Archiv für Februar 2015

Journal Montag 16. Februar 2015 – Avancen

Dienstag, 17. Februar 2015

In der Arbeit knietief in Buchhaltungszeugs: Der Steuerdienstleister der Firma hatte eine Liste mit Fragen zum Rechnungsjahr 2014 geschickt, ich jagte Rechnungen, recherchierte Bewirtungsgäste, fragte nach Reiseausgaben.

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Auf dem Heimweg kurz vor der Tür von einem freundlichen Herrn angesprochen worden. Er blieb vor mir stehen, nahm seine Brille ab: “Sie sind eine so hübsche und sympathische Frau – würden Sie mit mir zum Essen gehen?” Ich lachte auf. Er ergänzte: “Also gerade mit der Mütze, da musste ich etwas sagen.” Ich dankte dem Herrn ehrlich für das Kompliment, lehnte die Einladung aber ab. Er verabschiedete sich mit: “Und bleiben Sie, wie Sie sind!”
(Sind schon wieder zwei Jahre rum? Das ist bei mir in etwa die Frequenz von Avancen.)

Abendessen war dann eine Pastinaken-Topinambur-Suppe aus Ernteanteil, ausgesprochen wohlschmeckend.

Dazu zwei Folgen Tatortreiniger, unter anderem “Tauschgeschäfte”. Will jetzt Viviane De Muynck heiraten.

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Aus gegebenem Anlass:
“In der Stadt sind Kaninchen gerne Single”.

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Mag sein, dass ich mich wiederhole. Aber auf manche Missstände kann man nicht oft genug hinweisen – vor allem weil sie der Mehrheit der Bevölkerung komplett unbekannt sind. (Waren sie mir ja auch, bevor ich anfing Blogs zu lesen.)
Als da wäre: Das unglaubliche Ausmaß, in dem Behinderte bevormundet werden.
“Nicht alleine ins Schwimmbad”.

Wie selbstverständlich behinderten Menschen aber die eigene Urteilsfähigkeit abgesprochen wird, zeigt die Stadt Neusäß eindrucksvoll. Man traut der Frau nicht zu, dass sie sich alleine orientieren kann, sagt das Bad. Es sei zu laut für sehbehinderte Besucher, die Rutschen zu gefährlich, es könnte eine Tasche im Weg stehen. Dabei maßt man sich an zu beurteilen, was die Kundin kann und was sie nicht kann, obwohl sie seit zehn Jahren beweist, dass sie das Bad problemlos nutzen kann. Wenn man bedenkt, wie viele Vorurteile und falsche Vorstellungen es über Behinderung, in dem Fall über Sehbehinderung gibt, gehen solche Einschätzungen von außen fast immer schief.

Journal Sonntag, 15. Februar 2015 – Montagssonntag

Montag, 16. Februar 2015

Zunächst war ich unschlüssig, ob ich in dem kalten Nebel Laufen gehe sollte oder zum Turnen. Nach Morgenkaffee dann doch zum Ostbahnhof für eine Stepstunde geradelt. Keine Stepstunde bekommen, weil kein Vorturner auftauchte. Sowas ist wirklich außerordentlich ärgerlich. Natürlich ist es meine eigene Priorisierung, dass ich nicht in erster Linie für Sauna (nutze ich nie), Getränke, Duschen, Geräte meine 65 Euro Monatsbeitrag zahle, sondern für die Turnstunden. Aber sie sind das einzige, was ich nur dort kriege – und kriege ich sie nicht, fühlt sich mein Monatsbeitrag vergeudet an. Statt dessen den Crosstrainer genutzt, den ich gradsogut daheim habe.

Und dann war daheim die Frühstücksorange auch noch trocken, der Frühstücksapfel auch noch innen verfault. Dieser Sonntag hatte sich wohl ein bisschen zu oft mit Montagen herumgetrieben.

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Zeitungen von der Woche aufgelesen, zudem die Wochenendausgabe der Süddeutschen.

Fürs Techniktagebuch Erinnerungen an die Freundin aufgeschrieben, die bei der Telefonauskunft jobbte. Vorher hatte ich überprüfen wollen, ob meine Erinnerung an die Definition von “Buchsuche” auch stimmt, im Web aber nichts dazu gefunden. Möglicherweise hat das Techniktagebuch tatsächlich eine wichtige, wissenserhaltende Funktion.
Im zugehörigen Redaktionschat Gewirbel unter den Fachkundigen zu den letzten Handgriffen am Techniktagebuchbuch, das dieser Tage zum Einjährigen als E-Book herauskommen wird (Kathrin Passig hatte gerade etwas so Dringendes auf dem Tisch, dass sie als Ausweichmanöver unbedingt herausfinden wollte, wie die Herstellung eines E-Books funktioniert).

