Archiv für September 2010

Gemischte Funde

Freitag, 10. September 2010

Eine der erfolgreichsten Food(und anderes)bloggerinnen der USA, Pioneer Woman, gibt Tipps:
Ten important things I’ve learned about blogging

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Die Münchner Kammerspiele haben sich eine neue Website gebaut. Künftig gibt es dort sogar DEEP LINKS!

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„Gute Geschichten passieren nur denen, die sie erzählen können.“ Oder so ähnlich – ich wusste nur, dass diese bemerkenswerte Beobachtung von Paul Auster oder von Philip Roth stammt (bis vor Kurzem habe ich die beiden ständig verwechselt), suchte aber vergeblich nach dem Beleg. Jetzt endlich habe ich ihn gefunden:

Stories only happen to those who are able to tell them, someone once said.

Steht in Paul Austers Ghosts, dem zweiten Teil seiner New York Trilogy 1 – die insgesamt nicht weiter der Rede wert ist, halt eine postmoderne Spielerei.

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Banksy in Brighton – hihihi.

via Urban Prankster

  1. Paul Auster, The New York Trilogy, Penguin Books, London 1990, S. 260. []

Fehlende Zahlen zur Integration

Donnerstag, 9. September 2010

Mich würden ja die Vergleichszahlen interessieren: Wie hoch ist der Anteil integrationsunwilliger gebürtiger Deutscher? Das setzte allerdings eine Definition von „deutsche Gesellschaft“ voraus.

Gelten ein katholischer Eremit und ein bayrischer Rastafarian als integrationsunwillig? Vielleicht ein strenger Veganer? Zumindest ein arbeitsunwilliger seit 40 Jahren Sozialhilfebezieher?

Kann man die Kriterien, anhand derer man die Integrationswilligkeit und den Integrationsgrad von Einwanderern bestimmt hat (wie lauten die eigentlich?) vielleicht nicht auch auf Geburtsdeutsche anwenden?

Die Frage, wer sich in unsere Gesellschaft integrieren muss, wie sie sich in den bundesdeutschen Grenzen bis heute entwicklet hat, scheint rein über Geburtspass und Blut definiert zu sein. Das mag ja historische Gründe haben, sollte sich aber schön langsam rauswachsen.

(Ich finde das Thema Einwanderung immer eine Diskussion wert. Nehme mir aber heraus, den aktuellen Auslöser wegen Unverhältnismäßigkeit zu ignorieren.)

Abenteuer Wein

Mittwoch, 8. September 2010

Wenn ich den ersten Schreibimpuls nicht nutze, raffe ich mich meist gar nicht mehr auf, über ein Erlebnis zu bloggen. In Fall meiner Weinreise nach Gols wäre das zu schade – kratze ich also zusammen, was ich so an Notizen und Bildern finde.

Denn zuletzt ließ mich auch noch ein wildfremder Landwirt als Abkürzung zum Bahnhof durch sein Haus gehen. Dass Gols einen Bahnhof hat, kannte die Initiatorin des Verkostungstrips ins Burgenland, Hande Vinoroma, lediglich als Gerücht. Was sich unter anderem damit erklären lässt, dass diese schlichte Zughaltestelle am äußersten Rand des Ortes liegt und nicht einmal mit einer geteerten Straße bedient wird. Auf der Hinreise hatte mich ein hilfsbereiter Mitverkoster mit dem Auto abgeholt, zurückzu fragte ich mich durch. Kurz vor dem Ziel hatte ich mich verfranst und fragte einen Golser, der gerade aus einem Hoftor kam, ob es da entlang zu Bahnhof gehe. Nah, meinte der, da müsste ich einen großen Bogen um den Straßenzug machen. Kurze Pause. „Oder mogst bei mir durchgehn?“ (In Gols wird geduzt.) Da ich annahm, ich müsse dazu nur über den Hof gehen, nahm ich dankbar an und folgte dem Herrn. Tatsächlich führte der Weg aber über einen Hof und dann durchs Wohnhaus, für den eine junge Frau noch den Schlüssel holen musste.

