Archiv für September 2023

Journal Samstag, 2. September 2023 – Sommer in der Nachspielzeit, rundum genossen

Sonntag, 3. September 2023

Beim Aufwachen um halb sechs den Rollladen lichtdicht herabgelassen, bis zum 7-Uhr-Läuten geschlafen.

Ich konnte nochmal auf dem Balkon sitzen (in dicker Strickjacke und mit dicken Socken) und genoss es sehr. Wie ich überhaupt diesen ganzen Spätsommertag mit allen Poren und in jeder Phase genoss, jede mit ihren tageszeitlich speziellen Gerüchen und in all seiner Licht- und Farbenpracht. Zumal er die Luft auf höchstens 25 Grad erwärmte.

Nach Bloggen an Milchkaffee, Wasser, Tee buk ich den klassischen Zwetschgenkuchen nach Familie Kaltmamsell.

Ein super Zwetschgenjahr – für die Würmer. Auch die gekauften musste ich mit ihnen teilen. Zum Glück hatte ich zusätzliche als Snack gekauft, so reichten sie netto für den Kuchen. Allerdings musste ich sie wieder mit dem Messer vom Kern wegschneiden, so fest hing das Fruchtfleisch dran; selbe Quelle wie bei dieser Mühe vergangenes Jahr, die nutze ich künftig nicht mehr.

Dann knetete ich fürs Abendessen Pizzateig, zum langsamen Gehen stellte ich ihn in den Kühlschrank.

Der Sommer ging eindeutig in die Nachspielzeit, für meinen Isarlauf schlüpfte ich nochmal in eine kurze Hose und ein ärmelloses Oberteil.

U-Bahn zum Odeonsplatz. Hier und am Hofgarten wurde bereits die IAA aufgebaut, fünf Tage Huldigung des Gottes Privat-Pkw werden die Münchner Innenstadt nächste Woche gründlich lahm legen (wir wohnen zum Glück im toten Winkel).

Es wurde ein wundervoller Lauf, ich tankte Licht und Farben.

Ab der Brücke St. Emmeram waren alle Wege an der Isar entlang Richtung Norden abgesperrt – ich wäre theoretisch nur Richtung Aumeister weitergekommen. Beschloss aber, dass das ein Irrtum sein musste, überkletterte Absperrung und kleine Baustelle, lief am Isarkanal weiter.

Mein Körper spielte die gut 100 Minuten Lauf brav mit, zuletzt ziepten lediglich die obersten hinteren Oberschenkelmuskeln.

Am Tivoli musste ich nicht lange auf die Tram Linie 16 warten, mit mir stieg tropfend eine Hand voll junger Leute ein, die eben aus dem Eisbach gestiegen waren.

(Erst durch Kommentare auf instagram bemerkte ich, dass eines der Beine blutete – aber wir wissen ja, dass Nässe das Rot verstärkt, der Bursch hatte die Verletzung offensichtlich nicht mal bemerkt.)

Daheim erstmal viel Wasser getrunken (die 3-Liter-Marke passierte ich gestern kurz nach zwei), geduscht, kurz zum Basitsch auf eine Einkaufsrunde für den Abend gegangen.

Frühstück um drei: Körnersemmel mit Kochkäs (Herr Kaltmamsell hatte auf meine Erinnerung nach Langem mal wieder Kochkäs hergestellt – köstlich), Zwetschenkuchen (so lala, mit Zucker war er ok) mit Sahne.

Den restlichen Nachmittag verbrachte ich auf dem Balkon (saugte ihn sogar von den Sturmspuren der vergangenen Wochen sauber), las Internet, Wochenend-Süddeutsche, ich genoss es sehr.

Fürs Abendessen war ich zuständig. Aus dem Pizzateig wurden zwei Pizzen: Für eine garte ich Auberginenscheiben (Ernteanteil) im Ofen vor, die andere wurde auf Wunsch von Herrn Kaltmamsell Pizza bianca (Oregano frisch, weil ein dickes Büschel im Ernteanteil gewesen war), dazu ein (Ernteanteil-)Tomatensalat mit Zwiebel, Kapern, frischem Oregano, Olivenöl.

Als Sundowner gab es Tequila Sunrise.

