Archiv für Januar 2007

Prokrastination

Montag, 15. Januar 2007

Seit zwei Jahren suche ich nach einer neuen Sporttasche, groß genug für Schwimmausstattung (Badeanzug, Schwimmbrille, Badeschlappen, Handtuch, Kulturbeutel) oder Muckibudenoutfit (Schlumpfhose, T-Shirt, Hallenturnschuhe, Turnsocken, Handtuch). Weil meine alte Sporttasche, Punch 3 in silber, alt und widerlich verdreckt ist. Seit zwei Jahren unterbreche ich diese Suche aber jedesmal, weil ich mir vor Augen halte, dass ich doch bereits eine Sporttasche habe, die ich nur mal mit Wasser und Seife innen und außen ordentlich sauberbürsten müsste.

Als ich mich gestern schon wieder dabei ertappte, wie ich in Internetläden nach einer neuen Sporttasche suchte, stand ich endlich auf, nahm die sieben Jahre alte Sporttasche, ging damit ins Bad und schrubbte sie 20 Minuten lang. Über Nacht ist sie getrocknet – und sieht aus wie neu.

Wieso, zum Teufel, hat das zwei Jahre gedauert?

Prioritäten

Freitag, 12. Januar 2007

Erzähl ich der Analytikerin, dass ich, obwohl ich die Ablehnung meiner eigenen fleischlichen Manifestation fast überwunden habe, immer noch Rückschläge erlebe. Unerwartete Konfrontationen mit meinem Spiegelbild (besonders tückisch: nächtliche Bürofenster von innen) klopfen dem schlafenden Selbsthass-Monster schon mal auf die Schulter. Das sind dann Momente von der Sorte: „Na, so jemand kriegt den Clooney aber nich.“
Da lacht die gute Frau und meint, darin könne sie allerdings keinen pathologischen Befund sehen.

Ich werde mich nach jemand anderem umsehen müssen.

Potenzielle Lieblingsserie

Sonntag, 7. Januar 2007

Waren wir wirklich eine solch kleine Minderheit, die wir Helen, Fred und Ted ausgezeichnet fanden (erst heute auf Arte den zweiten Teil nachgeholt)?
– Gutes Konzept: Drei Psychotherapeuten / Psychiater teilen eine Praxis.
– Die fachliche Seite anspruchsvoll und geradezu differenziert aufbereitet; wir haben sowohl die Patientin, die die Therapie zu ihrem Lebensinhalt gemacht hat (die Harfouch hat offensichtlich einen Heidenspaß an der Rolle), als auch die schwerkranke Jugendliche und den scheinbaren Erfolgsmenschen, der sich seinen inneren Konflikten stellen muss.
– Formal mehr als interessant gedreht, mit ungewöhnlichen Kameraeinstellungen, die immer als Erzähltechnik zum Geschehen beitragen, oder sogar surrealen Umsetzungen von inneren Abläufen.
– Alle Rollen wunderbar besetzt, vom onkelhaften Friedrich von Thun über den sehr glaubwürdigen Christian Berkel und die zackige Andrea Sawatzki (der ich ohnehin zu Füßen liege) bis zur leider viel zu raren Gisela Schneeberger (allein schon der mächtige Pferdearsch, mit dem sie sich für die Rolle kostümiert! Ich begegne der Dame hin und wieder und versichere Ihnen, dass sie in Wirklichkeit schlank bis zierlich ist.).

Wäre das zur Serie ausgebaut worden, hätte ich mich endlich mal auf eine deutsche Fernsehserie einlassen können. Zumindest, sagen wir mal, 15 Folgen?

Vielleicht habe ich mich ja verhört, als es hieß, die Quote des Zweiteilers sei für eine Fortsetzung zu niedrig gewesen. Hoffentlich.

Hey HEY!

