Archiv für November 2020

Journal Montag, 9. November 2020 – Galeriebesuch unter der Brudermühlbrücke

Dienstag, 10. November 2020

Wecker auf früh, damit ich Herrn Kaltmamsell vor der Arbeit Milchkaffee servieren konnte.

Außerdem wollte ich ins Reha-Training, Externen stehen nur die Zeiten 7-10 Uhr und 15-20 Uhr offen. Ich war ein bisschen zu spät dran, um den Schulverkehr in der U-Bahn zu umgehen, das nächste Mal muss ich deutlicher vor halb acht los.

Schweißtreibendes Trainig, aus einer Unterhaltung mit einem der Trainer erfuhr ich, dass ich Bankstütz darf.

Daheim packte ich mein Sportzeug aus und zog weiter zu Freunden in der Nähe und mit viel Platz, die mir Obdach zur Putzmannvermeidung angeboten hatten.

Als ich das Haus verließ, öffnete gerade eine alte Dame die Haustür. Sie sah mich misstrauisch an:
“Wohnen Sie hier?”
“Ja, seit 20 Jahren im 1. Stock.”
“Und ich wohne mit meinem Mann seit 30 Jahren im 6. Stock.”
Also stellte ich mich vor, erklärte, dass ich normalerweise um diese Zeit nicht da sei und sagte: “Schön Sie kennenzulernen.”
DAS ist diese wundervolle Anonymität, für die ich in die Großstadt gezogen bin! Ich war mir durchaus bewusst, dass ich nicht alle 16 Parteien hier im Haus kenne. Aber sowas ergibt sich halt, oder? Würde wirklich jemand an einem Samstagnachmittag bei den noch unbekannten klingeln: “Entschuldigung, ich würde Sie gerne kennenlernen.”?
Wie die Dame heißt, weiß ich immer noch nicht, sie hat sich nicht vorgestellt.

Bei den Freunden bekam ich Cappuccino, Apfel-Wein-Torte mit Glitzer (großartig!) und Updates, außerdem Hundestreicheln.

Der Nebel hatte sich bereits länger verzogen, ich wollte den Rosengarten an der Isar sehen. Also nahm ich einen Bus zur Wittelsbacherbrücke.

Es war richtig was los. Und wie an jedem freien Tag, seit ich in München wohne, erstaunte mich, wie viele Menschen hier offensichtlich Tagesfreizeit haben.

Nach einer Runde Bankerlsitzen in der Sonne spazierte ich weiter – und war so gut und leicht unterwegs, dass ich Thalkirchen ansteuerte. Unter der Brudermühlbrücke gab es neue Street Art – ohne meine Laufrunden bekomme ich ja gar nicht mehr mit, was sich unter den Isarbrücken tut. Und wo ohnehin die Museen derzeit Corona-geschlossen sind, bieten sich diese Freiluftsmuseen besonders an (an der Wand gegenüber war gerade ein Spray-Künstler am Werk).

Ich machte sicherheitshalber auch mal Rast auf einem Baumstamm, ging dann flockig weiter. Erst auf der Thalkirchner Brücke fühlte ich mich schlagartig sehr erschöpft und ging sehr langsam zur U-Bahn. Am Sendlinger Tor holte ich mir beim Bäcker als spätes Mittagessen eine überbackene Käsesemmel, daheim gab es zusätzlich Muesli und Apfel.

Müde und erschöpft machte ich es mir auf dem Sofa mit Füßehoch und Tee bequem (halbwegs, das ist kein Sofa für Rumgammeln) und las Internet.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell die Reste des Sonntagsbratens samt Soße mit Penne. Ich ging sehr früh ins Bett.

Journal Sonntag, 8. November 2020 – Westpark-Sonne

Montag, 9. November 2020

Gute Nacht. Beim Morgenkaffee bemerkte ich ungewohnte Vogelgeräusche und -bewegung in den Kronen der Kastanien vor dem Balkon und griff nach dem Fernglas: Ein Schwarm Distelfinken war zu Besuch.

Gestern war Sportpause, nach dem Duschen gab es bereits um elf Frühstück: Zwei Kürbisschnecken, die auch am zweiten Tag herrlich saftig waren.