“Rund” ist ja Ansichtssache. Wein zur Pizza war ein österreichischer Feinstrick Rosé.
Eine nachgereifte Crowdfarming-Mango (wieder sensationell fasrig) hatte ich mit Muscovado-Zucker und Joghurt zu Nachtisch verarbeitet, danach schafften wir nicht mal mehr Schokolade.

Journal Freitag, 1. September 2023 – Bov Bjerg, Der Vorweiner

Samstag, 2. September 2023

Ein seltsamer letzter Arbeitstag einer seltsamen Arbeitswoche. Die ersehnte Aufhellung des Wetters war beim frühen Aufstehen (nach Aufwachen kurz vor fünf nur Sorgenunruhe statt Schlaf) immer noch nicht eingetreten, nachts hatte Regen wieder die Straßen und Wege naß gemacht.

Also kein Kleid mit schwingendem Rock angezogen, sondern Hose, warme Schuhe, warme Jacke. Im Büro die Jacke erstmal anbehalten, zusätzliches Wärmen mit heißem Tee.

Kleinteilige Arbeit am Vormittag, doch ich fand Zeit für einen entfernteren Mittagscappuccino.

Mal wieder befürchte ich, ich könnte ein wenig schwierig sein.
Wo ich nur kurz meinen möglichst guten Cappuccino trinken möchte,
– nerven mich die Coffee Bro’s, die laut über Anbau, Röstung, Mahlen, Aufgießtemperaturen, Säuregehalt nerden,
– nerven mich die Nachbarschaftskuschler, die auf ein Gespräch aus sind,
– nerven mich die Business-Besprecher*innen mit ihrem schlechten Englisch,
– nerven mich die Business-Besprecher*innen mit unangenehm dröhnenden Stimmen,
– frage ich mich, warum die nicht einfach auch alle nur ein möglichst gutes Kaffeebohnen-basiertes Getränk einnehmen.
Andere Menschen sind nämlich keineswegs davon genervt, sondern feiern das als Community, siehe Lesetipp ganz unten.
Oder ich bin gar nicht schwierig? Sondern will einfach die Inhouse-Cafeteria zurück, in der ich mir meinen Mittagscappuccino zum Trinken am Schreibtisch holen konnte? (Weiter keine Aussicht auf Neubesetzung dort übrigens.)

Auf dem Rückweg schien meist die Sonne, und sie wärmte.

Am Schreibtisch empfing mich ein unvermuteter Tornado, ich wirbelte mit. Mittagessen zwischendrin: Eingeweichte Haferflocken mit Joghurt, Bananen.

Der Tornado machte den Nachmittag ein wenig angespannt. Ich gab meinen Plan für einen pünktlichen Feierabend auf, nahm schlussendlich den Arbeitsrechner mit heim. Unterwegs Lebensmitteleinkäufe im Vollcorner.

Ich kam so spät heim, dass ich das geplante Kuchenbacken auf Samstagmorgen verschob, nur den Ruccola aus Ernteanteil für Salat zum Nachtmahl vorbereitete (Kirschbalsamico-Walnussöl-Dressing, Blauschimmelkäse). Zum Anstoßen aufs Wochenende mixte ich uns unseren ersten Negroni spagliato. Es war warm genug für Aperitivo auf dem Balkon.

(Motiv entdeckt von Herrn Kaltmamsell)

Eigentlich hatten wir für den Abend eine Restaurantreservierung, aber wenige Tage nach Buchung festgestellt, dass wir gar keine Lust auf Ausgehen am Freitagabend hatten: Schon am Mittwoch storniert.

Statt dessen hatte Herr Kaltmamsell Entrecôte gebraten, ganz ausgezeichnetes Fleisch diesmal. Dazu gab es Kartoffelgratin und Ruccolasalat, ich machte eine Flasche roten KalkundKiesel auf, den ich auf einen Tipp der Weinhändlerin gekühlt hatte (nicht ganz so kalt schmeckt er mir besser, vor allem brauchte er ein wenig Luft).

