Archiv für April 2007

Ich versteh die Frauen nicht

Montag, 30. April 2007

Schon gleich gar nicht verstehe ich sie, wenn sie ich sind. Gestern beim Aerobic-Gehopse („TBC“) kam mir die Turnerin hinter mir, die ich im Spiegel sah, sehr bekannt vor. Ich guckte ein wenig länger und stellte fest: Ja, die kenne ich, sie hat mit mir Englisch studiert. Und ich konnte sie noch nie ausstehen, unter anderem weil sie immer genau das Gschaftige, Wichtigtuerische ohne etwas dahinter hatte, das ich mir gerne selbst unterstelle und an mir verabscheue. Außerdem mochte ich nicht, dass sie unser beider Gastarbeiterabstammung immer für ein eigenartiges unausgesprochenes Einverständnis zu nutzen versuchte.

Verstanden hätte ich, wenn ich jetzt unauffällig den Standort gewechselt hätte, um der Gefahr des Erkanntwerdens zu entgehen. Oder auch nur eisern so getan hätte, als kennte ich sie nicht. Warum aber nutzte ich den nächstbesten Spielzeugwechsel (von Kurzhanteln auf „Tubes“), um die Frau mit Namen anzusprechen? Sie erkannte mich nicht – warum ließ ich das Ganze dann nicht auf sich beruhen, sondern erklärte ihr ausführlich, woher wir uns kennen? Mit dem Erfolg, dass sie mich vor lauter Kommunikationsbedarf kaum weiterturnen ließ? Ich entging einem gemeinsamen Aufenthalt in der Umkleide, da sie nach dieser TBC-Stunde fix und fertig war, ich aber noch ein Stündchen Step-Aerobics anhängte (wegen einer mageren Stunde lohnt sich ja das Verschwitzen der Klamotten nicht). Warum, bitte, tun Frauen sowas?

Es gibt ihn noch, den guten Journalismus

Sonntag, 29. April 2007

Die grandiose Zeit-Geschichte über das Leben am Starnberger See ist nicht nur mir positiv aufgefallen: Stephan Lebert und Stefan Willeke haben für “Die Starnberger Republik” den Herbert Riehl-Heye-Preis 2007 der Süddeutschen Zeitung bekommen.

Hier die Reportage zum Nachlesen.

In der heutigen SZ berichtet Evelyn Roll über die Preisverleihung. Darin, wenig überraschend:

Wie sich das für eine sehr gute Reportage nun einmal gehört, hat der Text Ärger provoziert. Es gab, wie Jury-Mitglied Franziska Augstein in ihrer Laudation erzählte, Leserbriefe zuhauf. Die Autoren hätten die Idylle am See verzeichnet, hätten überhaupt nicht verstanden, wie harmonisch und friedlich es dort zugehe. Der Landrat sagte, die Geschichte sei etwas für den Presserat. Der Makler aber, der in ihr (sic) dieser Geschichte vorkommt und nicht besonders sympathisch wirkt, dafür aber effizient, hat den Text auf seine Homepage gestellt.
(…)
Offenbar nimmt, wer selbst am See wohnt, eine ganz andere und naturgemäß viel schönere Wirklichkeit wahr: seine eigene.

Was ich letzten Dezember ja schon an den Kommentaren in meinem kleinen Blog gemerkt habe.

Flieder heißt englisch lilac

Freitag, 27. April 2007

Ich lebe mit jemanden zusammen, der unsere Wohnung gestern mit Flieder in allen Farben ausstattete – weil ich am Wochenende zuvor bemerkt hatte, wie früh der Flieder dieses Jahr dran ist und erwähnte, dass ich hofffentlich nicht vergessen würde, ein paar Zweige für daheim zu besorgen.

Das heutige SZ-Magazin machte mir zum einen bewusst, dass dieser Mann und ich in fast 14 Jahren Beziehung einander nie mit Kosenamen angesprochen haben. Wir versuchten es zwar pflichtbewusst vor ein paar Jahren mit aller Kraft, blieben aber ausgerechnet an „Rehlein“ bzw. „Erpelchen“ hängen, was uns nie ohne Prusten über die Lippen kam – da gaben wir auf. Zum anderen erinnerte die Geschichte mich daran, wie viele meiner Arbeitskolleginnen vor allem im PR-Agenturgetriebe mit ihren Partnern in einer Zwitscher- oder Babystimme telefonierten, die ich sonst von ihnen nicht kannte. Ich hatte mir das immer damit erklärt, dass sie so verhinderten, mit ihrer beruflichen Energie und Durchsetzungskraft dem Mann an ihrer Seite bedrohlich zu erscheinen.

Besser trennen

Donnerstag, 26. April 2007

Die Imagekampagne der Münchner Abfallwirtschaftsbetriebs „Besser trennen“ versüßt mir Wortfreundin immer wieder den Alltag. Die

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auf einem Müllauto brachte mich schon letztes Jahr auf einer Lauftour schier zum Verschlucken.

