Journal Freitag, 27. August 2021 – Bayerischer Wald 6: Zwiesel und Nationalpark-Wanderung bis Bayerisch Eisenstein

Samstag, 28. August 2021 um 7:47

Doofe Nacht mit langer Schlafpause, irgendwann gab ich auf und las auf meinem Handy schon mal die Freitagszeitung (Roman auf Papier hätte Licht benötigt, mit dem ich fürchtete, den Herrn neben mir zu wecken). Kurz vor sechs schlief ich aber nochmal ein.

Es war gemischtes Wetter angekündigt, und wir hatten im Restaurant des Grenzbahnhofs von Bayerisch Eisenstein, Vo’Gunders (keine Website), auf die Empfehlung von Lempel fürs Abendessen reserviert. Bis dahin wollten wir noch ordentlich wandern, vorher ein wenig Zwiesel erkunden.

Wir nahmen eine frühe Waldbahn nach Zwiesel und spazierten hoch zur Pfarrkirche. Dort sahen wir uns lange die Buntglasfenster an, an denen die jeweiligen Stifter*innen genannt und die mit 1912 bis 1915 datiert waren. Sie zeigten sowohl traditionelle (die “Jungfrauen der Stadt Zwiesel” spendierten natürlich eine Heilige Agnes) als auch zeitgenössische Motive, am auffallendsten in einer Seitenkapelle Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg (ein Zettel im Schaukasten darunter, der den Gefallenen des eben zu Ende gehenden Afghanistan-Einsatzes gedachte, rückte das Motiv brutal nahe).

Plan war gewesen, nach einem Spaziergang durch die Stadt in einem Café einzukehren und ein wenig zu lesen. Doch – das ging nicht so recht. Zwiesel hatte etwas von Geisterstadt und deprimierte mich ziemlich: So viele Leerstände. Und darunter halt auch Wirtschaften sowie alle Cafés oder Konditoreien mit Café, an denen wir vorbeikamen. (Wie passt das zu der Information, der Bayerwald boome derzeit als Urlaubsdestination? Sind Zwiesel besonders viele Kurkliniken weggebrochen?) Zum Glück hatte ich eh geplant, die örtliche Kaffeerösterei anzusteuern, eine der zehn Hauptattraktionen, die die Stadt selbst aufführt. Darin gab es auch ein paar Tische, und wir bekamen Kaffee: In Form von Espresso und in Form von einem Pfund Bohnen, die wir halt auf der Wanderung trugen.

Um zwölf nahmen wir eine Waldbahn nach Ludwigsthal. Hier drehten wir erst eine Runde über die Wildgehege, bevor wir uns auf die eigentliche Wanderung durch den Nationalpark Felsenstein bis Bayerisch Eisenstein machten. Wir kamen durchs sehr attraktive Wildniscamp Felsenstein, wanderten unter anderem den Schwellbach entlang (wo uns zwei sehr niedliche Grasfrösche begegneten), machten nach gut drei Stunden Brotzeitpause neben dem wildromantischen Schwellhäusl, wo ich einen Apfel aß, wanderten weiter Richtung Bayerisch Eisenstein – und weil wir für unsere Reservierung noch zu früh dran waren, drehten wir eine Extrarunde über den Hochfels.

Das Wetter hielt, wir wurden nur hin und wieder von ein paar Tropfen angeregnet, allerdings fand ich es für August deutlich zu kalt. Der alte Körper spielte sowohl bei Herrn Kaltmamsell als auch bei mir mit. Wir begegneten nur wenigen anderen Wandernden, die Radler*innen hatten entspannenderweise ihre eigenen Wege – und blieben darauf.

Sehr hungrig kehrten wir in den Bahnhofsgasthof ein. Der Raum ist großartig und ließ mich erwarten, dass wir in einem Salonwagen zurück nach Bodenmais fahren würden. Wir aßen gut: Nach einem Gruß aus der Küche (Wurstsalat) gab es für uns beide Wildkräutersalat mit gebratenem Taleggio, dann für Herrn Kaltmamsell Seeteufel in Schinken mit Frischkäse-gefüllten Ravioli, für mich eine mit u.a. Mais gefüllte gebackene rote Paprika. Dazu trank ich einen freundlichen Veltliner. Die Kochkunst ist kein Zufall: Der namengebende Wirt Mathias Gunder, gebürtiger Eisensteiner, hat in hochklassigen Häusern auf der halben Welt gekocht. Ein Träumchen wären auch noch lokale Zutaten (z.B. in der Nähe produzierter Käse statt Taleggio, ein Gemüse- oder Linsengericht mit örtlichen Ölen statt der Venusmuscheln auf der Karte), aber zum einen wird vielleicht wirklich im Bayerischen Wald einfach nichts angebaut oder produziert (außer Fleisch und Schnaps), zum anderen haben uns die gastronomischen Tiefschläge dieser Woche doch sehr dankbar und demütig werden lassen.

Satt und zufrieden ließen wir uns mit der Waldbahn zurück nach Bodenmais schaukeln – wo es auf den letzten Metern zu unserer Pension nochmal ordentlich zu gießen begann.

Stadtkirche Zwiesel von außen.

Innen interessante Stühle – und Glasfenster.

Rüber zum Nationalpark Falkenstein:

Wir sahen ein paar Auerochsen, doch Wölfe und Luchse hatten gerade keine Lust auf Show.

Wildniscamp:

Am Schwellbach (ganz am Anfang Rastplatz mit lustigem Sprotzbrunnen):

Einer der beiden Frösche auf dem Weg (Foto: Herr Kaltmamsell):

Schwellhäusl/Trifthaus:

Viel Wald:

Blick vom Hochfels:

Pfarrkirche Bayerisch Eisenstein: St. Johannes Nepomuk.

Das Abendessen im Vo’Gunders:

Wunderschöner Raum.

Wildkräutersalat mit gebratenem Taleggio. (Brot dazu mit gesalzener Butter und einer wundervollen Aioli.)

Gefüllte Paprika bei mir, Seeteufel bei Herrn Kaltmamsell.

Vollgefressen vor Rückfahrt.

Im Pensionszimmer bloggte ich noch bis spät, am nächsten Morgen würde ich wegen der Rückfahrt-Vorbereitungen wenig Zeit dazu haben.

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Freitag, 27. August 2021 – Bayerischer Wald 6: Zwiesel und Nationalpark-Wanderung bis Bayerisch Eisenstein“

  1. corsa meint:

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    Gerne gelesen

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  2. Hauptschulblues meint:

    In der Tat wurden im Woid nur das Rind, das Schwein und das Federvieh gehalten. Größerflächige Landwirtschaft war nicht möglich; Hirse und Lein wurden jedoch angebaut, auch der Hanf von den alten Bauern für den Privatgebrauch. Ansonsten lebte man von den Schmugglerpfaden von und nach Prag und der Arbeit in den Glashütten. Um 1900 setzte eine starke Landflucht ein. Heute wird er nach und nach entdeckt, auch dank der Lichtung (https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtung_Verlag), die Freund H. in den späten 80er Jahren in Leben gerufen hatte.

  3. Gaga Nielsen meint:

    die gotische Silhouette der Stühle in der Kirche ist wirklich sehr besonders…
    aber ich finde den Boden auch ganz toll!

  4. Thomas S. meint:

    Gerne gelesen! Ich würde allerdings eher auf Kröte tippen.

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