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Abends gab’s Carbonara, dazu einige Folgen der 2DF-Fernsehserie Schuld nach Ferdinand von Schirach aus der 2DF-Mediathek.

Sehr gutes Drehbuch, viel wird nicht erzählt, die Zuschauerin nicht für blöd gehalten, viele nette realistische Justizdetails, hervorragende Schauspieler – man fragt sich: Wie konnte das passieren? (Die Illuminatenfolge fand ich eher schwach, mag aber an meinem Überdruss an Illuminaterei liegen.)

Eigentlich hatte ich Boyhood sehen wollen (Endspurt vor der Oscarnacht), das Herr Kaltmamsell bei Amazon gekauft hatte. Nur dass gestern Abend amazon.de ausfiel.

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Falls Sie schon wieder verdrängt haben, wozu die Evolution so fähig ist (von wegen “Die Natur wird sich schon was dabei gedacht haben”):
“Evolution, what are those flatworms doing?”

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Spiegel online berichtet sauber aus Kopenhagen, vorbildlich die Aufzählung “Was wir nicht wissen”.

Israelkritik

Journal Freitag/Samstag, 13./14. Februar – Tiger in Hellabrunn

Sonntag, 15. Februar 2015

In der Arbeit am Freitag beim Paketaufschneiden ordentlich an der Büroschere verletzt, beim Reinigen der blutigen Schere gleich auch noch an der anderen Hand. Tippen mit verpflasterten Fingern ist lustig.

Mittags einen Vanillekrapfen vom Hölzl am Bahnhof getestet: Füllung ganz ausgezeichnet, der Hefeteig drumrum war mir nicht fluffig genug, stieß außerdem nachmittags fettig auf.

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Wir sind ja noch unschlüssig, was wir von lila Kartoffeln halten. Absichtlich gekauft hätte ich sie vermutlich nie, doch weil sie im Ernteanteil lagen, wurden sie natürlich verarbeitet. In diesem Fall zu Kartoffelpüree, das es zum freitagabendlichen Entrecôte gab.

150213_Nachtmahl

Geschmeckt hat das ok (sind halt keine Püreekartoffeln), aber die Farbe ist schon arg schräg.

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Samstagvormittag war es geradezu sonnig, ich kam auf die Idee, wir könnten doch den Tierpark besuchen. Sportpläne also über Bord geworfen, Einkaufs- und Besorgungsrunde gedreht, gefrühstückt, ab nach Thalkirchen.

Von den Giraffen in ihrem neuen Haus war wenig zu sehen (ich hatte vor zwei Jahren das zwei Wochen alte Giraffenbaby gesehen und war auf seine Weiterentwicklung neugierig gewesen), dafür taten die Erdmännchen erwartbar Niedliches.

Im Fledermaushaus ließ ich mich umflattern (nach Bestandsliste – wenn auch von 2013 – sind dort über 250 Tiere unterwegs).

Vor dem Fledermaushaus eine erfreuliche Wild-Begegnung: Ich sah nach Langem mal wieder Schwanzmeisen in München. Seit dem Hochwasser 2013, als die rückzügelnden Schwanzmeisen nach dem späten Winter wochenlang bei uns in der Innenstadt aufgehalten wurden, waren mir keine mehr begegnt.

Herr Kaltmamsell drängte zu den beiden neuen sibirischen Tigern: Die recht jungen Tiere balgten sich unterhaltsam, stellten sich aber auch immer wieder ausgesprochen malerisch auf. Humboldtpinguine, Vielfraß mit riesigem Knochen quer im Maul, puschliger Polarfuchs, im Dschungelhaus eine besonders unerwartete Spezies:

150214_13_Hellabrunn_Dschungelhahn

Keine sonstigen Pinguine (Pinguinhaus wird gerade renoviert), dafür Löwen, Seelöwen (darunter ein Jungtier, das sich vom Beckenrand Eisstückchen abbrach und daran lutsche), endlich auch die Eisbärenzwillinge, die Ende 2013 zur Welt gekommen waren. Abschluss mit den roten und den rosa Flamingos, die einander zu Spazierstockchoreographie anbrüllten.

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Zum Nachtmahl das erste Rezept aus Nicky Stichs Reisehunger: Ofenauberginen mit Minzjoghurt zum zweiten Teil des Freitagssteaks (Herr Kaltmamsell hatte es beim Einkaufen ein wenig zu gut mit uns gemeint; in einem beim Thema Essen seltenen Anfall von Vernunft hatten wir den Einkauf auf zwei Mahlzeiten verteilt).

