Archiv für Oktober 2014

Journal Mittwoch, 15. Oktober 2014 – die lange Woche

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Die Woche fühlt sich ganz besonders lang an – beim Aufschließen der Bürotür am Morgen konnte ich kaum fassen, dass erst Mittwoch war.

§

Gute und übersichtliche Zusammenfassung in der NZZ, was gerade in Deutschland mit den immer zahlreicheren Flüchtlingen passiert, sehr konkret werden auch die Wege hierher beschrieben:
“Deutschland blickt ratlos auf den Flüchtlingsstrom”.

Die Bundesrepublik ist mit der adäquaten Versorgung der Flüchtlinge überfordert, auch wenn der Strom seit Monaten absehbar war. Schliesslich warnten das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sowie andere Experten schon im vergangenen Jahr davor. Auch toben die Kriege und Konflikte in den Hauptherkunftsländern nicht erst seit vorgestern. Ganz offenbar vertrauten deutsche Regierungen und Behörden auf eine zweifelhafte, aber seit Jahren bewährte Taktik, nämlich für wenige Aufnahmeeinrichtungen sowie unbequeme Lebensumstände zu sorgen und so die Flüchtlinge «abzuschrecken». Dabei kam anscheinend keinem der Verantwortlichen in den Sinn, dass zerbombte Häuser, Tote auf den Strassen, Hunger, Angst vor aufgezwungenem Militärdienst oder Zwangsehen – also Missstände, wie sie in den Heimatländern der Flüchtlinge auftreten – noch abschreckender wirken.

§

Wie Kommunikationsabteilungen Fotos aussuchen und warum sie damit regelmäßig ihre Vorteile und Stereotypen entlarven:
“Ein offener Brief eines Nicht-Erasmus-Studenten an die Uni Wien”.

§

Maike bereist Japan und bloggt (tumblrt? – nee, zu viele Konsonanten) darüber:
ickinjapan

Ich bin ganz bezaubert davon, dass sie sich einfach so allein herumtreibt – so gut glaube ich sie zu kennen, dass ich ahne, wie viel Überwindung sie das kostet.

Journal Dienstag, 14. Oktober 2014 – der Hemingwaykellner und Geld von der VG Wort

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Das Biergartenorakel vor dem Bürofenster besagte vormittags, dass sehr schönes Wetter werden würde. Über die Monate hatte ich bemerkt, dass das Eindecken oder Nicht-Eindecken dieses Außenbereichs des italienischen Lokals ein recht sicherer Indikator für das Wetter im weiteren Verlauf des Tages war. Nur einmal hatte ich erlebt, dass das Personal nachmittags hektisch die großen Schirme aufspannen musste, um die Gäste vor einem überraschenden Regenguss zu schützen.

Doch gestern sah ich, wie ein weißhaariger Kellner karierte Decken über alle Tische legte (nur ein Teil der Tische wird eingedeckt bedeutet Regengefahr oder kühle Temperaturen), Aschenbecher darauf verteilte. Er trug zum mediterranen Kellner-Standard des weißen Hemds und der schwarzen Hose eine dunkle Schürze als Schmutzschutz und eine Steppweste, arbeitete ernst und ohne Hast, die Bewegungen etwas steif, die Füße etwas eckig gesetzt, für einen Blick über die Schulter musste er den Oberkörper mitdrehen. Ich hätte gerne eine Hemingwaykurzgeschichte über ihn geschrieben.

§

Das Wetter war dann auch glorios, mittags riss ich mich für einen kleinen Spaziergang los, aß ein Spinatbörek in der Sonne.

