Archiv für März 2016

Journal Donnerstag/Freitag, 17./18. März 2016 – Frühlingsurlaub im Broeding

Samstag, 19. März 2016

Donnerstag wurde es endlich wärmer. Beim meinem morgendlichen Gang in die Arbeit (nach Crosstrainerstrampeln) war die Theresienwiese zwar noch gefroren, auf dem Heimweg hatte die Luft aber ins Milde umgeschlagen.

Morgens freute ich mich beim Ausmisten der Zeitung an einem Brutalkalauer in der Karstadt-Werbebroschüre (die Agenturleute highfiven wahrscheinlich bis heute stündlich, dass sie den Kunden dazu bekommen haben):

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Der Freitag begann sonnig, ich legte morgens nochmal eine Runde Bauch- und Rückentraining ein. Die Bavaria sah naturtrainiert wie immer aus.

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Nachmittag vom Tod Guido Westerwelles erfahren; auch mir war er nach Jahren des Kopfschüttelns über seine Politik durch seine Krankheit menschlich nahe gekommen, unter anderem durch das Spiegel-Interview vergangenes Jahr.

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Freude auf dem Heimweg: Die leicht gestiegenen Temperaturen hatten endlich die Veilchen hervorgelockt.

Abends lange befreutes Essen mit Herrn Kaltmamsell im Broeding. Die Süddeutsche hatte kürzlich über das Lokal geschrieben – zum Glück hatten wir schon vorher reserviert, denn erfahrungsgemäß ist nach einem Lob der Süddeutschen auf Monate kein Tisch mehr in einem Restaurant zu bekommen.

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Als Aperitif ließen wir uns einen hefigen, trockenen Prosecco empfehlen, der auf der Maische vergoren wurde – war mir ein wenig zu apfelmostig.

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Der Gruß aus der Küche war ein köstliches Scheibchen marinierte Lammoberschale auf Wirsing.

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Diesen Knaller an Weißwein gab es zum Pflaumen-Karamell-Schwein mit Spitzkohl: einen ebenfalls maischevergorenen Heinrich Grauen Burgunder Freyheit. Für mich ein gelungenes Beispiel für low interference-Wein (wieder ein neuer Begriff, der als Bezeichnung für diese aktuelle Bewegung getestet wird): gleichzeitig fruchtig-pflaumig und rau. Meine Weinentdeckung des Abends.

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Der Schweinebauch verstand sich prächtig mit dem Wein.

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Eine wunderbar runde Selleriesuppe mit Shiitakepilzen und Topinamburchips, begleitet von einem trockenen Tokaji Kikelet Furmint (hier eine Geschichte über die Winzerin – Sommeliere Anna Flohr hatte uns von der Lage hinter deren Haus erzählt, auf der dieser Wein gewachsen war).

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Zu diesem knusprigen und zarten Saibling auf Bärlauchsoße und mit Roten Beten und Mönchsbart gab es einen Riesling aus der Wachau von Martin Muthentaler – der pferdefurzigsteanimalischste Riesling, den ich je im Glas hatte. Passte mit seiner Säure und Frische wunderbar zu den mildesten Roten Beten.

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Die Zweierlei vom Bauergockel waren ein Traum – vor allem das Ragout aus dunklem Hähnchenfleisch, das eine Zitrusnote hatte: Eine Nachfrage in der Küche ergab, dass die Schale von Salzorangen verwendet worden war. Auch das Kürbiscouscous und der Spinat schmeckten köstlich. Als Wein dazu gab es einen Wenzel Pinot Noir vom Neusiedlersee, und zwar den Kleinen Wald, Muschelkalk (Direktlink wegen Navigationsspielereien der Website nicht möglich).

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Einen burgenländischen Kracher K gab’s zum Gorgonzola mit intensivem Rosmaringelee und Rucola auf Kümmelbrot – sehr interessant, eindeutigen Süßwein in der Nase zu haben, der im Mund dann aber kaum süß war.