Samstag, 6. Januar 2007

Noch verwehre ich mir, diesen Traum detailliert auszumalen, aber einiges deutet darauf hin, dass ich wieder Zeit für Step-Aerobics haben könnte. (Womit ich mir locker in puncto Stilanspruch widersprochen habe, denn ein Haufen bunt gekleideter Menschen, die auf möglichst verschiedene Art ein Bänklein hoch- und runtersteigen, könnte gar nicht weiter von einem ästhetischen Anblick entfernt sein).

Ein Detail aus meiner jahrelangen Aerobic-Phase ist ohnehin Bestandteil der Kommunikation zwischen meiner Mutter (Aerobics-Aficionada seit sicher 15 Jahren) und mir geblieben, sogar zwischen dem Mitbewohner und mir: Vorturnerinnen und Vorturner bedienen sich meist eigener Anfeuerungsrufe, um die wedelnde und hopsende Truppe anzutreiben. Darunter sind sehr spezielle („AYAYAY!“ von einem brasilianischen Popowackler / „JAWOLL!“ eines DJ-Ötzi förmigen Gugelhupfs), aber handelsüblich ist „hey HEY!“. Und dieses setzen wir drei inzwischen gerne ein, wenn das Gegenüber bei welchem Vorschlag auch immer nicht so recht ziehen will oder auch sonst den Eindruck erweckt, einer Anfeuerung zu bedürfen. Ich glaube, das fing an, als ich zusammen mit meiner turbosportlichen Mutter an einer Aerobicstunde teilnahm, in der sich der Ruf der Vorturnerin so gekünstelt angelernt und abgelesen anhörte, dass wir beide vor Kichern immer wieder strauchelten: „Hey.“ „Hey.“

Zu Aerobics kam ich Mitte der 90er, als ich gerade meine Magisterarbeit schrieb, feststellte, dass meine Knie- und Haut-Empfindlichkeiten den regelmäßigen Sport im Schwimmbad verhinderten und als ich deshalb nach einer alternativen Bewegungsform suchte. Die ich fand, als in meinem Briefkasten der Flyer eines nahe gelegenen Fitnessstudios lag, der ein billiges Studentenabo (nur Vormittage und Wochenenden, ohne Gerätenutzung) vorschlug. Ich schlug ein – und fand mich in einer bislang unbekannten Sportwelt wieder. Beim ersten Mal fand ich es noch albern, am Ende des Gehüpfes 15 Minuten lang „Cool down“ zu betreiben und zu dehnen. Doch schon als ich danach nur eine Andeutung von Muskelkater hatte, dachte ich um. Ich genoss den hohen Tanzanteil in dieser Sportart und lernte sogar, den bösen riesigen Spiegel der Turnhalle lediglich zur Korrektur meiner Haltungen und Bewegungen zu verwenden, ansonsten aber über die Lächerlichkeit der Gesamterscheinung hinweg zu sehen.

Die folgenden Jahre ging ich immer öfter in Aerobicstunden und entwickelte schon bald eine Vorliebe für Step-Aerobics. Dazu stellt jede Turnerin ein stabiles Bänkchen („Step“) von etwa 90 cm mal 30 cm Fläche vor sich hin, etwa 20 bis 30 cm hoch. Zu Musik wird dann hoch und wieder herunter gestiegen („Basic“), im Gleichschritt, zu Musik. Lustig wird es, wenn man das in verschiedensten Schrittformen und um den ganzen Step herum tut.

