Archiv für Juni 2012

Jetzt nach langem wieder: Eine Blogroll

Freitag, 29. Juni 2012

Mehr als drei Jahre lang hatte ich die Unterseite Köche mit meiner Blogroll abgeschaltet: Es war mir zu mühsam gewesen, sie kontinuierlich zu pflegen, gleichzeitig wollte ich keine unaufgeräumten Ecken im Blog haben.

Doch nun wies mich der Mitbewohner darauf hin, dass sich die Abonnements meines Google Readers ganz einfach einbauen lassen. In den letzten beiden Jahren lese ich nämlich Blogs ausschließlich über den Feedreader (wobei ich sehr oft den Feed als Benachrichtigung sehe und das Posting im Blog lese). Hiermit gibt es wieder eine Blogroll: Hier finden Sie immer aktuell die Liste der Blogs, die ich lese. Wundern Sie sich nicht darüber, dass einige offensichtlich stillgelegte Blogs darunter sind; ich behalte sie für den Fall im Feedreader, dass dort doch wieder etwas erscheint – so verpasse ich es auf keinen Fall.

Moonrise Kingdom

Donnerstag, 28. Juni 2012

Wahrscheinlich kann man einfach blind in jeden Film gehen, in dem Frances McDormand mitspielt: Er ist immer sehenswert (sie sowieso). Außerdem hatte Herr kid37 den Film empfohlen. Schauen Sie sich diesen Trailer an; wenn er Ihnen zusagt, werden Sie Moonrise Kingdom lieben.

Welch ein wundervoll schräges Stück Film! Wir sind im Jahr 1965 auf einer nordamerikanischen Insel (es gibt einen In-die-Kamera-Erzähler, gespielt von Bob Balaban, der uns diese Informationen mitteilt, zudem einiges Geografisches und Meteorologisches), es geht um einen 12-jährigen Buben und ein Mädchen, die – nun, Abenteuer erleben. Die Instagramm-Ästhetik der 60er wirkt ohnehin unrealistisch, dabei bleiben auch Kamera (split screen!) und Drehbuch. Eine pädagogische Schallplatte „Wie ein Orchester funktioniert“ eröffnet den Film, Benjamin Brittens Stücke ziehen sich durch die ganze Handlung, spielen auch als Inszenierungen mit. Bleiben Sie unbedingt bis zum Ende des Abspanns sitzen – ich verrate nicht warum. Hat aber was mit Musik zu tun. Die Hauptdarsteller sind zwar die beiden Jugendlichen / Kinder in all ihrer Ernsthaftigkeit, doch drumherum gruppieren sich die hinreißenden Bruce Willis, Bill Murray, erwähnte Frances McDormand, Edward Norton, Harvey Keitel, Tilda Swinton (SWINTON! – wegen meiner dürfte sie ruhig öfter komisch spielen). Mein Highlight des bisherigen Kinojahres.

Rezept für Tortano und Nachspiel alberne Buchtitel

Mittwoch, 27. Juni 2012

Gestern hatte ich abends Gäste und backte mal wieder Tortano, neapolitanische Rollpizza. Mittlerweile ist das Rezept bewährt genug, dass ich es weitergeben kann. Bitte klicken Sie hier.

§

Zudem fragte ich gestern in einer Buchhandlung nach Alexandra Tobors Buch (wenn ich es im Vorbeigehen bekommen hätte, hätte ich gleich ein Exemplar verschenkt) – und ertappte mich, dass ich die Stimme senkte, weil mir der Titel so peinlich war. Damit war das Fass voll: Ich schrieb dem Ullstein-Verlag an Zentrale@Ullstein-Buchverlage.de eine Mail, in der ich mich über den irreführenden Titel beschwerte. Abschließend fragte ich, ob sie vielleicht weitere hochwertige Migrationsliteratur hinter albernen Titeln versteckten – ich sei für Hinweise dankbar. Zurück kam vom Verlag der Hinweis auf diese Reihe namens „Länderhumor“ (siehe Navigationspunkt links). Ernsthaft.
Seither bin ich damit beschäftigt, meine Fassung wiederzugewinnen. Das ist ja zum einen noch schlimmer als befürchtet. Zum anderen frage ich mich noch hilfloser, wie Tobors Buch da hineingeraten konnte.

Alexandra Tobor, Sitzen vier Polen im Auto

Montag, 25. Juni 2012

Für den Titel des Buches (im Interview mit Kotzendes Einhorn1 verrät die Autorin, dass sie nichts damit zu tun hatte) gehört der Ullstein-Verlag ordentlich durchgeschüttelt. Da war er schon schlau genug zu erkennen, dass in Alexandra Tobor, die ich seit Jahren bei Twitter als silenttiffy lese, ein wundervolles Buch steckt – und dann das. Nein, meine Damen und Herren, zwischen den Pappdeckeln verbirgt sich keineswegs, was der Titel androht. Keine Schenkelklopfer, keine Stereotypen, sondern ein Stück menschliche europäische Geschichte. (Auf der Rückseite des Buches steht groß „Goodbye, Polen!“ – das wäre ein deutlich weniger peinlicher Titel gewesen.)