141014_Il_Castagno_1

§

Nach der Arbeit war ich zu einem Vortrag verabredet:
“Behind the Mask: WWI, Plastic Surgery, and the Modern Beauty Revolution”
Lubins These: Aus der Hässlichkeit kriegsversehrter Gesichter entstand ein neuer Schönheitskult. Der Kulturwissenschaftler beschrieb die Entstehung der ästhetischen Chirurgie aus der Notwendigkeit, den entstellten Veteranen des ersten Weltkriegs einen Weg in den Alltag zu verschaffen mit interessanten Details. Doch der Sprung zur Behauptung, daraus sei in den USA direkt das Bedürfnis von Frauen entstanden, die neuen Techniken zur Beseitigung von Schönheitsmakeln einzusetzen, war nicht hergeleitet und unbelegt. Spannender fand ich da schon seine Ausführung über die veränderte Haltung der Gesellschaft zur Maske in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

§

Anfang 2013 raffte ich mich dann doch mal auf, dieses Blog bei der VG Wort zu melden. Zusammen mit dem Mitbewohner kämpfte ich mich durch den sehr eigenwilligen Prozess, mit dem man dort Beiträge einträgt. Ich holte mir die Liste von Zählpixeln, von denen man zur Erfassung jeweils einen hinter einen ausreichend langen Blogpost stellt – was ich meist eh vergaß und erst nach Tagen nachholte. Und von allein kommt sicher niemand darauf, dass es der Menüpunkt “Zählmarken recherchieren” ist, mit dem man den Text dann auf der Website der VG Wort anmeldet, “Webbereich anlegen”, wo die URL des Posts hinterlegt wird.

Doch ich wollte das zumindest ein Jahr durchspielen, um zu sehen, wie viel Geld dabei herauskommt. Als ich mir dafür Anfang des Jahres bei der VG Wort erst nochmal die Liste aller zur Auszahlung in Frage kommender Beiträge holen musste, diese dann ein weiteres Mal in ein Formular eintragen, war ich kurz davor hinzuschmeißen.

Gestern war Zahltag: Das Lesen der Blogtexte, die ich 2013 bei der VG Wort gemeldet habe, ergab eine Ausschüttung von 644 Euro. Die muss ich zwar noch versteuern, aber das ist schon echtes Geld. Erst schwankte ich, ob es genug ist, den bürokratischen Aufwand zu rechtfertigen. Doch wenn ich das Zählpixelverwalten, Onlineeintragen, Anmelden, Buchführen als stupiden Nebenjob ansehe, für den ich übers Jahr zusammengezählt einen Tag arbeite, passt das.

Journal Montag, 13. Oktober 2014 – neue Nachbarschaft

Dienstag, 14. Oktober 2014

Morgentliches Strampeln auf dem Crosstrainer, das Lilarosa der Sonnenaufgangswolken in den Fenstern des Instituts gespiegelt, die meinen Fenstern gegenüber liegen.

§

Arbeitslast entzerrt genug, dass ich eine richtige Mittagspause machen konnte, den Ernteanteilfenchel mit Orangen zu Salat schnippeln, Manouri drüberkrümeln.

§

Nun wohnen wir hier mehr als 15 Jahre und hatten ein ideales Auskommen mit den Nachbarn: Man ließ einander in Ruhe, bei den seltenen Begegnungen grüßte man freundlich, in ganz seltenen Fällen kam es zu ein wenig Small Talk. Dieses Ideal habe ich möglicherweise zerstört.

Als mir die Idee einfiel, mich mit ein paar Kekslein aus der neuen Küche für das Ertragen des Baulärms zu bedanken, hatte ich noch überlegt, ob ich auf dem angehängten Zettel meine E-Mail-Adresse hinterlassen sollte: Mir war bewusst, dass einige Beschenkte sich würden wiederum bedanken wollen. Ich verwarf den Gedanken, weil das wie eine Aufforderung hätte wirken können.

Mit dem Bedürfnis nach Rückmeldung hatte ich allerdings recht: Gestern lag in unserem Briefkasten eine selbst gemachte Postkarte mit einem handschriftlichen Dank, der auf hohes Alter schließen ließ (ich bin in diesen 15 Jahren keineswegs allen 15 Parteien im Haus persönlich begegnet), außerdem ein ausgedruckter Brief eines Nachbarpaars mit nicht nur Dank, sondern einer Essenseinladung für November. Das habe ich nun davon.