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Richtig süß wurde es im Glas zum Dessert (das Vordessert in Form eines Klops’ Mangoeis vergaß ich zu fotografieren, so spannend waren die Ausführungen von Andreas Röhrich zum Wein): eine Velich Seewinkel Beerenauslese 2010. Das Dessert war eine angenehm schwere Vanillemousse mit Portweinbirnen.

Zu einem Espresso konnte ich Herrn Kaltmamsell noch überreden (ihm fielen bereits die Augen zu, doch im Broeding ist auch der Espresso sehr gut – ein Detail, an dem ich schon viele sonst sehr gute Lokale versagen habe sehen), dann brachten wir einander heim.

Journal Mittwoch, 16. März 2016 – Doraden

Donnerstag, 17. März 2016

Der Tag begann düster und wolkenverhangen, wurde aber ab Mittag immer sonniger. Kalt blieb es.

Den Morgen begann ich mit ein wenig Hanteltraining vor dem Fernseher – nachdem die Wochen zuvor mein Sportrhythmus deutlich langsamer geworden war, versuche ich jetzt wieder Regelmäßigkeit reinzukriegen. Zu Fuß in die Arbeit. Auf der Theresienwiese wird immer noch ein Stück Asphalt erneuert; als ich letzthin recherchierte, wann die Arbeiten endlich fertig werden, stellte ich fest, dass so eine “Sanierung” sieben Monate dauert. So schnell lache ich nicht mehr über den Berliner Flughafen.

Auf dem Heimweg besorgte ich beim Verdi Doraden als schnelles Abendessen zum Salat aus dem frisch geholten Ernteanteil.

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Das war nun das zweite Mal diese Woche, dass ich nach der Arbeit das Nachtmahl gekocht habe – Herr Kaltmamsell lässt bereits die Flügel hängen und fühlt sich überflüssig.

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Bald gibt es James Rebanks’ A Shepherd’s Life auch in deutscher Übersetzung: Mein Leben als Schäfer.

Vielleicht mögen Sie Herrn Rebanks (uns seinen beiden Hunden) ein paar Minuten beim Schäfern zusehen?

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https://youtu.be/dr6O4EIz670

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In der jüngsten Wochenendausgabe der Süddeutschen erklärte ein ausführlicher Artikel, warum die Versprechen der Kosmetikindustrie gar nicht stimmen können (unter anderem: Um die Ergebnisse zu erzielen, mit denen sie wirbt, müssten die Produkte so tief ins Gewebe eindringen, dass eine Zulassung als Arzneimittel nötig wäre).
Kostenlos lesbar ist davon das Interview mit Ursula Loggen, wissenschaftlicher Leiterin des Bereichs Ernährung, Kosmetik und Gesundheit bei Stiftung Warentest:
“Schöner Schwindel”.

Was übrigens nicht heißt, dass Sie nicht 150 Euro für ein Töpfchen Gesichtscreme ausgeben sollen – das folgt lediglich demselben Marken-Mechanismus, das Menschen mehrere Tausend Euro für eine Handtasche oder mehrere Hundertausend Euro für einen Pkw zahlen lässt. Die Creme macht wissenschaftlich belegbar mindestens zu schön wie die Tasche und das Auto.

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Fast sechs Jahre alt, aber ausgesprochen lesenwert: Alexander Gorkow interviewt Sylvester Stallone.
“‘Ich war ein Idiot.'”

via @alex_ruehle

Journal Sonntag, 13. März 2016 – Augsburger Geburtstagsessen

Montag, 14. März 2016

Morgen bei Elterns: Zusammen mit Herrn Kaltmamsell Papas neues Dumbphone mit Pre-Paid-Tarif von Tchibo in Betrieb genommen, eine durchaus komplexe Angelegenheit. Bis zum Abend hatten wir noch nicht alle Hürden erfolgreich genommen, am abschließenden Laden des bereits bezahlten Guthabens aufs Handy scheiterten wir – es tauchte einfach nicht als Guthaben auf. Solche Geschichten kenne ich ja bislang nur vom Lesen im Techniktagebuch; es kann doch wohl nicht angehen, dass das derart kompliziert ist. Zumal wir alle wollten, dass mein Vater bis spätestens Freitag überall erreichbar ist und überall telefonieren kann, weil er da nämlich ins Krankenhaus muss.