150214_25_Ofenauberginen

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Wo ich doch noch vergangene Woche rausgeplatzt war:

Dünn_unglücklich

Hier das Ganze im Detail:

“Being Thin Didn’t Make Me Happy, But Being ‘Fat’ Does”.

The other body you see there, the body of “physical hotness,” I attained by eating a “plentiful” 1,000 calories a day; by running 35 miles a week (10 on Sunday); by sleeping an average of three hours a day; by counting every bit of food I ate, down to a single cherry tomato; by writing and tracking my weight every day for a year; by running the stairs of the hospital during my 12-hour shifts; by losing my period; by denying myself food when I was hungry; by denying myself sleep.

(…)

It is to say this: Happiness does not require thinness. Fatness does not presume sadness.

(…)

The world wants you to want to be thin. There are whole industries built on your insecurity. They are bullshit. The world wants you to believe that thin and beautiful equals happy. It wants you to believe that you’re only worthy of love, and life, if you are beautiful. And beautiful people just aren’t fat.

Or maybe they are.

(Wieder mal zur Sicherheit: Selbstverständlich gibt es von Natur aus dünne Menschen, die sich nicht in jeder wachen Sekunde dafür kasteien müssen. Aber ich behaupte, dass auch diese nicht notwendigerweise ihr Lebensglück daraus ziehen.)

via @ankegroener

Journal Donnerstag, 12. Februar 2015 – Grille und Weine

Freitag, 13. Februar 2015

Mittags war ich mit einem Lokaljournalisten verabredet, der gerade mit einem Fotografen an einer Artikelserie über das südliche Bahnhofsviertel arbeitet. Er war auf meinen Blogpost dazu gestoßen und hatte mich angeschrieben. Über Fleischspießen beim Sara Grill in der Landwehrstraße ließ er sich erzählen. Ich freute mich wiederum an den Erzählungen des Fotografen, der nämlich in der Nachkriegszeit im Bahnhofsviertel aufgewachsen war und ganz andere Geschichten hatte als ich (seine Mutter führte damals das legendäre Lampenschirmgeschäft am Sonnenstraßenende der Landwehrstraße). Das kleine Lokal war voll, die Dame neben mir schaltete sich ins Gespräch ein – und stellte sich als Einwanderin aus dem Iran heraus, mit der ich über Fleischqualität und Sumac fachsimpelte.

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Abendverabredung im Walter & Benjamin. Dass man dort inzwischen reservieren kann, war an mir vorbeigegangen. So bekamen wir nur Plätze am Stehtisch, aber ausgezeichnete Weinberatung. Ich erkundigte mich nach orange wines und hatte dann erst mal diesen Domaine de Majas als “nicht allzu orange” im Glas: Fein, mit deutlicher Apfelmostnote.

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Zum Essen (Entenbrust bei der Begleitung, Lammnieren bei mir) ließen wir uns einen Pecoranera empfehlen, mit der Beschreibung: “Wild.” Lustiges Assoziieren der ersten Geruchseindrücke, sie so: “Schokolade!” Ich so: “Alter Putzlappen!” Tatsächlich traf es “wild” hervorragend, wir mochten den Wein beide, und er vertrug sich bestens mit den Speisen.

150212_Walter_Benjamin_Pecoranera

Dann wollte ich aber doch einen richtigen orange wine, und die charmante Begleitung war probierwillig. Unsere Vorgabe: Keine Apfelmostnote. Es wurde ein Menti und ich lernte, dass der Hinweis auf orange bei Walter & Benjamin das Attribut “maischevergoren” ist (es gibt keine standardisierte Terminologie für diese Weinereibewegung). Der Wein war der Hammer mit Honignoten, Blüten – genau so außerhalb meines bisherigen Rasters an Weingeschmack, wie ich orange wines inzwischen kennengelernt habe. Die Begleitung genoss, nörgelte aber ein wenig, der schmecke ja gar nicht nach Wein.

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Abschließend wollte die charmante Begleitung dann aber bitte noch einen konventionellen Wein empfohlen haben, es wurde zu unserer Überraschung ein Argentinier: Caldén. Schön frisch und doch kraftvoll – aber, wie auch die orange wine-Debuttantin zugeben musste, im Vergleich zum Wein davor fast langweilig.

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Auf die Gefahr hin, genau den Menschen Munition zu liefern, für die das Internet (TM) Beweis für alles Schlechte der Welt ist: Jon Ronson schreibt in der New York Times über die konkreten Auswirkungen von public shaming.
“How One Stupid Tweet Blew Up Justine Sacco’s Life”.