Draußen schien seit dem Morgen die Sonne, diesmal wollte ich durch den Westpark spazieren. Ich nahm den Bus dorthin und schlich ein Stündchen einmal quer durch bis zur U-Bahn-Station (wie viele, viele andere auch – meine Hoffnung, dass Sonntagmittag noch nichts los sein würde, sah ich enttäuscht). Wieder hatte ich unangenehme Schmerzen beim Gehen – nur fünf Wochen nach OP sicher kein Grund zur Sorge, aber nervig. Gerade bei so herrlichem Wetter fühle ich mich schon arg eingeschränkt. Diesmal war ich wärmer gekleidet, doch auch die Temperatur war gestiegen – spazierte ich halt mit Mütze und Handschuhen in der Hand.

Überraschung: Die Pagode war jetzt mit Metallzaun verbarrikadiert, im Mai hatte sie noch so ausgesehen.

Beim Heimkommen hörte ich die Distelfinken im Nußbaumpark.

Gute Körperlichkeitsnachrichten übrigens: Derzeit fast keine Hitzeattacken, nur ein bis zwei am Tag (Menstruations-App zeigt Tag 141 an, Daumen und Eierstöcke sind gedrückt).

Luise Pusch, Begründerin und Königin der Feministischen Linguistin in Deutschland, kenne ich so lange wie das Web, in dem sie von Anfang an aktiv war. Auf dem Sofa mit hochgelegten Beinen sah ich eine (etwas ungelenk gemachte) neue Doku über sie: Luise F. Pusch – Hindernislauf mit Happy End:

Luise F. Pusch_Hindernislauf mit Happy End_MMarti_2020 from gitta gsell on Vimeo.

Ich verdaute die Eindrücke mit einer Runde Bügeln, holte mir dann als Nachmittagssnack die restliche Kürbissuppe mit einem Stück Brot. Nachgeholt: Die Anstalt vom 3. November (wunderbar passend: Auch hier ging es um (unter anderem gender-)gerechte Sprache): “Die USAbwahl 2020”.

Zum Abendbrot servierte Herr Kaltmamsell nochmal short ribs, diesmal auf dem Herd gegart. Sie wurden ganz hervorragend.

Als Abendunterhaltung lief der aktuelle Tatort, in Münster wurde diesmal ein wenig nicht-realistisch ermittelt, ganz nett und weniger klamaukig, als von Münster-Tatorten gewohnt. Räumen für den Putzmann und für Herrn Kaltmamsells ersten Arbeitstag nach Allerheiligen-Ferien.

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Interview in brandeins mit dem Sportwissenschaftler und ehemaligen Profi-Schwimmer Lutz Thiem, der herausgefunden hat, dass Medaillengewinner früher sterben:
„’Es gibt Leistungssportler, die bereit sind, ein kürzeres Leben in Kauf zu nehmen’“.

Westdeutsche männliche Spitzensportler sind mit ihrer Mortalitätsrate am weitesten von der Gesamtbevölkerung entfernt.

Gerade diese sehr erfolgreichen, meist männlichen Spitzensportler werden gern von Unternehmen als Referenten eingeladen. Warum?

Hochleistungssportler leben ihre Passion täglich aus, und viele Wirtschaftsführer wünschen sich das von sich und ihren Führungskräften. Der sportliche Wettbewerb ist jedoch strukturell ein anderer, er findet unter verschärften Bedingungen statt: Im Sport ist das Zeitfenster für Höchstleistungen viel kleiner als in der Wirtschaft, und man kann es meist nur in einer Sportart an die Spitze schaffen. Es gibt auch keinerlei kulturellen Kontext – man ist einfach nur die Person, die am höchsten springt, am weitesten wirft, am schnellsten läuft, und dann der Sieger.

Eine Führungskraft wird wesentlich vielfältiger beurteilt: Bei einem Kriterium performt sie sehr gut, beim anderen enttäuscht sie. In der Wirtschaft spielen auch Aspekte wie soziale Fragen oder Nachhaltigkeit eine zunehmende Rolle, es geht oft nicht nur um den reinen ökonomischen Erfolg.

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Wie wundervoll, wenn Leute Ideen einfach mal ausprobieren. Zum Beispiel: Kann man dich mit Panzertape an die Wand kleben?

