Journal Montag, 9. November 2020 – Galeriebesuch unter der Brudermühlbrücke
Dienstag, 10. November 2020Wecker auf früh, damit ich Herrn Kaltmamsell vor der Arbeit Milchkaffee servieren konnte.
Außerdem wollte ich ins Reha-Training, Externen stehen nur die Zeiten 7-10 Uhr und 15-20 Uhr offen. Ich war ein bisschen zu spät dran, um den Schulverkehr in der U-Bahn zu umgehen, das nächste Mal muss ich deutlicher vor halb acht los.
Schweißtreibendes Trainig, aus einer Unterhaltung mit einem der Trainer erfuhr ich, dass ich Bankstütz darf.
Daheim packte ich mein Sportzeug aus und zog weiter zu Freunden in der Nähe und mit viel Platz, die mir Obdach zur Putzmannvermeidung angeboten hatten.
Als ich das Haus verließ, öffnete gerade eine alte Dame die Haustür. Sie sah mich misstrauisch an:
“Wohnen Sie hier?”
“Ja, seit 20 Jahren im 1. Stock.”
“Und ich wohne mit meinem Mann seit 30 Jahren im 6. Stock.”
Also stellte ich mich vor, erklärte, dass ich normalerweise um diese Zeit nicht da sei und sagte: “Schön Sie kennenzulernen.”
DAS ist diese wundervolle Anonymität, für die ich in die Großstadt gezogen bin! Ich war mir durchaus bewusst, dass ich nicht alle 16 Parteien hier im Haus kenne. Aber sowas ergibt sich halt, oder? Würde wirklich jemand an einem Samstagnachmittag bei den noch unbekannten klingeln: “Entschuldigung, ich würde Sie gerne kennenlernen.”?
Wie die Dame heißt, weiß ich immer noch nicht, sie hat sich nicht vorgestellt.
Bei den Freunden bekam ich Cappuccino, Apfel-Wein-Torte mit Glitzer (großartig!) und Updates, außerdem Hundestreicheln.
Der Nebel hatte sich bereits länger verzogen, ich wollte den Rosengarten an der Isar sehen. Also nahm ich einen Bus zur Wittelsbacherbrücke.
Es war richtig was los. Und wie an jedem freien Tag, seit ich in München wohne, erstaunte mich, wie viele Menschen hier offensichtlich Tagesfreizeit haben.
Nach einer Runde Bankerlsitzen in der Sonne spazierte ich weiter – und war so gut und leicht unterwegs, dass ich Thalkirchen ansteuerte. Unter der Brudermühlbrücke gab es neue Street Art – ohne meine Laufrunden bekomme ich ja gar nicht mehr mit, was sich unter den Isarbrücken tut. Und wo ohnehin die Museen derzeit Corona-geschlossen sind, bieten sich diese Freiluftsmuseen besonders an (an der Wand gegenüber war gerade ein Spray-Künstler am Werk).
Ich machte sicherheitshalber auch mal Rast auf einem Baumstamm, ging dann flockig weiter. Erst auf der Thalkirchner Brücke fühlte ich mich schlagartig sehr erschöpft und ging sehr langsam zur U-Bahn. Am Sendlinger Tor holte ich mir beim Bäcker als spätes Mittagessen eine überbackene Käsesemmel, daheim gab es zusätzlich Muesli und Apfel.
Müde und erschöpft machte ich es mir auf dem Sofa mit Füßehoch und Tee bequem (halbwegs, das ist kein Sofa für Rumgammeln) und las Internet.
Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell die Reste des Sonntagsbratens samt Soße mit Penne. Ich ging sehr früh ins Bett.