Archiv für Juli 2009

Immer noch Brighton

Sonntag, 5. Juli 2009

seafront_013

Ein weiterer wundervoller Sommertag auf der englischen Seite des Ärmelkanals. Habe meine Mutter mit in mein Lieblingscafé genommen, bevor wir die gesamte Seafront samt Palace Pier erkundeten. Heute Abend führe ich sie noch groß zum Essen aus (übrigens gibt es das Restaurant St. James nicht mehr; dort ist statt dessen ein polnisches Spezialitätenlokal).

Hochsommer in Brighton

Samstag, 4. Juli 2009

Brighton, Hotel Pelirocco: Mama sucht im Fernsehen nach Wimbledonbildern, ich kann endlich die Technik ohne Behinderung ausleben. Denn erst kam ich nicht ins Internet, trotz superkräftigem WLAN-Signal und unter Aufsicht korrekt eingegebenem Passwort (irgendwo auf der siebten Ebene hatte eine Einstellung nicht gepasst, wie das halbstündige Telefonat mit dem Blogheinzelmännchen ergab), dann erkannte Freund Subnotebook den Speicherchip meines Fotoapparats nicht mehr (der ca. elfte Versuch brachte Besserung), dann war der Akku des Subnotebooks ob all der Anstrengung alle, und ich hatte den Adapter daheim liegenlassen (der freundliche Neighbourhood-Elektrohändler verkaufte mir einen neuen). Sogar mein Blackberry tut wieder, was er soll, nachdem er mir Zugang nur gegen Eingabe des PUK gewähren wollte (ich habe immer noch nicht herausgefunden, wie ich die Tastensperre manuell aktiviere – nein, das steht nicht in der Gebrauchsanweisung – und so hatte ich im weggesteckten Blackberry anscheinend irgendwelche PINs eingegeben. Der Mitbewohner suchte mir fernmündlich in den Unterlagen die PUK heraus). Allerdings ist nach all den Nottelefonaten mein Handy nahezu stromlos, dessen Akku sonst gut und gerne zwei Wochen hält – weswegen ich für die vier Tage Abwesenheit kein Ladekabel mitgenommen habe.

Doch jetzt ist alles gut, durch die geöffneten bay windows strömt warme Luft, ein Blick nach rechts zeigt mir Strandpromenade samt Flaneuren unter blauem Himmel im warmen Sonnenlicht des späten Nachmittags, geradeaus auf der Wiese spielen Hunde. Glücklicherweise ist es nicht mehr so heiß wie am Donnerstag unserer Ankunft.

south_downs_019

Wir waren unter anderem schon wandern,

west_pier_002

und die Fragmente des Westpier sind noch zu erkennen. Allerdings ist auf Straßenhöhe sogar der Zugang zu den Bautafeln abgesperrt, inklusive Kiosk – ich nehme das einfach als Zeichen, dass sich was tut.

Eine Empfehlung für einen Hochsommeraufenthalt in der Partystadt Brighton: Kein zentrales Hotelzimmer mit Fenster zur Straße wählen. Vielleicht entscheiden wir uns heute Nacht dann doch für stickige Luft bei geschlossenen Fenstern – die uns zumindest den Ohrstöpsel übertönenden Lärm der betrunkenen jungen Leute fernhält.

Die Step-Megäre

Freitag, 3. Juli 2009

oder: Darf man eine Choreografie verbessern?

oder: Warum Sie sich wünschen sollten, mich nie in Ihrer Aerobic-Stunde zu haben

(Ich konnte mich nicht für eine Überschrift entscheiden: Die erste ist ein arg angestrengter Versuch, Populäres mit Halbbildung zu verbinden, die zweite eine ebenso angestrengte Anspielung auf Robert Gernhardt, die dritte gibt die Auslegung des Folgenden arg vor.)

Ich bin die schrecklichste Stepaerobic-Teilnehmerin der Welt. Meine Ansprüche an die Choreografie und deren Aufbau sind so hoch, dass ich nur noch enttäuscht werden kann – und diese Enttäuschung lebe ich wütend aus.