Dabei ist es hier wie immer: Unreflektiertes Bloßstellen, Schimpfen, Draufhauen ist nie eine gute Idee. Nie.

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Eine schöne Geschichte von Johnny Häusler über die Entwicklung von Sichtweisen beim Gassigehen:
“Scherben”.

Journal Mittwoch, 11. Februar 2015 – die Geißel der Schwarzwurzel

Donnerstag, 12. Februar 2015

Beim Zähneputzen einen Amslerich frühlingshaft revierrufen hören.
Auf dem Crosstrainer neuerlicher Rekord.

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Beruflich sage ich derzeit zu jedem Angebot erst mal Ja. Nachdem 90% meiner Versuche zu Absagen in erster Runde führen, alle fünf zweite Runden seit Anfang 2014 in absurdem Theater endeten, habe ich keine Hemmungen mehr, ich könnte mich zu etwas kommitten, was ich möglicherweise gar nicht wirklich will.
Was ich mir wirklich nahegehen lasse: Hilfreiche Menschen aus meinem Online- und Offlineumfeld, die mich auf Möglichkeiten hinweisen, die eine oder andere Türe dorthin öffnen. Danke.

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Da Herr Kaltmamsell beruflich unterwegs war, fiel die Abholung des Ernteanteils mir zu: Unser Verteilerpunkt ist nur bis 18:30 Uhr geöffnet, das schaffe ich nach der Arbeit nur mit pünktlichem Abgang und per Rad.

Ich wusste bereits, dass die Kiste diese Woche wieder Schwarzwurzeln enthalten würde. Ebenso wie schwarzer Rettich ist mir dieses Gemüse in noch keiner Zubereitungsform begegnet, die mir geschmeckt hätte, und anders als schwarzer Rettich ist Schwarzwurzel auch noch nur unter größeren Umständen zu verarbeiten (sondert klebrigen, färbenden Saft ab, Gummihandschuhe sind ratsam, zudem sofortige Reinigung aller Oberflächen, die mit dem Gemüse Kontakt hatten). Die letzte Lieferung ging an eine Kollegin, die unvorsichtigerweise Neugier auf dieses ihr noch unbekannte Gemüse geäußert hatte. Die gestrige bekam eine allerletzte Chance: Als Gratin mit Kartoffeln. Die doppelte Menge des Rezepts, um alle Wurzeln wegzukriegen; und die Kartoffeln des Ernteanteils waren lilane. Dazu gab es den Postelein aus dem Ernteanteil mit Orangendressing.

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Siehe da: In dieser Form kann man mir Schwarzwurzel unterjubeln.

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Ich lebe ja mit einem Pulpleser und -sammler zusammen. Diese Geschichte über einen der Menschen dahinter fand ich bewegend, außerdem das Handwerk hinter dem Output spannend:
“My Dad, the Pornographer”.

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Ein Modeblog begleitet Menschen mit eigenwilligem Stil über Jahre – schönes Projekt:
A personal style / Eigener Stil

Journal Dienstag, 10. Februar 2015 – Dracula mit Extra-Gewicht

Mittwoch, 11. Februar 2015

Sie erinnern sich vielleicht noch an die Turnübung “Dracula”? Gestern Morgen sah der Vorturner nach der Einweisung dazu zu mir: “Du! Du legst dir eine Scheibe vorne drauf. Du kannst das.” Und recht hatte er: Die letzten Male hatte ich bereits befürchtet, dass ich irgendwas falsch mache, weil mir die Übung doch eher leicht fiel, während um mich herum geächzt wurde. Also holte ich mir schnell eine 2,5-Kilo Langhantelscheibe und legte sie mir auf den Dracula-Brustkorb. Ging.

Geben Sie mir noch zwei Monate und ich kann zwischen den SchlüsselSchulterblättern Walnüsse knacken.

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Ein sonniger Wintertag, die Temperaturen ein wenig über Null.

Zum Nachtmahl eine Sauerkrautsuppe aus Ernteanteil. Das Rezept scheint zwar aus einem besonders absurden Diätbuch zu stammen, lässt sich aber wie die meisten Diätrezepte leicht anreichern. (Hatte ich da nicht mal die Idee zu einer Serie? Wir kapern Diätrezepte? Nur deshalb steht doch dieses Brigitte-Diät-Buch von 1982 noch in meinem Schrank.)

