Mode marginal: In die Arbeit radeln

Dienstag, 19. Mai 2009 um 9:20

Über meine anfangs helle Begeisterung fielen dann doch Schatten: Mit dem Rad in die Arbeit zu fahren ist nicht das reine Vergnügen. Das Radeln selbst durchaus: Morgenluft, Bewegung, schöne Ansichten – alles ganz herrlich, darauf will ich so selten wie möglich verzichten. Aber die Einbettung in den Arbeitstag liefert zahlreiche Herausforderungen, die sich um zwei Kernprobleme gruppieren: Schwitzen und Fahrtwind.

1. Schwitzen
Sobald ich mich mehr als einige Minuten schneller als sehr gemächlich bewege, schwitze ich. Das ist ein genetisches Erbe meines wunderbaren Herrn Papá, auf das ich sehr gerne verzichtet hätte (kam allerdings vermutlich im Paket mit seiner Habsburgernase, die ich nicht missen möchte). Die Auswirkungen auf ein 25-minütiges Radeln ins Büro sind leicht abzuschätzen. In der Morgenkühle komme ich zwar nicht patschnass wie nach einer Aerobicstunde an, aber feucht genug, um ohne Kleidungswechsel den ganzen Tag ein wenig zu müffeln. Zumal nach dem Ende der Fahrt der Fahrtwind wegfällt und meine Schweißdrüsen mindestens fünfzehn Minuten lang nochmal alles geben. Eine zweite Morgentoilette auf dem Büroklo ist unvermeidlich.

2. Fahrtwind
Meine Haare sind derzeit kinnlang, ihre Spitzen mit ein wenig Nachhelfen durch Rundbürste nach innen gebogen – ein Bob halt. 25 Minuten Wind von vorne verheeren diese Frisur komplett und drehen alles nach außen; im schlimmsten Fall (zum Beispiel nach einer Fahrt durch Morgennebel wie vergangenen Freitag) besteht mindestens eine Seite im Anschluss vollständig aus Herrenwinkern. Ich musste mir letzte Woche mehrere hämische „Oh, neue Frisur?“ anhören.
Zudem führt Fahrtwind zu Tränenfluss – der wiederum schlimme Dinge mit Augen-Makeup anrichtet.

Dazu kommen die Beschränkungen in der Kleidungswahl: Die meisten Röcke scheiden aus, denn ich will weder einhändig fahren, um einen weit flatternden Rock von Verwicklung in die Speichen abzuhalten, noch will ich einen gerade geschnittenen Rock zum Mikromini nach oben schieben. (Zu Studienzeiten hatte ich weder mit dem einen noch mit dem anderen ein Problem. Ich verweichliche.)

Heute entschied ich mich für das Extrem: kompletten Kleidungswechsel. Da ich nach der Arbeit ohnehin zum Turnen gehen will, zog ich Gymnastikhose und Sportoberteil an; das Bürokleid aus knitterarmem Jersey sowie das Jacket (heller, grober Bouclé, ebenfalls knitterfreundlich) steckte ich in meinen Sportrucksack. Dazu Kopftuch als Frisurschutz (rotgeblümte Seide, hatte ich mir während des Kreta-Urlaubs mit Muttern als Sonnenschutz beim Wandern gekauft) und Pumps. In Kombination mit den unterm Kopftuch hervorlugenden Perlenohrringen ein echtes Hammeroutfit. Der Sportrucksack enthält praktischerweise auch Pflegeartikel zur oberflächlichen Säuberung von Schweiß sowie zur Desodorierung.

Das Radeln in der Morgensonne war wieder wundervoll, beim Hereinkommen erkannten mich die Kolleginnen nicht, Umziehen und Frischmachen dauerten weniger als fünf Minuten, die Haare waren tatsächlich präsentabel geblieben. Mal sehen, ob ich bereit bin, diesen Aufwand täglich zu betreiben.

(Themenwunsch an Frauengazetten mit Modeteil: Büro-Outfits, die auch radeltauglich sind. Nein? Dann halt statt im Modeteil auf den Karriereseiten?)

die Kaltmamsell

16 Kommentare zu „Mode marginal: In die Arbeit radeln“

  1. Helga meint:

    Sie gaben sicherlich einen hinreißenden Anblick;-)

    Zum Thema Radltaugliche Büro-Outfits: Zum einen kommt es tatsächlich sehr auf das Rad an. Ich habe für die Stadt ein richtiges Oma-Rad (jedenfalls darauf gemacht, will jetzt keine Werbung machen, daher nur auf Nachfrage…), man sitzt aufrecht und vorallem Kette und Speichen sind komplett verkleidet. Auf diesem Rad kann man mit fast jedem Outfit fahren. Grundsätzlich tut man sich allerdings in einem Hosenanzug leichter als im Rock…. Wenn Rock – leicht ausgestellte knapp unter Knie endende A-Linie…

  2. walküre meint:

    Herrenwinker … Was für ein herrlich altmodisches Wort !