Eine meiner nervigsten Macken ist, dass ich ziemlich stur Ansagen folge. Sagt die Vorturnerin einen turn an, dann führe ich einen turn aus. Lande ich damit woanders als die meisten Mitturnerinnen und stelle dadurch fest, dass die Vorturnerin mit turn zufällig ganz individuell einen basic turn übers Brett gemeint hat – führe ich trotzdem und trotzig den angesagten turn aus. Lautet das Kommando repeater, dann wiederhole ich den davor angesagten Schritt – auch nachdem ich gesehen habe, dass die Vorturnerin damit automatisch einen knee lift repeater gemeint hat. Weist die Vorturnerin einen box step auf dem Brett an, mache ich ihn auch dann weiter auf dem Brett, wenn sie einen basic step auf die kurze Seite des Bretts davorbaut.

Denn, so wüte ich in mich hinein, sie könnte ja einfach dazu auffordern, ihr zuzuschauen und die Bewegung in der gewünschten Abwandlung zu imitieren – das tue ich dann gerne. Es reicht sogar der Hinweis „Achtung! Variation!“, um mich zum Zuschauen und Nachmachen zu bringen.

So oder so spüre ich jede Unsauberkeit im Aufbau der Choreografie auf. Sollte ein Übergang nicht durchdacht sein und die Turnerinnen zu einem Riesenschritt zwingen, sollte sich irgendwo ein tap als Behelf zum Richtungswechsel eingeschlichen haben: Ich werde es merken. Und ich sorge dafür, dass die Vorturnerin merkt, dass ich es merke: Ich denke mir nämlich flugs eine korrigierende Änderung aus, die ich ohne Rücksicht auf die Verwirrung der um mich Turnenden in die Choreografie einbaue.

Sie merken: Ich bin ein entsetzliches Mimöschen in der Turnhalle. Um mich zur Feindin zu machen, reicht ja schon falsch ausgesprochenes Englisch. Dass der V-Step hierzulande fast durchgehend als We-Step ausgesprochen wird, habe ich nach all den Jahren wirklich und tatsächlich geschluckt. Aber macht die Vorturnerin aus einem tap up, tap down per Aussprache ein tape up, tape down, ist sie unten durch; Tapen gehört ganz sicher nicht zu den beim Aerobic notwendigen Sicherheitsmaßnahmen.

Eine Sonderreaktion ernten Vorturnerinnen von der aggressiv gutlaunigen Sorte, die laszive Bewegungen aus dem Pole-Dancing einfordern, gar mit dem Ruf „Sexy, sexy!“: Sie können ihren trainierten Arsch darauf verwetten, dass ich mit einem gemurmelten „¿Y tu tía Balbina que?“1 komplettverweigere.

Sie würden jetzt aber doch gerne mal anmerken, dass die einzige, die aus diesem Trotz Schaden hat, ich bin? Haha, haben Sie denn völlig den kleinkindlichen Triumph des „Geschieht euch allen nur recht, dass ich keinen Spaß habe!“ vergessen?

Das möglicherweise Schlimmste: Selbst, wenn ich an Trainerin und Choreografie nichts auszusetzen habe und die Stunde mir Spaß macht, wollen Sie mich nicht im selben Raum haben. Dann bin ich nämlich gerne mal so enthusiasmiert, dass ich die Trainerin zu besonders hohem Tempo und besonders vielen Durchgängen antreibe. Auf ihre Frage „Schafft ihr noch drei Mal“ plärre ich dann alles übertönend „Ja!“ – ganz egal, ob alle anderen Turnerinnen mit rotem Kopf und schlappen Bewegungen bereits in den Seilen hängen.

Dagegen bin ich machtlos, ein Spielball meiner Affekte.

  1. Beim Fluchen verfalle ich oft ins Spanische, ¡jo…! []

Ende des Tagebuchbloggens

Donnerstag, 2. Juli 2009

Dieses Tagebuchbloggen war ganz schön anstrengend. Mein Spaß am Bloggen basiert auf Freiwilligkeit, Spontanität und Themenbeliebigkeit – wenn sich ein paar Tage lang der Schreibimpuls nicht einstellen will, schreibe ich halt nichts. Nun musste ich meinen drögen Alltag in all seiner Drögheit niederlegen. Zwar erlaubte ich mir den Kunstgriff, nur Ausschnitte zu beschreiben – ich hoffte, die Vorstellungskraft von Leserinnen und Lesern möchte diese Leerstellen mit lauter aufregenden Ereignissen füllen. In Wirklichkeit gibt ein Abend mit Internetlesen halt wirklich nichts her.

