Journal 30. Juni 2009

Mittwoch, 1. Juli 2009 um 6:37

Das Dreckshalsweh ging keineswegs über Nacht weg: Ich wachte mit Schluckbeschwerden auf (bayerisch „Schluckaweh“), und die Zunge, die ich mir im Spiegel entgegenstreckte, trug nicht nur elegantes Weiß, sondern bildete auch den Vordergrund für das satte Rot der geschwollenen Mandeln. Also bestellte ich in der Apotheke: „Bitte einmal alles, was die Pharmaindustrie gegen Erkrankungen auf den Markt gebracht hat, die sich mit Halsweh ankündigen.“ Man verkaufte mir bakterientötende Lutschtabletten und Immunsystem stärkende Vitaminbomben, die zum Aufpäppeln nach Chemotherapie entwickelt wurden.

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Hat sich locker room etiquette in letzter Zeit geändert? Vor allem der Teil “do not stare”? Nach dem Turnen, der durchgeschwitzten Kleidung entledigt, musste ich mir heute in der Umkleide die Musterung mehrerer Damen gefallen lassen, obwohl ich nackt zur und von der Dusche ganz sicher nie Parade laufe, sondern immer ein Handtuch dezent vor mich halte. In Zeiten wie diesen, in denen ich mich eh zu viel fühle, interpretiere ich solche Blicke automatisch als verächtlich, klar. Denn da ist kein naheliegender Blickfang, weder Körperschmuck noch Tätowierung noch besonders viel oder wenig Körperbehaarung, weder Narbe noch Verletzung noch Fettmassen – einfach nur ein ältlicher Frauenkörper, das Bindegewebe auf Halbmast.

Nahrung: Café con leche, Planetenpfirsiche (gibt es in München tatsächlich bei jedem Obsthändler – für Supermärkte kann ich allerdings nicht sprechen), Truthahnschnitzel mit Rohkostsalat und Käse, Milchkaffee, chinesisches Hackfleisch auf Gurke, Spinatgemüse mit roter Paprika und Erdnuss, Schokolade (Pernsteiner Vollmilch Amaretto – nicht so fein abgestimmt und aromatisch wie die Hachez Edel-Vollmilch Mandelsplitter mit Amaretto)
Wetter: morgens geradezu erschreckend wolkenloser blauer Himmel, ein Hauch von Sommerferien in der Luft; gegen Abend Wolken und Gewitter, warm

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Journal 30. Juni 2009“

  1. kid37 meint:

    Im Zeitalter allgegenwärtiger Bodymodification ist das weitgehend kennzeichnungslose vielleicht bereits wieder auffällig. Oder die Big-Brother-Sozialisation setzt ein.

  2. Milla meint:

    Oh, Frau Kaltmamsell,

    Sagen Sie niemals “ältlich”, das kann bei dem ganzen Sport und Ihrem tatsächlichen Alter gar nicht sein. Ich fühle im Moment mich genauso wie Sie zuviel, vielleicht ist es einfach zu heiß?

    Ein schöner Ausstellungsbesuch klärt vielleicht den Blick: crossing munich bekam ich als link und interessiert Sie vielleicht auch? Mich trennen von München ja leider mehrere hundert km, so das ein Besuch nicht ganz so einfach wird.

    Beste Grüße
    Milla

  3. maike meint:

    Ich las das erste Substantiv ja auf Englisch und ein wenig falsch: dreck-shal-wesh..

  4. Anika meint:

    Bitte, bitte, bitte, führen Sie das Tagebuchbloggen über den Juni hinaus weiter. Mein erster Besuch gilt nicht mehr faz.net sondern Ihrer Seite.

    Haben wir einen Deal?

    Liebe Grüße,

    Ani.

  5. Sigourney meint:

    Bindegewebe auf Halbmast, glaub ich nicht, aber selbst wenn, so what.
    Welche von den Guckerinnen würde denn Ihr Sportprogramm überleben?
    Ich bin schon immer vom Lesen ganz fertig und mach auch nicht gerade wenig Sport.
    Sie tun, was man nur tun kann, alles andere ist eben so. Direkt in die Augen zurückstarren und Kopf hoch.

  6. Rob meint:

    Seit ich lebe, hasse ich diese Art von Dusch- und Umkleideräumen. Jede Sportkarriere war allein deshalb völlig unmöglich. Da gehen Sie freiwillig rein?

    Nebenbei: das viele geschäftliche Reisen hat mich von dem Gedanken befreit, ich würde beobachtet, sobald ich alleine einen Raum (Restaurant, Kneipe, Bar…) betrete. Da kann man wahrscheinlich tot vom Stuhl fallen, und keiner bemerkt das, schon gar nicht der Kellner.

  7. Stefan meint:

    @Rob: Und das Training in den letzten drei Jahren [beim selben Anbieter der medizinisch orientierten Muckistärkung] hat mich von dem Gedanken befreit, dass sich die Männer in den Umkleideräumen gegenseitig anstarren würden (die Duschkabinen aus Edelstahl sind ohnehin geschlossen). Man nimmt natürlich gewisse flüchtige Eindrücke mit — aber eher aus dem Trainings- als aus dem Umkleideraum.

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