Journal Samstag, 13. November 2021 – Grünkernabend im Münchner Osten, Beifang aus dem Internetz

Sonntag, 14. November 2021 um 9:37

Gut geschlafen, sogar lang. Aufgewacht in einen nebligen Morgen.

Beim Papierwegwerfen nach dem Herbstmarkierern Lärche und Hainbuche gesehen, von der neuen Wohnung aus habe ich sie ja nicht mehr automatisch im Blick.

Aus dem nebligen Tag wurde ein bewölkter, ab Nachmittag mit Regen. Ich hatte keine Lust aufs Radeln und nahm zu meiner Schwimmrunde ins Dantebad die Straßenbahn: Dort 2G-Regelung, mein Impf-Zertifikat wurde sehr genau geprüft. Dennoch war das Becken rege beschwommen, zum Glück trotz fast durchgehendem Spielzeuggebrauchs kooperativer Umgang. Ich kraulte gemütlich meine 3000 Meter, unter anderem mit Nachdenken, ob die Schwimmbäder wohl wieder schließen werden müssen (die Corona-Inzidenz in Deutschland hat am siebten Tag in Folge neuen Höchststand, in Bayern haben wir es auf 497 geschafft). Und ob ich vielleicht doch mal vor der Arbeit gehe? Wenn ich um sieben zur Öffnung am Bad bin, müsste ich es mit Beschränkung auf 2000 Meter bis 9 Uhr ins Büro schaffen.

Zurück nach Hause nahm ich einen Umweg über Schwabing: Ich ließ mich mit der Tram zum Hohenzollernplatz fahren, spazierte von dort über Kaffee- und Semmelkauf zum Stachus, um im Kaufhaus Socken und Strümpfe zu kaufen, erst dann heim.

Weil Herr Kaltmamsell bis heute vom frisch gepressten Granatapfelsaft damals in Tel Aviv schwärmt, presste ich zum ersten Mal einen Granatapfel aus. Ich fand heraus, dass sich eine Zitruspresse dafür nur bedingt eignet. Ja, es gibt Granatapfelpressen – doch für den seltenen Einsatz schaffen wir uns sicher kein neues Gerät in der Küche an (für das ja auch vereinbarungsgemäß ein anderes raus müsste).

Zum Frühstück gab es Semmeln mit Ziegenkäse und Marmelade, später die Kerne eines weiteren herrlichen Granatapfels. Da wir abends bei Freunden zum Essen eingeladen waren, testeten wir uns nachmittag selbst auf Infektion (ja, nicht ganz zuverlässig, aber besser als nichts).

Draußen regnete es inzwischen, die Düsternis machte ab drei künstliches Licht nötig.

Raus zu den Freunden im Münchner Osten nahmen wir wieder die Tram. Angekündigt war ein Grünkern-Menü: Der Gastgeber stammt aus dem Bauland, dem wichtigsten deutschen Anbaugebiet von Grünkern, die Gastgeberin hatte sich durch ein lokales Grünkern-Kochbuch gearbeitet. So gab es erst mal Grünkernsalat mit Rettich, einen mit Karotten und Schafskäse, Grünkernbutter mit selbst gebackenem Brot (enthielt ein Grünkern-Kochstück). Warmer Hauptgang war ein Grünkernauflauf mit Schinken, zum Nachtisch knabberten wir Grünkern-Lebkuchen. Alles sehr unterschiedlich, abwechlungsreich und durchwegs schmackhaft. Dazu gab es unter anderem Wein aus einem Flutpaket Ahrtal, ich durfte mir eine Cuvée aussuchen. Abschließend ein sensationeller Nussbrand von AltEnderle.

Ich genoss den Abend in Geselligkeit sehr, andere Perspektiven, andere Einblicke, andere Leben. Wir ließen uns spät von der Straßenbahn heimschaukeln.

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Viola Priesemann ist Physikerin, Wissenschaftlerin, und ihre Expertise in Ausbreitungsdynamik in neuronalen Netzen macht ihre mathematischen Berechnungen zur Ausbreitung der COVID-19-Pandemie extrem wertvoll. In einem Twitter-Thread fasst sie die momentane Lage einfach und verständlich zusammen, beginnt mit einer Korrektur von verantwortungslosen Behauptungen des FDP-Chefs Christian Lindner.