Gols ist ein Kuriosum, nicht allein wegen der überwältigend freundlichen Menschen (die übrigens als Plural von du wie in Bayern den alten Dualis „es“ verwenden): Die kleine Marktgemeinde zählt 400 Weinbaubetriebe im Haupt- oder Nebenerwerb, durchgehend höchst lebendig und höchst ambitioniert. An der zwei Kilometer langen Hauptstraße des Zeilendorfes reihen sich fast ausschließlich Winzerhäuser aneinenander, erkennbar am großen Hoftor. Sie könnten alle gleich alt sein, wurden aber sichtlich zu verschiedenen Zeiten renoviert und weisen höchst unterschiedliche Grade an gestalterischer Geschmackssicherheit auf. Ich bin ja sonst schnell mit Lästereien bei der Hand, wenn es um die krampfhafte Erhaltung irgendeines romantisierten verflossenen Baustils geht – Gols hat mir vorgeführt, welchen Preis die komplette Abwesenheit dieses Erhaltungsbestrebens hat.

Das erste Wochenende im September gehört den neun Golser Winzern, die sich zu Pannobile zusammengeschlossen haben: Sie öffnen ihre Häuser und Keller zur Verkostung ihrer Erzeugnisse. Einige davon wollten wir probieren und zogen von Weingut zu Weingut. Angeführt wurde unsere kleine Truppe von zwei Menschen, die seit vielen Jahren zum Pannobile-Fest anreisen. Entsprechend wurden sie von allen Winzerfamilien mit großem Hallo und wie alte Freunde umarmt. Zusätzliche Nähe und Zuwendung verschaffte uns der Umstand, dass wir einen frisch eingeflogenen Winzer aus Oregon dabei hatten. Denn sobald er mit: „And this is Jim. He is a winemaker.“ als Kollege vorgestellt wurde, bekam er sofort eine Führung durch die Kellereianlagen angeboten – die er gerne annahm. Wir anderen hinterher.

Wir begannen die Verkosterei im eleganten Weingut von Judith Beck und setzten sie fort bei Heinrich und Paul Achs, um schließlich bei Claus Preisinger zu landen. Der Besuch bei Paul Achs ließ mich erahnen, dass vielleicht nur die Fassaden all der Winzerhäuser unattraktiv sind: Sein Tor öffnete sich zu einem bezaubernden Innengarten, überhangen von den Zweigen eines Birnbaums, die sich an die einer Esskastanie schmiegten. Vielleicht sieht es ja hinter den anderen Toren auch so schön aus? Claus Preisinger wiederum hat sich ein Ufo auf den höchsten Punkt über Gols gestellt, von dessen Balkon aus man einen atemberaubenden Blick über die Landschaft bis zum Neusiedler See hat. Auch hier bekamen wir höchst interessante Weine zu kosten und – in Jims Gefolge – den Weinkeller zu sehen.

Beeindruckt war ich nicht nur von den Weinen (Ergebnisse unter anderem: St. Laurent ist dann doch nicht so das Meine, dafür habe ich Pinot Noir entdeckt, Zweigelt eher nicht, Blaufränkisch überraschend doch), sondern auch von der Gestaltung der Ausstattung: Website1, Etiketten, Broschüren sind fast durch die Bank sehenswert.

Um dem Winzer aus Oregon noch mehr Einblick zu verschaffen, nahm uns der Seniorchef des Guts Claus Preisinger, Lorenz, am Sonntag sogar in seine Weinberge mit. Wo er uns die weitere Kuriosität dieses Winzerorts vorführte: Niemand hat seine Weinstöcke am Stück. Alle Winzer pflegen über die gesamten 2000 Hektar des Gols’schen Weinanabaugebiets verstreut ihre Stöcke. Und so fuhren wir an einem Ende die vier Reihen Merlot und Zweigelt an, die Claus Preisinger gehören, an einem ganz anderen Ende ein paar Reihen Blaufränkisch. Ich erfuhr ungeheuer viel über biodynamischen Weinanbau und seine Unterschiede zu den vorher üblichen Anbaumethoden. Seniorchef Lorenz Preisinger hatte sogar versucht, eine der Anbauflächen mit einem Pferdegeschirr zu bestellen (das dauerte aber zu lange, deswegen ließ er es wieder bleiben).

