungsfrist läuft noch bis zum 1. April, ich habe gleich mal mitgezeichnet.

die Kaltmamsell