Mühsamer Weg zu einem neuen Paar Schuhe: Seit Monaten möchte ich blaue Turnschuhe (“Sneaker” für die jüngeren), gestern sah ich an einer eleganten Passantin ein Modell, das mir besonders gut gefiel. Sauberes Branding machte die Online-Suche einfach, doch der Laden ließ mich nicht zahlen: Jede Zahlmöglichkeit erzeugte Fehlermeldungen, in drei verschiedenen Browsern, ich kam nicht an diese Schuhe. Fühlte mich an New-Economy-Zeiten erinnert, in denen Server-Crashs als Erfolgsbeweis galten. Zum Glück fand ich das Modell auf einer weiteren Plattform (wenn auch etwas teurer) und bestellte dort.

§

Als sie nach dem kurzen Winter wieder auf Bartels Datsche hinauskutschierte, herrschte ein ganz formidables Wetter

Gleich der erste Satz des Haupttextes von Bov Bjergs Der Vorweiner machte mir klar, dass dieser Roman mit verstellter Stimme erzählt wird. Diese Kunstsprache, die auch Wörter immer wieder ganz knapp neben den gewohnten erfindet, macht das größte Lesevergnügen aus.

Speculative fiction ist in der deutschsprachigen Literatur eher selten (mir fällt noch Matthias Nawrat ein), selbst Science fiction und Utopien mit Gesellschaftsentwürfen begegne ich häufiger. Bov Bjerg hat diesmal richtig groß ausgeholt und ein Schelmenstück an Roman abgeliefert, durch das in meinen Augen viel von dem (politischen und gesellschaftskritischen) Schabernack scheint, der seinen kabarettistischen Jahresrückblick ausmacht – es sprüht vor Einfällen.

Die eigentliche und überschaubare Handlung ist weniger der Treiber des Romans: Sie spielt in einer unbestimmten nahen Zukunft, in der wohl die Klimakatastrophe weite Teile der Erde unbewohnbar gemacht hat. Die Gesellschaft hat sich in eine wohlhabende Elite und eine Dienstleisterschicht weiterentwickelt, Nachrichteninhalte sind von Tatsachen fast komplett entkoppelt. Die wohlhabende Hauptfigur “A wie Anna” zahlt viel Geld dafür, bei weniger Privilegierten Realität erleben zu dürfen, von Gärtnern bis Schlachten.

Doch es sind die Erzählmittel und die Sprache, die zum Weiterlesen treiben und Lesevergnügen bereiten. Den Kapiteln (das erste kommt erst an dritter Stelle) ist eine Zusammenfassung vorangestellt, die wie Lesewerbung formuliert wird, in der beschriebenen Welt ist alles aus der Gegenwart wiedererkennbar – und doch bis zur Satire verformt. Die Neologismen sind dabei so treffend, dass ich mir umgehende Einverleibung in die Gegenwartssprache wünsche. Meine Lieblinge unter den Wörtern anzuführen, die Bov für den Roman erfunden hat, kommt einem Spoiler gleich – ich lasse Sie die selbst entdecken. (Aber einen davon hat Herr Kaltmamsell einen halben Abend lang immer wieder mit einem Lächeln vor sich hin gemurmelt.)

Ich empfehle die ausführliche Rezension und Analyse von Carsten Otte für den SWR:
“Buchkritik
Bov Bjerg – Der Vorweiner”.

Ebenfalls erhellend die Besprechung von Herrn Rau, dessen populärliterarische Bildung sehr viele Anspielungen und Bezüge findet:
“Bov Bjerg, Der Vorweiner”.

§

Schöne Geschichte über ein US-amerikanisches Café, das für Gabriel Yoran eine eigene Welt war:
“Sie haben jetzt auch Cold Brew in Berlin”.

(Selbst, das wissen Sie vielleicht, möchte ich bitte nicht im Café gekannt werden. Das durfte nur ein Lokal, Marietta im Westend, und das ab meinem ersten Besuch – ich weiß bis heute nicht, warum mein Eigenbrötlerinnentum bei ihr und Kellner Ricco eine Ausnahme machte. Meine Erinnerung profitiert natürlich davon, dass diese Zeit auf etwa drei Jahre begrenzt war, weil sie dann keine Lust mehr hatte und zumachte: Ich musste mit keinen Veränderungen fertig werden, die schöne Zeit dort kann in ihrer abschlossenen Kapsel strahlen.)

