Archiv für Juni 2012

Echte Körper

Dienstag, 19. Juni 2012

Was man von uns Textbloggerinnen erwartet, gilt selbstverständlich auch für Toonblogger: Dass die Selbstdarstellung der Wirklichkeit nicht widerspricht. Herr Beetlebum, Jojo, hat kürzlich die Konsequenz daraus gezogen und malt sich künftig so, wie er inzwischen aussieht – nicht idealisiert. Auch aus Gründen der body acceptance.

Zu meiner großen Überraschung fanden das viele seiner Leser nicht lustig. Auch damit hat sich Jojo auseinandergesetzt.

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Und weil wir gerade dabei sind: Interessanterweise auf dem Blog einer Comiczeichnerin fand ich ein schönes Argument gegen stereotype Formen.
Sport kann wirklich Spaß machen, ohne Extreme ist er sogar gesundheitsfördernd. Was er allerdings nicht macht, ist die Idealform, die Werbung sowie hohle Frauen- und Lifestylegazetten propagieren. Wenn sie sich mal ansehen wollen, wie divers und individuell die Körper von Sportlerinnen und Sportlern aussehen, gehen Sie rüber zu den Fotos von Howard Schartz und Beverly Ornstein: The Athlete.
via einem Retweet von @midoridu

Next stop: Hamburg

Montag, 18. Juni 2012

Vielen Dank für all Ihre guten Wünsche – Sie spenden Zuversicht.
Ich bin für ein paar Tage nach Hamburg gereist: Nehme einen letzten Geschäftstermin wahr und besuche bei dieser Gelegenheit Freundinnen. Von denen eine mir gestern den wundervollen Stadtpark zeigte.

„Die Übergänge sind immer das Schwerste“

Samstag, 16. Juni 2012

„Die Übergänge sind immer das Schwerste“, sagte Hanns Dieter Hüsch und meinte damit Überleitungen von einer seiner Nummern zur nächsten. Vor mir liegen jetzt ein paar Monate Übergang – mal sehen, ob Hüschs Beobachtung auch dafür stimmt.

Gestern verabschiedete ich mich von meinen Abteilungskollegen mit einer spanischen Brotzeit, von anderen Kollegen im und außerhalb des Unternehmen mit E-Mails. Die Nacht davor lag ich so unruhig halbwach wie sonst nur mitten in höllischen Arbeitsprojekten. Entsprechend benebelt ging ich durch den Tag, nach langem wieder einem richtigen Sommertag.

Morgens Empanada gebacken, die Brotzeitausstattung in zwei Kisten gepackt, mich von einem Taxi zum Büro fahren lassen (dauerte fast exakt so lange wie ich immer mit dem Fahrrad unterwegs war). Den Tag über einen Konzeptentwurf Social Media Strategy abgeschlossen und den Bestellern geschickt, Projektübergabe an die Interimskollegin, Blackberry und E-Mail-Archiv abgegeben (plus schriftliche Erlaubnis, dass die Firma jederzeit auf diese E-Mails zugreifen darf – so müssen sich die Kollegen für diesen Fall nicht erst die Erlaubnis des Betriebsrats holen), Visitenkarten vernichtet, Flugmeilenkarten eingereicht, Mitarbeiterausweis zurückgegeben.

Die Kolleginnen und Kollegen bekamen: Schokoladenerdbeeren, Tortilla (Rezept jetzt auch mit Foto), Empanada mit Gemüsefüllung1, Queso manchego (jung und alt) sowie Chorizo aus Chiemgauer Bio-Produktion, dazu Cava Segura Viudas Brut Vintage (klicken Sie mal auf die vierte Flasche von links, dann erklärt Ihnen der Kellermeister diesen Cava).

Ich wiederum bekam

(Foto wird Teil einer möglichen Bewerbungsmappe, zu einem möglichen Vorstellungsgespräch bringe ich dann das Original mit), einen riesigen Wiesenblumenstrauß, eine ganz bezaubernde Abschiedskarte und einen großzügigen Kinogutschein für die Museumslichtspiele, dessen Abfeiern ich versprach, hier im Blog zu dokumentieren. Viele, viele sehr herzliche Umarmungen.