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Auf der Autofahrt mit meinen Eltern nach Augsburg auf Wiesen Rehe gesehen und Störche, kurz vor der Ausfahrt Lechhausen einen Bussard am Himmel.

Geburtstagessen bei Schwiegers mit Lachstatar, Rinderfilet, Maultaschen, Rosenkohl, Granatapfelquitten – und drei Torten zum Nachmittagskaffee.

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Problemlose Zugfahrt nach Hause. Daheim banges Linsen auf die Landtagswahlergebnisse in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Mein Befürchtungen bewahrheiteten sich mit überall gut zweistelligen Stimmenprozenten für die AfD, aber ich merkte, dass ich mich nicht mehr so persönlich bedroht fühlte (mit meiner nicht-deutschen Abstammung) wie damals von den Republikanern. Jetzt hoffe ich vor allem, dass sich die Politikneulinge in den Landtagen selbst zerlegen.

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Mal wieder eine schön recherchierte Geschichte, wie die Zuschreibung von Geschlechterunterschieden funktioniert:
“Über die Erfindung der Handarbeiten als weiblich”.

via @kittykoma

Genau so etwas zahlt auf meinen Feminismus ein: Eine Hauptgefahr des Sexismus besteht in Zuschreibungen und Stereotypen. Statt Menschen individuell zu betrachten, werden sie als Bestandteil einer Gruppe gesehen, werden die vorgefassten Eigenheiten dieser Gruppe auf sie projiziert. Aber sicher gibt es Geschlechterunterschiede, die zum Beispiel bestimmte Krankheiten wahrscheinlicher machen. Doch Verhalten, Vorlieben, gesellschaftliche Rollen, Ziele, Wünsche und Träume daraus abzuleiten oder gar vorzuschreiben (auch elterliche Erwartungshaltung ist Vorschrift) ist Unterdrückung.

Handelt es sich um weiblich konnotierte Eigenheiten, geht gerne Abwertung damit einher: Wenn textile Handarbeit heute als Mädchenkram oder typisch weiblich angesehen wird, bedeutet das implizit eine Abwertung gegenüber echtem Handwerk oder gar Kunst.

Journal Samstag, 12. März 2016 – #12von12

Sonntag, 13. März 2016

Vom 12. des Monats 12 Bilder posten – das ist #12von12. Ästhetisch anspruchsvolle Fotos kamen diesen Monat nicht heraus.

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Während der Morgenkaffee noch durchlief, lief auch schon die erste Maschine Wäsche (hell, 40 Grad).

160312_04_Waesche

Bis ich ausgiebig gebloggt und Internet gelesen hatte, war die Wäsche durch und aufgehängt (bis auf den Bettbezug, der im Trockner trocknete).

Der graue Himmel und die Kälte machten nicht gerade Lust aufs Laufen, aber ich erinnerte mich daran, wie gut mir ein Lauf immer tut, außerdem fiel mir eine Route ein, die ich schon seit Jahren nicht mehr gelaufen bin: quer durch die Innenstadt.

160312_06_Thalkirchen

Ich nahm die U-Bahn nach Thalkirchen und ging dort im Untergrund erst mal aufs Klo: Ohne Vandalisierung durch sommerliche Isargriller war die öffentliche Toilette pikobello.

160312_10_Muellersches

An der Aussicht aufs Müller’sche Volksbad war ich schon seit Jahren nicht mehr vorbeigelaufen.
Ich trabte so leicht und vergnügt, dass ich die Strecke immer nochmal verlängerte; laut App stieg ich erst nach über zwei Stunden und mehr als 20 Kilometern am Tivoli in die Straßenbahn zurück.

160312_18_Badewanne

Daheim löste ich die müdegelaufenen Beine in heißem Badewasser. (Eigentlich hatte ich das klassische Badewannenfoto mit keck herausragenden Zehen aufnehmen wollen, aber so liege ich nie in der Badewanne: Meine Zehen würden kalt. Lieber sinke ich tief und winkle die Knie ein wenig an, um möglichst meinen ganzen Körper unter heißem Wasser zu haben.)