Journal Donnerstag, 31. August 2023 – Ewald Frie, Ein Hof und elf Geschwister

Freitag, 1. September 2023

Das war nur eine sehr kurze Vorschau auf Wetterbesserung, nachts hatte es wieder ordentlich geregnet.

Beim ersten Klogang bekam ich aber noch den Vollmond zu sehen.

Ich ging unter dunkeldüsterem Himmel und in warmer Jacke in die Arbeit, zumindest regnete es jetzt nicht.

Emsiger Vormittag, gegen die Bürokälte brauchte ich wieder Strickjacke über Pulli. Statt Mittagscappuccino huschte ich für Obstkäufe auf den Markt am Georg-Freundorfer-Platz – wobei das Huschen an der Schlange am Gärtnerei-Stand jäh endete: Die drei Kundinnen vor mir hatte vielfältige Erzählungen, Wünsche, Anliegen, denen die Verläuferin sehr herzlich und sorgfältig entgegen kam. Mit dem Ergebnis, dass ich meinen Kauf auf ein Kilo Zwetschgen für Wochenend-Kuchen beschränkte, um meine Mittagspause nicht zu sehr zu überziehen.

Zu essen gab es am Schreibtisch einen Kanten selbst gebackenes Brot, außerdem Mango (aromatisch aber Strickprojekt-inspirierend fasrig) mit Sojajoghurt.

Mittel-geschäftiger Arbeits-Nachmittag. Auf dem Heimweg (kalt, aber trocken, am Himmel blaue Flecken) steuerte ich wie geplant einen Weinladen in der Westendstraße an (zufällig entdeckt beim vorbeilaufen, eine deutlich sichtbare Lieferung vom burgenländischen Weingut Pittnauer hatte damals die Ausrichtung des geschlossenen Geschäfts verraten): Wir 2 lieben Wein. In deren Sortiment hatte ich nämlich online sowohl den Pittnauer Dogma Rosé als auch den roten Preisinger KalkundKiesel entdeckt. Ich nahm je zwei Flaschen mit und traf dabei auf die namensgebenden 2, Sabine und Tina; eine erfreuliche Begegnung, ich komme wieder.

Daheim erstmal die schon wieder ausgefallene Süddeutsche auf der Website moniert (mache ich erst abends, wenn ich wirklich, wirklich sicher bin, dass sie nicht mehr kommt), mich noch mehr geärgert, als ich für die Reklamationssseite zustimmen musste, dass meine Daten für Werbezwecke verwendet werden, ohne Opt-out-Möglichkeit (gleich mal per Kontaktformular gemeckert).

Dann die Abschlussfolge Yoga-Gymnastik Adriene “Move” geturnt – ich hatte sie vom 30. auf den 31. August verschoben. Abendessen aus frisch geholtem Ernteanteil: Blattsalat, Tomaten, Gurke mit Haselnussmus-Dressing (ein großartiger Kniff). Zum Sattwerden noch gekochte Eier und ein wenig von der Schinkenkrakauer, die uns einer unserer beiden polnischen Putz-Herren mitgebracht hatte. Nachtisch Schokolade.

§

Ewald Frie, Ein Hof und elf Geschwister, nach drei autofiktionalen “Romanen” dieses Jahr also die Familiengeschichte eines universitären Historikers, Fakten- und Quellen-basiert – sehr gerne gelesen.

Bei allem Historikertum schafft Frie erst einmal einen menschlichen, persönlichen Bezug: Er steigt mit den einzigen drei Familienfotos ein, von 1947, 1960 und 1969, inklusive Geschichte der Aufnahmesituation.

Seine Methodik macht Ewald Frie anfangs transparent:

Das ist ihm gelungen: Genau diese Mischung macht das Buch in meinen Augen so einzigartig und charmant.

Die Struktur, die Frie seiner Erzählung durch Großkapitel gibt:
– “Familie, Bauernschaft und Dorf”
– “Die Jahre meines Vaters” (der deutlich älter als die Mutter war)
– “Die Jahre meiner Mutter”
– “Auszug”
– “Nachwelten”

Vieles in den historischen Beschreibungen des Hof-Alltags sagte mir etwas, zum Beispiel die Fachsprache des Viehhandels – ich habe in meinen Lokalredaktionszeiten Ende der 1980er, Anfang der 1990er immer gerne die Landwirtschaftsspalte verantwortet.