Außer der Pannobile-Reihe waren wir auch bei Limbeck zum Kosten – am Sonntagmorgen um halb zehn. Manfred Limbeck machte uns trotzdem auf und schenkte ein (die Süßweine!), seine Frau Edith stellte wunderbaren Käse und Brot dazu.

Nun war ich ja mit dem Zug gereist – Weintransport hätte ich mir eigentlich versagen müssen. Doch gerade als ich mir einredete, dass sich eine wunderbare Gelegenheit bot, ein wenig Kleidungs-, Schuh- und Laptopballast abzuwerfen und im Koffer durch Weinflaschen zu ersetzen, erboten sich zwei zauberhafte Münchner, für mich die Weinkuriere zu sein.

Der typische Blick: Weinstöcke kombiniert mit Windrädern.

Im Weingut Heinrich.

Claus Preisingers Ufo am Sonntagmittag.

Blick von der Ufo-Terasse am Samstagabend beim Verkosten.

Einige der Preisinger-Weinreben mit Aussicht.

Innenhof des Pannobile-Winzers Paul Achs.

Sonntagmittagessen (bis nach fünf) in der Dankbarkeit in Podersdorf.

  1. Sehen Sie sich unbedingt die Website von Claus Preisinger an: Seine Unternehmensbroschüre sieht genauso aus – was normalerweise ein schlechtes Zeichen ist, doch in diesem Fall aufs Wunderbarste funktioniert []

Nachdenken über Sport

Donnerstag, 2. September 2010

Das letzte Mal ärgerte ich mich über die Vorturnerin so sehr, dass ich die Stunde 30 Minuten vor Ende abbrach und statt dessen aufs Laufband ging. Leider ist das weiterhin die einzige Stepstunde, die länger als 45 Minuten dauert und in einem gut erreichbaren Studio meiner Kette zu einer guten Zeit stattfindet (17 Uhr ist zu früh, 19.30 Uhr ist mir zu spät).

Ich erwäge, die Fitnessstudiomitgliedschaft ganz zu kündigen: Viermal pro Monat nutze ich sie im Schnitt, davon machen nur drei Stunden pro Jahr wirklich Spaß, nämlich die, die ich im Urlaub am Freitagmorgen mithüpfe. Das steht doch in keinem Verhältnis zu den 65 Euro, die ich monatlich dafür zahle.

Jetzt bin ich ratlos. Zum einen treibe ich wirklich gerne Stepaerobics, doch das fällt immer weiter aus der Mode. Zum anderen fand ich das Gefühl angenehm, zusätzlich zu meinem Dauerlauf einmal die Woche und dem Schwimmen einmal die Woche eine weitere Möglichkeit des Sportelns zu haben – zumal mich Fersenbeschwerden von häufigerem Laufen und mein Chlorschnupfen von häufigerem Schwimmen abhalten.

Alternativ könnte ich mit dem von Miss Caro so beschätzten Bikram Yoga anfangen. Das hieße zwar, eine Einheit Verausgabung und Ausdauerschwitzen durch Ruhe und Dehnen zu ersetzen, das könnte aber für mein rastloses Gemüt genau das Richtige sein. Oder ich recherchiere intensiver, welche Münchner Fitnessstudios viele 60-minütigen Stepstunden
anbieten, die in meinen Rhythmus passen.

