Beifang aus dem Internetz
Dienstag, 19. Februar 2013Ein paar Leseempfehlungen: Diese Geschichten haben mich in den vergangenen Tagen beschäftigt.
Das römische Foodblog Rachel Eats mag ich ohnehin sehr gerne, weil ich darin so viel über die sympathische Bloggerin erfahre. In dem Post “By eye not rule” geht es zum Beispiel vorgeblich darum, dass in manchen Rezepten Gramm-genaue Angaben sinnlos sind – weil zu viel von der konkreten Qualität der Zutaten oder der momentanen Luftfeuchtigkeit abhängt. Zum Beispiel bei Nudelteig. Doch eigentlich erzählt Rachel von den Notizbüchern, die sie als junge Frau zum Thema Kochen und Essen geführt hat, und warum sie diese lieber bei ihren Eltern in England vergammeln lässt:
Exuberantly documented periods of feast are all too often followed by tiresome accounts of restraint and abstinence. A pleasant seasonal list or carefully copied quote is probably followed by a raging diatribe about loathing food or myself for eating it. A fanfare to fruit cake is stifled by an ode to fasting. Twelve (very slim) notebooks dated from 2002 to 2004 chart – in painfully neat handwriting – a joyless weighed and measured routine I’d rather forget. Notes about expansive meals are almost always followed by so much self-flagellation it’s exhausting.
Ich wurde beim Lesen sehr traurig, weil ich so viele Frauen kenne, die so viele Jahre in exakt dieser Selbstzerfleischung verbracht haben. Man kann den Titel des Blogs, Rachel Eats, durchaus als trotzige Fanfare lesen.
§
Herr Beetlebum fährt auf die/den Comic Con!1 Jemand von meiner Blogroll! Mit dem ich schon mal in Echt geredet habe!
§
Beliebter Nonsequitur-Einwurf in Fernsehdiskussionen über Sexismus: “Wollen Sie vielleicht Verhältnisse wie an amerikanischen Universitäten?!” Auf FAZ online erzählt eine Wissenschaftlerin, was sie dort tatsächlich erlebt hat: “In amerikanischen Verhältnissen leben“.
§
Warum verlässt sie ihn nicht einfach? Ich gebe zu, dass auch mir diese Frage schon durch den Kopf geschossen ist, wenn ich von häuslicher Gewalt gehört habe – zum einen reflexartig, bevor mich das “Es geht nicht um mich” zurückholte. Zum anderen aber auch ernsthaft nachdenklich. Leslie Morgan Steiner gibt in einem TEDtalk die Antwort auf “Why domestic violence victims don’t leave” (Warnung: Harter Tobak).
§
Seit ein paar Monaten bloggt eine deutschsprachige Sexarbeiterin, The Happy Whore. Und in ihrem Text “Warum eigentlich der ganze Zirkus?” erklärt sie, warum: Sie möchte gegen die Vorurteile angehen, die Sexarbeiterinnen das Leben schwer machen. Und erst durch das Lesen ihrer Ausführungen ist mir bewusst geworden, wie viele davon ich mir selbst vorwerfen muss.
via @journelle
§
Schon etwas länger her: Was machen Journalisten, die mittels einer Langzeitreportage grundlegende Missstände aufdecken wollen – und dann nach Jahren feststellen, dass es diese Missstände nicht gibt? Anständige Journalisten geben ihre Fehlauffassung zu, wie es Christian Schmidt und Manuel Bauer im Schweizer Das Magazin getan haben: Sie wollten mit gründlicher Bestandsaufnahme belegen, welch ein nicht wieder gut zu machendes Umweltdesaster das Tankerunglück 2002 vor der Küste Nordspaniens war. Von dem heute praktisch nichts mehr zu sehen ist: “Untergang einer Katastrophe”
Zehn Jahre lang verfolgten wir, wie die Umwelt auf diese gigantische Verschmutzung reagiert, überzeugt davon, eine solche Ölpest sei eine Langzeitkatastrophe. Wir standen in Kontakt mit Forschern, wir stapelten wissenschaftliche Studien, interviewten Betroffene und sahen uns die Sache selber an. Und je länger wir recherchierten, je mehr wir wussten, desto klarer wurde: Es gibt keine Langzeitfolgen. Das mussten wir akzeptieren.
- Vom Mitbewohner weiß ich, dass in seiner Jugend über der vs. den Con ähnlich leidenschaftlich gestritten wurde wie heute – gestern? – über der vs. das Blog. [↩]