Journal Samstag, 7. November 2020 – Sonne, Nebel, Kürbisschnecken

Sonntag, 8. November 2020

Ausgeschlafen, beim Aufwachen Fetzen von Traum 1, in dem mir ein Zahn im Mund zerbrach (leider war der Traum weg, bevor ich herausfinden konnte, welcher), Traum 2, in dem mal wieder eine Wohnung eine Rolle spielte (schade, dass ich mich an praktisch nichts erinnere, ich würde sehr gerne mal wieder im Traum eine aufregende Wohnung sehen).

Vormittags ein bisschen Sport (Crosstrainer, Bauchübungen, Dehnen), vor allem aber Backen: Ich hatte am Vorabend den kleinen Hokkaido aus Ernteanteil in Spalten gebacken, um einen Teil für Kürbis-Zimtschnecken zu verwenden.

Ich hatte die Flüssigkeitsmenge eh schon auf 220 Gramm reduziert und musste dennoch ordentlich Mehl nachkippen, um von der Konsistenz Spätzleteig wegzukommen, ich empfehle also, höchstens 175 Gramm Milch zu verwenden. (Ein bisschen rührend ist es ja schon immer, wenn kommerzielle Foodbloggerinnen angestrengt versuchen, irgendwelche Produkte in ihren Posts unterzubringen. Allerdings habe ich gesehen, dass es seit einiger Zeit a thing ist, Hefeschnecken in gusseisernen Pfannen zu backen, selbst wenn sie zu klein dafür sind – weil das auf Pinterest hübscher aussieht als eine Springform? Über den Einfluss von Gerät-Fotogenität auf Backmethoden wird noch zu forschen sein.)

Bereits der Teig duftete nach Kürbis.

Nach dem Duschen waren die Schnecken auf genau frühstückswarm abgekühlt, nach nur dreien davon (köstlich!) war ich knapp unter überfressen.

Bei Zeitungslektüre wartete ich auf das Ende einer Maschine Wäsche, bevor ich raus in die Sonne ging (diesmal war der Hochnebel bereits vor Mittag verflogen). Ich nahm eine Tram zum Tivoli (angenehm leer) und sah nach einem Stückchen meiner einstigen Standard-Laufstrecke.

Es war kälter als erwartet, ich hätte einen zusätzlichen Pulli vertragen, außerdem Handschuhe – ich kann halt immer noch nicht zackig genug marschieren, dass mir davon warm würde. Nach vielen Monaten sah ich mal wieder nach der Isar, Nordteil.

Das Ufer nördlich von der Max-Joseph-Brücke ist derzeit durch Bauarbeiten gründlich kaputt, die Wege direkt an der Isar sind gesperrt.

Gemächlich schlendernd bekam ich goldenes Licht ab und kalte Novemberluft. Ich schaffte es aber nicht mal zum Föhringer Wehr.

Zurück zu Hause gab es heißen Tee, als Snack den Rest Postelein aus Ernteanteil.

Mehrgängiges Nachtmahl: Aus dem restlichen gebackenen Kürbis machte ich Suppe mit Hühnerbrühe aus den Knochen vom Vortagsgockel, angebratenen Zwiebel und Knoblauch, einem Schuss Rosé vom Vortag. Beim Zerstören geriet ich trotz aller Vorsicht mit dem Zauberstabkabel auf die heiße Herdplatte, eine Stelle schmolz bis aufs Kupfer. Ärgerlich, jetzt müssen wir überlegen, ob wir das 25 Jahre alte, vollfunktionale Gerät reparieren lassen oder ersetzen. Die Suppe aber schmeckte hervorragend.

Zweiter Gang war der Romanesco (aka Fraktalesco) in Viertel überbacken aus dem Ofen (gut!), abschließend gab es Gnocchi alla romana (auch gut!).

Die USA haben genug Stimmzettel ausgezählt, dass feststeht: Joe Biden wurde zum nächsten Präsidenten gewählt. Mein Internet feierte mindestens so groß, dass eine Frau Vizepräsidentin wird, dass eine Schwarze Vizepräsidentin wird.

Es wird noch eine Weile brauchen, bis bei mir angekommen ist, dass bald nicht mehr jeder Tag mit “Was hat er jetzt wieder angestellt?” beginnt. Es gibt ja genug Anderes zum Aufregen.

Der Abend endete mit rarem Nebel vorm Balkon.

