Archiv für Mai 2010

Wer so alles meine Daten haben will

Dienstag, 11. Mai 2010

Keineswegs bilde ich mir ein, wesentlich sorgsamer mit meinen persönlichen Daten umzugehen als der Rest der Gesellschaft. Zwar beteilige ich mich an keinerlei Punkte- oder Rabattprogrammen, und die einzige Kundenkarte, die ich besitze, ist die der Münchner Stadtwerke: Damit komme ich nach Aufladen bargeldlos in die örtlichen Schwimmbäder. Doch ich zahle mit Kreditkarte, auch online – ohne dass ich mich jedesmal detailliert mit dem Datenumgang des Anbieters befasse.

Manchmal frage ich mich aber schon, warum für bestimmte Geschäftsvorgänge meine persönlichen Daten notwendig sein sollen – bei einigen wohl nicht als einzige. Vor Jahren musste ich noch gehörig Rabatz machen, weil ich ein Espressokapselmaschine und später die zugehörigen Espressokapselmaschinenkapseln anonym kaufen wollte. Mittlerweile werde ich beim Kauf der Kapseln im Laden gegenüber der Münchner Oper nicht mehr gefragt: „Auf welchen Kundennamen darf ich das eintragen?“, sondern „Soll ich das auf einen Kundennamen eintragen?“ Vermutlich haben noch mehr Menschen auf anonymem Kauf bestanden.

Doch nun überraschte mich das Solarium, das ich fünf bis sechs Mal im Jahr besuche, damit, dass ich künstliche UV-Bestrahlung dort nur noch unter Hinterlegung meiner persönlichen Daten bekomme. Auf meine verdutzte Nachfrage erklärte man mir, diese Auflage sei von der Zentrale ausgegeben worden: Eine Kundin habe geklagt, weil sie sich aufgrund falscher Beratung einen Sonnenbrand zugezogen habe. Nun müsse bei allen Kunden die Frequenz und Art der Besonnung personenbezogen aufgezeichnet werden. Das leuchtete mir einerseits überhaupt nicht ein (u.a.: Was, wenn ich zwischendurch in ein anderes Solarium oder sogar ins echte Sonnenlicht gehe?), andererseits wollte ich nicht schon wieder ungesonnt heimgehen (am Vortag hatte eine andere Angestellte nicht genug Wechselgeld gehabt). Also bot ich an, das Problem zu lösen, indem ich irgendeinen Namen angab. Der Kassenfrau fiel kein Gegenargument ein, also ließ sie sich schmallippig von mir die persönlichen Daten inklusive Wohnort und Geburtsdatum einer völlig fiktiven Frau diktieren. Jetzt darf ich die nur nicht vergessen.

Mal wieder Essen aus dem Internet

Montag, 10. Mai 2010

Andere Leute schauen Kochen im Fernsehen, ich schaue Kochen im Internet. Und da ich schon lange mal etwas mit Filoteig machen wollte (in einem der vielen türkischen Süpermarkets ums Ecke gekauft, wo denken Sie hin), lachte mich Zorras Rezept für Spanakopita mit Mangold sofort an.

Also gab es das Gericht zum sonntäglichen Abendbrot, eine Gemeinschaftsproduktion von Mitbewohner und mir. Den Cayennepfeffer ersetzten wir durch scharfen Pimentón de la Vera, und ich nahm in Kauf, dass meine Arbeitskollegen mich heute mit Knoblauchatem ertragen müssen.

Eine ganz besonders hübsche Speise von außen (ich hatte zwei Filoblätter mehr genommen)

und von innen, schmeckte vorzüglich.

Dazu gab es einen Wein, den ich indirekt ebenfalls dem Internet verdanke. Hande hatte mir vor Jahren das Restaurant Broeding mit seinen ausschließlich österreichischen Weinen empfohlen, in dem ich seither einige Male gegessen und getrunken habe. Vom letzten Besuch waren mir sowohl ein Gelber Muskateller des Weinguts Grassl (Carnutum) in ausgesprochen angenehmer Erinnerung geblieben als auch der St. Laurent desselben Herstellers – so angenehm, dass ich in der angeschlossenen Weinhandlung jeweils ein paar Flaschen davon kaufte.

