Journal Mittwoch, 14. Februar 2018 – Neue Tasche

Donnerstag, 15. Februar 2018 um 6:54

Ein kalter sonniger Tag. Nach Feierabend Fußmarsch zum Sport, ein zweites Mal Langhanteltraining an neuem Ort. Da den Tag über meine doofe Bandscheibe immer wieder unangenehm auf Nerven gedrückt und Schmerzen verursacht hatte, wäre ich fast nicht gegangen; doch die Bewegung und die Übungen erwiesen sich als wohltuend.

Nicht zurecht kam ich wieder mit dem Umstand, dass bei Heimkehr um dreiviertel neun gerade mal noch Zeit für Abendessen bleibt.

Und für Umräumen: Daheim wartete frisch geliefert (gibt’s nicht im Offline-Handel weil lang vergangener Restposten) meine neue Arbeitstasche auf mich. Ihre Vorgängerin aus derselben Taschenserie war unrauchbar geworden: Abgestoßene und fransige Ecken, ausgebleichter Stoff, mehrere Flaschenbruch-, Milch- und Joghurtauslaufmalheure. Auch die neue fasst Unterlagen, Zeitung, Brotzeit sowie Büroschuhe und lässt Platz für Einkäufe auf dem Heimweg. Da ich gerne die Hände frei habe und trotzdem schnell in die Tasche greifen können will, trage ich sie am liebsten mit Querriemen. Eine lebendigere Farbe wäre mir lieber gewesen, doch es gibt sie nur in dieser – man kann nicht alles haben.

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#Metoo und seine Folgen sowie die Diskussion darum gehen nicht weg, das freut mich sehr und gibt mir die Hoffnung, dass sich diesmal wirklich etwas ändern und bessern wird.
Gaby Hinsliff im Guardian:
“Carnality and consent: how to navigate sex in the modern world”.

Hinsliff sieht sich an, was sich in den vergangenen Monaten durch #metoo getan hat – und stellt fest, dass sich alte Stereotypen von der Jagd des Mannes nach der Frau und ihrem zögerlichen Nachgeben hartnäckig halten.

The old idea of courtship as a pursuit – in which men do all the chasing while women coyly resist, at least until there is some commitment on the table – has its downsides. It fosters an assumption that reluctance is normal and pushing is required; if a woman suddenly retreats or freezes, that is par for the course. Keep pestering for long enough and eventually a no might turn into a yes.

(…)

In a piece for GQ, the writer Justin Myers said men need to take a long, hard look at their behaviour. “We tell ourselves it’s a ‘grey area’, the rules around it so murky and undefined that all we can do is go for it and hope nobody gets sued,” he wrote. “Consent is seen as something to be tangibly and forcibly withheld, not asked for – we pretend men don’t have to check themselves or read the room; it’s up to his partner to stop them, tell them no, move away from them, leave if possible … Don’t pretend you haven’t noticed their body language just because it’s inconvenient for you to do so right now.”

Gleichzeitig hält sich die Haltung vieler Männer, dass sie einen Anspruch auf sexuelle Aufmerksamkeit von Frauen haben (siehe Pia Ziefles Geschichte “Das steht mir jetzt zu”). Dabei, und darauf läuft auch Hinsliffs Argumentation heraus, sorgt eine Kultur der Zustimmung statt Zwang für besseren Sex für alle:

Like generations of feminists before them, millennials have been accused of being puritanical killjoys or making it practically impossible to have sex at all. But, in some ways, the reverse is true: their whole point is that sex is meant to be fun, that being browbeaten into it is miserable and that more communication should mean better sex for everyone. That is the point where two halves of the millennial psyche – the #MeToo movement and a lusty, libidinous sex-positive movement seeking to reclaim the word “slut” as a joyful thing – come together.

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Zum selben Thema wurde gestern in meinem Internet vielfach ein Interview mit einem Mann geteilt. Sebastian Schipper, heute Regisseur, hat als Schauspieler auch unter Dieter Wedel gearbeitet und geht mit dem System ins Gericht, einschließlich seiner eigenen Rolle darin:
“‘Wie kann Tukur sagen, dass er nichts bemerkt hat?'”

SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie von Privilegien sprechen: Gibt es also doch etwas, was Männer durch #MeToo zu verlieren haben?