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Ich hätte gerne, dass Juliane Liebert alle Filme jemals überhaupt bespricht, wenn dabei zum Beispiel sowas rauskommt:
“Film ‘Holidate’ auf Netflix:
Ist das noch gut?”

Die Handlung: Eine blonde, attraktive Frau (Sloane) trifft einen brünetten, attraktiven Mann (Name schon wieder vergessen) und (Ist Ihnen eigentlich klar, dass wir alle sterben werden? Jeder einzelne von uns?) beide sind Single, was vor allem Sloanes Familie blöd findet.

Diese Familie (Sehen Sie auch manchmal alte Filme und denken daran, dass jeder einzelne Mensch in diesen Filmen lange tot ist?) versucht Sloane mit einem netten jungen Arzt von nebenan zu verkuppeln. Nein, nein, keine Angst, keiner von diesen Ärzten, die da draußen rumlaufen und einen eventuell anstecken könnten, weil sie arbeiten müssen, obwohl sie Corona haben. Es ist stattdessen ein attraktiver, netter, virenfreier Schnuffelarzt.

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Was macht ein Regisseur eigentlich bei einer Live-Sendung? Antwort hier am Beispiel eines Stücks Oscarnacht 1996.

via @flueke

Journal Freitag, 6. November 2020 – Graswachstum durch Ziehen beschleunigen

Samstag, 7. November 2020

Eine richtig gute Nacht, ich behalte das abendliche Ibu erst mal bei.

Doch die beiden Nächte und Tage ohne Ibu hatten ihren Nutzen: Ich glaube mir jetzt, dass ich wirklich noch nicht arbeitsfähig bin. Davor nagte ein wenig schlechtes Gewissen an mir, weil ich ohne eigentliches Leid daheim rumsaß und sogar Einkaufen gehen konnte. Jetzt weiß ich, dass ich tatsächlich noch einige Wochen Einheilen vor mir habe. Wie meinte mein Rehatrainer in der Klinik in Bad Wiessee: Wenn eine Patientin glaube, sie könne den Heilungsprozess nach OP irgendwie beschleunigen, glaube sie wohl auch, sie könne Gras schneller wachsen lassen, indem sie daran ziehe.

Vormittags spazierte ich für Einkäufe die paar hundert Meter zum Basitsch, wo ich erst besonders stolz war, dass ich von den beiden Gockeln in der Fleischtheke den ungewöhnlich kleinen nahm und nicht den fast doppelt so großen. Wo ich aber an der Kasse feststellte, dass ich meine Maestro-Karte daheim vergessen hatte und dass das Thymiansträußerl im Einkaufskorb Oregano war. Dann würde es halt Zitronen-Oregano-Hähnchen zum Abendbrot geben.

Mein Frühstück war ein Scheiberl roter Pressack aus dem Biomarkt (mit Essig), zudem ein Granatapfel mit Joghurt.

Nachmittags nahm ich wieder die U-Bahn zum Reha-Sport (ohne zusätzlichen Fußmarsch, die neue Hüfte fühlte sich wirklich nicht danach an), als ich aufbrach, verzog sich gerade der Hochnebel und ließ Sonne durch. Ich stellte fest, dass der Sportraum am Freitag zwischen vier und fünf Uhr nicht so leer ist wie am Mittwoch. Slapstick-Einlage bei der Vorbereitung der Übung Squats zur Seite mit Theraband um die Füßknöchel: Ohne das verbotene Runterbeugen zum rechten Fuß kam ich nicht ins klein geknotete Theraband, ich versuche vergeblich, die rechte Schuhspitze reinzufädeln (hatte am Mittwoch noch geklappt). Lachend bat ich irgendwann einen Trainer um Hilfe, der mir empfahl, alterntiv ein Theraband um die Knie zu knoten.

Die U-Bahn zurück war zwar nicht wirklich voll, aber zu voll für gesunden Abstand. Immer wieder stellte ich mich um, damit ich nicht direkt neben jemandem saß oder stand. (Gestern zeigte die Corona-Warn-App bereits drei Begegnungen mit niedrigem Risiko an.)

Als ich heim kam, war es dunkel. Wir läuteten das Wochenende mit Negronis ein, und Herr Kaltmamsell schob das Hähnchen fürs Abendessen in den Ofen. Zum Gockerl gab es Postelein aus Ernteanteil und italenisches Brot vom Eataly. Außerdem kastilischen Rosé Dos Puntos, der mit fruchtigem, blumigen Geschmack sehr gut passte.