Nach wenigen Monaten langweilten mich die Vormittags- und Wochenendstunden in meinem Fitnessstudio und ich erweiterte den Vertrag auf alle Kurse. Somit konnte ich endlich in die interessante „Step Masterclass“ bei Vorturnerin Sissi. Wie jede leidenschaftliche Aerobicerin hatte ich schnell Präferenzen für bestimmte Trainerinnen entwickelt, und Sissi war meine Favoritin. Dabei konnte ich anfangs noch gar nicht einschätzen, wie sehr sie allein schon äußerlich von der Durchschnittsvorturnerin abwich: Die dunkelhaarige Sissi war sehr groß, sehr schmal und langgliedrig; meiner sonstigen Erfahrung nach sind Aerobictrainerinnen sonst eher klein und muskulös bis stämmig, außer sie geben tanzbetonte Stunden, dann sind sie wieder eher auf der Ballerinen-Seite. Außerdem führte sie ihre immer überraschenden Choreographien mit perfekter Präzision aus und achtete wie ein Haftlmacher darauf, dass die Turnerinnen sich nicht durch falsche Ausführung in Verletzungsgefahr brachten. Außerhalb des Studios war sie sehr zurückhaltend und schüchtern, doch im Hüpfsaal verbreitete sie einen liebevollen Kasernenton (ja, das geht).

aerobic_97_neu.jpg

Gruppenfoto 1997 nach Aerobicstunde. Für eine Mitturnerin, die gerade in einer Klinik ihre Anorexie therapierte.

In München schloss ich mich einer Studiokette an und hatte damit die Auswahl zwischen den Stundenplänen von sechs Studios (und darunter zwei mit mehreren Sälen). Je nach Kursart und Vorturnerin gondelte ich also abends und an den Wochenenden in halb München herum, um auf meine Kosten zu kommen.

Der nächste Schritt war der Wunsch, auf die andere Seite zu wechseln und mich selbst zur Vorturnerin ausbilden zu lassen. Als Mitturnerin war ich – das wird die Leserinnen und Leser der Vorspeisenplatte nicht überraschen – der Alptraum jeder unsicheren Vorturnerin. Wenn ich eine Choreografie besonders bescheuert fand (nicht aus künstlerischen Aspekten, sondern weil die Teile so schlecht zusammen passten, dass höchste Unfallgefahr bestand), machte ich das nonverbal sehr deutlich. Oder wenn die Trainerin die Takteinheiten nicht erkannte, im allerschlimmsten Fall nicht mal die Eins hörte. Dann konnte es durchaus passieren, dass ich konsequent im richtigen Takt dagegen hielt. Nein, ich bin wirklich kein netter Mensch.

Die Trainerinnenausbildung lief in einem Münchener Fitnessstudio über zweimal eine Woche im Block und dann noch ein paar Wochenenden. Das war klasse, selten habe ich meinen Urlaub für Anregenderes genutzt. Natürlich fand ich sehr schnell heraus, wie kompliziert und anstrengend das Vorturnerinnentum ist, wie viele Details es gleichzeitig zu beachten gilt, und wie hoch die Kunst ist, mit dem Gesicht zur Gruppe vorzuturnen, also spiegelverkehrt. Mein Respekt vor Vorturnern und Vorturnerinnen (die Berühmten der Szene heißen übrigens Presenter) stieg.
Die anderen Aspirantinnen waren wie ich lediglich hüpfbegeistert und keine Profis, es gab weder Gezicke, noch brach ein Klamottenkrieg aus. Klar waren die Blockwochen ausgesprochen anstrengend; manchmal befürchtete ich, ich würde nie mehr anders zählen können als „UND VIER! DREI! ZWEI! EINS!“
Als Anfeuerruf brach aus mir heraus: „IIIII-HAAA!“ Genau, wie die Freizeit-Cowboys in City Slickers. Ich will nicht wissen, was das über mich verrät.

Nach der theoretischen (Muskeln, Stoffwechsel, sonstiger Sporttrallala) und praktischen Prüfung gab ich gerade mal zwei Stunden. Dann brachen meine drei Jahre ohne jede Sportlust herein.

Soweit die Erinnerung. Mal sehen, ob ich bald über neueste Entwicklungen in der Hüpfszene berichten kann. Was man heutzutage wohl so trägt? Sind am End Legwarmers und neonfarbene Stirnbänder zurückgekehrt? Gibt es überhaupt noch Step Aerobics in München?