Schipper: Was soll da bitte verloren gehen? Das Flirten? Was für eine Art von schützenswertem Flirt soll es sein, bei dem sich die andere Person mies fühlt? Oder der Humor? Dass man keinen anzüglichen Witz mehr machen darf? Dass Zoten über Assistentinnen oder Praktikantinnen nun als unangemessen gelten, kann man doch nicht als Verlust beklagen. Witze auf Kosten von Schwächeren sind eh keine Witze. Humor ist, wenn du erkennst, was für eine absurde Erscheinung du selbst bist. Jeder große Komödiant in Deutschland, von Karl Valentin über Loriot bis Anke Engelke, zieht seinen Humor daraus, dass er überfordert mit der Welt ist.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 14. Februar 2018 – Neue Tasche“

  1. Roland B. meint:

    “Ihre Vorgängerin aus derselben Taschenserie war unrauchbar geworden:”
    Gut, daß Arbeitstaschen noch nicht auf der Liste der verbotenen Betäubungsmttel stehen

  2. die Kaltmamsell meint:

    Gnihihi, Roland B., das lasse ich jetzt so.

  3. Roland B. meint:

    “Was soll da bitte verloren gehen? Das Flirten? Was für eine Art von schützenswertem Flirt soll es sein, bei dem sich die andere Person mies fühlt? ”
    Das geht leider an der aktuellen Diskussion vorbei. So eine Art von “Flirten” war noch nie akzeptabel – war eigentlich auch kein Flirten.
    Die #metoo-Debatte läuft allerdings leider, zumindest in weiten Teilen, derart, daß Mann sich kaum mehr traut, auch nur nett zu lächeln, denn, so sagte irgendeine Feministin mal kürzlich sinngemäß: man braucht keine Definitionen, alleine die Frau entscheidet, was sie als Belästigung empfindet.
    Und im aktuellen Diskussionsklima wird ja auch jede weibliche Behauptung in dieser Richtung von weiten Kreisen erstmal ungeprüft geglaubt.
    Das ist leider der zweite Skandal in dieser Sache. wenn auch sicher kleiner als der, daß sex-orientierter Machtmißbrauch derart lange verschwiegen, verheimlicht wurde, daß die Opfer sich nicht trauten, darüber zu reden.

  4. die Kaltmamsell meint:

    Sie wurden wegen eines Anlächelns kritisiert, Roland B., oder haben das bei einem anderem Mann erlebt? Da wüsste ich gerne die genaueren Umstände.

  5. Trulla meint:

    @Roland B. Ein nettes Lächeln, ein Spruch, der gut gemeint, jedoch nicht gut angekommen ist, ist immerhin nicht strafbewehrt. Birgt also nach wie vor nur das Risiko, abgewiesen zu werden, na und? So war es doch immer schon. Also deswegen ist keine Sorge nötig!
    Dass viele Männer nun Verunsicherung artikulieren deutet aber darauf hin, dass die eigentliche Problematik nicht erkannt wird bzw. klein geredet werden soll. Zu erkennen und zu verändern sind die Machtstrukturen, und da ist sexuelle Gewalt auch ein Teil davon. Ich empfehle, aufmerksam die Berichte von Frauen zu lesen, die Mißachtung, Minderbezahlung, verbale Entgleisungen usw. erfahren haben. Das ist weibliche Realität.

    Und was e i n e Feministin meint ist nicht relevant für alle. Eine empfindet so, die andere anders.
    Uns Frauen eint aber sicher das Ziel, Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen erreichen zu wollen.
    Wir wollen nicht gezwungen sein, uns allein aufgrund unseres Geschlechts anders in der Gesellschaft bewegen zu müssen als unsere Männer, Brüder und Söhne.

  6. Stedtenhopp meint:

    Die Tasche sieht super aus, ist die aus Leder? Oder Canvas-Stoff? Verrätst Du das Fabrikat?

  7. die Kaltmamsell meint:

    Das ist dicker Canvas, Stedtenhopp, und die Serie Canberra von Bree.

  8. Brigitte Novacek meint:

    Trulla: danke, super ausgedrückt, ich würd mir das am liebsten kopieren und unter jede #metoo-Debatte stellen. Mir gehen diese Relativierungen schon derartig auf den Geist. Wer Frauen als Menschen respektiert, wird nie in die Lage kommen, Illegales zu tun.

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