Es gibt keine Maibälle mehr

Mittwoch, 5. Mai 2010 um 13:38

Auf einem Maiball haben meine Eltern sich kennengelernt. Und auch wenn Eingeweihte noch den einen oder anderen kümmerlichen Rest der Ballkultur kennen: Maibälle sind erheblich ausgestorbener als die monatszugehörigen -käfer.

Ich bedauere das sehr, aus völlig unsachlicher Nostalgie. Andrea Diener hat in ihrer
F.A.Z.-Kolumne ganz wundervoll beschrieben, wie mit den Bällen auch eine bestimmte Art von Eleganz ausgestorben ist.

Im Alltag wird man oft belächelt, wenn man mit Fächer, Blume im Haar und Spitzenhandschuh ausstaffiert durch den Tag stolziert, auf dem Ball ist es normal und sogar praktisch. Der Fächer kühlt, der Handschuh schützt vor der Schweißflosse des Tanzpartners, die Hochsteckfrisur ist die reine Notwehr in Sachen Verzottelung.

Eleganz, so meine Ansicht, unterscheidet sich nicht groß von anderen Künsten, denn sie entsteht durch den Willen zur Form. Ein kompromißloser Wille. Lässigkeit zählt nicht, Faulheit nicht, Nachlässigkeit nicht.

die Kaltmamsell

12 Kommentare zu „Es gibt keine Maibälle mehr“

  1. lihabiboun meint:

    Ha!!! mir aus der Seele gesprochen: “…. wie wenig echte Eleganz mit High-Fashion-Marken und deren gelabelten Insignien zu tun hat, die längst zu hirnlosem Consumerluxus abgesackt sind, den die Zahnarztgattin aus dem Vordertaunus tütenweise in ihren falschgeparkten Cayenne stapelt”…. und so schön not PC. Love it. Einmal Stachus Untergeschoß reicht wieder für vier Wochen. Jetzt werde ich dann geköpft, ich weiß. Aber diese Meinung hat GAR NIX mit Geld zu tun und alles mit Sorgfalt. Respekt vor sich selbst undso

  2. Buchfink meint:

    Der Wille zur Form, das ist es. Wir lassen uns nicht beirren.

  3. walküre meint:

    Ja, ja und nochmals ja. Und die Eleganz ist einer der Gründe, weshalb ich so gerne in die Staatsoper gehe, denn abseits vom beinahe stets garantierten künstlerischen Hochgenuss liebe ich es, in den Pausen zu flanieren und mit anderen sorgfältig gekleideten Menschen die wunderbare Atmosphäre zu genießen (Jeans sind mittlerweile zumindest hier in der Oper wieder eher die Ausnahme). Nein, mit Geld hat Eleganz wenig zu tun, vielmehr ermöglicht Eleganz, einen gewissen Abstand zum Alltag herzustellen und diesen somit wieder erträglicher zu machen !

  4. André Thiele meint:

    >>
    Gleichschaltung findet ja nicht nur unten statt.
    <<

    Gell, die kann was, die Frau Diener!

    Und ich hatte sogar Gelegenheit, mit ihr über die Frau Kaltmamsell zu plaudern, auf einer spätabendlichen Buchmesseparty in Frankfurt war's, letztes Jahr, die Anwesenheit von Herta Müller langweilte uns aber sowas von, da fanden wir schnell ein besseres Thema, sie trank dazu Kaffee, ich trank – Gott allein weiß noch, was ich dazu trank; jedenfalls, am Ende, d.h. früh am nächsten Morgen, vergaß Frau Diener ihre Handschuhe an der Bar, aber das ist eine Geschichte, die ich nur vom Hörensagen weiß, denn ich, als braver Verleger, hatte schon viel früher ins Bett gemusst.

  5. a.more.s meint:

    Ein kleiner Einspruch, mit Verlaub… Eleganz mag ich persönlich weniger, sie ist käuflich, man kann sie sich überstülpen; sie hat oft auch etwas Elitäres. Ich plädiere für mehr Anmut – die hat man, oder man hat sie eben nicht. In Ihren nostalgischen Fotos, gerade auch von Ihren Eltern, meine ich auch sehr viel Anmut gesehen zu haben.

  6. a.more.s meint:

    … mit andern Worten: Anmut ist “erheblich ausgestorbener” als Eleganz …

  7. die Kaltmamsell meint:

    Anmut als Anforderung, a.more.s, würde mich traurig machen, denn dazu werden Trampel wie ich es nie bringen. Wie Sie schon schrieben: Anmut ist angeboren. Eleganz kann ich mit Anstrengung aufbringen, sie ist meiner Meinung nach genau das Gegenteil zu elitär, nämlich ausgesprochen demokratisch.

  8. l9 meint:

    Alles Gute zu Hochzeitstag :)

  9. valencia meint:

    Anmut oder Grazie ist die Form des Schönen. Wir finden dieses heute in den performativen Künsten z.B. dem Tanz. Es ist der Ausdruck einer Harmonie zwischen Sinnlichem und Geistigem. Anmut ist lieblich, freundlich und dankbar. Es ist zugleich die Einheit von Gnade und Schönheit.
    Castiglione sagte: “Anmut kann nicht gelernt werden.”
    Ich lebe in der Schweiz und hier gibt es jeden Sonntag morgen ab 06.00 in einem Lokal traditionell zum Sonnenaufgang den Maiball. Es hat weniger mit Eleganz zu tun als mit Anmut.

  10. kecks meint:

    Ich weiß nicht. Stil ensteht so. Eleganz eher weniger. Ich Trampeltier kann gar nicht elegant sein; stilvoll allerdings sehr wohl. Eleganz bleibt bei mir reserviert für Ballett und dergleichen mehr.

  11. Angelika meint:

    … auch diesen Artikel von Frau Diener habe ich mit Freude gelesen und mir den letzten Satz (den Sie hier zitieren) in meine private bon-mot-Sammlung kopiert …
    Ich finde es schoen, dann als Nicht-Bloggerin zumindest “Gleichgesinnte” im www zu finden und dies unterdessen auch im Deutschsprachigen. So wie bei Ihnen und Ihren Beobachtungen auch.
    Meistens “kommentiere” ich nicht, um nicht unnoetig missverstanden zu werden.

    Eine vergnuegte Mitleserin

  12. Cati Basmati meint:

    Wie wahr, wie wahr!
    Ich würde gerne sagen können: “Hab ich doch gesagt!”
    Hab ich aber nicht, kann ich also auch nicht.

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