Archiv für August 2017

Journal Mittwoch/Donnerstag, 9./10. August 2017 – PokémonGo-Kämpfe vor der Arbeit

Freitag, 11. August 2017

Der Mittwoch war komplett unerwähnenswert, vielleicht noch dass das Wetter schöner war als erwartet, sonnig und mild. Auf meinem Heimweg waren die Draußensitzplätze der Lokale gut besetzt. Zum Nachtmahl gab’s Rösti mit Lachs und Sauerrahm, serviert von Herrn Kaltmamsell.

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Weil ich gestern morgens nichts zu bloggen hatte, kam ich zehn Minuten früher als sonst aus dem Haus. Diese nutzte ich, um auf dem Fußweg in die Arbeit eine PokémonGo-Arena zu erobern und einen (Einzel-)Raid zu gewinnen – sonst sehe ich immer nur die Chancen um diese frühe Uhrzeit, mag aber aus Eile nicht stehen bleiben und sie nutzen.

Wieder sehr intensive Arbeit, draußen regnete es meist. Zudem war es so kühl geworden, dass ich für den Heimweg die Not-Strickjacke in meinem Büroschrank überzog.

Bei meiner Bank gab ich die Münzen aus unserer mal wieder vollen Urlaubskasse ab (Sie erinnern sich: Herr Kaltmamsell und ich leeren jeden Abend unsere Geldbörsen in einen Topf, egal, wie viele Münzen drin sind) und kaufte noch ein wenig Obst ein.

Daheim stand in der Küche der Dampf, denn Herr Kaltmamsell hatte Knöcherlsulz gemacht. Zum Abendbrot gab es Salat aus Ernteanteil.

Meinem Schmerz verursachenden gereizten Nackennerv geht es ganz, ganz langsam besser; inzwischen stört er zum Beispiel nicht mehr meinen Nachtschlaf.

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Der Lokalteil Fürstenfeldbruck der Süddeutschen berichtet über den Stand des Kartoffelkombinats:
“Gemüse für München”.
(Mit Foto unserer Gärtnerin Aurelia!)

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Ein mittlerweile entlassener Google-Mitarbeiter hat intern ein Manifest gegen die diversity-Politik seines Arbeitgebers veröffentlicht: Sie ignoriere die natürlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die der tatsächliche Grund für den geringen Frauenanteil in der Informatik seien, und richte deshalb Schaden an. (Stark verkürzt, seinen ganzen Text lesen Sie hier.)

Da der Autor scheinbar vernünftig argumentiert und ganz offensichtlich überzeugt ist von seinen Schlussfolgerungen, ist es umso wichtiger, die Studien und Zusammenhänge aufzuzeigen, die seinen Thesen wiedersprechen. Recht gut macht das Faruk Ateş mit seinem Post
“A Brief History of Women in Computing”.

Journal Dienstag, 8. August 2017 – Selbstbild als Skinners abergläubische Taube und Beifang aus dem Internetz

Mittwoch, 9. August 2017

(Jetzt, 22 Jahre nach meinem Studienabschluss, denke ich an jedem 8. August daran, dass in Augsburg Feiertag ist, Friedensfest. Während meines Studiums in Augsburg selbst war ich 8.8. für 8.8. wieder erstaunt, dass meine Einkaufsversuche an verschlossenen Geschäften scheiterten. Bis zuletzt.)

Nochmal ein wunderschöner Sommermorgen mit Augustfarben auf dem Weg in die Arbeit, über den Tag aber zog es zu, abends regnete und gewitterte es.

Ich ertappe mich dabei, wie der Schmerz meines Arms durch den eingeklemmten und gereizten Nerv im Nacken mich in Rituale treibt, die mich an Skinners abergläubische Tauben erinnert. Gestern bildete ich mir ein, sachtes seitliches Schaukeln lindere den Schmerz. Dabei war mit völlig egal, dass ich auf meinem Bürostuhl ausgesehen haben muss wie eine Fünfjährige, die dringend pieseln muss. Das Bild, das ich vor meinem inneren Auge hatte: Frau Anfasserin hatte mir eine Übung/Bewegung für den Arm gezeigt, mit der die Hülle des Hauptnervenstrangs gelockert werden soll. Ihr Lehrer habe die Art der sanften Bewegung verglichen mit “einer gekochten Spaghetti, die durch eine Zahnlücke gleitet”.