Ich versuche das als großes Abenteuer zu sehen, öfter mal was Neues etc. pp. Nur rumort es in meinem Gemüt: Freunde aus dem, im und übers Internet haben ja den Kern ständiger Freiwilligkeit – das Band ist lose, man muss regelmäßigen zupfen, um es für beide Seiten spürbar zu machen, die Verbindung ist immer mit Willen und Aktion verbunden. Dafür reicht ein reines Unterlassen von Kontaktieren und Aktion für einen geordneten und höflichen Rückzug ohne größere Schmerzen.
Eine Nachbarschaft aber bleibt, bis dass ein Umzug uns scheidet. (Nachtrag: Wobei in diesem Haus ja sogar weniger weggezogen wird als eher weggestorben – so lange wohnen die Leute hier.) Man ist greifbar und physisch nahe – für mich eigentlich nicht die ideale Grundlage menschlicher Interaktion.

§

Abends Leserunde zu Abasse Ndione, Margret Millischer (Übers.), Die Piroge. Sehr unterschiedliche Reaktionen auf dieselben Facetten des Texts. Das ungelenke, aufgesetzte und flache Erzählen ohne Figurenführung mochten die einen, die anderen (ich) sprachen ihm jede Literarizität ab. Wir waren uns allerdings einig, dass der deutsche Untertitel “Roman” ein Missgriff ist. Und freuten uns alle über die Kürze des Texts.

§

Den ganzen Tag über war es mild und wolkig, wurde aber kühler. Beim Heimradeln von der Abendverabredung regnete es sanft.

§

Pia Ziefle war zum ersten Mal auf der Frankfurter Buchmesse und begegnete nicht nur sich selbst in Großformat am Arche-Stand:
“Buchmessereise”.

Journal Samstag/Sonntag, 11./12. Oktober 2014 – Herdüberforderung

Montag, 13. Oktober 2014

Die Folgen der Migräne spürte ich am Samstag noch deutlich. Mein Vater war so nett, uns mit dem Auto nach Petershausen zu fahren und ersparte uns so zumindest die Ersatzbuszockelei über die Dörfer (immer noch Baustelle, immer noch Schienenersatzverkehr). Am Bahnhof warteten wir auf die nächste Verbindung nach München, die die App der Münchner Verkehrsbetriebe mir anzeigte. Zum Glück wies uns nach 20 Minuten Warten ein Bahnangestellter darauf hin, dass diese nicht fahren würde, sonst würde ich immer noch warten.

Daheim kurz etwas gegessen, dann gleich wieder ins Bett.

§

Zwei Stunden tiefer Schlaf beseitigten die Migränenachwirkungen, ich war abends fit genug zum Kochen: Griechischer Auberginenauflauf.
Nach einer halben Stunde Braterei hatte ich gerade die letzte Pfanne voll Auberginenscheiben auf dem niegelnagelneuen Herd (daneben köchelte leise die Tomatensauce), als die Anzeige eine Fehlermeldung blinkte: F2. Nachblättern in der Gebrauchsanweisung ergab:

Auf mehreren Kochstellen wurde über längere Zeit,(sic) mit hoher Leistung gekocht. Zum Schutz der Elektronik wurde die Kochstelle abgeschaltet.

Das kann ja heiter werden, wenn der neue Siemens-Herd bereits damit überfordert ist – keine der beiden benutzten Platten war auf voller Leistung gelaufen. Sollte ich mal auf Zeit kochen (weil ich Gäste habe oder Verschiedenes gleichzeitig fertigwerden soll), kann ich es gar nicht brauchen, wenn der Herd sich zwischendurch ein Viertelstündchen erholen muss.

Der resultierende Auberginenauflauf war dennoch köstlich.

141011_Auberginenauflauf_2

§

Sonntag nach unruhiger Nacht (um zwei hatte sich ein Grüppchen junger Menschen den Hinterhof unter meinem Schlafzimmerfenster für eine fröhliche Unterhaltung ausgesucht) Morgenkaffee zu knallblauem Himmel und Sonnenschein.

Ich schrieb fürs Techniktagebuch auf, wie mein Elektrikervater mal unserer Band mit preisgünstigen Kabeln aushalf.