160312_21_Fruehstueck

Frühstück!

160312_23_Zugfahrt

Am späten Nachmittag machte ich mich mit Herrn Kaltmamsell auf den Weg zu einer Familiengeburtstagsparty bei Ingolstadt.

160312_25_Zugfahrt

Nach 20 Minuten Fahrt hielt der Zug recht abrupt auf freier Strecke. Erst wurde als Grund Gegenstände auf dem Gleis genannt, dann Polizeieinsatz, dann Tiere auf dem Gleis – so oder so: Weiterfahrt verzögere sich auf unbekannte Zeit.

Zum Glück hielten sich unsachlicher Protest und Spekulationen im Großraumabteil in Grenzen, zum Glück hatten wir beide genug zu lesen dabei, zum Glück hatten wir Licht und Wärme, zum Glück hatte die Verzögerung für uns keine wirklich unangenehmen Folgen (wie sie sie zum Beispiel bei einer beruflichen Fahrt gehabt hätte).

160312_27_HBF_Ingolstadt

Mit 100 Minuten Verspätung kamen wir doch noch an (abschließende Erklärung war “a Viech” auf dem Gleis gewesen), meine liebe Mutter holte uns mit dem Auto ab und brachte uns zur Party.

160312_30_Barbaraparty

Gegessen, getrunken, geplaudert.

160312_31_Elternhaus

Ein Taxi brachte uns in mein Elternhaus zum Übernachten (am Sonntag geht es gemeinsam mit meinen Eltern zu einer weiteren Geburtstagsfeier).

160312_33_Elternhaus

Einschlafen im Gästezimmer (das vor langer Zeit das Zimmer meines Bruder gewesen ist).

Journal Donnerstag, 10. März 2016 – Freien Tag ausgekostet

Freitag, 11. März 2016

Fröhlich und ausgeschlafen aufgewacht, auf den freien Tag gefreut.

Nach dem morgentlichen Bloggen und Kaffeetrinken guckte ich einen Vortrag von Mary Beard in Stanford fertig (der Tab ist seit Wochen offen, am Vorabend war ich nach den ersten 20 Minuten zu müde für konzentrierte Aufmerksamkeit):
“Mistaken Identities: How to Identify a Roman Emperor”.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/2-JelaK-bAA

Wieder holt Beard das Interessanteste aus Irrtümern und Nichtwissen heraus. Daran, welche historischen Personen über die Jahrhunderte römischen Büsten und Statuen zugewiesen wurden, legt sie dar, wie viel diese Zuweisungen über die Zuweiser und ihre Zeit aussagen, wie wir bis heute auf der Basis unserer Voreingenommenheit forschen (und das alles, wie sie nur halb im Scherz erklärt, weil wir es nicht ertragen, wenn im Museum 99% der römischen Statuen “unknown Roman” heißen).

Zunächst nimmt sie sich als Beispiel Julius Cäsar vor. Unter anderem weist sie darauf hin, wie jede westliche Kunsthistorikerin von heute ihre Vorstellung vom Aussehen des Herrn sehr wahrscheinlich von der Zeichnung in Asterix hat.

Dann geht es um angebliche Darstellungen von Kaiser Augustus. Beard zitiert die Theorie von Augustus-Portraits, die als Vorlagen ins römische Reich hinausgeschickt wurden – und nimmt sie auseinander: Es gibt keinerlei Beweise dafür. Wo wir doch sonst jedes Detail über den Verwaltungsapparat von Augustus und das Leben seines Haushalts wissen, bis hin zu den Friseuren.

Oder der berüchtigte Kaiser Vitellius, dessen Portrait Kunstgeschichte machte – obwohl er es gar nicht war. Immer wieder aber betont Beard auch hier (und mit Beispielen), dass unsere heutigen Identifikationen keineswegs besser sein müssen als bereits getätigte alte: “It’s always work in progress.”