Vielen Dank für die vielen Tipps in den Kommentaren. Kann es sein, dass manche davon ebenfalls in der Taubentradition stehen?

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Auch dieses Jahr gehört zu den Urlaubsvorbereitungen, den Ferienort in die Wetter-App zu holen. Bislang kann ich mich freuen, dass es in Santiago de Compostela 17 bis 20 Grad hat statt der 32 bis 39 Grad in Madrid – ich fürchte mich nämlich davor, in Gluthitze wandern zu müssen.

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In der Süddeutschen hat Franz Kotteder Radiogeschichte festgehalten, nämlich die radikale Umgestaltung des Traditionssenders Bayern 1 vor einem Jahr:
“Mit Classic Rock an die Spitze”.
via @Deef

Sehr froh bin ich darüber, dass es das Mittagsläuten immer noch gibt. Das ist doch sowas wie der Seewetterdienst des Südens.

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Eine Reportage mit wundervollen Fotos über deutschsprachige Handwerksburschen auf der Walz in der New York Times. (Ich liebe es ja immer, wenn eine andere Kultur über meine schreibt.)
“Cleaving to the Medieval, Journeymen Ply Their Trades in Europe”.

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Ein Tipp auf Twitter führte mich zu diesem Archiv: Ein George Blood hat fast 26.000 alte 78rpm-Schallplatten digitalisiert und online gestellt. Ich wusste gestern Abend schier nicht, wo ich mit Anhören anfangen sollte. Vielleicht mögen sie in das herrliche “Don’t Let’s Be Beastly to the Germans” reinhören, ein Progagandalied aus dem Jahr 1941 von Noel Coward.

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Eigentlich setze ich ja all meine Schauspielkräfte darein, hier als bräsig bildungsbürgerliche Mitte zu erscheinen. Aber den gestrigen Tag gewann dann doch dieser Tumblr eines Herrn, der früh genug bei instagram einstieg, dass sein Vorname Nico noch als Account-Name zu haben war. Und der seither Kaufanfragen dazu bekommt:
“canihaveyourinstagramname”.

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Sie interessieren sich für unsere Genossenschaft Kartoffelkombinat? Spielen mit dem Gedanken mitzumachen? Dann empfehle ich Ihnen die Hofführung durch unsere Gärtnerei nächsten Sonntag.
Hier finden Sie Details.

Journal Montag, 7. August 2017 – Sommerlicht und Schmerzen

Dienstag, 8. August 2017

Ein wunderschöner Sommertag mit lediglich frühsommerlichen Temperaturen.
Mit einem letzten gemeinsamen Morgenkaffee verabschiedete ich den Übernachtungsbesuch, tiefe Freude im Herzen, dass dieser Mensch nach einer langen Lücke nun wieder in meinem Leben ist.

Der Arbeitstag beeinträchtigt von Schmerzen, die mich immer wieder mit einem Jaulen aufspringen ließen, wenn im Sitzen keine erträgliche Haltung mehr möglich war. Ibu half nichts, das lasse ich also. Auf dem Heimweg holte ich mir in der Apotheke Wärmepflaster (mechanisch) für Nacken und Schultern, Wärme war eine Empfehlung der Anfasserin. Mittlerweile erwarte ich nicht mehr, dass irgendwas sofortige Besserung bringt, ich erinnere mich, wie lange so ein gereizter Nerv braucht, sich wieder zu beruhigen. (Und meine geschätzte, vertraute Hausärztin ist im Urlaub.) Ich lasse vorerst alle Sportpläne fahren, die Schmerzen sorgen dafür, dass mir der Gedanke an Sport Unbehagen bereitet (das werfe ich ihnen fast am meisten vor).

Sommerfarben auf dem Heimweg.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell zwei Variationen der Kombination Lachs und Fenchel (als Tartar und als Auflauf). Mit Wärmepflaster ins Bett, ich freute mich weiter an der Pratchett-Lektüre.