§

Raus in die Sonne zu einem Isarlauf. Die Strecke Wittelsbacherbrücke – Großhesselohe und zurück war wundervoll, wenn auch an diesem warmen Sonntagvormittag so stark frequentiert, dass ich einige Abschnitte Hundeslalom lief.

§

Daheim eine vierfache Menge Cranberrycookies gebacken: In adrette Tütchen verpackt mit einem Schild “Gruß aus der neuen Küche” sollen sie die Nachbarn für den Lärm des Umbaus entschädigen.

§

Die nachmittäglichen Sonnenstrahlen im Rosengarten über Buch und Wochenendzeitung genossen. Auch hier war ich nicht die einzige mit dieser Idee.

141012_Rosengarten_1

141012_Rosengarten_3

§

Abends bekamen die Rondini aus dem Ernteanteil nochmal eine Chance, diese Kanonenkugeln an Kürbiszüchtung, die sich vor allem durch nicht essbare Schale und völlige Abwesenheit von Eigengeschmack auszeichnen.

141012_Rondini

Jawoll, so kann man sie lassen, mit gut gewürztem Hackfleisch samt Feta gefüllt (Koch: Mitbewohner). Die Male davor hatten wir sie gemäß Spielanleitung eingestochen und in Wasser gekocht, dann ausgelöffelt – wenn Kürbisse eh schon nach nicht viel schmecken, ist das der kürbissigste von allen.

Dessert: Lassen Sie uns über Speiseeis sprechen. Ich bevorzuge eigentlich andere Süßigkeiten, aber der Mitbewohner hat im Biosupermarkt Roggenkamp Organics aufgetan (keine Deep Links möglich, Ihr Flash-Honks!): Das Mangosorbet ist das beste Mangoeis, das ich je gegessen habe. Und das Karamell-Eis ist was völlig Neues und schmeckt fabelhaft: Eher krümeliges Sahneeis, gerade nicht cremig, mit fließendem Karamell dazwischen.

§

Dazu der völlig abgefahrene Tatort “Im Schmerz geboren”, scheinbar punktgenau für das halbseiden gebildete Publikum meiner Twittertimeline gemacht (mich eingeschlossen): Ich war begeistert. Als ich in den Ankündigungen von zahlreichen Anspielungen quer durch die Filmgeschichte und klassischer Musik gelesen hatte, fürchtete ich große Peinlichkeit. Doch das Drehbuch von Michael Proehl nimmt die Shakespearewelt samt Chorus und Blankvers, legt immer wieder ikonische Filmfolien vor allem aus der Westerngeschichte darüber und thematisiert das Ganze mit Leichtigkeit und nebenher. Ein Krimi war das nicht, schon gar nicht in irgendeiner Weise realistisch – sondern großes Theater. Inklusive Ocean’s Eleven in Wiesbaden.
Vielleicht mögen Sie ihn in der Mediathek nachholen?

§

Dann hat man also einen Nobelpreis gewonnen – großartig, super, lebensverändernd! Letzteres allerdings auch in Situationen, auf die man vorher nie gekommen wäre.
“What It’s Like to Carry Your Nobel Prize through Airport Security”.

Journal Freitag, 10. Oktober 2014 – Landhausgeburtstag

Samstag, 11. Oktober 2014

Als ich Bahnverbindungen zu Mutters Geburtstagfeier recherchierte, stieß ich bereits auf Hindernisse: Baustelle auf der Strecke, Schienenersatzverkehr. Ich meldete mich also schon anderthalb Stunden vor vertragsgemäßem Arbeitsende ab, um lediglich eine halbe Stunde zu spät zum Fest in der Antonuisschwaige zu kommen.

Da die Busse von Petershausen nach Ingolstadt völlig überlastet waren, dauerte die Reise von München an den Rand von Ingolstadt (S-Bahn, Bus, Taxi) dann aber fast drei Stunden: Als ich mit dem Mitbewohner eintraf, saß die Festgemeinde bereits über der Hauptspeise. Ich wollte niemanden beim Essen stören und mich unauffällig setzen, doch mein Vater mahnte mich zu einer Begrüßung der alten Freunde des Hauses (wie sieht da wohl das offizielle gute Benehmen aus?). Also machte ich eine Runde und knutschte und umarmte mich durch einen großen Teil der Gesellschaft.