Im Fernsehen ließen wir Adèle und das Geheimnis des Pharaos von Luc Besson laufen, der mich nicht überzeugte.

Journal Donnerstag, 5. November 2020 – Letztes Fitzelchen Isar-Herbst, Leserunde

Freitag, 6. November 2020

Unruhige Nacht, ich werde erst mal eigenmächtig wieder am Abend Ibu nehmen.

Nach über fünf Wochen meldete die Corona-Warn-App wieder Risikobegegnungen, zwei Stück, niedriges Risiko – ich bin nicht mehr in meiner Klinik- und Reha-Blase.

Make Nelken cool again.

Nur ein bisschen Sport (Minidosis Crosstrainer, Bauchmuskeln rundum, Dehnung Hüftbeuger).

Draußen war es trocken und grau hochneblig. Als Anlass für ein Verlassen des Hauses nahm ich Einkäufe beim Eataly (angenehm leer): Obst, Käse, Spaghetti, Brot. Ich ging achtsam und langsam.

Dahei gab es zum Frühstück Brot, Käse, Cheesecake, dazu Zeitungslektüre. Der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA stand bis abends nicht fest.

Der Himmel riss auf, es wurde sonnig – und es drängte mich sehr nach draußen. Ich nutzte meine Monatskarte für einen Ausflug nach Thalkirchen und einen Spaziergang dort.

Es war herrlich, ich freute mich, doch noch das letzte Fitzelchen Herbst an der Isar zu erleben – leider stürzte der Akku meines Smartphone ab (von 80% auf 4%), deshalb gibt es nicht mehr Bilder. Unter anderem beobachtete ich ein Eichhörnchen mit Flausch im Maul, bis ich sah, wo sein Kobel war, den es sicher damit auspolsterte. Insgesamt hatte ich mich dann doch überschätzt, auf dem Rückweg zur U-Bahn ging ich sehr angestrengt und humpelte wieder.

Nachmittagssnack war ein Schüsselchen Mango-Marmelade ohne Kochen (will heißen: die Mango war deutlich überreif und zermatschte beim Teilen).

Herr Kaltmamsell hatte den Ernteanteil geholt, den Radicchio daraus gab es zum Abendessen, mit Balsamico-Dressing und Stilton-Würfeln.

Abends traf sich unsere Leserunde, wegen der SITUATION per Videokonferenz (Herr Kaltmamsell hat uns ein Eckchen bei Jitsi eingerichtet). Es tat mir noch besser als erwartet, diesen Freundeskreis wieder zu sehen, mich mit dieser Runde auf den neuesten Stand zu bringen – natürlich auch über unsere Lektüre zu reden: Karosh Taha, Im Bauch der Königin. Meine Gedanken habe ich ja schon hier aufgeschrieben, auch den anderen hatte der Roman gut gefallen – mit einer Ausnahme: Ein Mitlesender war einfach nicht an dem nervigen, renitenten Teenager Amal interessiert.

Nachdem wir uns verabschiedet hatten, aß ich zum Nachtisch noch Cheesecake und Schokolade.

Im Bett begann ich eine neue Lektüre, den einzigen Roman von Marieluise Fleißer: Eine Zierde für den Verein. Sie tauchte mich sofort in bekannte Ingolstädter Straßen.

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Marina Weisband aka @afelia hatte die Idee, Judentum zu erklären, indem sie auf Twitter fragte: Was wollt ihr wissen? Das Ergebnis ist eine kleine Video-Serie, hier Teil 1:

#FragEinenJuden Teil 1: Wer sind Juden?

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/Io-TRGT8eUg

Journal Mittwoch, 4. November 2020 – Verschwitzter Mund-Nasen-Schutz

Donnerstag, 5. November 2020

Schlechte Nacht, unter anderem wegen Schmerzen im operierten Bein (dabei am wenigsten in der Hüfte). Ich führe das darauf zurück, dass ich zum ersten Mal abends keine Ibu nahm: Kein Arzt hatte mich angewiesen, sie nach der letzten verschriebenen Tablette weiter zu nehmen.