(Außerdem habe ich bei dieser Gelegenheit die Aussprache von ein paar Fremdwörtern im Englischen gelernt, die ich offensichtlich bislang nur geschrieben kannte.)

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Durch kalten Hochnebel zum Schwimmen geradelt, unterwegs Bücher im Laden abgeholt. Schwimmen war gut und schnell. In aufkommender Sonne an der Münchner Freiheit beim Orthopäden Einlagen abgeholt, Wacholderschinken gekauft zum Frühstück.

160310_01_Schinkenbrot

Wurschtbrot mit Schwarztee lässt mich immer an meine polnische Oma denken: Das gab es bei ihr zum Abendbrot – allerdings war das klassisch Semmeln mit Butter und Schinkenwurscht.

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Auf dem Weg zu Lebensmitteleinkäufen spazierte ich zu dem Vorhangstoff, den ich am Samstag entdeckt hatte – und den ich mir seither fürs Wohnzimmer vorstelle.

160310_03_Vorhangstoff

Die Federn sind aufgestickt, je etwa 12 cm hoch. Ich ging in den Laden, besah den Stoff aus der Nähe, las den Preis ab (die Verkäuferin war anderweitig beschäftigt): Uiuiuiui.
Aber in Wohnungseinrichtung investieren wir ja praktisch nie (außer vielleicht den Preis für einen Kleinwagen in eine neue Küche – aber das ist ja nicht Einrichtung, sondern… Haustechnik).

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Dank Sonne und winterkahler Bäume sah ich den eigentümlichen Bau der Alten Hauptfeuerwache von 1904 mal im Ganzen.

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Freute mich aber auch an Details.

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Auf dem sonnenbeschienenen Sessel im Wohnzimmer den Stapel Zeitungen der vergangenen Woche weggelesen.

Zum Abendessen Ofengemüse aus Karotten, Roten Beten, Pastinaken und Lauch des Ernteanteils, gewürzt mit Salz, Thymian, Knoblauch, Olivenöl. Dazu Butterbrot.

Herr Kaltmamsell kehrte von seiner Dienstreise zurück, ich ließ mir erzählen.

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Schöne Fotoserie: Alte Menschen in Draußennatur.
“Portraits Of Seniors In Nature By Karoline Hjorth and Riitta Ikonen”.

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Mein Internet bleibt das gute, schöne Internet. Wo Geschichten wie die passieren, die Herr Haltungsturner erzählt:
“Wie Twitter unseren Hund rettete”.

Journal Sonntag, 6. März 2016 – schneidende Kälte

Montag, 7. März 2016

Das Krähennest im der Kastanie vorm Balkon wird möglicherweise heuer wiederverwendet: Krähe bei Erkundung gesichtet.

Kunstgeschichtliche Hausarbeit nochmal sorgfältig gelesen.

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Raus an die Isar: Englisch bunter Himmel oben, Scheißkälte mit schneidendem Wind unten – ich sehnte mich nach der Milde des Dezembers.

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Laufen war eher anstrengend, diesmal schmerzte die Achillessehne in der Bandage schon auf der Strecke.

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Nach kurzem Frühstück zur Kunsthistorikerin geradelt, um die Arbeit zu besprechen und mich mit Kuchen und Tee füttern zu lassen.

Daheim Telefonat mit Mutter, dann Abendbrot zubereitet: Hirschgulasch mit Kartoffelpüree, Apfelpudding mit Himbeersirup.

Journal Samstag, 5. März 2016 – WMDEDGT

Sonntag, 6. März 2016

Am 5. jedes Monats möchte Frau Brüllen wissen: Was machst du eigentlich den ganzen Tag?, abgekürzt WMDEDGT, deshalb in noch ermüdenderer Ausführlichkeit als sonst:

Gestern schlief ich erst mal aus und blieb im Bett bis acht.

Ich machte Herrn Kaltmamsell und mir Milchkaffee auf der Basis von Cafetera-Espresso, bloggte und hatte dann endlich Zeit für eine ausführliche Betrachtung der Oscar-Kleider bei Go fug yourself. Wobei das größte Vergnügen ja in den Assoziationsketten der Autorinnen liegt, zum Beispiel bei der Ablehnung dieses Kleids.