Der St. Laurent war gestern genau so gut und vielfältig, wie ich ich ihn abgespeichert hatte, mit Kirsche und ein bisschen Animalischem in der Nase, Schokolade und schwarzem Tabak (Ducados?) auf der Zunge. Passte zwar nicht perfekt, aber doch ganz gut zur Spanakopita.

Elisabeth Rank, Und im Zweifel für dich selbst

Sonntag, 9. Mai 2010

Es ist ein ganz besonderer Lebensabschnitt: Die Zeit, in der man vor dem einen oder anderen Jahr aus dem Elternhaus ausgezogen ist, die meisten Erwachsenendinge (Wohnen, Autofahren, Essen Einkaufen, Reisen) ganz selbstverständlich allein tut, in der das Erwachsensein aber noch nicht an einem zieht und zerrt, in der es noch die Eltern sind, die sich notfalls kümmern, aber Freunde schon sehr wichtig werden.

Dass dieser Lebensabschnitt in der Literatur als Schauplatz fehlt, habe ich erst bemerkt, als ich Und im Zweifel für dich selbst las und damit diese Lücke füllte.

Eine Ich-Erzählerin, Tonia, ist mit ihrer engsten Freundin Lene im Auto und ziellos unterwegs: Lenes Freund Tim, die Liebe ihres Lebens, ist tödlich verunglückt – Lene will einfach nur weg.

Es passiert sehr wenig in Elisabeth Ranks Roman; es wird eher das Echo von Dingen erzählt, die passiert sind. Auch wenn der Roadtrip der beiden jungen Frauen durch Mecklenburg führt, steckt viel Berlin in dem Buch – ein implizites Berlin, das weder erklärt noch eingeordnet wird, sondern einfach ein Zuhause ist. Die Erzählerin und die Figuren der Rückschauen im Roman teilen sich Wohnungen, haben nur wenige richtige Möbel, sitzen vor improvisierten Cafés, feiern an der Spree. Die Fahrt der Freundinnen führt über kleine Straßen durch Landschaften, zu merkwürdigen Menschen in kleinen Dörfern, ans Meer und zu einem Wohnwagen-Campingplatz.

Die Handlung beschreibt viel mehr Wahrnehmungen, als dass sie sie einordnen oder analysieren würde. Selbst Gefühle sind nicht geschrieben – nicht die abgrundtiefe Trauer, nicht die Hilflosigkeit -, sondern mit Symptomen und Details gezeichnet. Vielleicht übertragen sie sich beim Lesen dadurch so unmittelbar. Gleichzeitig ist die Darstellung wieder typisch für das Alter, in dem auf die meisten Menschen zwar Eindrücke und Wahrnehmungen einprasseln, sie aber noch kein Koordinatensystem zur Bestimmung haben. Die Zeit, in der das Leben noch so jung ist, dass Erinnerungen fast immer zum Elternhaus führen, oder zu den Großeltern. Eigene Erinnerungen als Bezugssystem gibt es noch ganz wenige. Man hat in Freunden seine erste eigene Familie, ein neues Netz von Verantwortungsgefühl füreinander. Bis hin zu dem Moment, in dem auch diese Bande sich auflösen, durch große Lebensentscheidungen dünner werden.

Ich war 200 Seiten lang gefesselt von diesen Menschen und von der unkonventionellen und unkomplizierten Sprache Ranks. Und am Ende habe ich, wie isabo, geweint.

Blognostalgie: Blogmich 2005

Freitag, 7. Mai 2010

Angefangen hat Bov Bjerg mit ein paar Tweets: Er hat an Blogmich 2005 erinnert und damit die nächsthöhere Metaebene des Bloggermitsichselbstbeschäftigens gebaut: Blogarchäologie.

Am 7. Mai 2005 trafen sich in Berlin ein Haufen Blogger.

Damals war es wirklich noch ein zentrales Thema, wie das ist, wenn man andere Blogger in Echt trifft. Die damals anwesenden zumindest haben mittlerweile Routine darin – und ich finde es immer noch wundervoll. Möglicherweise hat mich die Möglichkeit, über die Internetschreiberei Menschen kennenzulernen, die mich rundum begeistern, ein wenig für den zufälligen Umgang mit Menschen verdorben: Ich mag mir keine rechte Mühe geben herauszufinden, ob die doofe Nachbarin / Kollegin / Mitturnerin nicht doch etwas Interessantes haben könnte.

