Loblied auf scharfe Messer
Montag, 19. September 2011 um 9:41Vom meinem Vater habe ich gelernt, Messer vor dem Einsatz praktisch immer zu schärfen, und zwar mit einem Wetzstahl, den er mir zusammen mit best bestückten Werkzeugkasten der Welt zum Auszug schenkte. Vermutlich wusste ich deshalb lange Zeit nicht, was wirklich scharfe Messer sind: Ich hielt das Ergebnis meiner Wetzerei irrtümlich für Schärfe.
In der Folge wunderte ich mich, dass ich am liebsten zu Messern mit Wellenschliff griff, um Tomaten, Zwiebeln, Paprikaschoten klein zu schneiden: Die normalen großen Messer, die Fernsehköche dafür verwendeten, eigneten sich in meiner Küche bei weitem nicht so gut.
Hellhörig wurde ich, als Hande – eine von mir sehr bewunderte Köchin – erzählte, dass sie ihre Messer regelmäßig zu einem professionellen Schleifer bringt. Und ein Mithelfen in ihrer Küche ergab tatsächlich einen deutlichen Unterschied im Schneideverhalten ihrer Messer.
Wirklich überrascht und damit überzeugt hat mich dann aber ein zufälliges Erlebnis. Ich wurde in einer professionellen Küche gebeten, Brot zu schneiden (einer der wenigen Handgriffe, die ich mir auch unter den Augen eines Kochs mit Meisterbrief zutraue), und auf dem Scheindebrett lag ein normales großes Messer ohne Wellenschliff. Seufzend griff ich dazu und sah mich schon statt Scheiben 1a Knödelbrot säbeln. Bis die Klinge durch das knusprige Bauernweißbrot glitt wie durch die sprichwörtliche Butter – sie war halt höllenscharf.
Seither plante ich, alle großen Küchenmesser und alle Scheren zum professionellen Schleifen zu geben, schließlich fuhr ich oft mit der Straßenbahn an einer traditionellen Münchner Messerschleiferei vorbei: am Messerladen Dummer in der Müllerstraße1. In seinen Ferien brachte der Mitbewohner unsere Messer und Scheren dorthin – natürlich in zwei Lieferungen, damit genug Schneidewerkzeug in der Küche blieb. Das Ergebnis ist sensationell, wir lernen gerade, was wirklich scharfe Messer sind. Und sind vor Begeisterung fassungslos: Frisches Roggenbrot gibt es jetzt auch in unter-fingerdicken Scheiben, selbst die dicke türkische Petersilie hacke ich sekundenschnell, an Zwiebeln rutsche ich beim Würfeln nicht mehr ab.
Kostenaufwand: 10 Euro pro Messer und Schere – was zumindest im Fall meines allerersten Küchenmessers den Anschaffungspreis übersteigt. Dazu kommen die Kosten für zusätzliche Pflaster: Die ungewohnte Superschärfe hat bereits zu einigen kleinen Unfällen geführt.
- „und seit 2000 auch im Internet“ – die Website ist sehenswert [↩]
15 Kommentare zu „Loblied auf scharfe Messer“
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19. September 2011 um 9:46
Pflaster wollte ich auch gerade erwähnen, mein Gemüsemesser hat mir letzte Woche wieder eine Fleischeinlage von 2mm Daumen beschert.
Ich oute mich als Fan des Buchsteiner Gurkenhobels (er ist rosa, aber der beste von allen).
19. September 2011 um 10:55
Na da bin ich ja mal gespannt, ob sich das bei den billigen Messern gelohnt hat, über die Zeit betrachtet. Billige Messer werden auch schneller wieder stumpf, fürchte ich, billiger Stahl und so …
19. September 2011 um 11:20
in Paris kommt alle 2 Monate eine Messerschleifer durch die Strassen und man kann die Messer schleifen lassen, ansonsten macht’s mein Metzger für mich.
19. September 2011 um 11:48
Meine Brüder (Köche) leben in Norwegen, aber einmal im Jahr kommen sie nach Deutschland um ihre Kochmesser hier schleifen zu lassen. Irgendwann habe ich meine Messer auch mal mitgegeben und seitdem macht in der Küche werkeln noch viel mehr Spaß. Mittlerweile schleppe ich sogar meine eigenen Messer mit, wenn ich irgendwo zu Besuch bin und gemeinsames Essen Vorbereiten auf dem Programm steht (Silvester etc.). Aber stumpfe Messer geht einfach gar nicht mehr.