Doch am spannendsten waren für mich die Unterschiede zu dem Wenigen, was ich an landwirtschaftlicher Struktur kenne: Bayern unterscheidet sich völlig von Westfalen. So konnte mich überraschen, dass es im Münsterland einen Unterschied zwischen Hof und Dorf gab: Die titelgebenden elf Kinder wuchsen auf einem von vielen alleinstehenden Höfen auf, kamen kaum in Kontakt mit anderen Familien, ins Dorf musste eigens gefahren werden, und das geschah nur zum Kirchgang am Sonntag. In meinem Bayern waren Landwirtschaft und Dorf deckungsgleich, eine Ansammlung von Höfen ergab ein Dorf, Einsiedlerhöfe waren eine so große Ausnahme, dass sie eine eigene Bezeichnung bekamen. Doch so wie ich das in der Vergangenheitsform schreibe (Dörfer bestehen auch in Bayern nur noch zu einem Bruchteil aus Landwirtschaft), beschreibt Frie eine vergangene Struktur: Schon die jüngeren der elf Geschwister (unter anderem er selbst) mussten dank technischem Fortschritt nicht mehr so viel auf dem Hof arbeiten und sein, engagierten sich in Gemeinde und Vereinen, hatten eine Gemeinschaft außerhalb der Familie. Auch war mir nicht bewusst, wie neu die Selbstorganisation der Jugend in Verbänden und Vereinen ist: Sie begann erst im Nachkriegs-Deutschland.

Frie beschreibt und analysiert die strukturellen wie die sozialen Veränderungen seiner Herkunftsgegend, ihre gesellschaftlichen und politischen Ursachen (u.a. hätte ohne die Einführung von BAföG Anfang der 1970er niemand von den elfen mehr als Volksschule und Ausbildung absolvieren können, keiner und keine studieren; ohne staatliche Förderprogramme gäbe es den Frie-Hof seit Jahrzehnten nicht mehr), aber auch die menschlichen und ganz individuellen Auswirkungen auf die Familienmitglieder.

Viel Raum nimmt die sich verändernde Rolle von Frauen auf dem Hof ein, die mir in diesen Details neu war. (Passt hervorragend zu dem Buch, das von Helen Rebanks gestern erschien: The Farmer’s Wife, und das ich seit Bekanntwerden auf meiner Leseliste habe.)

Im letzten Kapitel “Nachwelten” denkt Frie darüber nach, ob diese Bildungs-Entwicklung der Kinder einen “Aufstieg” darstellt – er bezweifelt das: Er besitze “kein Land, kein Haus, keine Tiere, keine Apfelbäume, keine Feuerstelle” wie seine Eltern. Und auch nicht das Fachwissen seines Vaters zu Vererbungsqualitäten von Bullen, nicht dessen Ansehen auf DLG-Schauen, könne nicht das Wetter aus dem Zug der Wolken und der Farbe des Sonnenuntergangs ablesen. Sein Vorschlag: “Umstieg statt Aufstieg?”

Ein zeitspezifisches Detail in der Danksagung:

Die Idee zu diesem Buch gab es schon lange. Die Zeit, es zu schreiben, gab es, als coronabedingte Reise-, Kontakt- und Archivbeschränkungen ein anderes, bereits auf dem Weg befindliches Forschungsprojekt stoppten.

Das ist dann das zweite mir bekannte Werk, das es nur wegen Corona gibt. Das andere ist der gestern erschienene Roman Prophet von Helen Macdonald und Sin Blaché, gemeinsam im Corona-Lockdown geschrieben. (Ebenfalls auf meiner Leseliste.)

§

Annette Dittert, Leiterin des ARD-Studios in London, fasst die aktuelle Lage Großbritanniens für Blätter für deutsche und internationale Politik zusammen, sachlich und belegt. Wieder keine Überraschung dabei, dennoch wichtig.
“Geisterschiff Großbritannien: Verdrängen ohne Ende”.