Archiv für Mai 2025

Journal Samstag, 3. Mai 2025 – Wandern entlang Loisach und Isar in wechselndem Frühlingswetter

Sonntag, 4. Mai 2025

Wunderbar früh aufgewacht, genau richtig für meine Pläne. Denn als Erstes machte ich mich gestern ans Brotbacken. Wie angekündigt war das Wetter am Umschlagen, der Himmel bedeckt, die Luft kühl.

Bald Abschied von unserem Übernachtungsgast, ich setzte mich über Milchkaffee zum Bloggen.

Weiterer Plan des Tages: Nach Fertigbacken des Brotes (eines der schnelleren Rezepte) Wandern mit Herr Kaltmamsell, das Wetter sollte gestern perfekt dafür sein.

Sehr großer Brotlaib mit leichten Rissen in der Oberfläche auf schwarzer Kochfläche

Brot gelungen.

Herr Kaltmamsell war vor ein paar Tagen recht schnell für einen Wander-Samstag zu begeistern gewesen (als Lehrer ist er ja alles andere als spontan und hat seine Wochenenden gewöhnlich bereits mit Arbeit verplant), er bat allerdings um eine eher kürzere Strecke. Die Wahl fiel auf die vertraute Route Icking-Wolfratshausen-Ickinger Wehr.

In mitteldüsterem Wetter brachten uns U-Bahn und S-Bahn nach Icking, wo wir Richtung Süden starteten. Wie vorhergesagt war es kühl und düster – schon nach wenigen Minuten holte ich meine Wanderjacke aus dem Rucksack, weil ich in Hemdsärmeln auch bei Bewegung fror. Schnell stellten wir fest, dass der Weg, den wir vergangenes Jahr zum Teil suchen mussten, jetzt besser gepflegt war, dass der Isartalverein ihn neu ausgeschildert hatte. Besonders angenehm: Es waren sehr wenige Menschen unterwegs, wir begegneten nur zweimal anderen Wandersleuten und gar keinen Radler*innen.

Rechts Pfad zwischen Wiese und großen, hellgrün belaubten Bäumen, links ein rotes Holzhaus

Nahaufnahme von Maiglöckchen, rechts eingegrenzt von grauen Pflastersteinen

Schlederloh mit Maiglöckchen.

Blick zwischen Zweigen von oben über ein weites Flussdelta mit Kies und viel Grün

Blick über die Pupplinger Au: Hier bahnt sich der Zusammenfluss von Loisach und Isar an.

Altes Dorfhaus mit ockerfarbener Fassade, leich verfallen, hinter pflanzenreichem Garten und hölzernem Gartenzaun, um den sich die Straße nach oben biegt

Dorfen

Im Laubwald führen Metallstufen mit Holzgeländer einen Hang nach oben, im Vordergrund ein Wanderer von hinten mit blauer Jacke und rot-grünem Wanderrucksack

Weg hinüber nach Wolfratshausen.

Im Vordergrund niedriges Tischchen mit zwei gefüllten Kuchentellern und zwei Cappuccinotassen, dahinter eine Ladenfläche mit Regalen voller Cafeteras, Kaffeepackungen, Süßigkeiten

Dort ließen wir uns wie geplant im Museums-Café Velvet auf Mittagscappuccino nieder, und weil es gerade passte, auch auf Frühstück mit einem Stück Torta dela nonna für mich (sehr gut!). Das nächste Mal plane ich auch einen Besuch des Museums ein.

Als wir an der Loisach entlang weiterzogen, trafen uns Regentropfen, aber genau dafür hatten wir ja unsere Wanderjacken.