Ein langweiliges Leben ist ja völlig in Ordnung – ich selbst langweile mich schließlich nicht. Geradezu gelähmt hat mich allerdings das Aufschreiben dieses langweiligen Lebens. Deswegen bin ich froh, dass der Monat vorbei ist.

An dieser Stelle hätte ich gerne einen Link zu dem wunderschönen Lied “Am I boring?” von Garrison Keiller eingebaut, doch im Internet finde ich es nicht. Nun rächt sich, dass ich mich nie mit webbasierten Mithörmöglichkeiten beschäftigt habe, denn haben tue ich das schöne, getragene Stück in Dreivierteltakt.

Zu meinem Erstaunen stieg indes die Leserzahl während des Tagebuchmonats. Ich kann mir ausschließlich technische Erklärungen vorstellen, dass etwa die höhere Frequenz der Einträge zu einer priorisierten Einordnung in Google-Suchergebnissen geführt hat.

Ich empfehle weiterhin die Lektüre von Blogs, deren Autoren aus dem Tagebuchbloggen eine Kunstform gemacht haben, darunter Frau Modeste und Herrn Mek.

(Zur Abrundung: Die Halsschmerzen entwickelten sich nicht zu Böserem, ein dreifach Hoch auf die evidenzbasierte Medizin. Und auf die guten Wünsche meiner Leserinnen und Leser.)

Journal 30. Juni 2009

Mittwoch, 1. Juli 2009

Das Dreckshalsweh ging keineswegs über Nacht weg: Ich wachte mit Schluckbeschwerden auf (bayerisch „Schluckaweh“), und die Zunge, die ich mir im Spiegel entgegenstreckte, trug nicht nur elegantes Weiß, sondern bildete auch den Vordergrund für das satte Rot der geschwollenen Mandeln. Also bestellte ich in der Apotheke: „Bitte einmal alles, was die Pharmaindustrie gegen Erkrankungen auf den Markt gebracht hat, die sich mit Halsweh ankündigen.“ Man verkaufte mir bakterientötende Lutschtabletten und Immunsystem stärkende Vitaminbomben, die zum Aufpäppeln nach Chemotherapie entwickelt wurden.

§

Hat sich locker room etiquette in letzter Zeit geändert? Vor allem der Teil “do not stare”? Nach dem Turnen, der durchgeschwitzten Kleidung entledigt, musste ich mir heute in der Umkleide die Musterung mehrerer Damen gefallen lassen, obwohl ich nackt zur und von der Dusche ganz sicher nie Parade laufe, sondern immer ein Handtuch dezent vor mich halte. In Zeiten wie diesen, in denen ich mich eh zu viel fühle, interpretiere ich solche Blicke automatisch als verächtlich, klar. Denn da ist kein naheliegender Blickfang, weder Körperschmuck noch Tätowierung noch besonders viel oder wenig Körperbehaarung, weder Narbe noch Verletzung noch Fettmassen – einfach nur ein ältlicher Frauenkörper, das Bindegewebe auf Halbmast.

Nahrung: Café con leche, Planetenpfirsiche (gibt es in München tatsächlich bei jedem Obsthändler – für Supermärkte kann ich allerdings nicht sprechen), Truthahnschnitzel mit Rohkostsalat und Käse, Milchkaffee, chinesisches Hackfleisch auf Gurke, Spinatgemüse mit roter Paprika und Erdnuss, Schokolade (Pernsteiner Vollmilch Amaretto – nicht so fein abgestimmt und aromatisch wie die Hachez Edel-Vollmilch Mandelsplitter mit Amaretto)
Wetter: morgens geradezu erschreckend wolkenloser blauer Himmel, ein Hauch von Sommerferien in der Luft; gegen Abend Wolken und Gewitter, warm