Und falls Sie sich wie ich immer wieder fragen, wie’s Faye Dunaway geht: Hier ein aktuelles Bild von der Vanity Fair Party. (Ich dachte zum Beispiel letzthin beim Columbo-Gucken an sie (kommt auf ZDF Neo immer vor dem Abendessen).)

Diese doofen breiten Ausschnitte bis zum Gürtel scheinen ein Motto gewesen zu sein – so viele habe ich noch nie bei den Oscars gesehen. Vielleicht sind wir hiermit durch damit? Bitte?

Beim Klicken durch die Bilder merkte ich, dass mich die Frauen am meisten interessierten, die keinen Idealkörper haben, ob nun vorübergehend (Schwangerschaft) oder dauerhaft: So schön die Roben selbst auch sind – ästhetisch interessant wird’s, wenn sie sich auf einen individuellen Körper einstellen müssen.

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Duschen, anziehen, Rucksack und Einkaufszettel geschnappt, raus zum Einkaufen (was wer am Wochenende kochen würde, hatte ich schon an Vorabend mit Herrn Kaltmamsell vereinbart). Ich musste zwei Runden machen, weil ich eine Idiotin bin.

Geld geholt im Untergrund am Sendlinger Tor, beim Herrmannsdorfer Speck und Brotzeitwammerl, auf dem Viktualienmarkt zwei große Artischocken. Dann spazierte ich zum Glockenbachviertel. Ich war bester Stimmung, weil ein wenig die Sonne schien, weil ich einen wunderschönen Vorhangstoff mit eingestickten Federn bei Les Tissus Colbert in der Blumenstraße gesehen und mich der Bäckereiverkäufer bei Dompierre mit “What a lovely lady!” angeschäkert hatte1, als mir kurz vorm Tengelmann auffiel, dass ich auf dem Viktualienmarkt den wichtigsten Punkt auf meiner Einkaufsliste vergessen hatte: das Hirschgulasch für Sonntag. Von fröhlich zu Selbsthass in unter drei Sekunden: Kein Problem für mich.

Also zog ich nach Abladen der ersten Einkäufe nochmal los auf anderer Route zum Vikutalienmarkt, um Hirschgulasch zu besorgen. Auf dem Rückweg kaufte ich beim Alnatura an der Sonnenstraße Knoblauch, Milchprodukte, Eier, außerdem Grüntee für die Arbeit. Und vergaß zum Beleg für mein Idiotentum fast meine Handschuhe dort.

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Daheim kochte ich Lemon Curd nach dem Rezept meiner englischen Studienfreundin Helene (mit dem sie bei einem örtlichen Wettbewerb schon mal gegen eine später Zweitplatzierte in The Great British Bake Off gewonnen hat!). Allerdings basiert es auf Zubereitung in der Mikrowelle – die ich nicht habe (nichts Ideologisches, ich will bloß kein weiteres Riesentrumm in der Küche haben und vermisse sie nicht). Also guckte ich bei Lemon Curd-Fan Anke nach einer alternativen Methode, ließ aber das Wasserbad weg: Ich erinnerte mich nämlich, dass Ei bei 80-83 Grad Celsius eindickt, und rührte das Gemisch so lange auf mittlerer Hitze, bis es diese Temperatur hatte.

Das dazu verwendete Zuckerthermometer ist eine Erinnerung an Herrn Kaltmamsells monatelange Experimente mit Fudge-Rezepten, britisch und amerikanisch. Ich verwende es regelmäßig, unter anderem bei der Joghurtherstellung. Die Temperatur von über 80 Grad bedeutet übrigens auch, dass das Ei im Lemon Curd nicht mehr roh ist und man das (den?) Curd ein paar Wochen im Kühlschrank lagern kann. Wie von Helene geraten, rührte ich abschließend einen Esslöffel Drambuie ein – gute Idee. (Nein, ich weiß nicht, warum nochmal wir eine Drittel-volle Flasche Drambuie im Schrank stehen haben.)