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Derzeit futtern sich ALLE durch Tokyo, nur ich nicht. Von Katharina habe ich bislang nur Tweets und Fotos mitbekommen, Herr Paulsen legt in seinem Blog vor:
“Tokio (1): Der Tag an dem ich aufhörte, außerhalb Japans Sushi zu bestellen”.

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Auch eine Art “Was machen die da?”:
“Eine Bestatterin erzählt”.

Journal Montag, 9. Februar 2015 – Schlipfa

Dienstag, 10. Februar 2015

Die fette Ente vom Vorabend brachte sich beim Crosstrainerstrampeln in Erinnerung – deutlich unangenehmer als sie in köstlicher Realität gewesen war. Vielleicht hätte ich als Aperitiv nicht unbedingt kroatische Riesengrieben snacken sollen.

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Die Mittagspause zum Einkaufen genutzt: In den vergangenen zwei Wochen hatten sich vier Unterhosen verabschiedet (“Schlipfa” – das Deutsch meiner polnischen Oma selig hat sich unauslöschlich in meine Assoziationskette graviert), nach höchstens fünf Jahren Einsatz.

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Dieses stete schlechte Gewissen über die Abwesenheit von Lebensfreude. Muss eine Mutation sein, ist doch Lebenswillen um so ziemlich jeden Preis definitorisch fürs Menschsein, wenn nicht sogar Lebewesensein. Dagegen, seit ich denken kann, die Sehnsucht nach Nichtsein, unter der Last des Seinmüssens. Wo doch bei all diesen Privilegien Lebensfreude geradezu ein Reflex sein müsste. Als Ersatz Erleichterungen: Es geht ja vorbei. Wieder ein Tag geschafft, eine Woche, ein Jahr. Zumindest keine Nachkommen damit belastet.

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Schon länger verstehe ich nicht mehr, wovon das “Beruf & Karriere”-Ressort der Süddeutschen Zeitung schreibt: Im Mittelpunkt stehen hier fast ausschließlich die immer intensiveren Bemühungen der Arbeitgeber, Stellen zu besetzen. Auf welchem Planeten nochmal? Inzwischen denke ich mir: Klar, wer ausschließlich die 0,01 % haben will, die zu 99,8 % ins vorher gebaute Stellenprofil passen, tut sich schwer. Dem stehen gegenüber die Tausende, die das Zeug dazu haben, mit denen man es mal probieren könnte, die interessant sind und spannend – den Rest könnte man ihnen schon noch beibringen. Ich fürchte, diese Haltung gibt es auf Arbeitgeberseite überhaupt nicht mehr.

Eine der Konsequenzen:
“Arbeitslose Akademiker
400 Bewerbungen und kein Job”.

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Frau Julie schreibt wieder von der Berlinale – verlässlich hinreißend. Man kann nämlich mangelhafte Filme auch ohne Häme und Zynismus bloßstellen.
“Berlinale 2015 – Christian Bale auf der Suche nach dem Sinn des Lebens”.

Wenn Männer zu sehr leiden – unter Frauen mit Modellkörpern in High Heels, die nur schnellen unverbindlichen Sex wollen, zu viel Geld, zu viel Erfolg – dann gehen sie in eine Geröllwüste und starren Felswände an. Manchmal stehen sie auch am Meer und starren in die Wellen. Oder sie heben den Kopf gen Himmel und starren in die unendlichen Weiten. Und stellen Fragen. Die Stimmen im Kopf kommen direkt aus dem Off zu uns. Einzelne Worte. Manchmal auch ganze Sätze. Das Meer rauscht, der Wind singt sein ewiges Lied, im Weltall nur interstellares Rauschen. Vater. Bruder. Erinnere Dich. Gott. Verzeih mir.

(…)

Männer! Was lernt ihr daraus?

Wenn Sie ernste Dinge sagen wollen, flüstern Sie! Lassen Sie sich Zeit. Sprechen Sie mit langsamer, tiefer Stimme. Bilden Sie Einwortsätze. Spüren Sie dem Klang Ihrer Stimme nach. Gucken Sie traurig. Fixieren Sie einen Punkt in der Ferne. Starren Sie. Stehen Sie dabei in einer Wüstenlandschaft, signalisieren Sie Einsamkeit. Auf einem belebten Boulevard, unterstreichen Sie ihre Verlorenheit in der materiellen Welt, die nicht (länger) die ihre ist. Weinen Sie. Verzichten Sie auf keinen Fall auf käuflichen Sex. Atmen Sie. Schwer. Schnaufen Sie richtig tief durch. Gehen Sie auf Partys und langweilen Sie sich dort demonstrativ. Sehen Sie einem gehbehinderten Pelikan hinterher.