Beifang aus dem Internetz – MRR, “du als Frau”

Freitag, 20. September 2013 um 7:14

Marcel Reich-Ranicki ist nicht mehr. Wen sollen wir bitte jetzt nachmachen, wenn wir mit einem einzigen Satz einen Literaturkritiker spielen wollen? (Eine Heidenreich ist halt bei aller parodierbaren Eifrigkeit nicht so markant. Und für eine Karasek-Parodie müssten wir erst mal zehn Minuten Speichel sammeln; bis dahin ist der Moment längst vorbei.)

Schöne Nachrufe:

– Frank Schirrmacher für die FAZ: “Ein sehr großer Mann“.

– Einem Mann der Wörter ruft man wahrscheinlich am besten durch eine Sammlung seiner Worte nach: “‘Ich kann nicht anders: Ich muss nörgeln’ Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki: Seine besten Sätze aus der unvergessenen Fernsehsendung ‘Das Literarische Quartett’, von Anfang bis Zwist.

– Oder gleich ein langes Interview, das mit André Müller.

Das ist kompletter Schwachsinn. Aber jeder Schwachsinn hat einen Grund.

Wobei ich mich all die Jahre gefragt habe, wie jemand, der so mit Rumtoben beschäftigt ist, jemals nachdenkt.

In der Einschätzung von Literatur war ich meist völlig anderer Ansicht als Reich-Ranicki – seine tatsächlichen Maßstäbe wurden mir allerdings nie klar, zu widersprüchlich waren seine immer in Form von absoluter Lehrmeinung formulierten Urteile: “Was macht er schon? GESCHICHTEN erzählen”, war zum Beispiel Reich-Ranickis als Vernichtung gemeinte Sicht auf Salman Rushdie. (Eigentlich sprach er durchgehend in Großbuchstaben.) Bei fast allen anderen Autoren war das Fehlen einer Geschichte Grund für einen Verriss. Also was nun?

§

Niemand ist dazu verpflichtet, eine bestimmte Meinung haben zu müssen, bloß, weil sie eine Frau ist.

Antje Schrupp ist zurecht wütend auf gegenteilige Ansinnen: “Das neue feministische Männerwählen“.

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Beifang aus dem Internetz – MRR, “du als Frau”“

  1. Montez meint:

    Zweimal breitestes Grinsen beim Lesen Ihres Textes: MRR war meine Paraderolle (eigentlich der einzige, den ich nachmachen konnte, ist wohl keine große Kunst?!)

    … wobei ich mich all die Jahre gefragt habe, wie jemand, der so mit Rumtoben beschäftigt ist, jemals nachdenkt …

    Ja! Danke, für dieses kleine Vergnügen in großer schlechter Laune. Ich hoffe, die Sonne scheint heute in München.

  2. Torsten meint:

    Der Nachruf bei GuE:

    http://www.glanzundelend.de/Artikel/abc/r/marcel-reich-ranicki.htm

    “Man mache sich nichts vor: Reich-Ranickis Ruhm gründet sich vor allem darauf, dass so viele von Literatur noch weniger verstanden und verstehen als er. In Hans-Werner Richters Tagebuchaufzeichnungen ist sehr schön aufgeführt, wie er und seine Freunde Walter Jens und Joachim Kaiser nach kurzer Zeit die Diskurshoheit in der Gruppe 47 übernahmen. “Frechheit siegt” – so könnte man es nennen. Nach der Lesung meldeten sich nicht mehr die Schriftstellerkollegen zu Wort, sondern die Kritiker spielten sich die Bälle zu. Mit dem Ruhm des Teilnehmers der Gruppe 47 alimentierte Reich-Ranicki von nun an seinen Ruf.”

  3. die Kaltmamsell meint:

    Sehr schön auch, Thorsten:
    “Wenn er nicht mehr weiter wusste, wurde Reich-Ranicki immer persönlich, schrieb oder sprach zum Beispiel von seiner Langeweile, als sei die ein literarisches Kriterium.”
    Ein echter Buchblogger!

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