160305_05_Lemon_curd

Frühstück!
Helene hatte auch notiert, dass sie mal Curd aus dem Saft frischer schwarzer Johannisbeeren gemacht habe: “It was seriously yummy!” Wird im Hochsommer ausprobiert.

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Ein paar Bücher online bestellt – per E-Mail beim Buchladen Tucholsky, wo ich sie nächste Woche nach der Arbeit abhole. Auch nicht umständlicher als ein Gang zur Packstation.

Twitter hinterhergelesen – die Tweets seit Samstagabend, bereits angeklickte Artikel daraus von mehreren Tagen.

Eine weitere höchst spannende Hausarbeit einer Nachwuchskunsthistorikerin gegengelesen, mit Genuss und Belehrung.

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Auf Twitter erfahren, dass Monika, Frau Gedankenträger, ihren Sohn John in der Nacht auf Samstag verloren hat. Das erschüttert mich schwer: Über das Blog seiner Mutter verfolge ich ja Johns Leben seit über zehn Jahren. Ich habe von ihm und seiner Mutter unglaublich viel über Autismus gelernt, das Buch Tomorrow Can Wait mitfinanziert und begeistert gelesen. Oh nein, das ist so furchtbar. Ich hätte John so gern erwachsen werden sehen. Das Buch empfehle ich immer noch und hoffe, dass die Menschen aufhören, “autistisch” als Beleidigung zu verwenden – oder es Menschen zuzuschreiben, deren zwischenmenschlicher Umgang ihnen seltsam vorkommt.

Zum Gedankenfließenlassenkönnen gebügelt.

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Den Abend läuteten Herr Kaltmamsell und ich mit Cosmopolitans ein.

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Der Herr hatte sich noch daran erinnert, dass dieser Cocktail sehr betrunken macht, ich war überrascht.

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Zur Vorspeise Artischocken mit selbst gemachter Knoblauchmajo (verdünnt mit Joghurt), zubereitet von mir.

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Dann Selleriegratin (Sellerie aus Ernteanteil), zubereitet von Herrn Kaltmamsell.

Dazu guckten wir übers Internet die letztwöchige Folge Kitchen impossible an, von der so viel geschwärmt worden war.

Nun habe ich ja keinen Vergleich, weil mich Fernseh-Kochshows nicht interessieren und ich die anderen nicht kenne. Aber dieses Konzept fand ich ganz spannend, unter anderem das nicht-lineare Erzählen: Dazwischen wird immer wieder gezeigt, wie die konkurrierenden Köche zusammen ansehen, was von ihnen bei ihren Abenteuern gefilmt wurde.
Worüber ich immer wieder bei Fernseh-Non-fiction stolpere: Dass das Kamerateam nicht thematisiert wird. Juan Amador wird beim Trampen in Finnland nicht mitgenommen? Klar: Wenn ich einen Mann plus Kamerateam am Straßenrand stehen sehe, halte ich auch nicht an. Amador steigt in ein Auto, das endlich hält, und fährt los – und in der nächsten Aufnahme sitzt das Kamerteam offensichtlich auf dem Rücksitz und filmt ihn im Gespräch. Ich fühlte mich verarscht. Im Theater spricht man ja von der unsichtbaren vierten Wand, der zum Publikum – gibt es im Fernsehen eine unsichtbare zweite, hinter der das Kamerateam steht?
Das soll sich jetzt aber nicht so lesen, als glaubte ich, die Show sei nicht ohnehin von A bis Z durchgescripted.

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Schöne Leseentdeckung bei Maximilian Buddenbohm:
“Kleine Szenen (8)”.

  1. a) Komme ich in das Alter, in dem Verkäufer nicht mehr befürchten müssen, ich könnte solche Kommentare anders als scherzhaft auffassen, b) schreitet die Prenzlauerbergisierung des Glockenbachviertels voran, so dass auch hier Lehrer ihre Schüler bald mit dem Argument zum Englischlernen bringen, dass sie sonst keinen Kaffee bestellen können. []