Hier Fotos von seinerzeit:
http://rare.de/blogmich/index.php
http://www.flickr.com/photos/tags/blogmich
http://www.flickr.com/photos/tags/blogmich2005/

Ein Spiel für die nächste Blogmich (die es nie geben wird) könnte sein: Alle Fotos ausdrucken und einkringeln, welche Menschen mittlerweile miteinander verpaart sind. Bonuspunkte für Bestimmung von Art und Anzahl der gemeinsamen Kinder.

Auf Camp Catatonia eine damalige Rückschau, die mir sehr gut gefällt.
Nachtrag: Auch auf dem Sofa ein seinerzeitiger Rückblick, der ganz gut sammelt, warum Bloggen für mich nichts mit dem zu tun hat, was in den traditionellen Medien diskutiert wird.
Damals nutzte ich delicious noch nicht, sonst hätte ich hier ganz einfach die Sammlung von Niederschlägen gefunden.

Es gibt keine Maibälle mehr

Mittwoch, 5. Mai 2010

Auf einem Maiball haben meine Eltern sich kennengelernt. Und auch wenn Eingeweihte noch den einen oder anderen kümmerlichen Rest der Ballkultur kennen: Maibälle sind erheblich ausgestorbener als die monatszugehörigen -käfer.

Ich bedauere das sehr, aus völlig unsachlicher Nostalgie. Andrea Diener hat in ihrer
F.A.Z.-Kolumne ganz wundervoll beschrieben, wie mit den Bällen auch eine bestimmte Art von Eleganz ausgestorben ist.

Im Alltag wird man oft belächelt, wenn man mit Fächer, Blume im Haar und Spitzenhandschuh ausstaffiert durch den Tag stolziert, auf dem Ball ist es normal und sogar praktisch. Der Fächer kühlt, der Handschuh schützt vor der Schweißflosse des Tanzpartners, die Hochsteckfrisur ist die reine Notwehr in Sachen Verzottelung.

Eleganz, so meine Ansicht, unterscheidet sich nicht groß von anderen Künsten, denn sie entsteht durch den Willen zur Form. Ein kompromißloser Wille. Lässigkeit zählt nicht, Faulheit nicht, Nachlässigkeit nicht.

Spanisches Frühstück, Familienart

Dienstag, 4. Mai 2010

Einerseits frühstückt der Spanier traditionell nicht: Café con leche und ein Keks dazu oder vielleicht ein Süßteilchen oder eine schlichte tostada, zu hohen Feiertagen churros y chocolate. Andererseits liebt mein spanischer Vater ein kräftiges, herzhaftes Frühstück – wie es das in Spanien durchaus in Handwerker- und Arbeiterkreisen gibt, ein paar Stunden nach dem Aufstehen. Der Klassiker darunter ist migas, eine Spezialität der Provinz Extremadura: Stangenweißbrot vom Vortag wird fein gewürfelt und ein paar Stunden in ein wenig Salzwasser eingeweicht. In einem halben Zentimeter Öl in einer Pfanne Knoblauch, Chorizo, Speck anbraten, das Brot untermischen und etwas mitbraten. Fertig. Sie merken schon: Dagegen ist das traditionelle englische Frühstück Brigittediät-tauglich.

Migas kenne ich allerdings nicht von Daheim. Das Lieblingsfrühstück meines Vaters sind Spiegeleier mit gebratenem Chorizo, gerne auch gleich nach dem Aufstehen und mit einem Gläschen Rotwein. Mir bereitet allein der Geruch dieser Braterei in den ersten Stunden nach dem Aufstehen Übelkeit, doch der Mitbewohner hat dieses Erbe der Kaltmamsellfamilie umgehend übernommen. Und da wir am Wochenende bei meinen Eltern waren, diese uns mit frisch aus Spanien importierten, weichen und dadurch bratgeeigneten kleinen Chorizos versorgt hatten, zogen heute Morgen entsprechende Fettschwaden durch die heimischen Räume. Auf das Gläschen Rotwein verzichtete der Herr allerdings.


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