Blick einen schmalen Fluss entlang, gesäumt von Bäumen, auf der Wasseroberfläche Regentropfen, im Hintergrund erahnt man eine dunkel überdachte Holzbrücke

Blick über Fluss auf gegenüberliegendes Ufer, dort moderne Häuser, dahinter bewaldete Anhöhe, rechts angeschnitten eine überdachte Holzbrücke

Durch die Metallstreben einer Brücke Blick auf ein funktionales hohes Gebäude, oben die Aufschrift "Waidachmühle"

Blick von unten einen Maibaum hinauf. Auf dem ersten Schild unten steht "Auf Waidachs grünen Auen, soll dieser Baum hier schauen. Ein Symbol für Einigkeit und Kraft, die der gute Wille schafft. 2023"

Hinauf zum Riemerschmidpark wurde der Weg schlechter (allerdings warnt jetzt endlich ein Schild Radler*innen vor der Weiterfahrt – sie mündet in einen sehr steilen und wenig wegsamen Abstieg zum Fluss), ermöglichte am Ziel aber wieder eine schöne Aussicht.

Der Regen hatte bald aufgehört, ein wenig kam die Sonne heraus – und wärmte sofort sehr.

Unter einer dunklen Bretterwand mit Fenstern, durch die man grüne Flussauen sieht, eine Mauer mit Graffiti aus Fischen

Ickinger Wehr von innen.

Am Ickinger Wehr außen sahen wir Bauarbeiten, hohe Kiesberge standen bereit, womöglich die Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses von 2023, eine Radbrücke zu bauen. Bislang müssen Fahrräder sich durch den engen Wehr-Durchgang fädeln, gestern mussten wir wegen zweier solcher auf dem Rückweg umkehren und sie erstmal durchlassen.

Schon kurz nach Wolfratshausen hatte ich gestern Wanderwegweiser nach München entdeckt, die ab dort 30 Kilometer anzeigten. Sie standen auch oben in Icking, wo wir beschlossen, im jetzt warmen und sonnigen Wetter doch noch einen S-Bahnhof weiter bis nach Schäftlarn zu gehen. Zu Fuß von Wolfratshausen nach München zu laufen, idealerweise immer nah an der Isar, erscheint mir ausgesprochen reizvoll. Wenn ich GPS-Daten dazu finde, mache ich das bald.

Eine weite Weide in der Sonne, auf der im Vordergrund einige Jungkühe liegen, weiter hinten einige stehen, links ein landwirtschaftlicher Weg, im Hintergrund Bäume

Auf diesem Zusatzstück gab es Ausblicke über Felder und blühende Bäume.

Zwischen zwei Tannenstämmen ein Wegkreuz, dahinter sonnige Felder und ein Feldrain

In sonniger Landschaft führt ein heller Schotterweg auf hohe Bäume zu, links ein Rapsfeld

Tiersichtungen unter anderem: Greifvögel, Wasservögel, keine Schwalben oder Mauersegler, einen Kuckuck hörten wir, vom Biber sahen wir deutliche Nagespuren, aber das Highlight war ein Fuchs, rot und mit mächtig buschigem Schwanz, den wir im Sonnenlicht in einem Feldrain verschwinden sahen.

In Schäftlarn kam eine verspätete S-Bahn gerade passend und brachte uns zur U-Bahn ab Obersendling, diese uns nach Hause.

Wand aus grob gehauenen Säulen, alle rostrot bis auf eine in Grau, quer darüber ein blauer Metallstreifen, darauf "Obersendling"

Wir waren knapp 16 Kilometer in vier Stunden mit einer Pause unterwegs gewesen.

Im Alnatura besorgte ich noch schnell Pflanzen für die nächsten beiden Abendessen (ich einigte mich mit Herrn Kaltmamsell auf diese Bezeichnung, weil er Salat nicht als “Gemüse” gelten ließ, das ich mir im Grunde wünschte).

Restlicher Nachmittag weiterhin warm genug für offene Balkontür, ich las die Wochenend-Zeitung aus. Eine Runde Yoga-Gymnastik, ich probierte mal die von Gabi Fastner.

