Journal Freitag, 7. Juli 2023 – Brighton 4 mit Ausflug nach London (National Portrait Gallery, St. John Bread and Wine)

Samstag, 8. Juli 2023 um 10:51

Für gestern war der eine heiße Tag (na ja, 28 Grad Höchsttemperatur) unseres gesamten England-Urlaubs angekündigt, für den hatten wir eine abendliche Restaurantreservierung in London und planten davor einen Museumsbesuch. Sieht aus nach: 1) Weiterhin großem Glück mit dem Reisewetter, 2) holdem Zufall.

Am Vormittag verdunkelten wir unsere Ferienwohnung, um die Hitze draußen zu halten, und spazierten zum Brightoner Bahnhof, stellten fest, dass unsere günstige Zugverbindung (scheiße ist Bahnfahren teuer in UK!) nach London Bridge später fuhr als gedacht, tranken noch einen Cappuccino.

In London gingen wir alles zu Fuß, wie man das als Tourist*innen halt macht – wir bewegten uns in einem dichten Strom von solchen. Also ein Stündchen die Themse entlang zu den Golden Jubilee Bridges.

Unser Ziel war die National Portrait Gallery, die am 22. Juni dieses Jahres nach Umgestaltung wiedereröffnet hatte, darin vor allem die Sonderausstellung zu einer Pionierin der Farbfotografie in den 1930ern, Yevonde. Wir kamen kurz nach eins an, knabberten zur Hungerberuhigung ein paar Hände voll Mischnüsse.

Das Museum war sehr gut besucht, vermutlich auch wegen des freien Eintritts, in der kostenpflichten Yevonde-Ausstellung ging es ruhiger zu.

Ich nahm viele Lebensgeschichten der portraitierten Menschen, vor allem Frauen mit, außerdem Technik-Infos über diese frühe und ausgesprochen aufwändige Farbfotografie, die aus einer besonderen Kamera bestand, der Vivex One-Shot, mit der drei Bilder gleichzeitig aufgenommen wurden, und aus der Abzugstechnik der Firma Colour Photographs Ltd. of Willesden – hier Technikhintergrund und Beispiele. Als die Firma zu Kriegsbeginn schließen musste, endete auch diese Ära der Farbfotografie.

Zudem nahmen wir das Angebot einer 45-minütigen Highlight-Tour durch die National Portrait Gallery wahr; dabei sahen wir nicht nur wichtige Klassiker und Neu-Erwerbungen, sondern bekamen auch Einblick in verschiedene Aspekte der Neuausrichtung des Museums.

Hier die Leiterin der Führung (“I am small, but I am loud!”) vor “one of our most beloved exhibits”: das laienhafte (vom Bruder gemalte), aber halt einzige Portrait der Brontë-Schwestern.

Teil des neuen Museumskonzepts: Unisex-Toiletten. Herr Kaltmamsell kam schier nicht darüber hinweg, dass er auf einmal für Pinkeln Schlangestehen musste – er sprach den ganzen Tag immer wieder davon und erinnerte mich eben daran, das bitte im Blog festzuhalten.

Die zwei Stunden bis zu unserer Restaurant-Reservierung im St. John Bread and Wine verbrachten wir mit Spaziergang dorthin, wir guckten viel, setzten uns immer wieder in den Schatten mit Brise. Die Hitze war gut erträglich, in den nicht so heißen Tagen davor hatte sich die Stadt noch nicht damit aufgeladen und die Steine strahlten noch Kühle ab.

Das bei Erbauung so dominante Gherkin-Hochhaus verschwindet mittlerweile fast in den benachbarten Neubauten.

Schon in Spitalfield begegneten wir einem Eichkatzerl.

Um sechs waren wir die ersten im Restaurant, aber irgendwer muss ja anfangen. St. John Bread and Wine ist berühmt für Innereienküche, Herr Kaltmamsell stellte uns aus den sharing dishes auf der Karte ein Menü zusammen.