Schon nach der Lektüre von Pia Ziefles Suna war mir aufgefallen, dass es höchste Zeit für deutsche Migrationsliteratur ist. Auch Alexandra Tobor füllt diese Lücke ein wenig, aber ganz anders als Suna. Zwar lädt auch ihre sehr personale Perspektive mehr zum Miterleben einer Migrationsgeschichte ein als zum Lernen darüber. Doch der kleinere zeitliche Ausschnitt, die geradlinige Erzählung, die Sicht des Kindes Ola machen sie leicht zugänglich. Im Nachwort erklärt Tobor, dass das Buch keine Autobigrafie ist, sondern die Erlebnisse vieler Menschen kombiniert – das macht die Geschichte repräsentativ für viele Menschen, während Suna von der Einzigartigkeit der Geschichte geprägt ist.

Ich selbst habe schon wieder ein bisschen über meine eigene Familiengeschichte gelernt. Während in Suna die Gastarbeitervergangenheit meines spanischen Vaters durchklang, hörte ich durch Sitzen vier Polen im Auto Echos der Geschichte meiner polnischen Mutterfamilie. Zwar wurde meine polnische Großmutter bereits Anfang der 1940er als Zwangsarbeiterin nach Deutschland verschleppt und kehrte nie wieder nach Polen zurück (komplizierte Geschichte – was Psychologisches), doch ich erkannte viele ihrer Werte und Ideale in der beschriebenen polnischen Familie der 1980er wieder. (Und meiner Mutter war als Schulkind selbstverständlich noch „Polackenzipfe“ nachgerufen worden. Während viel später ein Schulfreund meines Bruders aus unserer speziellen Familienmischung liebevoll „Spanacken“ machte.)

In Sitzen vier Polen im Auto erleben wir Alexandra, Ola genannt, als kleines und als Schulkind in ihrem polnischen Heimatdorf. Wie sie sich nach den bunten Spielzeugen und Kleidungsstücken aus dem Westen verzehrt, wie die industriell hergestellten Lebensmittel von dort einen solchen Zauber haben, dass selbst leere Verpackungen als Tauschwährung taugen.
Da ich 1987 zehn Tage in Danzig auf Chorreise war, untergebracht mit zwei weiteren Sopränern in einer Privatfamilie im Plattenbau, hatte ich viele innere Bilder zu ihren Beschreibungen. Unter anderem zu der Verherrlichung westlicher Körperpflegeprodukte: Wir waren von den Organisatoren der Reise gebeten worden, so viel wie möglich von diesen Waren mitzubringen. Wie war es mir peinlich gewesen, von meinem mageren Einkommen nur billigstes Haargel, Großpackungen Zahnpasta und Shampoo vom Discounter als Gastgeschenke überreichen zu können – und wie verlegen machte mich der enthusiastische Dank meiner Gastfamilie dafür.
Im Jahr darauf besuchte uns der damals gastgebende Danziger Knabenchor in Bayern. Ich organisierte das Freizeitprogramm, brachte einige Buben bei meinen Eltern und meiner Oma unter. Und ich musste mit all den jungen Burschen fertigwerden, die nach einem Besuch im Provinzkaufhaus mit leerem Blick fast zusammenbrachen. Oder den Orangensaft zum Frühstück horteten, um ihn ihren Eltern daheim mitzubringen. Nein, ich konnte damals kein bisschen darüber lachen, ich kann es auch heute nicht. Das alles nahm mir einige Unbefangenheit im Leben mit dem hiesigen Überfluss.

Und so konnte ich auch über Alexandras Sehnsüchte und Nöte nicht lachen; ich wusste einfach zu genau, wie schmerzvoll sie waren. Ihr Buch machte mir zudem die vielen Konsequenzen nachvollziehbar, die diese Haltung bei der Einwanderung nach Deutschland hatte. Hier waren in den 80ern zerrissene Jeans schick, wo die polnischen Einwanderer gewohnt waren, Wohlstand durch gepflegte Kleidung zu zeigen – und damit fing das Lernen der Migranten erst an. Tobor nutzt geschickt die Perspektiven ihrer Hauptpersonen, um das Aufeinanderprallen der Kulturen zu beschreiben: Hauptsächlich ist das die Wahrnehmung ihres achtjährigen Alter Ego Ola, doch einige Lücken füllt die Erwachsenensicht aus den Augen ihrer Eltern oder der vulgären Nachbarn („Lux!“), auf die die Familie schon bei der Ausreise aus Polen getroffen war. Über allem thront göttinnengleich der Blick der weisen und durchsetzungsstarken Oma: Sie hatte sich schon weder durch die Sterbensanfälle der kleinen Ola noch durch die sozialistische Propagandabürokratie täuschen lassen, sie fällt auch nicht auf die Großkotzigkeit und die Glitzerwelt des Westens herein. Und in ihrer Mischung aus Pochen auf gutes Benehmen und dröhnendem Auftreten hat sie mich durchaus an meine polnische Oma erinnert (die nie das Haus verlassen hätte, ohne sich sorgfältig herzurichten, unter ihrem feinen Hut aber der verhassten polnischen Nachbarin – alle polnischen Nachbarinnen waren ihr verhasst – Unflätigkeiten zurief).