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Erinnerungsfetzen aus jüngster Zeit:

– Die Wohnung mit einigen schönen Wanduhren in verschiedenen Stilen – die alle zu verschiedenen Zeiten stehengeblieben waren! Ich verbrachte meinen Aufenthalt dort in konstanter Irritation, weil ich als Uhrenlose seit Jahrzehnten auf jede sichtbare Uhr schaue, um mein Zeitgefühl zu kalibrieren.

– Beim Sonntagsspaziergang die Mehlschwalben über der Isar.

Journal Sonntag, 6. August 2017 – Spaziergang statt Film

Montag, 7. August 2017

Nach unruhiger Nacht (Armschmerzen) lang geschlafen, Frühstückstisch gedeckt. Herr Kaltmamsell holte Semmeln, ich machte die erste Runde Milchkaffee. Übernachtungsbesuch schlief noch viel länger, wachte erquickt auf, bereit für Frühstück und Gespräch. Draußen war über Nacht mit dem Regen die Temperatur so rapide gefallen, dass sich die Rotkehlchen unterm Meisenknödel fluffig aufplusterten.

Mittags ging der Besuch zu einer Verabredung, ich duschte und gammelte anschließend mit Internet und Buch. Am späten Nachtmittag war ich mit Herrn Kaltmamsell zu einem Kinobesuch verabredet, wir spazierten in einer Regenpause zu den Museumslichtspielen. Wo unser Wunschfilm Spiderman aber bereits ausverkauft war. Nun, dann erklärten wir das halt zu einem Sonntagsspaziergang und nahmen einige Umwege zurück, unter anderem über den alten Südfriedhof, wo wir einen PokékonGo-Raid verloren, aber ein Kangama und ein Incognito fingen. Und besonders hübsche Schnecken sahen.

Herr Kaltmamsell machte zum Abendbrot Libanesische Pizza mit Zucchini, schmeckte ausgezeichnet. Zum Nachtisch holte er uns noch große Eisbecher aus der nächstgelegenen Eisdiele. Nicht zu spät kam der Übernachtungsbesuch wieder, ich las im Bett weiter Terry Pratchett und amüsierte mich.

Ich stellte fest, dass noch viele andere die instagram-Kommentarfunktion unter Werbung nutzen, zum Beispiel um ihre schlechten Erfahrungen mit den beworbenen Produkten oder Herstellern zu teilen. Mal sehe, wie lange es dauert, bis instagram die Kommentarfunktion unter Werbung ausschaltet.

Journal Samstag, 5. August 2017 – WMDEDGT

Sonntag, 6. August 2017

An jedem fünften des Monats fragt Frau Brüllen: Was machst du eigentlich den ganzen Tag? Die Antworten auf ihr WMDEDGT für August sammelt sie hier.

Spät aufgewacht, weil ich eine nächtliche Migräne und das sie stoppende Triptan ausschlief.

Morgenkaffee gekocht, damit auf den Balkon gesetzt, es war bereits um neun unerwartet warm. Blogpost zu Ende geschrieben (das meiste schreibe ich schon am Vorabend). Schlafzimmer und Wohnung stückchenweise für Übernachtungsbesuch vorbereitet. Mich gefreut, dass der Arm deutlich weniger schmerzte als am Tag zuvor.

Ich überlegte hin und her, wie ich den weiteren Tag gestalten sollte: Laufen oder nicht? Was wäre gut für den Nackennerv? Was ließ sich überhaupt unterbringen? Ich entschied mich gegen Sport und für Entspannung (nicht dass mir nicht sofort Erledigungen einfielen, die ich in der Zeit abhaken konnte, die ich durch den Sportverzicht gewann).

Also las ich erst mal die Twittertimeline der Nacht hinterher, blickte immer wieder auf und genoss den Ausblick vom Balkon. Die alten Kastanien bergen einen ganzen Kosmos:
– Meisen, die raschelnd an den Miniermottenlarven der Blätter knurpseln.
– Eichhörnchen, die einander den Stamm rauf und runter jagen, in einer Astgabel sitzen bleiben und Körperpflege treiben.
– Möglicherweise eine Spechtschmiede (nur gehört, noch nicht gesehen)
– Der Kleiber, der auf den Stamm einklopft (erschreckend, wie morsch und hohl manche dicken Äste klingen).
Dazu die Vögel am und unterm Meisenknödel. Kann jemand hier Singvogelsprache? Hat es Bedeutung, wenn eine Meise oder ein Buchfink die Kopffedern aufstellt?