Taxi zurück nach Hause (Taxler mit Architekturfachblättern auf dem Armaturenbrett), kurz nach neun gepflegtes Aus-den-Latschen-Kippen ins Bett.

  1. Selbst erfunden: Schmeckte sehr gut, vor einer Veröffentlichung des Rezepts verifiziere ich es aber durch Wiederholung. []

Twitterlove aktuell

Freitag, 15. Juni 2012

Unser Buchprojekt Tomorrow can wait

Donnerstag, 14. Juni 2012

Es braucht noch einige Unterstützer, damit ich Monikas und Scotts Buch Tomorrow can wait einmal werde lesen können.
Mittlerweile steht ein Probekapitel online: “The French Riviera and Paris”. Na kommen Sie, Sie wollen doch auch den Rest lesen.

Das können Sie am ehesten, wenn Sie das zugehörige Kickstarter-Projekt unterstützen. Sie tragen sich für einen Betrag Ihrer Wahl ein, und wenn die angezielten 6.000 Dollar bis zum Stichtag zusammenkommen, zahlen Sie. Damit sie einige Monate später lesen können. Deal?

Robert Gernhardt, „Darf man Dichter verbessern?“

Mittwoch, 13. Juni 2012

Nachdem meine Gedanken, ob man Literatur nachträglich dem Zeitgeist anpassen darf, zu einer Diskussion über Formen von Rassismus und über persönliche Erlebnisse mit sprachlicher Diskriminierung wurde (ehrlichen Dank für den verhältnismäßig sachlichen Tonfall, ich freue mich über diese Kommentatoren und Kommentatorinnen), setze ich nochmal mit meiner eigentlichen Frage an. Und stelle mich nach denen von Ray Bradbury (der in Deutschland vielleicht nicht so bekannt ist) auf die Schultern eines weiteren Riesen: Robert Gernhardt. Der veröffentlichte 1990 in der Zeit den Aufsatz „Darf man Dichter verbessern? Eine Annäherung in drei Schritten” (hier der Link zur offensichtlich von Maschinen eingelesenen Online-Version). Ich fasse die Langversion des Aufsatzes zusammen, aus Robert Gernhardt, Gedanken zum Gedicht, Zürich 1990.

Schritt 1 nennt Gernhardt „Man kann Gedichte verschlechtern“.
Im Alter ging Goethe redigierend über sein Jugendwerk und nahm ihm derart das Feuer, „daß der Verehrer des Dichters Goethe all jenen Dank schuldet, die dessen frühe Gedichte vor dem Lektor Goethe dadurch retteten, daß sie – im Gegensatz zu ihm – Urschriften oder Abschriften aufbewahrten“.
Der nächste Kandidat ist Georg Trakl; auch von ihm stellt Gernhardt eine erste, kraftvolle Gedichtversion der späteren lahmen Fassung gegenüber.
Die Pointe dieses ersten Schritts: Gernhardt schrieb als Oberstufenschüler selbst einmal ein Trakl-Gedicht, trug es im Unterricht vor samt Interpretation.

Der nächste Schritt lautet „Man kann Gedichte verändern“.
Gernhardt stellt Zitate in ihrer sprichwörtlichen Überlieferung den Originalen gegenüber: Oft unterscheiden sie sich, ebenso wie einige angebliche Zitate, die ganzen Essays zugrunde gelegt werden. Das, so Gernhardt, könne allerdings durchaus ein Hinweis auf eine Verbesserbarkeit einer Passage sein. Er zitiert dazu einen Briefwechsel zwischen Friedrich Torberg (hach!) und Alexander Lernet-Holenia mit weitere Beispielen dafür, dass Gedächtnis-Versionen besser sein können als das Original.

Worauf es 3. heißt „Man kann Gedichte verbessern“.
Es geht unter anderem um ein Rilke-Gedicht, das eher peinlich und zudem wirklichkeitsfremd auf einem Südländer-Stereotyp herumreitet sowie um deutsche Italien-Gedichte voll geologischen und botanischen Humbugs. An einige Gedichte legt Gernhardt dann Hand an, glättet schiefes Vokabular, ersetzt eine Doppelung und macht sich zuletzt über ein eigenes Gedicht her (in dem das Wort „Neger“ sehr dominiert – das hatte ich völlig vergessen und es soll keine Provokation sein, obwohl es noch dazu bei Gernhardts Selbstverbesserung keineswegs um ein Ersetzen dieses Wortes geht).

