Journal Sonntag, 28. Februar 2021 – Ein Tag Küchenumzug
Montag, 1. März 2021 um 6:513.30 Uhr: Klogang.
4.30 Uhr: Es ist klar, dass ich nicht mehr einschlafen kann, Küchensorgen treiben mich um, weil die neue Küche höchstens 60 Prozent des Stauraums unserer jetzigen bietet. Ich mache das Licht an und lese Anke Stellings Bodentiefe Fenster aus.
5.30 Uhr: Zum Glück ist Sonntag und ich kann noch eine Runde schlafen, wochentags wäre ich aufgestanden.
Den Vormittag verbrachte ich allerdings mit dem Gefühl eines fetten Katers (Erinnerung an Zeiten mit Dinner Parties, lautem Gelächter mit lustigen Menschen, Alkohol und einer so späten U-Bahn heim, dass ich die einzige im ganzen Wagen bin), nur halt ohne den vorhergehenden Spaß. Und ohne die Ruhe für ein paar Stunden Blödschauen, weil Umzug.
Gestern gehörte zum Umzug die Tiefenreinigung des Kühl-/Gefrierschranks, wir merken uns fürs nächste Mal: Dauert gut zwei Stunden. Auch diesmal dachte ich daran, die Inneneinteilung des Kühlschranks vor dem Ausbau zu fotografieren, und wieder war ich beim Zurückbauen froh um die Aufnahmen. Praktischerweise war es nach den warmen Tagen recht frisch geworden, ich konnte kühlbedürftige Lebensmittel auf dem Balkon aufbewahren (Gefriere war gezielt leergegessen worden).
Duschen und Anziehen, gestern machte ich mir geläutert keine Illusionen über irgendeine Sportmöglichkeit. Semmelholen, Semmelfrühstück.
Das Nachmittagsprogramm bestand aus Leerräumen der alten Küche und Umziehen der Inhalte in die neue, damit der Putzmann am Montag die alte Küche lagerfertig putzen kann. Das machte ich gemeinsam mit Herrn Kaltmamsell, was eine wirklich gute Sache war. Zwar hätte wir beide die Ordnungs-Entscheidungen des/der anderen akzeptiert, aber zusammen waren sie leichter. Die wichtigste Entscheidung: Wir übernehmen dann doch die bestehenden Kühlschrank/Gefriere und bauen sie nicht samt Nebenschrank zu Gunsten unseres Einzelteils aus der Einbauküche aus. Dazu besprachen wir uns ungewohnt eingehend und systematisch, inklusive der gegenseitigen Ermahnung, die Wünsche des/der anderen nicht vorwegzunehmen (dazu neigen wir beide), sondern wirklich die eigenen Pros und Contras vorzubringen. Ergebnis: Wir stellen den frisch geputzten großen Kühlschrank zusammen mit der restlichen Küche unter und bieten ihn den Nachmietern an.
Schublade für Schublade für Schrankfach räumten wir die alte Küche aus und suchten nach passenden neuen Plätzen für den Inhalt. Wir brachten dann doch fast alles unter, weil wir die wirklich selten gebrauchten Geräte (Fleischwolf, Sandwichtoaster, Nudelmaschine etc.) in ihren Kartons auf die Hängeschränke stellten. Und nochmal ein Menge Zeug aussortierten.
Freude über den neuen Küchenbalkon.
Kurz vor sechs brauchten wir aber eine Pause: Herr Kaltmamsell musste das Abendessen kochen, außerdem hatte ich beim Bäcker Himbeerschnitten für Kuchenpause gekauft.
Der Rest war schnell erledigt: Mehlschrank ausräumen – den nehmen wir mit, da er nach der Sanierung keinen Platz mehr hat – und Töpfe (mit Abschied von den beiden größten, die nicht Induktions-geeignet sind). Anschließend entspannte Herr Kaltmamsell mit Kochen, ich damit, die Lieblingstweets des Februars zusammenzustellen.
Das Abendessen war dann ein englischer Sellerie-Eintopf mit Rotwein (und weiteren Rüben), obendrauf Sellerie-Knödel.
Was neben Sport noch flach fiel an diesem Umzugswochenende: Zeitunglesen, Bügeln, Sonne draußen genießen.
Früh ins Bett mit neuem Buch: Amitava Kumar, Immigrant, Montana.
Zum vorherigen Roman:
Ich fand Anke Stellings Bodentiefe Fenster sehr gut geschrieben, die Not der Ich-Erzählerin nachvollziehbar. Die Beschreibung des Alltags im Mehrgenerationenhaus und in welchen ständigen Konflikten die Hauptperson Sandra darin lebt, sind gar nicht mit Wertungen verbunden (die ich anfangs meinte finden zu müssen). Menschen sind halt so, Sandra kann den Hintergrund und die Motivation von jedem und jeder nachvollziehen. Ihre Biografie entspricht dem Westberlin-Klischee meiner Generation: Kinderladenkind, ihre Mutter ist die beste Freundin der Kinderladen-Betreiberin. Sandra wächst auf mit Liedern und Spielen, die eine gerechtere Gesellschaft zum Ziel haben, die alle Kinder zu freien, solidarischen und engagierten Menschen machen wollen und fest davon ausgehen, alle gleich zu behandeln. Doch sie merkt mit ihrer angeborenen besonders großen Empathie von klein auf, dass auch in dieser Gesellschaft Menschen ausgeschlossen werden, dass Glück, Veranlagung und Zeitgeist den einen bevorzugen, die andere hängen lassen. Und sie leidet darunter, auch als Erwachsene, weil sie einerseits keine Lösung dagegen hat, sich aber dazu verpflichtet fühlt (Kinderladen-Erziehung), etwas zu tun. Ebenso wenig wird uns Leserinnen am Ende eine Lösung geboten, so ist das Leben, so sind die Menschen halt. Da muss man durch, selig diejenigen, die sich ihre Illusionen erhalten.