Wohnung jetzt systematisch auf Übernachtungsbesuch vorbereitet: Wäscheständer abgeräumt und verräumt, Bügelwäsche versteckt, Esstisch abgeräumt (ohne Besuch räume ich Sets und Servietten nur einmal die Woche weg, Sonntagabend für Putzmannputzen am nächsten Tag) und entkrümelt, Gästebettzeug rausgesucht und bezogen, Nacht- und Morgendinge aus meinem Schlafzimmer in das von Herrn Kaltmamsell getragen, Küche von den Spuren des gestrigen Kochens befreit. Beim Küchenputzen mal wieder den Messerblock gründlicher gereinigt. Wieder wütend geworden bei der Erinnerung an den Kauf seinerzeit: Wie wir viel Geld für einen Messerblock ohne Messer hingelegt hatte, mehr als ein Block inklusive Messern gekostet hätte – weil wir bereits gute Messer besaßen und das Wegwerfen eines Satzes neuer Messer als unanständige Verschwendung ansahen. Die Perversität unseres Konsumsystems in a nutshell: Dass man so reich sein muss wie wir, um sich diese Sparsamkeit leisten zu können.

Geduscht, getrocknet, gecremt, geschminkt, Haare geföhnt (bei dieser Hitze würde sogar ich sie an der Luft trocknen lassen – sonst fürchte ich ja immer umgehend Lungenentzündung -, doch dann sehen sie so ausgefranst aus), angezogen, unter anderem die Sandalen, die ich nie trage, weil sie unbequem sind.

Einkaufsrunde in praller Sonne und bei großer Hitze in der Fußgängerzone: Laugenzöpferl beim Zöttl am Alten Peter, Obst am Standl Rosenstraße (am Sendlinger Tor gab’s heute keinen). In einem Blumenladen ein Alpenveilchentöpfchen als Mitbringsel für die abendliche Einladung zu einer Geburtstagsparty gekauft. (Wie sehr es mich irritiert, wenn Verkaufspersonal beim Bedienen eigentlich gerade in persönlichem Gespräch mit besuchenden Freunden ist und ich nie weiß, ob eine Bemerkung oder Frage nun an mich gerichtet ist oder zum Gespräch gehört.)

Völlig verschwitzt heimgekommen, die Sandalen endgültig aussortiert, weil selbst diese kleine Runde zu Blasen geführt hatte. Zum Frühstück Laugenzopf mit Tomatenscheiben (und dick Butter) sowie Nektarine, Aprikose, Feige mit Joghurt.

Übernachtungsbesuch kündigte sich für abends an, also hatte ich noch Zeit. Ich knetete Teig für Aprikosentarte, stellte diesen kühl. Dann ein Stündchen Siesta (im Bett von Herrn Kaltmamsell, weil meins ja schon besuchsfein war) mit einem interessanten Zeichentricktraum.

Aprikosentarte fertig gestellt und gebacken. Am Tisch im Wohnzimmer las ich Internet und die Wochenend-Süddeutsche, bis der Besuch klingelte. Mit der alten Freundin war ich wie schon bei den vergangenen Begegnungen innerhalb von Sekunden in tiefem Gespräch, fast hätten wir die Zeit vergessen – was schlecht gewesen wäre, denn wir waren spät abends auf einer Geburtstagsfeier eingeladen. Also zogen wir uns schnell um und machten uns fein, die Tarte nahm ich als Mitbringsel mit (und sprengte damit, wie mir später erklärt wurde, das gewohnte Konzept der Gastgeberin, die immer für eine so späte Zeit einlädt, dass die Gäste schon zu Abend gegessen haben, und nur Getränke anbietet).

Zur Feier konnten wir in nachlassender Hitze zu Fuß gehen, schon kurz nach unserer Ankunft ging ein Gewitterregen nieder. Angenehme Gespräche mit mir unbekannten Münchnerinnen und Münchnern, leider waren aber die Armschmerzen trotz Ibu mit Macht zurückgekehrt. Kurz vor Mitternacht spazierte ich durch feierndes Volk über nasse Straßen nach Hause.

