Journal Freitag, 23. Dezember 2022 – Das neue Sofa

Samstag, 24. Dezember 2022 um 8:43

Wecker gestellt, weil zwischen sieben und elf das Sofa geliefert werden sollte. Doch ich wachte eh früh auf, ausgeschlafen und frisch.

Der Vormittagsablauf war also eng verzahnt mit dem von Herrn Kaltmamsell, damit immer jemand daheim war. Erst ging er Laufen, schon vor acht, dann Einkaufen. Noch bevor er zurück kam, wurde die Sofa-Lieferung für in einer halben Stunde angekündigt und fast auf die Minute gebracht. Ich freute mich, dass ich daran gedacht hatte, reichlich Trinkgeld für die beiden Herren parat zu haben.

Die weiteren geplanten Erledigungen mussten also nicht mehr abgestimmt werden. So holte ich zum ersten Mal Semmeln im kürzlich eröffneten zweiten Laden beim Sendlinger Tor des derzeit am lautesten gefeierten Bäckers Münchens, Julius Brantner. Zuvor war in diesem Räumen an der Ecke Kreuz- und Brunnstraße viele Jahre ein Blumenladen betrieben worden, jetzt sah ich durch die Fenster eine Backstube mit Bäckerinnen und Bäckern, vielen Gärkörbchen voll Teiglingen, jemand zählte Backwaren in Tüten.

Dass die Auswahl im Laden selbst klein sein würde, wusste ich: Es wird wirklich nur in den beiden Backstuben und von Grund auf gebacken.

Ich brachte mit: Handsemmeln, Krusti, Brezen. Und zwar schon so früh gekauft, weil ich später nicht mehr von Verfügbarkeit ausgehen konnte.

Durch die sehr milde Luft, aber unter dunklen Wolken radelte ich zum Olympiabad. Schönes Schwimmen; da ich erst nach 2.000 Metern fröstelte, konnte ich bis zu meinen gewünschten 3.000 durchkraulen. Ein Mitschwimmer auf der Bahn erheiterte mich: Er schien an sich zu testen, wie viel Schwimmspielzeug an eine Person passen – gleichzeitig Fußflossen, Handpaddel, Kissen zwischen den Beinen, Zählwerkzeug am Handgelenk (das er regelmäßig überprüfte). Vielleicht liegt unterm Weihnachtsbaum ein zwei-schlauchiger Schwimmschnorchel, mit dem man nicht mal mehr den Kopf zum Luftholen drehen muss? (Nutzte gestern ein anderer Schwimmer auf der Bahn.)

Duschen in der schönsten Schwimmbaddusche überhaupt. Und dann sah ich beim Aufsteigen auf mein Radl zwischen den vielen grasenden Gänsen an der kleinen Olympiahalle auch noch ein Kaninchen!

Auf dem Heimweg tröpfelte es, ich wurde aber nur leicht feucht. Glück gehabt, im weiteren Verlauf des Nachmittags regnete es energisch.

Beim Heimkommen kümmerte ich mich erst mal mit Herrn Kaltmamsell ums Sofa.

Skandinavisches Design ist einfach unverkennbar.

Allerdings mussten halt unten noch die Füße angeschraubt werden. Und das erwies sich erst als schwierig, in einem Fall sogar als unmöglich: Die zwei Füße für vorne und die zwei für hinten (deutlich unterschiedlich) wurden mit einer langen Schraube von innen und zwei kurzen von unten durch den Sofaboden befestigt; in diesem einen Fall waren die jeweils anderen Löcher mit Gewinde um mehrere Zentimeter unerreichbar, wenn die einen angeschraubt waren. Wir fanden keine abschließende Lösung und werden Hilfe benötigen.

Selbst die drei anderen Füße kosteten uns anderthalb Stunden (in der Montageanleitung waren 20 Minuten für zwei Personen angekündigt gewesen). Zum Glück ist Herr Kaltmamsell nicht nur die personifizierte Geduld (sonst hätte er vermutlich längst den Lehrerberuf hingeworfen – und würde nicht einen einzigen Tag Leben mit mir aushalten), sondern sagte immer wieder im richtigen Moment: “Erst mal Pause.”

In der ersten dieser Pausen aß ich zum Frühstück zwei Brantner-Semmeln (gut!) und eine -Breze: Diese zwar ehrlich als “schwäbisch” deklariert, aber halt für meinen bayrischen Geschmack einfach zu trocken. Zudem hatte ich für 1,50 Euro das Stück erwartet, dass diese Breze zumindest ein einfaches Weihnachtslied spielte.

Ich las Zeitung, machte die ersten Handgriffe fürs Heilig-Abend-Essen (Kartoffeln gekocht) und fürs Weihnachtsmahl am Sonntag (Blaukraut schneiden und marinieren, wieder nach diesem Rezept).

Nachtmahl wurde klassisch freitäglich Kuh auf Wiese: Wir teilten uns ein Entrecôte, ich machte den Ernteanteil-Feldsalat mit Walnüssen, Mandarinen und Kürbiskernöl an.

Davor hatte es als Aperó einen Calvados Tonic gegeben, mit ein paar spanischen Pfahlmuscheln aus der Dose. Zum Essen gab es den baskischen (na ja, Navarra) Emilio Valerio, von dem ich ein Gläschen fürs Blaukraut abgezweigt hatte. Nachtisch Schokolade.