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Peter Dabrock ist Professor für Systematische Theologie mit dem Schwerpunkt Ethik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Von 2012 bis 2020 war er Mitglied des Deutschen Ethikrates, von 2016 bis 2020 dessen Vorsitzender. Hier sein Essay zu:
“‘Tyrannei der Ungeimpften’? Zugespitzt, aber ethisch richtig!”

Es ist – in der kantischen Tradition formuliert – folgendes ethisch geboten: eine starke moralische Pflicht, etwas zu tun, wenn der Aufwand dafür gering, der Nutzen für einen selbst und mittelbar auch für andere und die Gesellschaft als ganze hoch ist, bei Unterlassen die Wirkung dieser Handlung nachlässt, vergleichbar effektive und effiziente Alternativen nicht vorliegen und zugleich das Risiko der Selbstschädigung gering ist.

All das, was die Jurist:innen unter das Stichwort „Verhältnismäßigkeit“ packen, ist beim Impfen erfüllt. Wie die Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx immer wieder einschärft: Impfen ist eine persönliche Entscheidung, aber keine Privatsache, denn die Konsequenzen der Nichtimpfung sind in der Gesellschaft erheblich – das fängt bei einem selbst oder als Angehörige von Risikopatienten an, geht über die in diesem Maße unnötige Belegung von Intensivbetten und dadurch nötige Verschiebung anderer wichtiger Operationen wie Bypass-Legung oder Krebs-OPs und reicht bis hin zu den – von vielen Impfverweigerern wie selbstverständlich verlangten – Übernahme der Kosten von Bürger:innentests. Von den anderen psychischen und sozialen Kollateralschäden, etwa im Bereich der Entwicklung von jungen Menschen durch noch immer andauernde Beeinträchtigung der Bildung und Freizeitaktivitäten oder des betreuten Lebens in Einrichtungen, ganz zu schweigen.

(…)

Alle, die Montgomery Spaltung vorwerfen, müssen sich fragen: Wer spaltet die Gesellschaft? Diejenigen, die andere schädigen und unsolidarisch auf ihre „Freiheit“ pochen, oder der, der auf die Schädigung hinweist?

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Versuch einer soziologischen Erklärung im österreichischen Standard, Interview mit dem Soziologen Oliver Nachtwey:
“Warum ist die Impfquote in deutschsprachigen Ländern niedriger als in Westeuropa?”

In Deutschland sind die größten Biokonzerne wie Demeter anthroposophische Netzwerke. Dort gibt es immer diesen spirituellen Mehrwert in den Produkten. Es geht in diesen Strömungen vor allem um eine Form von Ganzheitlichkeit, Selbstverwirklichung und Körpersouveränität. Und das Impfen wird nun als autoritärer Eingriff des Staates wahrgenommen. Die Tragik ist: Mit “My Body my Choice” wird etwa ein wichtiger Slogan der Frauenrechtsbewegung vereinnahmt. Im Grunde geht es um radikalen Individualismus. Und Impfen als solidarischer Akt wird dann nicht wahrgenommen.

(…)

Ich würde eher sagen, dass die Wissenschaftlichkeit einer Gesellschaft eine “Unterseite” produziert hat. Also ein Bedürfnis, der spirituellen Obdachlosigkeit zu entkommen. Wir sehen bei den Corona-Protesten ja viele Menschen, die hochqualifiziert sind. Da haben viele einen Universitätsabschluss. Denen fehlt es eigentlich nicht an Bildung. Sie hätten die Fähigkeit, wissenschaftliche Expertisen zu sehen. Was sie aber haben, ist eine starke Autoritätsskepsis. Und gleichzeitig trauen sich diese Menschen zu, aufgrund ihrer teils hohen Bildung, Wissenschaft selbst zu beurteilen.

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Maren Kroyman, “Die Matheleugnerin”.

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https://youtu.be/iGTyy3CR4fA

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Isländischer Humor gefällt mir. (Dennoch ein Reiseziel auf ca. Platz 336 meiner Wunschliste – ich freue mich aber ungeheuer, wenn anderen hinreisen und davon erzählen und Bilder zeigen!)

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https://youtu.be/enMwwQy_noI

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Samstag, 13. November 2021 – Grünkernabend im Münchner Osten, Beifang aus dem Internetz“

  1. FrauC meint:

    Vielen Dank für die Videos!

  2. Simone meint:

    Danke für die Videos.

  3. Beate meint:

    Vielen Dank – ich muss mir das alles noch durchlesen. Und die Mathematikleugnerin – erst hab ich schallend gelacht, dann war’s mir ganz anders zumute …

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