Das macht mich natürlich umso sensibler für Trenn-Unfälle in freier Wildbahn. Heute in einem Hintergrundbericht der FAZ über die Bauma wunderschön:

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Deutschland wird innocent

Mittwoch, 25. April 2007

Frohe Kunde in Liisas Blog: Den wunderbaren englischen Smoothie innocent (Schwärmerei hier und hier) gibt’s jetzt auch in Deutschland. Zunächst nur in der einen amerikanischen Kaffeehauskette, in die ich leider nicht mehr gehen kann, seit ich weiß, dass sie auch in Guantanamo Bay eine Filiale hat (sollte eigentlich mit den innocent-Idealen kollidieren). Aber jetzt habe ich schon so lange gewartet, da kommt es auf die Restwartezeit nicht mehr an, bis es innocent auch unbefangen kaufbar gibt.
Laut einem erstaunlich schnellen Unternehmenskommentar bei Liisa wurde auch das sympathische Beschriftungskonzept ins Deutsche übertragen.

Ich überbrücke mit den drei brauchbaren Nachahmerprodukten, die ich hierzulande entdeckt habe, ebenfalls nur aus Früchten hergestellt und lediglich durch Pasteurisieren konserviert (und ebenfalls alle mit einer rührenden Gründungsgeschichte):
Ehrlicher
Truefruits
Grandchoice (kommt meiner Meinung nach dem Original am nächsten)

Freundeskreise

Mittwoch, 25. April 2007

Einmal im Leben hatte ich einen richtigen Freundeskreis – im Gegensatz zu einzelnen, voneinander unabhängigen Freunden. Das war während meines Studiums, und er setzte sich hauptsächlich aus Kommilitonen zusammen (dazu kamen eine Musikerin und eine Kauffrau).

Wir waren die Sorte fachlich engagierter Studenten, die in Seminaren mit ihren leidenschaftlichen Diskussionen genau diejenigen Kursteilnehmer zum Augenrollen brachten, die hier einfach nur einen Schein haben wollten und ebensogut in jeder anderen nicht allzu anstrengenden Fachrichtung hätten sitzen können.

Eigentlich waren wir recht unterschiedliche Menschen aus verscheidenen Teilen Deutschlands. Uns verband die Altersgruppe, das Studium geisteswissenschaftlicher Fächer und vielleicht, dass die meisten aus einfachen Verhältnissen kamen.

In der Cafete (heißt eine Uni-Cafeteria überall „Cafete“?) wurde es schon mal laut, weil wir völlig selbstvergessen die Diskussion des Seminars mit den Freunden aus anderen Fachrichtungen weiterführten – oft sehr verkürzt Bezug nehmend zu vorher schon beredeten Themen. Für hysterische Heiterkeit genügte oft ein kürzester Kommentar, der viel implizierte. Gleichzeitig waren die Gespräche oft hitzig: Lassen Sie mal einen leidenschaftlichen transformationsgrammatischen Sprachwissenschaftler und eine leidenschaftliche Reader-Response-Literaturwissenschaftlerin aufeinander los und die Existenzberechtigung ihrer Fachgebiete verteidigen.

Was war die Folge? Dass wir als arrogant galten, als ein hermetischer Zirkel, der sich für etwas Besseres hielt als die anderen Studentinnen und Studenten. Dass es hieß, wir wären diese Wichtigtuer, die sich nur miteinander beschäftigten. Zunächst war ich getroffen und hatte reflexartig ein schlechtes Gewissen. Dann fragte ich mich aber, wie die Alternative aussähe, um nicht wie ein hermetischer Zirkel zu wirken: Sollte ich mich nach besonders lautem Gelächter zum unbekannten Studenten am Nebentisch wenden und ihm den Witz erklären? (Autsch, das war arrogant.) Oder die grimmige Gruppe drei Tische weiter höflich fragen, ob wir sie mit unserer Fröhlichkeit belästigen? Hätten wir Freundinnen und Freunde uns besser nie gemeinsam in der Öffentlichkeit sehen lassen?

Wenn ich heute durch ähnliches Gemaule an diese Attacken erinnert werde, komme ich zu dem Schluss, dass manche Menschen sich Angriffen aussetzen, wenn sie einfach nur authentisch sind. Zwar würden die meisten Mauler Authentizität sogar als hohes Ziel der Menschwerdung bezeichnen – verleihen dann aber nur der Demut, der Bescheidenheit und der Selbstzerknirschung die Authentizitätserlaubnis.

Neid schien mir als Erklärung immer zu einfach. Die Mauler und Stichler wollten keineswegs sein wie wir: Sie störten sich eher an dem Umstand, dass es auf der Welt Leute wie uns überhaupt gab, also leidenschaftliche Denkerinnen, nur schwer frustrierbare Macher, und sie wurden darob böse.

Andererseit ist es vielleicht doch so, wie es sich der Haltungsturner einst über sein Blog schrieb: Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz.

Intrinsisch / extrinsisch

Dienstag, 24. April 2007

Eine gute Kurzgeschichte wirkt mit und ohne Bezug zu ihrer Entstehungsumgebung.

Lesen Sie Albertsens „Er gab sich auf und wurde berühmt“.