Journal Freitag, 4. November 2016 – Vergiftetes Balzverhalten

Samstag, 5. November 2016 um 8:52

Da ich nach der Arbeit noch ein paar Besorgungen vorhatte, nahm ich das Rad. In der Abenddämmerung nach einem wundervoll sonnigen Tag eine Stunde in Neuhausen und Schwabing unterwegs gewesen – wunderbare Gerüche, großartiges Licht.

Auf der Suche nach einer bestimmten Spirituose suchte ich einen Weinladen auf, den ich bis dahin nur vom Vorbeifahren kannte – vielleicht gab es da ja auch interessante Schwerpunkte an Wein. Die Spirituose bekam ich, doch in einer Weinhandlung, die durchdringend nach Zigarettenrauch riecht, will ich mich sicher nicht weiter umsehen.

Zum Nachtmahl bereitete Herr Kaltmamsell Entenbrust zu, mit Blaukraut und Äpfeln aus Ernteanteil. Zum Nachtisch gab es einen Pastinaken-Buttermilch-Pie, mit dem er noch mehr Ernteanteil aufgebraucht hatte.

§

“7 Reasons So Many Guys Don’t Understand Sexual Consent”.

Eine sehr wichtige Beobachtung und das Pragmatischste, was ich bislang zum Thema gelesen habe. Das immer noch gängige Narrativ der Filme und Geschichten unserer Kultur lautet nämlich: Ein echter Mann zwingt Frauen seinen Willen auf, woraufhin sie sich in ihn verliebt / Frauen müssen abweisend und unnahbar spielen, um begehrenswert zu sein. Das gehört für mich definitorisch zu dem, was ich unter rape culture verstehe.

Long before I was old enough to date or even had female friends, it was made more than clear: In any relationship, men are the predators, women are the prey. Their expressions of fear and rejection — including defensive physical attacks — are a coy game to be overcome, like a tricky clasp on a bra.

(…)

Women gain power through rejecting men, and those rejections have nothing to do with how they truly feel.

(…)

If someone had come in and told teenage me that “groping” a woman or forcing kisses was a form of sexual assault, I’d have been very, very confused. You just called most of the action heroes of my childhood serial rapists! “And what if it makes her fall in love with him?”

(…)

The alternative is to recognize that ridding guys of toxic attitudes toward women is a monumental task. I’ve spent two solid decades trying to deprogram myself, to get on board with something that, in retrospect, should be patently obvious to any decent person. Changing actions is the easy part; changing urges takes years and years.

Die Aufzählung erinnert mich daran, wie ich sowas schon als Teenager “Spielchen” nannte und wie ich es schon damals verachtete: Ich muss irgendwas vorgeben? Warum nochmal? Und dass ein Mann meine expliziten Wünsche missachtet, soll ihn attraktiv machen? Kapiere ich nicht. Genauso wenig glaubte ich jemals den Mythos “Männer wollen nur das Eine”. (Oder ist es am End’ mein Fehler, dass ich nicht hinter jedem offensichtlichen Verhalten eine hidden agenda vermute?)

Die armen Hetero-Burschen. Ich erinnere mich an den an sich sympathischen Studenten, der während meines Studienjahrs in Wales auf einer Tanzfläche ernsthaft zu mir sagte: “You need somebody to take care of you.” Sonst begegnete ich eigentlich auch der bescheuertsten chat up line zumindest höflich (weil ich ja wusste, wie viel Unsicherheit und Mut meist dahinter steckten), aber in diesem Fall brach ich in haltloses Lachen aus: “Do I really look like I can’t take care of myself?” Es tut mir bis heute leid – ich hoffe, ich hatte genug deutschen Akzent, dass der Herr das unter “German lack of humour” verbuchen konnte.

§

Soso, der nächste klinische Versuch mit hormoneller Empfängnisverhütung bei Männern wurde abgebrochen, wegen zu vieler Nebenwirkungen (z.B. Akne, Stimmungsschwankungen). Das las sich für mich wie eine absolut erwartbare Nicht-Nachricht. Doch anscheinend stecken recht interessante Details dahinter, wie Laurie Penny berichtet:
“Are you man enough for birth control?”

Es waren nämlich nicht die Testpersonen, die den Versuch abbrachen, sondern die Forscherinnen und Forscher.

It seems to have been determined that these side effects are too arduous to make the product commercially viable. We can only speculate as to why this conclusion was arrived at. The bottom line is the assumption that men should never have to put up with even a fraction of the unpleasantness that so many women go through on a monthly basis in the name of preventing pregnancy — even if they’re willing to do so.

Which, it seems, many of them are. Speaking about this with friends and on social media, I was stunned by the number of men who said they’d be prepared to try out hormonal contraception — for all sorts of reasons. Some of them had partners who were unable to take the pill. Others simply wanted better protection from unwanted pregnancy. More than a few, seeing how their wives and partners suffered with hormonal birth control, said they’d be happy to take on that burden instead. Suspicious as I am of the “gentlemanly” agenda, that impulse strikes me as genuinely chivalrous in the most modern of ways.

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Freitag, 4. November 2016 – Vergiftetes Balzverhalten“

  1. Thomas G. meint:

    Ich fand diesen Blogeintrag einer praktizierenden Gynäkologin dazu interessant, die die hohe Rate der Nebeneffekte mit anderen Studien verglich:

    https://drjengunter.wordpress.com/2016/11/01/new-study-doesnt-show-men-are-wimps-about-contraception-side-effects-low-vasectomy-rate-might/

  2. Stedtenhopp meint:

    Wie hat Herr Kaltmamsell die Äpfel zur Ente zubereitet?
    Und das/der Blaukraut/Rotkohl ist selbstgemacht? Ich nehme an, die Gebrauchsanweisung dazu ist derart grundlegendes “Einmaleins”, dass sie in keinem Rezept steht, oder? [zieht sich zurück in die Koch-Analphabeten-Ecke]

  3. Herr Kaltmamsell meint:

    Für das Blaukraut habe ich verschiedene Rezepte im Web verglichen, um auf Anregungen und Garzeit zu kommen, und dann mit dem weitergemacht, was halt im Haus war: Blaukraut in Streifen schneiden, rote Zwiebel in Schmalz glasig dünsten, Blaukraut dazu, ein wenig anbraten; Portwein und Cranberrysaft dazu, gute halbe Stunde köcheln lassen. (Nächstes Mal: einen süßeren Saft nehmen, Apfel oder Kirsche. Ich musste mit etwas Marmelade gegen die Cranberrys arbeiten.) Pfeffer, Salz, etwas Nelke, etwas Piment.

    Die Äpfel: In Schmalz angebraten. (Zuerst passiert nichts, und dann werden sie schnell dunkel.) Mit etwas Orangenlikör abgelöscht und versüßt.

  4. Stedtenhopp meint:

    Vielen Dank, lieber Herr Kaltmamsell! Ihre Tipps sind hiermit gebookmarked und werden bei nächster Gelegenheit angewandt.

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