Als Abendessen gab es geräuchterte Forelle von mir daheim mit Meerrettichsahne und selbstgebackenem Brot, als Salat Ruccola mit roter Paprika. Nachtisch Tiramisu.

Früh ins Bett zum Lesen, ich startete als neue Lektüre Stephan Thome, Pflaumenregen aus der Bibliothek.

Journal Freitag, 2. Mai 2025 – St. Brück im Mai-Sommer

Samstag, 3. Mai 2025

Mittel erholsame Nacht, aber das war bei dem vielen Wein und dem abschließenden Espresso eingepreist. Zumindest musste ich gestern im Gegensatz zu Herrn Kaltmamsell nicht in die Arbeit.

Bloggen, Räumen u.a. für Übernachtungsgast, das alles mit verkatert unzuverlässiger Konzentration – aber ich schaffte es unterm Strich und machte nichts kaputt. Ebenfalls schaffte ich sogar, das Fertigmachen für eine Schwimmrunde in dieses Räumen einzufädeln. Mit der Aussicht auf sonnige 25 Grad hatte ich das Dantebad für Schwimmen unter freiem Himmel angepeilt, aber rechtzeitig nach Öffnungszeiten gesehen: Es sind gerade Wir-bereiten-die-Sommersaison-vor-Wochen, das Dantebad ist bis 14. Mai geschlossen. Also halt auf Olympiabad umgeplant, auch das schaffte ich.

Sehr besonnenes Radeln zum Olympiapark, schließlich musste ich durch den Werktagsverkehr. Baustellen derzeit vor allem im Bahnhofsviertel, dort aber neben denen für den Bahnhof selbst (ich habe mit mir selbst die Wette laufen, ob ich die Fertigstellung noch erleben werde) und für Neubauten immer wieder überraschendes Straßenaufreißen.

Im Schwimmbecken der erhoffte deutlich ruhigere Verkehr, nur die Hälfte anderer Menschen auf meiner Bahn waren Geräteschwimmer. Körperlich und geistig problemlose 3.000 Meter geschwommen.

Auf dem Heimweg stoppte ich am Alnatura u.a. für Obst; zum Frühstück kurz nach zwei gab es Apfel sowie Quark mit Joghurt und Banane – auf dem Balkon sitzend, den ich mit Markise vor Hitze schützen musste.

Blick von einem Balkon die Hauswand entlang auf die Reihe anderer Balkone am Haus, links eine riesige blühende Kastanie

Deutschland deine Balkone. Ich habe den Verdacht, dass es sich um etwas Typisches für Deutschland / deutschsprachige Regionen handelt, dessen sich die Einheimischen gar nicht bewusst sind (ähnlich wie Schrebergärten); eine systematische Untersuchung der Balkonkultur im internationalen Vergleich (Deutschland: zentrales Kriterium bei Wohnungssuche / eigene Themenbereiche für Ausstattung in Gartencentern, Tchibo-Katalogen) fände ich interessant.

Trotz Müdigkeit ging ich nochmal raus in die Innenstadt: Da ich den Samstag für eine Wanderung nutzen wollte, blieb nur dieser Nachmittag für Besorgungen weiter ab von den täglichen Wegen. Erfolg nur mittel (ich suche seit einiger Zeit eine 400- bis 500-ml-Blechdose, gerne in Schlicht und Schön, das ist offline schwieriger als vohergesehen) (OFFLINE!). Viel Volk in der sonnigen Fußgängerzone, zum größten Teil in Hochsommerkleidung und Schatten suchend (das Thermometer in der Sendlinger Straße zeigte 29 Grad an).

Zurück daheim Zeitungslektüre, bis ich erste Handgriffe fürs Samstagsbrot tat: Es sollte mal wieder das 7-Pfünder Hausbrot geben. Während die Körnermischung dafür kochte, turnte ich die Abschlussfolge der Pilates-Woche, ab jetzt gibt’s wieder Yoga.

Als Nachtmahl verwandelte Herr Kaltmamsell den vorerst letzten Ernteanteil-Spinat in Eggs florentine.