Der Tonfall von Sitzen vier Polen im Auto ist durchaus liebevoll heiter, aber das überlässt Alexandra Tobor den Inhalten und legt nicht auch noch sprachlich drauf. Eine unbedingte Leseempfehlung.

Wer mal reinlesen möchte in das Buch, kann es in diesem Probekapitel.

Und gestern veröffentlichte die Autorin auch noch das Foto eines Gegenstands aus dem Buch, den ich für hoffentlich erfunden gehalten hatte.

Übrigens kommt in Sitzen vier Polen im Auto eine polnische Negerpuppe vor, die genau so genannt wird. In ihrem Blog erklärt Tobor, warum kein anderes Wort für sie in Frage kam. Eine kluge Bereicherung der Debatte, die sich seit Wochen durch mein Internet zieht.

  1. Ich hoffe, die Blogphase der bescheuerten Pseudonyme geht niemals zu Ende. gez. die Kaltmamsell []

Hamburg erfressen

Sonntag, 24. Juni 2012

In Hamburg nahm mich Anke Gröner mit in die wunderschöne Küchenwerkstatt. Was wir dort an Köstlichkeiten erlebten, lesen Sie besser bei ihr nach (hat wirklich noch niemand versucht, Anke als Food-Autorin anzuwerben? zumindest für Weinbesprechungen?). Hier als Mogntratzerl meine Fotos.

Meine Lieblinge, von denen ich noch lange erzählen werde, waren die Kürbisgewächse mit Tonic-Water-Granité, die verschiedenen Meeresfrüchte und das luftige Kokos-Ding.

In der Reihe: Joggingstrecken aus aller Welt – Stadtpark, Hamburg

Samstag, 23. Juni 2012

Nicht dass ich vorher wirklich gründlich Reiseführer Hamburg gelesen hätte – aber von einem Stadtpark als Attraktion hatte ich noch nie etwas mitbekommen. Welch eine Lücke! Ein erster Spaziergang mit meiner Gastgeberin ließ den Park fast die Größe des Englischen Gartens in München annehmen, mit Wiesen, Seen, Wäldern, Gebäuden. Im Laufschritt war er Montag und Dienstag allerdings dann doch zügig durchmessen: Für eine gute Stunde musste ich mehrfach kreisen. Das nahm allerdings nichts von seiner Schönheit, der Park ist nicht nur als Laufstrecke zu empfehlen.

Dieses Gebäude ist leicht als ehemaliger Wasserturm zu identifizieren. Noch leichter seine jetzige Nutzung. Sehr Metropolis.

In einer Ecke ist es ziemlich sumpfig.

In einer anderen ziemlich patriotisch.

Seechen mit Bötchen, standesgemäß.

Und viele Kinder aus den umliegenden Hütestätten, zum Teil in klassischem Ringelreihen.

Ich wiederum beginne mich zu verändern, weiß sekundenweise nicht, welchen Wochentag wir gerade haben. Nach Langem bin ich ein wenig erkältet, und selbst das rührt mich wenig – weil ich den Infekt nicht mit irgendwelchen Verpflichtungen vereinbaren muss. Vor lauter Entspannung (oder Erkältung) vergaß ich gestern Abend eine lange vereinbarte Verabredung mit einer Freundin (kann es sein dass der iphone-Kalender manchmal Termine frisst?).

Mal sehen, vielleicht breche ich ja mal wieder in Tagebuchbloggen aus. Sicher nur, wenn ich wirklich Lust dazu habe.

Hamburgerinnen

Freitag, 22. Juni 2012

Wobei die dritte Dame nicht meinem Stereotyp entspricht. In meiner kleinen, von Vorurteilen geformten Welt hätte sie einen osteuropäischen Akzent.

Danke, gut! Fünf Tage voller Begegnungen in derselben Atemluft mit Menschen, die definitorischer Bestandteil meines ins Internet verlängerten Lebens sind – das war schon verdammt schön. Da das alles Menschen mit schneller Denke und flinkem Austausch sind, bin ich jetzt randvoll Informationen, Ideen, Impulsen, Impressionen (ich hätte eigentlich „Eindrücke“ geschrieben, aber das hätte die schöne I-Reihe gebrochen), die ich erst mal verarbeiten muss.