19. September 2011 um 12:54
Ich finde ja das Verletzungsrisiko ist mit kleinen und stumpfen Messern viel höher, als mit anständigen großen (20cm) und der richtigen Technik, mit der man auch blind schneiden kann^^
19. September 2011 um 13:11
Was sagen denn die Schleif-Nerds dazu? Nimmt man nicht je nach Schärftechnik zuviel Material vom Messer? Ich erinnere mich dunkel an derlei Küchendiskussionen, denen ich aber nicht folgen konnte, hatte ich damals ja noch nicht einmal das Phänomen “Wetzstahl” entdeckt. (Heute aber! schip-schip-schip, toll ist das.)
19. September 2011 um 14:10
Diesem Ihrem Eintrag stimme ich vollinhaltlich zu. Ich selber, überzeugter Fan von Solinger Messern und sehr guter japanischer Ware, habe mittlerweile auch ein Keramikmesser mittlerer Größe in meine Gerätschaft aufgenommen; für Obst und Gemüse scheint es mir noch besser geeignet zu sein als Messer aus Stahl, und bei sehr klebrigem Schneidgut (auch bei manchen Käsesorten) haben Keramikmesser den Vorteil, dass man sie in den Geschirrspüler geben kann, ohne die Schneid dadurch zu ruinieren.
PS: Es hat etwas sehr Spezielles, wenn ein wirklich großes und scharfes Küchenmesser beinahe nur durch sein Eigengewicht durch Schnittgut gleitet.
19. September 2011 um 14:17
Scharfe Messer sind schon wichtig und die Schnitte in die Finger damit auch viel sauberer. Zum Thema Wetzstahl: der schärft das Messer nicht wirklich, sondern richtig den Grat wieder auf. Ein stumpfes Messer bekommt man damit nicht scharf, ein scharfes Messer bleibt damit aber länger scharf.
Ansonsten vernünftige Schleifsteine besorgen, etwas Zeit&Geduld (zen-artig), dann kann man das auch selber.
Und niemals zu schlechten Schleifern, sonst sind die Messer nur kurz scharf aber schnell kaputt.
19. September 2011 um 14:40
… ah, liebe Kaltmamsell, Sie erinnern mich dran, daß ich schon seit hundet Jahren unsere Messer zum Dummer tragen wollte … jetzt kenne ich auch gleich den Preis. DANKE!!
19. September 2011 um 15:39
Eine nette Adresse ist auch der “Messer Mo” auf der Auer Dult (3 x im Jahr in München) auf’m Mariahilfplatz. Alle Messer abgeben, lecker Fischsemmel oder Süßkram essen, rumstöbern an den Antik-Standln und Messer wieder abholen…
19. September 2011 um 15:48
Was mich allerdings verdutzt, Julia: Wir mussten jeweils eine Woche auf unsere Messer warten. Entweder Dummer hat so viele Aufträge, dass er nicht mehr hinterher kommt, oder er wendet eine andere Methode als der Anbieter auf der Dult an.
19. September 2011 um 15:48
zu dummer hab ich die messer früher auch gebracht. auer dult ist auch eine möglichkeit, hab ich aber nie geschafft.
ich lasse einmal im jahr schleifen (und fahre währendessen in den urlaub) und ansonsten habe ich zwei schöne schleifsteine. bisher bin ihc noch nicht vom profi geschimpft worden, also kann’s so schlecht nicht sein, was ich da mache.
ich nehme auch meinen eigenen messer mit, wenn ich irgendwo hinfahre um zu kochen. ich kann mich so schlecht zurück halten, sonst die besitzer der stumpfen messer nicht auszuschimpfen..
19. September 2011 um 18:11
Hauptsache, ordentlich Rockwell!
20. September 2011 um 11:56
Naja, auf der Dult kann man sich eine Woche Lieferzeit kaum erlauben. Dauert ja nur eine Woche insgesamt :) Also das längste war mal, dass wir die Messer am nächsten Tag erst abholen konnten. Ist ja aber auch ok. Und man hat noch einen Grund, nochmal zur Dult zu fahren :)
20. September 2011 um 22:21
Hach, vielen Dank für Ihr Loblied auf die scharfen – und guten – Messer. Ick steh ja total auf scharfe Messer …