Nachtrag 7.1.: Prompt erzählt Faustus die passende Vorturner-Geschichte aus New York.

Sie nennen es Schwimmen

Donnerstag, 4. Januar 2007

Ist mir das früher nur nicht aufgefallen, oder hat der Anteil von Nichtschwimmern in Schwimmbecken in den vergangenen 15 Jahren zugenommen? Auch damals war ich schließlich mit Schwimmbrille unterwegs und hätte das doch bemerken müssen.

Leider gibt es neben mir noch eine Menge andere Menschen, die nach der Arbeit zum Schwimmen gehen – oder eher zu dem, was sie dafür halten. In Wirklichkeit rühren sie, im Wasser schwebend, ein wenig den Beckeninhalt um. Und blockieren damit meine Schwimmbahn.
Da gibt es zum Beispiel den Bewegungsstil, zu dem ein sachtes Wedeln mit den Armen und pro Armschlag ein Einklappen der Knie mit fast geschlossenen Beinen gehört. Oder die Menschen, die Brustschwimmen andeuten, bei jedem Schlag aber erst mal 70 Zentimeter unter den Wasserspiegel tauchen – vielleicht eine litauische Variante?
Ich bin überzeugt, würde man diesen Menschen verraten, dass sie eigentlich gar nicht schwimmen können, sie würden untergehen wie Steine. Zumindest aber vor Schreck ordentlich Wasser schlucken.

Fast schon erleichternd ist der Anblick von Bikinifrauen auf meiner Bahn, die den Kopf weit über die Wellen halten (Vermutung: Coloration und Chlor vertragen sich nicht): Die halten nie lange durch. Können aber durch schiere Langsamkeit als Pfropf in der Bahn wirken.
Erwachsene Freundes- oder Freundinnengruppen können verschiedene Auswirkungen haben. Entweder sie sind eh nur zum Plantschen da, dann blockieren sie vor allem den Beckenrand. Oder sie haben sich zur gegenseitigen Motivation bei der Leibesertüchtigung verabredet, schwimmen plaudernd zu zweit oder dritt nebeneinander und blockieren so mühelos gleich zwei Bahnen.
Dass vorgebliche Rückenkrauler in belebten Schwimmbecken intensive Mordgelüste auslösen, muss ich nicht erklären.

Ist es wirklich unvorstellbar, das Bahnensystem einzuführen, wie ich es im walisischen Uni-Schwimmbad kennengelernt habe? Bahnentrennung durch diese rot-weißen Bollerschnüre, in jeder Bahn wird linksrum in der Runde geschwommen. Die linkste Bahn ist die langsamste, die rechte die schnellste, dazwischen Geschwindigkeitsabstufungen. Wenn jeder in der Bahn mit der passenden Geschwindigkeit schwimmt, passen auf 25 Meter locker zehn Schwimmer und Schwimmerinnen – die alle durchziehen können.

Sortierungen

Donnerstag, 4. Januar 2007

Es gibt Pegelblogger und Quartalsblogger.

Lohn unruhigen Schlafes

Dienstag, 2. Januar 2007

Aus Aufregung vor dem ersten Arbeitstag an neuer Stelle habe ich unruhig geschlafen. Und so konnte ich mich beim Aufwachen ausgesprochen lebhaft erinnern, dass mich im Traum mein engster Freund aus den letzten drei Schuljahren besuchte, Martin, den ich vor fast 20 Jahren aus den Augen verlor.

Er sah wie damals aus, hatte seine Lockenpracht mal wieder auf Afro wachsen lassen (ging nur einmal im Jahr zum Friseur), und stand unangekündigt vor der Tür meiner winzigwinkligen Altbauwohnung im Regensburger Stadtzentrum. Ich habe mich so gefreut, hetzte gleich los, um was zu Essen einzukaufen.

Diese Freude über das Wiedersehen mit Martin trug mich durch den ganzen Vormittag.