Abschminken, Zähneputzen, dann versuchte ich neben Herrn Kaltmamsell eine Position zu finden, in der die Schmerzen mich schlafen ließen.

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Dass die Geschichte hinter der Bezeichnung Eisdiele interessant ist, wusste ich.
Neu war mir, dass auch Ice cream parlor solche eine hat:
“The Silent History of ‘Parlor'”.

Journal Freitag, 4. August 2017 – Keine Wunder bei der Anfasserin

Samstag, 5. August 2017

Vor dem Physio-Termin noch in die Arbeit. Ich musste trotz Schmerzen radeln, denn öffentliche Verkehrsmittel oder Gehen hätte für die Wege an diesem Tag zu lange gedauert. Morgens und vormittags war es sonnig heiß, ich erreichte mein Ziel jeweils tropfend.

Physiotermin: Die Stunde führte mir vor, wie verschieden der Schmerz sein kann, zudem bekam ich Muskeln gelockert und Nervenbahnenübungen gezeigt. Allerdings tat sich kein Wunder: Auch Expertinnen für manuelle Therapie kennen keinen Schalter im Körper, der diese Schmerzen einfach ausknipst. Mache ich also weiter mit Ibu-Bomben, bis sich der Nerv im Nacken wieder beruhigt hat.

Als ich am späten Nachmittag ins Wochenende ging, hatte es etwas abgekühlt. Auf dem Heimweg hielt ich für ein paar Erledigungen am Drogeriemarkt an, zu Hause gab es Schmerztablette und Cosmopolitan. Herr Kaltmamsell kochte zum Nachtmahl weiße Bohnen mit Mangold (aus Ernteanteil), Jamón-Würfelchen und Sepia, schmeckte ausgezeichnet.

Seit zwei Tagen habe ich keine Mauersegler mehr gesehen noch gehört, jetzt sind sie wohl wirklich weg.

Mehr Körperlichkeiten: Seit zwei Wochen habe ich abends im rechten Ohr ein pulsierendes Wummern, seit zwei Tagen wummert’s im Ohr auch tagsüber. Da es sich wie ein Muskelzucken anfühlt, kippe ich noch mehr Magnesium ein als eh schon vor Sport und bei viel Schwitzen. Ist nicht allzu nervig, aber ohne wäre mir lieber.

Abends wieder eine Runde instagram-Werbung kommentiert (Sie war unvorsichtig genug, mir Baby-Artikel in die Timeline zu schieben. Und Eso-Quatsch.)

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“Konsumverhalten im Westen’
Sie sitzen in ihren kleinen Panzern und zerstören Natur'”.

Große grundsätzliche Zustimmung.

Unser Konsum geht zu Lasten anderer. Der Begriff “imperiale Lebensweise” weist darauf hin, dass die Herrschaftsförmigkeit, die in den internationalen Beziehungen angelegt ist, in den Alltag eingeht. So wird sie normalisiert und zum Verschwinden gebracht.

(…)

Sie verwenden auch den Begriff vom “Food from nowhere”. Was ist dieses Essen, das aus dem Nichts zu stammen scheint?

Der Agrarsoziologe Philip McMichael umschreibt so die Art, wie Lebensmittel etwa im Supermarkt präsentiert werden. Das Positive wird betont, das Negative verdunkelt: Die CO₂-Emissionen, die bei Produktion und Transport entstehen, werden auf den Preisschildern nicht ausgewiesen. Auch die Umstände bei der Ernte werden ignoriert: Neben der Natur werden ebenso Menschen ausgebeutet. Auf den Containerschiffen herrschen schreckliche Arbeitsbedingungen.

(…)

Sport Utility Vehicles sind das ideale Symbol für die imperiale Lebensweise. Man zerstört Natur im Herstellungsprozess der Autos und auch in der Art, wie man sie nutzt, weil sie eben mehr Sprit brauchen. Zugleich empfindet man es als normal und auch als Anpassung an die zunehmenden Unsicherheiten. Das ist zumindest unsere These. Der Boom der Geländewagen findet ja parallel statt zum wachsenden Bewusstsein über Risiken des Klimawandels. Wie passt diese Sensibilität zur Nutzung eines Autos, das dies konterkariert? Viele denken wohl: Mit einem SUV komme ich überall durch, ich trotze Starkregen und kann meine Kinder trotzdem noch sicher zur Schule bringen. Dieses Verhalten ist faszinierend zu beobachten, aber zugleich sehr erschreckend.