Ich las Twitter und die Süddeutsche des Tages, aktualisierte immer wieder Tagesschau.de um herauszufinden, ob sich ein Ergebnis der US-Präsidentenwahl abzeichnete (bis zum Abend stand lediglich fest, dass fast die Hälfte der Wählerinnen und Wähler allen Ernstes einen menschenverachtenden Lügner als Staatsoberhaupt haben wollen).

Zum Frühstück aß ich polnischen Schinken und spanischen Käse mit Pickle, zwei Stück hervorragenden Cheesecake mit Meyer-Lemon-Curd.

Draußen war es kalt und dunkelgrau, ich las Rebanks’ English Pastoral mit hochgelegten Beinen, bis es Zeit war, zum Nach-Reha-Training aufzubrechen.

Ich ging zu Fuß bis zum Odeonsplatz, um ein wenig Luft zu bekommen, nahm dann die U-Bahn nach Nordschwabing. Das Training, ca. 75 Minuten, war sehr anstrengend, jetzt weiß ich: Ich Superschwitzerin kann auch Mund-Nase-Masken verschwitzen. Die Zeit zwischen vier und fünf war gut gewählt, der Trainigsraum war nur wenig besucht.

Auch auf dem Rückweg ging ich eine U-Bahn-Station zu Fuß. Gegenüber vom Nordfriedhof hatte ein großer Friedhofs-Blumenladen noch offen, ich kaufte einen Strauß Nelken in fünf verschiedenen Rosa-Tönen: Nelken scheinen ohnehin langsam ihr Image als hoffnungslos unmoderne Blumen zu verändern, doch wo hat man sicher die größte Auswahl, wenn nicht gegenüber einem Friedhof.

Für das Abendbrot verarbeitete ich die restlichen beiden Meyer Lemons und ein übriges Sträußchen Petersilie zu einem Pastagericht (halt mit Petersilie statt Basilikum) – das erstaunlich gut schmeckte.

Was mich abends aber am meisten plagte, war nicht das operierte Bein, sondern die immer schlimmer verspannte linke Schulter samt Nackenseite. Ich hatte gehofft, dass auch das wundersamerweise mit der kaputten Hüfte verschwinden würde, doch das ist dann wohl doch eine komplett andere Baustelle (jajaja, diagnostiziert per MRT vor Jahren: ohnehin verengter Nervenkanal in einem Halswirbel, zudem hat sich ausgerechnet darin ein Knochensporn gebildet, ich hatte vier selige Jahre fast Ruhe). Ich machte auf dem Boden ein paar Übungen, die mir die Anfasserin gezeigt hatte, sie linderten ein wenig.

James Rebanks, English Pastoral ausgelesen. Im letzten Kapitel “Utopia” häufen sich die Redundanzen, immer wieder beschreibt Rebanks mit anderen Worten, welche Konsequenzen industrielle Landwirtschaft auf seine Heimatgegend und auf die Gesellschaft insgesamt hat. Dennoch fand ich die Details der aktuellen Veränderungen, die er auf seinem Hof versucht, sehr spannend und wünsche mir mal wieder ähnliche Beispiele für eine Gegend in meiner eigenen Heimat, also am liebsten aus der Region 10.

Eine zentrale Feststellung:

Wie Land landwirtschaftliche genutzt wird, hängt immer von den Gegebenheiten ab. In Cumbria, wo Rebanks lebt, ist der Boden so karg, dass er sich am besten für Viehwirtschaft eignet, wo selbst Gemüseanbau auf das tournierende Beweiden der Flächen angewiesen ist, nämlich auf Dung als Dünger und das Zertrampeln durch Hufe zur Auflockerung. Und dann wäre es eine ungeheure Verschwendung, dieses Vieh nicht auch zu essen.

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Ein bisschen Ruhe und Frieden gefällig? Gestrige Bilder von James Rebanks auf Twitter. (Wo seit einiger Zeit auch seine Frau Helen aktiv ist, auf interessante Infos zu Landwirtschaft verlinkt und James durchaus Widerworte gibt.)

Journal Dienstag, 3. November 2020 – Heimisches Heilen

Mittwoch, 4. November 2020

Gestern nicht viel mehr gemacht als vor mich hin zu heilen. Was bei den Corona-Beschränkungen wahrscheinlich auch in den nächsten Wochen meine Hauptbeschäftigung bleiben wird. (Na gut: Da sind zwei häusliche Räumprojekte der Sorte Wann-wenn-nicht-jetzt, einmal die Neusystematik meiner Ablage offizieller Papiere sowie die überquellende Kiste mit privater Post, die sortiert gehört.)