Aufsicht auf einen großen Glasteller mit Blattspinat, verlorenen Eiern, zwei englischen Muffins, Sauce hollandaise, rechts daneben auf einer weißen Serviette Messer und Gabel

Die Sauce hollandaise war ihm nicht recht gelungen, die englischen Muffins waren innen noch roh und mussten nachgebacken werden – Herr Kaltmamsell war verärgert (ihm misslingt selten ein Gericht). Aber insgesamt schmeckte das alles sehr gut.

Gläserne Auflaufform von der Seite, man sieht Schichten weißer Creme und dunkler Biskuitlöffel, angeschnitten die Kakao-bedeckte Oberfläche

Zum Ausgleich war mir diesmal das Tiramisu gelungen: Wir waren uns einig, dass wir diese Variante inklusive Espressopulver besonders mochten.

Abendunterhaltung (wie so oft an besonders müden Tagen nach zu wenig Schlaf wurde ich jetzt nochmal munter): Eine Doku auf arte über einen meiner Allzeit-Lieblingsfilme, Modern Times:
“Chaplins ‘Moderne Zeiten’. Der Abschied vom Stummfilm.”

Eine interessante Einordnung des Films in Chaplins Gesamtwerk und in seine Biografie. Allerdings wunderte ich mich über das eine oder andere Detail, unter anderem die Aussage, der Tonfilm habe zur Industrialisierung des Filmwesens in Hollywood geführt – Monumentalfilme gab es durchaus schon vorher, die Wirtschaftsmacht des Studiosystems mit seinen künstlerischen Einschränkungen hatte bereits weit vorher (1919) dazu geführt, dass Charles Chaplin, Douglas Fairbanks Sr., Mary Pickford und David Wark Griffith selbst ein Filmstudio gründeten: United Artists. Doch die mir neuen Informationen über die Hintergründe von Modern Times lassen mich das Kunstwerk jetzt sogar noch mehr wertschätzen.

Journal Donnerstag, 1. Mai 2025 – Vormittags Isarlauf, abends Sterneküche

Freitag, 2. Mai 2025

Gut geschlafen, früh aufgewacht. Das Draußen sah nach Sommermorgen aus, doch es war zunächst noch angemessen kühl.

Ich wünschte mir sehr einen Lauf an der Isar, fürchtete aber, dass die böse linke Wade nicht mitspielen würde. Dem arbeitete ich mit allem gegen, was mir einfiel: Dehnen, Massieren, Aufwärmen durch erstmal 15 Minuten strammem Marsch rüber an die Isar. Und ich versuchte, meinen Vorfußlauf abzuflachen: Nachdem die Wade replizierbar bei den Pilates-Übungen zwickte, die mit Zehenstand verbunden waren, kam ich auf die Idee, dass meine Beschwerden mit meinem (ganz natürlichen, schon immer dagewesenen) Vorfußlaufen zu tun haben könnten.

Und das klappte! Ich hatte meine Route Richtung Thalkirchen gelegt, hier verliefen genug Buslinien, die mir jederzeit Abbruch und Heimfahrt ermöglichten – doch ich brauchte sie nicht. Nach einer Weile konzentriertem Ferseuntenhalten konnte ich meine Gedanken fließen lassen. Zwar meldete sich die Wade allersachtest mit Existenzinfo, doch weder nach 45 Minuten noch nach einer Stunde blockierte sie, ich kam auf die ersehnten anderthalb Stunden – und freute mich sehr.

Alter, parkähnlicher Friedhof in Sonne und Frühlingsgrün

Alter, parkähnlicher Friedhof im Sonnenlicht, links die hohe Friedhofsmauer mit Grabmälern, die in leichtem Schwung nach rechts biegt

Alter Südfriedhof

Blick aus einem Fußgängertunnel hinaus ins Frühlingsgrün

Blick zwischen Bäumen über Brückengeländer auf Flussbett, am Ufer sitzen auf einer Mauer zwei Menschen

Blick einen breiten Holzsteg mit Holzgeländer entlang, sonnenbeschienen

Erneuerter Flauchersteg – hier roch es herrlich nach Schreinerei (und bereits nach Holzkohlefeuer, aber noch nicht nach Grillgut).