Zu Essen gab es ein Spanferkel vom Grill mit traditionellen Beilagen, das köstlich war.

141010_Mama_70_1

Wie bei solchen Feiern im Freundeskreis meiner Eltern üblich, gab es Einlagen: Die Bruderfamilie samt dreier Kinder musizierte aufs Niedlichste einzeln (Geige, Gitarre, Klavier und Gesang) und zusammen (“Mama mia” umgedichtet), die Clique (falls Sie sich gefragt hatten, wo dieses Wort geblieben ist: hier) führte eine bedichtete Hutmodenschau auf. Zwei Freundinnn aus dem Kreis der spanisch Eingeheirateten schilderten mit einem Gedichtl aufgehängt an der Rotkäppchengeschichte, wie wenig das Großmutterbild des Märchens auf die Großmutter von heute passt, schon gar nicht auf meine Mutter.

Ich unterhielt mich mal hier mal dort und war wieder ehrlich begeistert, dass nicht nur eine und nicht nur einer aus dieser Alterklasse mit über 70 besser als jemals in ihrem Leben aussieht. Dass alle ohne materielle Sorgen leben und fast keiner mit ernsten Gesundheitsproblemen kämpft, hilft natürlich.

Dank der Tipps von Twitterinnen war selbst ich dem Motto “Landhaus” angemessen gekleidet (eine Freundin des Hauses, Marianne, erzählte mir, dass sie sich das Dirndl ihrer Tochter ausgeliehen hatte – es ist also keineswegs so, dass Landhauserei bei den anderen zur Standardausstattung gehörte).

141010_Mama_70_3

141010_Mama_70_10

In der Nacht erwischte mich leider die Migräne, erst um 10 Uhr stand ich aufrecht genug, um den herbstlichen Ausblick aus dem Elternhaus zu genießen.

141011_Elterngarten

§

Daniela Strigl, die beste und beliebteste Jurorin des Bachmannpreises, ist von ihrem Posten zurückgetreten, aus nachvollziehbaren Gründen.

Auf der Frankfurter Buchmesse (ob ich in diesem Leben nochmal auf eine Buchmesse komme?) wurde dagegen protestiert.
Unter anderem mit Sonetten.
“Gerechtigkeit für Daniela Strigl!”

§

Gedanken zu wissenschaftlichen Konferenzen von einer, die eine Menge davon gesehen hat (na kommSe, Sie hatten Mary Beard doch auch schon hier vermisst).
“Laugh-in”.

Journal Donnerstag, 9. Oktober 2014 – der Wasserverkäufer

Freitag, 10. Oktober 2014

Um drei Uhr morgens von Hubschrauberlärm aufgewacht: Da würde doch nicht um diese Zeit einer auf dem Not-Not-Not-Landeplatz inmitten der Innenstadtkliniken landen müssen? Ich stand auf und sah hinaus: Nein, keine Absperrungen und Feuerwehrwagen hatten eine Landung vorbereitet. Doch ich hörte den Hubschrauber noch sehr lange sehr tief fliegen.

§

Nochmal bei offenem Fenster crosstrainergestrampelt. Ein halbes Dutzend balgender Amseln beobachtet, ein quietschoranges Eichhörnchen gesehen.

In wundervoller Morgensonne in die Arbeit gelaufen.

141009_Morgensonne_2

Eine Anregung von @midori aufgenommen: Sie hatte über eine App getwittert, die sie stündlich daran erinnert, eine Pause zu machen. Und diese nutzt sie, um mit dem Aufzug fünf Stockwerke hinunter zu fahren (nicht zu Fuß wegen Knie), um dann zu Fuß nach oben zu gehen. Zweites Obergeschoß bis drittes Untergeschoß ergibt auch in dem Gebäude, in dem ich arbeite, fünf Stockwerke, dafür sind meine Knie schon lange problemfrei und kann runterrennen. Viermal schaffte ich es über den Tag verteilt, aufzuspringen und das tatsächlich zu tun.