Das Wetter war regnerisch und kühl, vormittags absolvierte ich meine gute Stunde Heimsportprogramm.

In einer Regenpause verließ ich das Haus, um beim Vollcorner nach Meyer Lemons zu suchen: Jetzt haben sie Saison, und ich wollte einen Kuchen damit backen. Diesmal ließ ich die Krücken daheim und ging bedächtig, das funktionierte.

In einem anderen Laden erlebte ich zum erstem Mal die Konfrontation mit einer Maskenverweigerin. Ich sprach sie an: “Würde es Ihnen etwas ausmachen, eine Maske anzulegen?”
“Ja. Ich habe ein Attest!”
Auf mein “Wenn Sie so krank sind, sollten Sie wirklich nicht unter Leute gehen”, schnappte sie: “Dann holen Sie doch die Polizei!”
Ich wandte mich ans Personal, das meinte, mit Attest könnten sie nichts machen. Dann ging halt ich, ohne Einkäufe, und komme nicht mehr wieder.
1. war ich auf die Verweigerin aufmerksam geworden, weil sie heftig nieste.
2. kann das Personal natürlich niemanden “mit Attest” zum Maskentragen zwingen, muss sie aber auch nicht reinlassen.

Frühstück: Eine frisch geholte Handsemmel mit polnischem Schinken, den uns Herr Putzmann geschenkt hatte, außerdem ein Sellerie-Tahini-Püree aus der Hand von Herrn Kaltmamsell (Ottolenghi-Rezept hier unten), das sehr gut schmeckte und ab sofort eine weitere Verwertung von Erntenteil wird neben Sellerie-Schnitzel, Sellerie-Lasagne und Waldorf-Salat.

Ich hatte Meyer Lemons bekommen und buk damit Lemon Curd Cheesecake nach einem erprobten Rezept von Petra.

Angeschnitten und gegessen wird er allerdings erst am Folgetag, weil er lange kühlen muss.

Keksböden mache ich seit Teenageralter, angefangen mit der legendären Philadelphia-Käse-Torte (hach, die 80er!). Doch ich bin immer noch auf der Suche nach der idealen Kekszerkrümel-Methode. Versucht habe ich schon Handzerkrümeln jedes einzelnen Kekses (aua!), portionsweise Zerhäckseln mit Zauberstab oder Gemürzmühle des Küchenmaschine (dauert lange), Kartoffelstampfer in Rührschüssel (Erkenntnis, dass Keksfragmente viele Meter weit fliegen können). Das führte alles zu gutem Ergebnis, die Methoden fühlten sich aber verbesserbar an. Gestern versuchte ich also einen Klassiker: Kekse in großen Gefrierbeutel, mit Nudelholz darauf rumrollern bis Krümel. Was soll ich sagen: Deutlich bequemer! Und da der Gefrierbeutel bereits sehr oft benutzt worden war und eh am Ende seines Lebenszyklus’, machte es mir nichts aus, ihn anschließend schmutzig wegzuwerfen (hier mag der Haken der Methode liegen).

An einigen Stellen spürte ich Muskelkater, die Nach-Reha-Übungen wirkten.

Nachmittagssnack war die zweite Semmel mit Honig und nochmal etwas Selleriepüree. Ich legte wieder auf dem Sofa die Beine hoch und las Rebanks, English Pastoral.

Zum Abendbrot unterstützten wir die derzeit geschlossene heimische Gastronomie: Ich ließ mir von Herrn Kaltmamsell vom Vietnamesen Chi Thu eine Reisnudelschale mit Frühlingsrollen mitbringen, die viel frisches Gemüse enthielt und sehr gut schmeckte (und in Papierschachtel nur mittelviel Müll erzeugte).

Als Abendunterhaltung ließen wir My Big Fat Greek Wedding im Fernsehen laufen, den ich immer schon mochte, weil er eine partnerschaftliche Partnschaft zeichnet und viele RomCom-Stereotypen vermeidet.

Ansonsten auf allen Kanälen ohrenbetäubendes Vor-US-Wahl-Getöse.