Es ist hoffentlich klar, dass ich mich da nicht ausnehme. Ich arbeite gerade mal beim Gemüse gegen, indem ich im Kartoffelkombinat Verantwortung für die gesamte Produktionskette übernehme, von Land und Samen über Anbau, Personal bis Verteilung. Doch die drei Kleidungsstücke, die ich mir neu für diesen Sommer gekauft habe, tragen das übliche Etikett “Made in China”, mein Sommerobst kommt aus den bekannt entsetzlichen Anbaubedingungen in Spanien, mein Großverbrauch an Schokolade hat ebenfalls durch und durch ausbeuterischen Hintergrund. Nur als Beispiele.

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Ja, mein Blick auf Mozilla ist definitiv parteiisch, noch viel mehr, seit eine Bloggerin der ersten Stunde dort Chief Innovation Officer ist. Aber in letzter Zeit kamen von da schon schöne Nachrichten.

Zum Beispiel das Projekt Common Voice:

We’re fascinated with creating usable voice technology for our machines. But most of that technology is locked up in a few big corporations and isn’t available to the majority of developers. We think that stifles innovation so we’re launching Project Common Voice, a project to help make voice recognition open to everyone.

Jeder kann seine oder ihre Stimme spenden. So gehört seit zwei Wochen zu meinen Abendvergnügen, englische Sätze vorzulesen und anderer Leut’ vorgelesene Sätze abzuhören und zu sortieren – die Guten ins…

Gestern las ich vom Pilotprojekt “Send”:

Senden Sie Dateien über einen sicheren, privaten und verschlüsselten Link, der automatisch abläuft, damit Ihre Daten nicht für immer im Internet bleiben.

Ich neige halt schon dazu, der Non-Profit-Stiftung Mozilla mehr zu vertrauen als börsennotierten Großkonzernen.

Für den Herbst ist eine fundamental neue Version des Browsers Firefox angekündigt. In Cnet nimmt das Stephen Shankland zum Anlass, Mozillas Gegenwart und jüngste Vergangenheit zu beleuchten (und die derzeitige Browserlandschaft allgemein):
“Firefox fights back”.

Ich bin sehr gespannt (kapiere das mit der bezahlten Mitgliedschaft allerdings nicht).

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“Jemand hat rassistische Tweets vor die deutsche Twitter-Zentrale gesprüht”.

Hihihi…

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Dass das Leid von Überlebenden der Entsetzlichkeiten des 20. Jahrhunderts in ihren Nachfahren durchschlug, weiß man heute, und dass Traumata über Generationen weitergegeben werden.
In bösen Minuten denke ich, dass wir das nur herausfinden konnten, weil es in unserem langen Frieden zum ersten Mal eine Nachfahren-Generation gibt, die nicht selbst in Entsetzliches geworfen wurde. Und dann fragt man sich halt verwundert, warum die kluge, geförderte und anerkannte Frau todunglücklich ist, wo ihr doch keiner etwas angetan hat.

Journal Donnerstag, 3. August 2017 – Morgentlicher Isarlauf und antike Charakterköpfe

Freitag, 4. August 2017

Den Wecker hatte ich wieder auf halb sechs gestellt, diesmal aber, um im ersten Morgenlicht an der Isar Laufen zu gehen.
Es war wunderschön.

An vielen Stellen sah ich Reste des Hochwassers in Form von angeschwemmten Baumstämmen und Ästen. Und es waren erstaunlich viele Läuferinnen und Läufer unterwegs.

Aber: Meine Schmerzen im Arm wurden beim Radeln in die Arbeit unerträglich, ich konnte kaum atmen. Es gab eine direkte Verbindung zur Kopfhaltung, ich radelte lieber mit Blick nach unten. Am Schreibtisch probierte ich millimeterweise Haltungen, die die Stiche und das Toben im Arm verringerten. Der linke Trapezmuskel war durch die (vermutlich ausgleichenden) Verspannungen seit Tagen fast doppelt so dick wie der rechte. Ich rief dann doch bei der Anfasserin an, also der Physio- und sonstigen manuellen Therapeutin, die mir vor drei Jahren andere Schmerzen am Rücken gelindert hatte – ich will nicht dauerhaft wie jüngst jeden Tag 600 Milligramm Ibuprofen einwerfen müssen. Kennen Sie das: Wenn der Kopf für den Nacken zu schwer scheint? Dass die Anfasserin gleich am nächsten Vormittag Zeit für mich hat, erleichterte mich ungeheuer.