Es folgt als Bonus ein vierter Schritt „Dürfen sich Gedichte verbessern?“.
Gernhardt schaut Brecht beim Überarbeiten anderer Leut Gedichte zu, die er für sein eigenes Werk verwendet. Und jetzt kommt er zu seinem Punkt, zu seinem „Machtwort“:

Dichter sind doch keine Maler und Gedichte keine Unikate! Anders Bilder: Da freilich wäre es ein unersetzbarer Verlust, hätte ein Slevogt in einem Original von Caspar David Friedrich herumgemalt, ein Braque in einem Bonnard oder ein Mondrian in einem Manet.
Wenn aber zwei Dichter zusammenstoßen, in dem Werk des einen, geht ja nicht das Gedicht drauf, im Gegenteil: Entweder bleiben ein bisheriges und verschlechtertes Gedicht übrig oder ein bisheriges und ein verändertes oder ein bisheriges und ein verbessertes – auf jeden Fall verdoppelt sich die Zahl der Gedichte.

Was allerdings bedeutet, meine Damen und Herren, und jetzt komme ich wieder zu meiner Ausgangsfrage: Klar können Sie ein Werk von Astrid Lindgren umdichten, bis es ihren Ansprüchen genügt. Aber dann ist es ein neues Werk, nämlich Ihres, und nicht mehr das von Astrid Lindgren.

(Das nächste Mal an dieser Stelle: Hätte man Goethes Rechtschreibung besser nie modernisiert?)

Wochenendjournal – und sonst so

Montag, 11. Juni 2012


Am Ende des freitäglichen Arbeitstags die vorletzte Fuhre Habseligkeiten aus dem Büro heimgenommen: Teekanne und -tasse, Müslischüssel, Besteck, Schreibunterlage (ledern und von Bree, war mal ein Abschiedsgeschenk), Füller, Notizbuch, Rolodex (nicht lachen, so bewahre ich bis heute Visitenkarten auf), Schirm, Nähzeug, Aspirin, Nagelfeile, Pflaster, Herpessalbe, Haarbürste. Es bleiben bis zum letzten Arbeitsmoment: Duden und Longman als unverzichtbare tägliche Nachschlagewerke.

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Abends den frisch gemachten Hollerblütensirup nach Rezept aus dem Wildpflanzenkochbuch mit Cava verkostet – das ist der intensivste, den ich je gekostet habe. Es hat sich also gelohnt, dass ich am Sonntag vor zwei Wochen kurz nach Sonnenaufgang im Schlafanzug rüber zum Park spazierte und erntete: Die Blüten hatten mich am Vorabend mit Wucht angeduftet und waren ideal.

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Am Samstag so lange geschlafen, dass ich mich zwischen Sport und Brotbacken entscheiden musste, beides ging nicht. Es wurde Brotbacken, zumal es ungemütlich kalt war und regnete. Ich probierte Frau Salzkorns Walnussbrot aus – und es wurde sensationell gut. Zum ersten Mal hatte ich dabei meine neuen, länglichen Gärkörbchen verwendet, ein Kauf auf der jüngsten Auer Dult (wo die Preise seit meinem ersten Gärkörbchenkauf ganz schön angezogen hatten – war ich wohl nicht die einzige, die nach dem Entsetzen über die Preise beim Kustermann hierher geschwenkt ist).

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Auch am Sonntag wachte ich zu Regenprasseln auf. Statt an der Isar fand mein Sport also im Abnehmstudio statt: Ein halbes Stündchen Stepaerobic, ergänzt um Gestrampel auf dem Crosstrainer.

Im Kino My Week with Marilyn nachgeholt: Achja, nett. Auch eine Michelle Williams kann Marilyn Monroe halt nur als die Karikatur spielen, die sie selbst auf der Leinwand gab. Zudem festgestellt: Als Schauspieler ertrage ich Kenneth Branagh noch ganz gut.