Journal Sonntag, 30. Oktober 2022 – Back in the Schwimmbecken und passiv-aggressives Radeln

Montag, 31. Oktober 2022 um 7:48

Wieder herrlich lang geschlafen und zu warmem Sonnenschein aufgewacht. In der letzten Phase geisterte ein Filmzitat in meinem Hirn herum: “I was born in peacetime.” Beim Aufwachsen ergänzte die Erinnerung, dass es weiterging mit “I haven’t seen what you’ve seen.”, wollte mich aber glauben machen, dass es von George Clooney in einem Film gesprochen wird. Auflösung hinter der Fußnote, an diesen Film hatte ich schon ewig nicht mehr gedacht.1

An diesem letzten Wochenende im Oktober waren wir zur Winterzeit, also MEZ zurückgekehrt. Erst mal die Uhren im Haushalt korrigiert (darunter eine, die sich nach Jahren mal wieder selbsttätig verstellt hatte, da hatte ich aber schon eingegriffen, das ruinierte meinen Flow). Nach gemütlichem Bloggen und Internetlesen zu Milchkaffee machte ich mich fertig für eine Schwimmrunde im Olympiabad – vielleicht war das Wasser ja derzeit warm genug für ausführliche Bahnen, sie Stadtwerke-Website nannte 26 Grad für Sportbecken.

Auf den Weg ins Olympiabad spielte ich mein passiv-aggressives Lieblingsspiel “Radeln gemäß Straßenverkehrsordnung”.2 Als Challenge suchte ich mir zwischen Ziemssenstraße am Nußbaumpark und Maxvorstadt eine östliche Umfahrung des Hauptbahnhofs raus. Ich scheiterte, denn ordnungsgemäß hätte ich ab Bayerstraße den Autos folgend eine riesige Zusatzschleife über die Sonnenstraße drehen müssen. Statt dessen schummelte ich, stieg ab und schob mein Fahrrad über Fußgängerampel-Überwege. Also zwar nicht gegen die StVO verstoßen, aber nicht wirklich geradelt.

Unterwegs stieg ich ab, um mal wieder Häuserkunst zu fotografieren. Auf dem Wandtatoo am Nordende der Hiltenspergerstraße steht: „Nur auf dem Boden der Eintracht gedeiht Schönheit und Ordnung“. Eine eigentlich schöne Sentenz, korrekt wäre aber „gedeihen“, früher war auch nicht mehr Rechtschreibung.

Heimkommen ins Olympiabad. Ich schaute kurz vorher auf die Auslastungsanzeige online, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was die Zahl bedeutete.

Sie bedeutet: gemütliches Schwimmen möglich. Und zu meiner riesigen Erleichterung fühlte sich das Wasser warm an. Ich schwamm gleich mal meine 3.000 Meter. Das war wahrscheinlich zu viel (das letzte Mal schwamm ich diese Strecke vor – *checkt die Moves-App ihres Smartphones* – mehr als vier Monaten), meine Schultern jammerten, ich war abschließend ziemlich erledigt, doch ich konnte es Bahn um Bahn nicht fassen, dass ich immer noch! nicht! fror!

Der Beweis: Schwimmen macht schön.

Beim Heimradeln (nach wenigen Metern hielt ich an und stopfte meine Jacke in den Fahrradkorb, viel zu warm) kamen mir wieder Menschen in Hochsommerkleidung entgegen.

Zu Hause erst mal den letzten Granatapfel entkernt, Schokopudding aus Haselnussmilch gekocht, eine Tasse Tee aufgebrüht (ich war noch nicht bereit für Frühstück). Haselnussmilch in Schwarztee (auf englische Art) geht übrigens gut.

Frühstück schießlich auf dem Balkon: Schinkenbrot, Brot mit Kürbismarmelade, Granatapfelkerne.

Das machte mich bettschwer. Ich hielt eine kleine Siesta mit diesem Ausblick.

Auf dem Balkon die Wochenendzeitung ausgelesen. Ein Stündchen gebügelt, belohnt durch das schöne Gefühl, das jetzt wieder alles weg ist.

Das Schwimmen hatte meine immer unangenehmeren Kreuzschmerzen gelindert, doch den Oberkörper spürte ich. Ich gönnte mir eine Runde Mady-Yoga mit Dehnen rundum.

Ich wunderte mich, warum ich schon um sieben so brutal Hunger hatte – bis mir die Zeitumstellung einfiel. Es gab aufgewärmtes Süßkartoffel-Curry vom Vortag, gestreckt mit Erbsen. Nachtisch Schokopudding. Und Schokolade.

Fürs Abendprogramm sah ich mal in Marnie rein – aber Hitchcock und ich kommen einfach nicht zusammen: Die visuellen Erzählmittel total plump, die Dialoge aufgesetzt, das Frauenbild zum Haareraufen. Ich halte Alfred Hitchcock vor allem für einen Meister im Selbstmarketing.

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Eine weitere schlaue Analyse der Folgen von Elon Musks Twitter-Kauf, zentrale Beobachtung: Das geschäftlich Wichtigste an Twitter ist die Zufriedenheit der Anzeigenkunden, nicht die der Twitterer.
“By Buying Twitter, Elon Musk Has Created His Own Hilarious Nightmare”.

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Pragmatismus abseits von Konventionen, ein Beispiel von novemberregen.

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Andrea Diener, selbst Straßenfotografin, hat über eine Vivian-Maier-Ausstellung geschrieben, mit der wichtigen Einleitung, dass ihr “Werk erst allmählich die spektakuläre Entdeckungsgeschichte zu überstrahlen beginnt”.
“Künstlerin, nicht Kindermädchen”.

  1. Es ist aus Hear My Song, zusammen mit Funny Bones vom selben Regisseur, Peter Chelsom, einer meiner Lieblingsfilme. []
  2. Ich kann das wirklich empfehlen für Leute, die halbwegs so gestrickt sind wie ich, die sich also gerne in Selbstgerechtigkeit sonnen, weil sie durch Befolgung der Regeln deren Absurdität belegen, also zum Glück für fast niemanden, denn ich könnte die Welt und das Leben noch schlechter ertragen als ohnehin, wenn ich von Leuten wie mir umgeben wäre. []
die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Sonntag, 30. Oktober 2022 – Back in the Schwimmbecken und passiv-aggressives Radeln“

  1. Alexandra meint:

    Von mir sagte meine Mutter schon als ich noch ein Kindergartenkind war, ich habe meine “Gegner” (im Sandkasten) so in Grund und Boden gequatscht, dass sie sogar den Grund des Streits vergaßen und völlig von mir abließen.

    Danke für den Reminder per Novemberregen, ich werde dieses Mittel wieder vermehrt einsetzen; das kommt mir grad’ zupass!

    Bei fehlerhaften Schreibweisen – egal, nach welcher alten oder neuen Regel – springt mir jedes Mal, so ich sie lese (ich kann kein Wort ansehen, nirgends, ohne es sofort gelesen zu haben), quasi der Korrekturstift aus der Tasche.

    Sooo viele Fehler, teilweise sogar in regional sehr etablierten Tageszeitungen (neulich erst “Flug”, wo wirklich “Pflug” hätte stehen müssen!), es ist mitunter schwerst zu ertragen …

    Oh Tempora, Oh Mores! ;)

  2. Anne meint:

    Mein Rotstift malte ein „Gr“, kein „R“ neben das Wandgemälde (für sich betrachtet ist „gedeiht“ ja richtig geschrieben).

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