Nach Feierabend war ich mit Herrn Kaltmamsell verabredet: Die Glyptothek bietet donnerstags Kuratorenführungen zur Sonderausstellung “Charakterköpfe” an. Gestern stand “Von echtem Schrot und Korn – Republikanische Bildnisse” auf dem Programm, das wollte ich hören.

Es erklärte und zeigte Dr. Christian Gliwitzky im Saal 11 viel vor allem zur römische Geschichte am Ende der Republik und legte unter anderem seine Sicht dar, warum das republikanische System zusammenbrach (die Gracchischen Reformen hätten und die Einführung der Berufsarmee hatte Einzelnen zu viel Macht durch parteiische Wählerstimmen verschafft). Ich merkte, wie lange ich schon niemanden mehr auf Deutsch zur Antike gehört hatte; die deutsche Forschung hat dann doch eine andere Tradition und Perspektive (Mommsen!) als die britische, die ich die vergangenen Jahre gelesen und gehört hatte. Die Erläuterungen waren sehr interessant, zu den Zuschreibungen der besprochenen Köpfe hätte ich allerdings noch Detailfragen gehabt (zu viele Leute um Herrn Gliwitzky, als dass ich sie nach dem Vortrag angebracht hätte).

Ich war überrascht, wie viele Leute gekommen waren (ca. 50), wir gehörten zu den jüngsten.

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Schon am Vorabend hatte ich beim Scrollen durch instagram ein neues Vergnügen entdeckt: Auf Werbung antworten. Sonst schimpfe ich ja vom Absender ungehört in die Zeitungsseite oder an den an den Fernseher hin. Aber auf instagram hat die unerwünschte und bescheuerte Werbung eine Kommentarfunktion!

Ich kann also unter dem “must have”-Modeschmuck darauf hinweisen, dass das überhaupt niemand “must”, auf launige rhetorische Fragen “Nein.” antworten (das passt ohnehin am häufigsten), unter den in Alltags-untauglichem Werbesprech angepriesenen Produktneuheiten “Na und?” kommentieren. Social Media ist super!

Und dann der Volltreffer: VW-Werbung! Irgendwas mit einem blinden Fotografen, der Bilder von VW-Autos macht. Da passte dann natürlich: “Schützt Blindheit vor Schadstoff-Ausstoß?”
Später am Tage Werbung für Reisen nach Dubai: Konnte ich gleich mal auf die täglichen Menschenrechtsverletzungen dortselbst hinweisen, die mir Urlaubsentspannung unmöglich machen würden.

Das fühlt sich derart herrlich nach Krückstockgefuchtel an! Jetzt freue ich mich richtig über Werbung!

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Altphilologin Mary Beard ist im Internet in eine Streitwelle geraten, als sie die Aussage unterstützte, die Alten Römer auf den britischen Inseln seien sehr divers gewesen (was ich für hinreichend belegten Stand der Forschung gehalten hatte). Denn anscheinend gibt es Kräfte, für die die Vorstellung beängstigend ist, Alte Römer könnte es in mehr Hautfarben als Weiß gegeben haben. Beards Zusammenfassung:
“Roman Britain in Black and White”.

Wichtig finde ich ihre Haltung:

So why not just block them, as many kind voices suggested? Well I see the point, but have always felt ambivalent about blocking. It doesn’t stop them tweeting, it only means that you don’t see it, and it feels to me like leaving the bullies in charge of the playground. And it’s rather too much like what women have been advised to do for centuries. Don’t answer back, and just turn away. Besides, although one will probably make no difference to the hardcore, one might change the minds of some of the penumbra, as well as showing everyone that it is possible to stand your ground.

Dafür braucht es eine Menge Kraft. Ich würde die nicht aufbringen, umso höher ist mein Respekt für sie.