Am frühen Nachmittag riss ich mich zudem für einen kleinen Mittagspausenspaziergang los – und war völlig überrascht, in ernsthaft sommerliche Temperaturen zu geraten.

§

Akquiseanruf von einem Wasserbottich-fürs-Büro-Verkäufer – allein die Vorstellung, in dieser 60-qm-Agentur auch noch Platz für einen Wasserturm finden zu müssen, erheiterte mich (selbst Serverschränkchen und Drucker finden nur im kleinen Besprechungszimmer Platz).

Nachdem er sein Sprücherl aufgesagt hatte, inklusive die Firma sei auch Mitglied im Verband deutscher Mineralbrunnen, erkundigte er sich nach meinem Interesse.

“Nein, ich habe kein Interesse. Das Münchner Leitungswasser ist ganz hervorragend und versorgt uns bestens.”

Wasserverkäufer: “Aber das kommt doch alles durch die Kläranlage!”
Vor Verblüffung über dieses Ausmaß an manipulativem Blödsinn musste ich herzhaft lachen.
Ich: “Nein, das ist Quellwasser – das müssten Sie doch wissen!”
WK: “Ich kann doch nicht alle Wasserquellen Deutschlands kennen.”
Ich: “Ach, schickt Sie der Verband der deutscher Mineralbrunnen nicht auf Fortbildungen?”

WK: “Dafür ist unser Wasser besonders gesund und aufbereitet!”
Ich: “Ah, LEBENDIGES Wasser!”
WK: “Was?”
Ich: “Da gibt’s doch so Kristallstengel, die man in die Wasserkrüge steckt, und dann wird das Wasser lebendig.”
Jetzt lachte der Anrufer herzlich.

Wir schieden als Freunde und wünschten einander einen schönen Tag.

(Dazwischen hatte ich ihn noch gefragt, ob er nicht eine Wasserverkostung deutscher Leitungswässer anbieten möchte, es gebe doch so Wassersommeliers. Aber außer mit “ja, da schmeckt man bestimmt Unterschiede” sprang er nicht darauf an. Dabei würde mich das wirklich mal interessieren.)

§

Die heimlichen… nicht so heimlichen Weltherrscher:
“Grayson Perry: The rise and fall of Default Man
How did the straight, white, middle-class Default Man take control of our society – and how can he be dethroned?”

Today, in politically correct 21st-century Britain, you might think things would have changed but somehow the Great White Male has thrived and continues to colonise the high-status, high-earning, high-power roles (93 per cent of executive directors in the UK are white men; 77 per cent of parliament is male). The Great White Male’s combination of good education, manners, charm, confidence and sexual attractiveness (or “money”, as I like to call it) means he has a strong grip on the keys to power. Of course, the main reason he has those qualities in the first place is what he is, not what he has achieved. John Scalzi, in his blog Whatever, thought that being a straight white male was like playing the computer game called Life with the difficulty setting on “Easy”. If you are a Default Man you look like power.
(…)
In the course of making my documentary series about identity, Who Are You?, for Channel 4, the identity I found hardest to talk about, the most elusive, was Default Man’s. Somehow, his world-view, his take on society, now so overlaps with the dominant narrative that it is like a Death Star hiding behind the moon. We cannot unpick his thoughts and feelings from the “proper, right-thinking” attitudes of our society.
(…)
When we talk of identity, we often think of groups such as black Muslim lesbians in wheelchairs. This is because identity only seems to become an issue when it is challenged or under threat. Our classic Default Man is rarely under existential threat; consequently, his identity remains unexamined. It ambles along blithely, never having to stand up for its rights or to defend its homeland.
(…)
When I was at art college in the late Seventies/early Eighties, one of the slogans the feminists used was: “Objectivity is Male Subjectivity.” This brilliantly encapsulates how male power nestles in our very language, exerting influence at the most fundamental level. Men, especially Default Men, have put forward their biased, highly emotional views as somehow “rational”, more considered, more “calm down, dear”. Women and “exotic” minorities are framed as “passionate” or “emotional” as if they, the Default Men, had this unique ability to somehow look round the side of that most interior lens, the lens that is always distorted by our feelings. Default Man somehow had a dispassionate, empirical, objective vision of the world as a birthright, and everyone else was at the mercy of turbulent, uncontrolled feelings. That, of course, explained why the “others” often held views that were at such odds with their supposedly cool, analytic vision of the world.
(…)
One tactic that men use to disguise their subjectively restricted clothing choices is the justification of spurious function. As if they need a watch that splits lap times and works 300 feet underwater, or a Himalayan mountaineer’s jacket for a walk in the park. The rufty-tufty army/hunter camouflage pattern is now to boys as pink is to girls. Curiously, I think the real function of the sober business suit is not to look smart but as camouflage. A person in a grey suit is invisible, in the way burglars often wear hi-vis jackets to pass as unremarkable “workmen”. The business suit is the uniform of those who do the looking, the appraising. It rebuffs comment by its sheer ubiquity. Many office workers loathe dress-down Fridays because they can no longer hide behind a suit. They might have to expose something of their messy selves through their “casual” clothes.
(…)
The outcry against positive discrimination is the wail of someone who is having their privilege taken away. For talented black, female and working-class people to take their just place in the limited seats of power, some of those Default Men are going to have to give up their seats.

