Journal Sonntag, 10. Dezember 2023 – Plätzchenbiografie

Montag, 11. Dezember 2023 um 6:16

Früh und erfrischt aufgewacht. Am Himmel eine ganz schmale Mondsichel unterm Morgenstern.

Nach dem Bloggen Fortsetzung der Geschäftigkeit: Spitzbuben ausstechen, dabei Freude über Körpererinnerung wie das Stippen/Drehen des Ausstecherles in Mehl, damit es nicht anklebt, und schneller Griff zur Teigkarte für die Beförderung der ausgestochenen Teiglinge aufs Backblech, Teigreste kurz ausschütteln, damit nicht zu viel zusätzliches Mehl mitkommt, rasches Verkneten und Kühlstellen für die nächste Runde.

Plätzchenbacken habe ich tatsächlich von meiner Mutter gelernt. Während ich ansonsten nicht von ihren vielen Kochfertigkeiten profitierte (bockige Tochter trifft auf ungeduldige, reizbare Mutter), war bei der Weihnachtsbäckerei alles anders: Das zelebrierte meine Mutter (während sonstige Haushaltstätigkeiten Arbeit und Pflicht waren, es regierten Effizienz und Perfektion) mit Fröhlichkeit und Geduld. Sie erklärte uns Kindern viele Einzelschritte, gab Tipps, ließ uns machen. Wir waren zum Butterplätzchenausstechen abgestellt, während sie die empfindlicheren Sorten wie Vanillekipferl und Zimtsterne zubereitete, das Spritzgebäck (mit Fleischwolf) machte sie ganz allein (leider weiß sie nicht mehr, nach welchem Rezept, es bestand aus reinem Butterteig ohne Nüsse oder Mandeln, bekam kuvertierte Enden und schmeckte hinreißend).

So begann meine eigene Back-Karriere im Teenageralter auch mit Plätzchen, und zwar mit dem Plätzchen-Backbuch von Olli Leeb (hatte meine Mutter es geschenkt bekommen oder bei Erscheinen 1983 auf einen Tipp hin gekauft?), das ich gründlich durcharbeitete.

Zu Meisterschaft brachte ich es im Plätzchenbacken allerdings nie, meine Produkte sahen immer rustikal aus (schmeckten aber): Dafür war der Bastelanteil am Plätzchenbacken zu hoch, und Basteln kann ich wirklich, wirklich nicht.

Gestern nutzte ich die Backofenhitze noch für die Haselnuss-Orangen-Plätzchen – ich kämpfte beim Formen der Kugeln mit einem sehr bröseligen Teig, der beim Backen auch noch auseinander lief.

Vielleicht funktioniert das Rezept nur mit den empfohlenen Ersatz-Zutaten wie Reismehl und Erythrit (ich war überrascht, dass die Autorin die Gelegenheit ungenutzt ließ, auch die Haselnüsse durch irgendwas Synthetisches zu ersetzen).

Jetzt war die Waschmaschine mit Bettwäsche durch, ich verteilte sie über die Wohnung. Eine große Tasse Tee, noch ein Glas Wasser. Von Ferne hörte ich immer wieder das Tuten der Weihnachtsdampflok.

Große Lust auf eine Laufrunde an der Isar: Wo würde ich wohl die belaufbarsten Wege finden? Ich entschied mich für die südliche Strecke ab Thalkirchen und nahm eine U-Bahn dorthin.

Es war dann ein rechtes Gesuppe und Geschlidder auf festgetretenem Schnee und in Matsch. Aber wenn der Laufschuh mal ordentlich geflutet wurde, sind weitere Tiefpfütz-Tritte egal, zumal es mild war. In ein paar wenigen Abschnitten kam ich sogar ins ruhige Traben.

Hier ist noch kein Hochwasser hergeschmolzen.

So viel Schneebruch!

Doch insgesamt war der Laufspaß gering, ich beließ es bei ca. 80 Minuten und bestelle hiermit für meinen Heilig-Abend-Lauf (die voraussichtlich nächste Gelegenheit) entweder freie Wege oder frisch gefallenen Schnee.

Zurück daheim blieb ich erstmal in der verschwitzten Sportkleidung und holte endlich den Balkonteppich rein, inklusive grober Balkon- und etwas gründlicherer Teppichreinigung.

Nach dem Duschen stellte ich die Tahini-Plätzchen fertig (ohne Salz, weil für den Plätzchenteller).

Frühstück kurz vor zwei: Ein Schüsselchen Sesamreste, außerdem Semmeln, die ich in Thalkirchen eingekauft hatte – und ein Test-Tahini-Plätzchen, das gut und nach Tahini schmeckte.

Internetlesen, dann die Wochenend-Süddeutsche noch bei Tageslicht. Als das verschwunden war, stellte ich die Spitzbuben fertig (mit Johannisbeer-Gelee, weil vorrätig).

Bettüberziehen, Romanlesen (Grete Weil, Der Weg zur Grenze: Wie verhängnisvoll es schon in den 1930ern war, dass so viele die Nazis zunächst in erster Linie als lächerliche, groteske Figuren wahrnahmen), Yoga-Gymnastik, Brotzeitvorbereitung.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell ein Lamm-Curry mit Gewürzmischung eines Familienfreunds in den USA, die Spielanleitung sah Obst, Erdnüsse und gehackte Tomaten als Beilagen vor (seine Geschichte).

Insgesamt ein deutlich ruhigerer Wochenendtag als der Samstag, noch insgesamter ein schönes Wochenende.

Vielen Dank für Ihre zahlreichen Tipps zum Aufbrauchen von viel Sesam! Wir haben jetzt eine Liste, die wir abarbeiten.

§

Im National Geographic ein Artikel über die Hintergründe und Geschichte deutscher Weihnachtsmärkte – nicht nur glitzernd:
“Weihnachtsmärkte in Deutschland: Helle Lichter, dunkle Geschichte”.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Sonntag, 10. Dezember 2023 – Plätzchenbiografie“

  1. Jojo meint:

    Guten Morgen, kann es sein, dass derNational-Geographic-Link der Reparatur bedarf?

  2. die Kaltmamsell meint:

    Vielen Dank für den Hinweis, Jojo – ich hatte mich gestern über die URL gewundert, die nicht recht zu der Überschrift passen wollte, jetzt hat NG das wohl geradegerückt.

  3. Thea meint:

    Fleischwolf und Spritzgebäck: meine schönen Plätzchenerinnerungen. Danke dafür.

  4. PaulineM meint:

    Haselnussplätzchen habe ich gestern auch gebacken, allerdings ohne Orangenanteil. Seit Kindheit meine liebsten Plätzchen, die kein Weihnachten fehlen dürfen.

  5. Croco meint:

    „Bockige Tochter trifft auf ungeduldige, reizbare Mutter“.
    Oh, das kenne ich.

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