  3. Nathalie meint:

    Ich habe das alles auch schon hinter mir:
    Den täglichen Kleiderwechsel habe ich genau drei (!) Tage lang durchgehalten. Dann kamen wieder U-Bahn und Auto zum Zuge. Leider.

  4. maike meint:

    Ich fahre nur sieben Minuten.. und trage manchmal wagemutig Röcke, merke aber, wie manche männliche Menschen komisch gucken. Die Frisur ist auch meist hin, damit versuche ich zu leben, ärgere mich aber den ganzen Tag darüber. Daher nun vielleicht in Kürze auch die Wahl eines Kopftuchs..

    Marginal erheiternd finde ich übrigens, dass hier “in” die Arbeit gefahren wird.
    Ich bin damit aufgewachsen, dass man “auf” die Arbeit fuhr, was ja noch eigenartiger ist. Mittlerweile fahre ich ganz banal “zur” Arbeit..

  5. Christine meint:

    Ja! Genau! Sie sprechen mir aus der Seele.

    Dieses Thema wird nie angeschnitten, wenn wieder einmal dafür geworben wird, das Fahrrad zu nehmen statt des Autos. Mir kommt der blanke Neid, wenn ich wieder einmal eine perfekt gekleidete junge Frau auf einem wunderschönen altmodischen Dreigangfahrrad sehe. Ist Fahrradfahren denn wirklich nur etwas für Nichtschwitzer und Innenstadtbewohner?

    Noch netter wird es übrigens bei Regen – die übliche Bürojacke taugt da ja überhaupt nicht.

    Wenn ich endlich mein neues Fahrrad gefunden habe, werde ich es wohl auch mit Umziehen probieren. In der Hoffnung, dass man das irgendwie geschickt gestalten kann, und sich dran gewöhnt.

  6. pepa meint:

    Öhm, mal ‘ne ganz unstylische Frage: Fährt hier auch jemand mit Helm?

    Ist extrem unbequem und frisurunfreundlich, ich weiß und an erster Stelle bei den Fahrradunfällen stehen auch die Extremitätenverletzungen, erst dann kommt das Schädel-Hirn-Trauma und nicht jedes SHT hat auch bleibende Folgen und alle fahren schon ganz lange unfallfrei und überhaupt auch nur auf dem Radweg – ich mag diese Fahrradhelme auch nicht sonderlich.

    Die Neurochirurgen allerdings fordern seit geraumer Zeit eine Helmpflicht für Radfahrer.
    Mit der Pflicht habe ich es nicht so – die Aussicht unter Umständen frühzeitig als Pflegefall zu enden, sollte einem zumindest zu denken geben.

    (So genug mit dem Notarztfinger gefuchtelt – ich sehe auch immer aus wie gebügelt, wenn ich vom Rad steige.)

  7. die Kaltmamsell meint:

    Mensch, pepa, das hatte ich ehrlich vergessen – in meinem Fall wäre der Helm überm Kopftuch auch nicht mehr schlimm. Und gerade wir beiden sind uns ja einig, dass schreiend entsetzliches Aussehen existenzieller Bestandteil körperlicher Bewegung ist.

    In München ist Radeln ausgesprochen unfallträchtig – zum einen wegen der Verkehrsführung, vor allem aber wegen der Münchner Radler, die nicht nur die Straßenverkehrsordnung, sondern jegliche Reste guter Erziehung ignorieren. Das große Lamento über die Münchner Zweirad-Volltrottel schreibe ich noch.

    Dann geht man bei euch, maike, vermutlich auch “zum Biergarten” und nicht “in den”?