Perhaps Default Man needs to step down from some of his most celebrated roles. I’d happily watch a gay black James Bond and an all-female Top Gear, QI or Have I Got News for You.
(…)
Earlier this year, at the Being A Man festival at the Southbank Centre in London, I gave a talk on masculinity called: “Men, Sit Down for your Rights!”.

Das stützt ganz wunderbar Antje Schrupps zentrales Hinterfragen dieser Standards: Es geht nicht darum, Frauen in diesem Männersystem nach vorne zu bringen, sondern zu untersuchen, ob es Alternativen zu diesem System gibt, die automatisch Frauen enthalten.

Journal Mittwoch, 8. Oktober 2014 – für die Jahreszeit zu warm

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Um wieviel besser es mir den ganzen Tag geht, wenn ich morgens schon mal ein Stündchen auf dem Crosstrainer gestrampelt habe (bei offenem Fenster) und zu Fuß zur Arbeit gegangen bin.
Und dann auch noch genug Luft hatte, mittags eine halbe Stunde zu Einkäufen für die Firma zu marschieren, in wundervoller warmer Luft!

Spaß mit einer Kollegin: Nach demselben Begriff googlen und anhand der obersten Ergebnisse bestimmen, wer die coolere ist (bei mir erschien eine Rock Band, bei ihr eine italienische Modemarke). Horoskope heute.

Abends wollte ich mir noch etwas Schönes kaufen, zu Aufhellungszwecken, nämlich eine Halskette, die ich mehrfach beim Vorbeilaufen im Schaufenster bewundert hatte. Doch der Laden hatte bereits geschlossen.
Ich genoss es dennoch, durchs abenddämmerige Bahnhofsviertel zu laufen.

§

Frau Diener bloggt auch dieses Jahr von der Frankfurter Buchmesse, und auch dieses Jahr über die Details, die uns wirklich interessieren. Zum Beispiel wie es war, als Helmut Kohl die Messe besuchte.
“Handys hoch, das Denkmal kommt!”

Was Helmut Kohl genau sagt, ist schwer zu sagen. Erst sind alle ganz ruhig und hören angestrengt hin, aber es ist nur „Deutschland“ zu verstehen und „Europa“ und nochmal „Deutschland“ und wieder „Europa“, dann irgendwann auch „Zukunft“, dann geben die Zuhörer es auf, es bilden sich kleine Murmelinseln im Gedränge, die immer größer werden. Es ist vielleicht auch egal, was Helmut Kohl sagt, irgendwas mit Deutschland, irgendwas mit Europa, passt schon, Denkmäler müssen nicht reden, das erwartet man nicht von ihnen.