Abschließendes Englisches 2010

Mittwoch, 1. September 2010

Hier abschließend eine Zusammenfassungen von Trends, die ich während meines letzten Englandaufenthalts zu beobachten glaubte:

Futter

Sie waren uns bei vegetarischem Essen voraus, sie erkannten erheblich früher die Vorteile von Produkten regionaler Herkunft – mal sehen, wann es dieser neueste Futtertrend aus England in der Breite nach Deutschland schafft: Raw Food.

Zum ersten Mal las ich das Stichwort zwar bei der heimischen Frau Coolcat, doch in den Biosupermärkten Brightons ist Raw Food bereits Mainstream – zumindest bei süßen Riegeln. Etwa ein Viertel der Regalfläche an Riegeln werden durch raw-Produkte belegt. Das machte mich neugierig, und ich nahm mir eine Auswahl an Riegeln der Firma Nakd mit. Auch wenn es mich immer zum Kichern bringt1, wenn eine Verpackung detaillierter auflistet, was alles nicht drin ist als den tatsächlichen Inhalt. Die Aufschrift versicherte mir also, kein einziger der Bestandteile des Riegels sei irgendwie gekocht. Ergebnis: Die Riegel schmecken deutlich anders als die Frucht-Nuss-Riegel, die ich aus dem Basitsch kenne, und durchaus nicht schlechter. Was sich allerdings nicht mit dem raw-Konzept verträgt, ist Kakao: Enthielt der Riegel Kakao, schmeckte er staubig.

Zudem: Ein Deli in der St. James Street informierte per Plakat, dass an drei Abenden die Woche Raw Food serviert werde, mit sehr anregenden Menübeispielen.

Auch wenn jede nähere Recherche über Raw Food lediglich zu einer weiteren Ernährungsreligion führt, die ewige Jugend, Gesundheit und Glückseligkeit verspricht, klingt das Konzept reinschmeckenswert. Böte mir in einem Restaurant ein Raw Food-Menü an, probierte ich es gerne.

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Mode

Seit zwei Jahren lese ich darüber, jetzt habe ich es erstmals auf der Straße gesehen, mehrfach: Grau gefärbte Haare an jungen Frauen. Gewählt wird ein sehr helles, einheitliches Grau zu helmartigem Haarschnitt, mit ein wenig dunklem Haaransatz.

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Blödsinn

Bei aller Anglophilie kritisiere ich doch Einiges an englischer Kultur. Bis heute sind Mischbatterien am Waschbecken unüblich – und ich kann bis heute keinen Vorteil darin entdecken, zwei meist extrem kurze Wasserhähne zu installieren, einen für kaltes, einen für warmes Wasser. Das machen die doch mit Absicht, um uns Europäer fern zu halten.

Zudem enthält das Englische einige unakzeptable Wörter. Seinerzeit hielt ich meiner Mitbewohnerin im walisischen Studentenwohnheim eine Birne entgegen und fragte, wie diese Frucht denn auf Englisch heiße (tja, ich kannte mich damals eher im Romanenglisch des 18. Jahrhunderts aus). Den Laut, den sie äußerte, konnte ich auch nach Wiederholung nicht reproduzieren und habe bis heute das Gefühl, mich wie ein Spielzeugteddy anzuhören, wenn ich „pear“ sage. Im Zug nach Glynde ging es mir ähnlich: Die Zugansage informierte an jedem Haltebahnhof, das Ziel dieses Zuges sei Ore. That’s not a word!

Anderer Blödsinn wiederum ist niegelnagelneu. Zum Beispiel Fußgängerampeln auf Warteseite. Bis letztes Jahr blickte ich wie in Deutschland auf eine Fußgängerampel auf Höhe der Autoampel und auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nun haben sich die Brightoner diese Alternative hingebaut.

Die Verwirrung ist heillos. Zumindest bei mir.

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Und dann noch ein Verdacht: Möglicherweise ist der Anteil an Cricketfans unter der britischen Bevölkerung ähnlich niedrig wie der Anteil an Stierkampffans unter Spaniern.

  1. Eigentlich zum Augenrollen, aber ich versuche hier, so sympathisch wie möglich zu erscheinen. []