Als Vorspeisen gab es (links unten) super-knusprige Schweinehaut mit Chicoree und Erbsenmajo, als Wein hatte ich einen burgundischen Pinot noir bestellt, weitere Vorspeise (rechts unten) hogget, also Schafsfleisch, zerfieselt und geformt paniert, mit Brown Sauce.

Links die dritte Vorspeise, der Knüller des Abends: Bacalao mit einer Kapern-Tomaten-Majo und Romanasalat. Rechts die beiden Hauptspeisen, unten faggots (Fleischpflanzerl aus Schweine-Innereien) mit Mangold und “Sweetbreads, Smoked Bacon, Broad Beans and Mint”, also Kalbsbries – dessen feiner Geschmack in der Kombination mit dem Räucherspeck leider keine Chance hatte.

Hier wie auch sonst bei allen Restaurantbesuchen in England auffallend und schade: Es gibt kein Brot zum Essen. Wir bekamen zwar zu Anfang etwas Brot und Butter, aber nicht zu den Gerichten, schabten die Reste der köstlichen Sößchen mit der Gabel vom Teller (auf der Wanderung hatte ich nicht mal zu einem Salat als Hauptgericht Brot bekommen).

Nachtische von der Tageskarte: Oben Bread Pudding mit Butterscotch-Sauce und Double Cream – schön rauchig. Unten eine Treacle Tart, ebenfalls mit Double Cream, leicht zitronig-ingwerig.

Sehr satt und zufrieden spazierten wir zurück zum Bahnhof London Bridge, waren überrascht, dass dieses Hochhaus-Finanzviertel nach Büroschluss keineswegs ausgestorben war: Es gibt viele Pubs, Lokale und Clubs, an einem Freitagabend sehr gut besucht.

Die Rückfahrt nach Brighton dauerte länger als geplant, da es einen medizinischen Notfall gab (in unserem Wagen, es kümmerten sich reichlich Ersthelfer*innen, sogar eine Ärztin tauchte auf). Wir hielten am nächstgelegenen Bahnhof, bis der Herr (der schon wieder munter wirkte) von einem Krankenwagen mitgenommen war.

Außerdem lernten wir im Zug einen jungen Mann kennen, der auf dem Weg zu einer Party in Brighton war, auf die er sich sehr freute, und der uns nebenher über sein Leben in genau der Londoner Gegend erzählte, in der wir den Nachmittag verbracht hatten.

In Brighton Spaziergang zu unserer Unterkunft durch eine herrliche Sommernacht mit letzten Leuchten am Himmel.

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Langer Artikel im Guardian von Ian Goldin und Tom Lee-Devlin über die demografische Entwicklung in Großstädten der Welt in den vergangenen Jahrzehnten, Hintergründe zur Verschiebung von Strukturen in Stadtzentren, Ideen für Gegenmittel zu Gentrifizierung.
“How to reduce the damage done by gentrification”.

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Freitag, 7. Juli 2023 – Brighton 4 mit Ausflug nach London (National Portrait Gallery, St. John Bread and Wine)“

  1. Croco meint:

    Was für ein tolles Foto mit den Bojen vor der London Bridge!
    Und das mit dem Schlangestehen: hihiiii.

  2. Hauptschulblues meint:

    In der Herz-Jesu-Kirche in Neuhausen stehen Frauen und Männer vor Veranstaltungen ebenfalls vor der Toilette in einer Schlange.

  3. Corsa meint:

    Im vergangenen Jahr, in dem der Sohn jetzt regelmäßig Heathrow – Eastbourne mit dem Zug gefahren ist, variierten die Preise zwischen 7 und 46£. Es hängt wirklich sehr stark davon ab, mit wieviel Vorlauf das Ticket gekauft wird.

  4. TomInMuc oder Tomate meint:

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    Gerne gelesen

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