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In meinem Internet häufen sich die schlimmen Geschichten über alte, kranke Angehörige in Krankenhäusern, die derzeit und in den vergangenen Corona-Jahren vernachlässigt wurden – und denen die Familien wegen strenger lokaler Hygiene-Vorschriften nicht helfen durften. Croco erzählt ihre:
“Unter Corona”.

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Auf Netzpolitik berichten Redakteur*innen und Aktivist*innen von ihrem langjährigen Kampf für Grundrechte im Internet. Hier zum Beispiel (Legende) Constanze Kurz über das Thema anlasslose Massenüberwachung:
“‘Wenn sie das durchkriegen, ist der Damm gebrochen.'”

Der Kampf gegen Massenüberwachung darf nicht als Gegnerschaft von Kriminalitätsbekämpfung oder von individuellen Überwachungsmaßnahmen umdefiniert werden. Tatsächlich ist es ein Kampf gegen anlassloses milliardenfaches Wegspeichern von Daten über Menschen.

Manche Leute scheinen zu denken: Ja, was habt ihr denn gegen Verbrechensbekämpfung? Die Antwort ist einfach: nichts, im Gegenteil. Denn oft ist die Idee, sich technisch von einer Massenüberwachung zu verabschieden, damit verbunden, qualitativ bessere Verfahren einzuleiten, die individualisiert überwachen und wirklich was nutzen. Alternativvorschläge, gerade auch bei der Vorratsdatenspeicherung, gehen genau in diese Richtung: nicht alle und jeden überwachen, sondern sich darauf konzentrieren, wie man mit technischen Mitteln Verbrechensbekämpfung sinnvoll betreiben kann.

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Das Flussbett der Themse in London birgt Zeugnisse vieler Jahrhunderte menschlicher Anwohnerschaft. “Mudlarker” sind Menschen, die danach suchen, hier eine wunderschöne Reportage mit Filmchen über eine davon.
“Mudlarking on the Thames: A Treasure Trove of History Washes Ashore Every Low Tide”.

via @kid37

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Zu meinem Lieblingskanälen auf instagram gehört womeninstreet, wo immer wieder andere Fotografinnen ihre oder thematisch gesammelte Bilder vorstellen. Die Kuratorin der vergangenen Woche, @luxtasia, präsentierte ihre Fotos aus Nizza – zum Beispiel eine bezaubernde Reihe Aufnahmen der Metallstühle an der Promenade.

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Croco erfreute mich jüngst nicht nur mit dieser nachvollziehbaren Beschreibung:

Zum einen mag ich die etwas schäbigen Dörfer. Sie sehen immer aus, als ob man irgendwo etwas zusammengefegt hätte und das zu einem Dorf verklebt. Jedes Teil wehrt sich ein bißchen.

Sondern sie verlinkte auch dieses wundervolle Tiktok:
Weihnachtswecken wie bei den Kardashians

Unbedingt bis zum Ende gucken.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Freitag, 23. Dezember 2022 – Das neue Sofa“

  1. Sonni meint:

    Wie doof, die Sache mit dem Sofa. Ich hasse solche Anticlimaxes bei neuen Sachen.

    Eine Katastrophe sind die beschriebenen teilweise unmenschlichen Zustände in Krankenhäusern. Ich “durfte” es vor kurzem selbst ähnlich erfahren und bei der Versorgung eines schwer kranken Angehörigen nicht mithelfen – mit der Konsequenz, dass diese Versorgung dann aufgrund von Personalmangel unterblieb und sogar Medikationsfehler passierten. Unser Angehöriger hat diese Zustände zum Glück überlebt, aber ich kann das Geschriebene dennoch sehr nachvollziehen.

  2. Croco meint:

    Croco dankt für die Verlinkungen und wünscht ein frohes Fest.

  3. Croco meint:

    Jetzt habe ich die Themsefrau angeschaut. Das Glasauge, irre!
    Und faszinierend, was sich gehalten hat im Schlamm. Der Schuh!
    Mich kribbelt es in den Fingern, wenn ich sie wühlen sehe. Aber sie lässt die Knochen liegen, schade! Und ich glaube, sie hatte da eine Süßwasserkoralle.

  4. Sigourney meint:

    Ich finde es unsagbar grausam, was den Patienten und Angehörigen da angetan wird. Ich bin tatsächlich froh, dass meine Eltern vor Corona verstorben sind, das war auch schon alles schlimm genug (ist ja nicht so, dass es supi war in Pflegeheimen und Krankenhäusern vor Corona), aber alles kein Vergleich und zumindest wurde man nicht unter fadenscheinigen Begründungen fern gehalten. Die vermutlich auch eher mit der Überarbeitung des Personals als mit Corona selbst zu tun haben.

  5. Gabriele meint:

    Meine Mama ist am Anfang von Corona verstorben. Sie kam aus dem Altersheim, wo ich Sie seit 6 Wochen nicht mehr besuchen durfte, mit Corona ins Krankenhaus. Ich habe gute Erfahrungen mit den Ärzten und Schwestern gemacht, ich konnte immer anrufen bzw. wurde auf dem Laufenden gehalten. Als es absehbar war, dass ihr Lebensweg dem Ende entgegen geht, hat es mir Pfarrerin des Krankenhauses ermöglicht, in den letzten Stunden bei ihr zu sein. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar.

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