Journal Dienstag, 27. Dezember 2016 – Mallorquinische Frittierdiät
Mittwoch, 28. Dezember 2016 um 12:07Lange ausgeschlafen und zu strahlendem Sonnenschein aufgewacht. Darf so bleiben.
Das Draußen roch auf herrlichste Weise nicht nach Winter. Für den Morgenkaffee und erste Einkäufe spazierten wir zum Mercat de Santa Catalina. Herrn Kaltmamsell zwang ich zum Selberbestellen auf Spanisch, er machte das sehr gut (und guckt dabei immer so niedlich entschuldigend). Ich freute mich am Anblick der für mich typischen alten Damen, die sich selbst für ihre Markteinkäufe herausputzen, inklusive Stöckelschuhe, wuchtigem Goldschmuck und Sonnenbrille in Hollywooddivenformat.
Das Stadtviertel Santa Catalina stellte sich als besonders zauberhaft heraus.
Eine Türe in unserer Ferienwohnung.
In diesem sensationellen Jugendstilhaus ist eine ferretería untergebracht, also eine Eisen- und Haushaltswarenhandlung.
Weiteres Spazieren.
Gerade als ich Hunger und Appetit bekam, roch ich an der Uferpromenade Churros. Der Duft kam aus einer Bude, die auch neumodisches Zeug wie Crêpes und Waffeln verkaufte. Ich smalltalkte die junge Frau darin ein wenig auf Spanisch an, bevor ich ein Dutzend Churros bestellte, schon nannte sie mich cariño, lobte mich dafür, dass ich Zucker auf meine Churros wollte (selbstverständlich, nicht wahr, meinte sie, nur die Ausländer lehnen das ab) – ich fühlte mich als Einheimischenschaft-Schmarotzerin.
Diese Churros waren die fetthaltigsten meines Lebens, mein bis dahin leerer Magen verformte sich zu einem leicht vorwurfsvollen Fragezeichen. Die heiße Schokolade aus Tetrapack, die ich mir dazu in der Mikrowelle hatte heißmachen lassen, half nicht.
Wir besichtigten die Kathedrale von außen und innen, spazierten durch die Altstadt bis hinauf zur Plaça d’Espanya, sahen uns in der Lebensmittelabteilung des Corte Inglés um. Mir fiel auf, dass inzwischen wirklich alle Schilder auf Mallorquí beschriftet sind – das verstehe ich auf Basis meiner Castellano-Kenntnisse schon, kann es aber nicht aussprechen. Und trotz Kenntnis der kulturhistorischen und gesellschaftspolitischen Hintergründe befremdet mich, dass offensichtlich Separatismus eine so viel stärkere Kraft ist als das Bedürfnis, von möglichst vielen Menschen verstanden zu werden (die Mallorquí-Sprechenden können ja alle auch Castellano). Andererseits ist es ja genau dieser Separatismus, der meiner Ansicht nach in Spanien bislang die nationalistischen Bewegungen verhindert, die derzeit den gesellschaftlichen Fortschritt in anderen europäischen Ländern bedrohen.
Am Ende unseres Rückwegs sahen wir über dem Torrent de Sa Riera im letzten Licht Federmäuse.
Zum Abendessen waren wir verabredet: Zufällig verbrachten alte Bekannte aus Deutschland ebenfalls eine Winterfluchtwoche auf der Insel.
Im Fischlokal (Lob: die Speisenkarte war nach Herkunft der Fische sortiert) bestellte ich Gallo de San Pedro und wurde gefragt, ob ich ihn a la plancha wolle oder frito con cebolla. Ich entschied mich für zweites, war allerdings nicht darauf gefasst, dass frito nicht etwa gebraten, sondern frittiert bedeutete.
Nun, konnte mein Magen gleich mal den Umgang mit großen Fettmengen weiterüben (der Fisch verbarg sich in Stücke geschnitten unter dem Zwiebelberg und schmeckte sehr gut).
§
Wie es kommt, dass Frau Brüllen vielleicht demnächst ein Kochbuch unter dem Pseudonym Julienne Schneider heraus gibt:
“Mein Name ist Schneider. J. Schneider”.
13 Kommentare zu „Journal Dienstag, 27. Dezember 2016 – Mallorquinische Frittierdiät“
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28. Dezember 2016 um 14:33
Deine Gedanken zu zweisprachigen Straßenschildern finde ich interessant, ich denke mir dabei immer nichts. Aber das liegt vermutlich daran, dass ich einer Gegend aufgewachsen bin wo das Standard ist: In der Lausitz, da sind alle Schilder mit Deutsch und Sorbisch beschriftet, wobei meine Familie keine sorbischen Wurzeln hat und ich deswegen von der Sprache fast nichts verstehe.
28. Dezember 2016 um 15:16
Einen schönen Urlaub, darf man fragen, wo die Ferienwohnung zu finden ist ? Das Viertel ist wirklich schön
28. Dezember 2016 um 15:42
Die Schilder hier, Turtle, sind nicht zweisprachig, sondern nur Mallorquí, daher mein Befremden.
28. Dezember 2016 um 15:44
In Santa Catalina, Stephan.
28. Dezember 2016 um 18:26
Winterfluchtwoche ist ein wunderbares Wort :)
28. Dezember 2016 um 19:09
Palma, lange ist es her – mir gefiels sehr!
Lieblingssatz: *mein bis dahin leerer Magen verformte sich zu einem leicht vorwurfsvollen Fragezeichen.*
eine wunderhübsche Winterflucht!
28. Dezember 2016 um 21:06
Erinnerungsseufzer, da mir jener Ausblick oft gegönnt war…..
Die Rückkehr des Catalá setzte mit Macht Ende der 80er ein, wir bekamen das vor allem bei der schulischen Ausbildung der Kinder zu spüren.
Weiterhin schöne Tage und : bon profit!
28. Dezember 2016 um 21:36
Werte Frau Kaltmamsell,
Kakao muß man im Can Juan des Aigo trinken
http://www.canjoandesaigo.webs-sites.com/
Dann wird aus dem Fragezeichen im Bauch ein Ausrufezeichen.
Molt d´anys
die Dokse
29. Dezember 2016 um 11:31
Ich hab mich glaub ich schlecht ausgedrückt, … wo habt Ihr denn die Wohnung gebucht ( privat, Webseite ? ) Wenn es einen link gäbe wär super, bin auch gerade auf der Suche
29. Dezember 2016 um 18:49
Typisch mallorquinisch-La Taperia, carrer de Montenegro 10-mittagsmenü für 15,00 Euronen 3gängig, Kellerlokal mit tollen tapas
29. Dezember 2016 um 18:51
Gehobene mallorquinischen Küche im Es Baluard beim Museum
30. Dezember 2016 um 10:04
Ach so, Stephan, ich bin bei Airbnb fündig geworden: Hier gab es ein großes Angebot von Wohnungen in Santa Catalina.
30. Dezember 2016 um 10:42
Ich war ja dieses Jahr kurz vor Weihnachten deas erste Mal ausserhalb des Sommers im Süden und fand die Stimmung grossartig (und ien bisschen seltsam), ich lese und schaue das hier sehr gern mit an! Geniesst es.