  8. Ms K meint:

    Ich radle immer wieder in die Arbeit, die Probleme kenne ich, vor allem das mit der Frisur.
    Kopftuch oder irgendeine lockere Muetze wirken wunder. Erstaunlicherweise war bei mir die Frisur mit Helmtragen meist besser als ohne.
    Gegen das Schwitzen kenn ich auch kein Mittel. Gegen traenende Augen nehme ich immer eine Sonnenbrille (ich fahre am Wasser und bin es leid, alle 100 Meter eine Muecke aus meinen Augen zu popeln)

    Roecke: mit manchen geht es, mit anderen nicht. Ich ziehe nun oefter Leggings an, da ist es dann egal, wenn der Rock schlimm flattert. Auch versuche ich, mich auf den Grossteil des Rockes zu setzen, damit nicht zu viel links und rechts flattert, was in die Speichen geraten koennte.

    Ich moechte Ihnen aber zu diesem Thema eine meiner Lieblingswebsites http://www.copenhagencyclechic.com/ ans Herz legen.

    Da kann man viel in Sachen Stil+Fahrrad lernen.

    Es gibt mittlerweile auch eine Firma, die stylische Radbekleidung herstellt, aber ich hab mir die nicht gemerkt, weil ich den Sinn darin nicht sehe, solange ich in normaler Kleidung auch Radfahren kann.

  9. Ulrike meint:

    Äh, ich vermisse den Fahrradhelm in der Geschichte …

  10. maike meint:

    Liebe Kaltmamsell, es wird dennoch in den Biergarten gegangen. Vermutlich, weil man auch in den Garten geht..

  11. dyfa meint:

    Das Styling ist das eine Problem, der Odeur das andere. Da ich Radlfahren sowieso blöd finde, plagen mich nur andere Probleme. Ich fahre einfach mit der U-Bahn _in_ die Arbeit. :-)

  12. Thomas Wiegold meint:

    Es scheint, es fühlen sich nur die Damen von diesem Problem angesprochen….

    Aber das ist nicht so! Ich bin ein begeisterter Ins-Büro-Radfahrer, und ich trage auch ganz gerne Anzüge. Da habe ich zwar nicht das Problem mit den zu weiten oder zu kurzen Röcken. Aber verschwitzt komme ich auch an, vor allem unterm Helm (ohne in der Stadt habe ich mir seit einem Sturz ohne Fremdbeteiligung und anschließender Fünf-Meter-Rutschpartie über Asphalt abgewöhnt).

    Nun ist mein Rad nicht so ganz das richtige fürs gemütliche Dahinfahren, hat zwar einen Ring vor dem Zahnkranz, aber keinen Kettenschutz – und da stecken dann die nächsten Probleme. Kettenschmiere geht aus Anzughosen verdammt schlecht raus (aus Jeans auch, aber da ist es mir eher wurscht).

    Hilft alles nichts. Vielleicht lege ich mir ein Rad nur für die Stadt zu, mit vollverkleidetem Kettenkasten. Aber verschwitzt komme ich wahrscheinlich trotzdem an – es sei denn, ich nehme mir sehr viel mehr Zeit als ich eigentlich bräuchte.

    Und, natürlich: Anzüge könnten doch auch robuster sein (was mein Brooks-Sattel mit feinem Zwirn anstellt, darüber will ich gar nicht nachdenken). In den Buddenbrooks gab’s da für einen der Herren die nette Formulierung, er trage immer Anzüge “aus durablem Stoff”. So was wär schon gut.

    Aber die Herren Buddenbrook sind ja nie mit dem Fahrrad auf Arbeit gefahren.

  13. rip meint:

    Ich befürchte, in Anbetracht meiner Frisur kann ich mich hinfort dem Tragen eines Fahrradhelms nicht mehr verweigern.

  14. Milla meint:

    Zu dem Thema möchte ich mich auch mal aus der Fahrradhauptstadt melden, wo jeder, inklusive Bürgermeister, mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt: Viele Firmen wissen um die Problematik, daher werden bei Neu-, Um-. und Ausbauten Duschen für Männlein und Weiblein für diesen Zweick eingeplant. Meine Nachbarin arbeitet bei einer Behörde, wo feiner Zwirn Pflicht ist, daher hat sie einen Ganzkörperregenkittel, den sie bei Bedarf überzieht. Münsteranerinnen fahren übrigens mit Pumps Fahrrad.

    Liebe Grüße
    Milla

  15. Hande meint:

    Wollte gerade http://www.copenhagencyclechic.com/ vorschlagen, auch wenn es (vermutlich) nicht hilft, ist es schön anzusehen… aber merke, das wurde bereits getan…

  16. Helmut meint:

    Da ich nur bergauf ins Büro fahre steht bei mir das vollständig Umkleiden inklusive Unterhose an. Sonst geht das gar nicht. Daher habe ich immer ein Stapel Wäsche im Büroschrank.

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