Schmale, sehr hohe Brücke von unten vor knallblauem Himmel

Großhesseloher Brücke von unten, ich war auf der östlichen Seite gelaufen.

Sonniges Kiesufer eines Flusses vor grünen Bäumen, einige Menschen stehen in Badekleidung mit den Füßen im Wasser

An der Marienklausenbrücke, Badeversuche scheiterten an mangelnder Wassertiefe.

Selfie einer Frau mit kurzen weißen Haaren und Sonnenbrille, schwarzes Oberteil vor Flussauen

Glückliche Läuferin.

Als ich den Westermühlbach entlang heimwärts lief, hörte ich deutlich Blasmusik vom schwulen Maibaum herübertönen. Abschließender Semmelkauf beim Bäcker.

Zu Hause verlangte mein iphone nach einem Betriebssystem-Update – mache ich ja brav immer, wegen Sicherheit. Mitinstalliert wurde “KI”; da ich nicht wollte, dass Apple dafür meine Daten abgreift, schaltete ich für alle Apps das “Lernen” aus – einzeln, anders geht das nicht.

Nach Frühstück (Apfel, Körnersemmeln mit Butter und Marmelade) beglich ich eine kulinarische Rechnung: Nach dem jüngsten Fehlschlag (Löffelbiskuitsuppe) bereitete ich nochmal Tiramisu zu.

Dann war ich sehr müde und hätte gerne Siesta gemacht, aber es war bereits zu spät dafür: Herr Kaltmamsell und ich würden bald zu unserem Abendessen-Termin aufbrechen. Weil nämlich.

Vom Augsburger Restaurant August in der Inkarnation, als Herr Kaltmamsell und ich noch in Augsburg lebten, habe ich nach meinem letzten Besuch 2004 in einem Blogpost bereits geschwärmt. Schon lang ist das Lokal umgezogen, schon lang hat es sich Sterne erkocht. Und seit einigen Jahren spielen wir mit dem Gedanken, noch einmal dort zu essen, um die Geschichte abzurunden (-> closure). Jetzt machten wir ernst.

Das Lokal öffnet nur drei Abende die Woche, man kann nur für 18:30 Uhr reservieren, bereits vor zwei Monaten hatte ich das für gestern gemacht. Eine Website gibt es zwar inzwischen, doch die wirkt höchstens pflichtschuldig, bietet auch lediglich Fotos und Kontaktinformation. Zusätzliche Info zu Parkmöglichkeiten und zur Lage des Restaurants bekam ich in einer E-Mail vor einer Woche.

So machten wir uns gestern fein, ließen uns von einer Regionalbahn nach Augsburg fahren, von einer Tram zum Rathausplatz, spazierten von dort in warmer Sonne über Erinnerungsumwege (hier hatte ich acht Jahre gewohnt) Richtung Jakobertor und zur Villa Haag.

Durch spiegelnde Scheibe Blick auf Sonnenlandschaft mit Gleisen, Rapsfeld, Wald

Unterwegs Raps.

Seitenmauer eines vierstöckigen Wohnblocks mit detaillreicher Bemalung in Grüntönen, Dschungel- und Tiermotive

Kurz vor Villa Haag ein Mural, das ich auf den ersten Blick als von Video SCKRE erkannte.

Prächtige Gründerzeit-Villa aus Sandstein, umgeben von Bäumen, Blickwinkel vom Fuß der Anfahrt

Die Villa Haag. Wir mussten klingeln, im Restaurant im ersten Stock begrüßte uns Wirt und Koch Christian Grünwald. Auch die Maitre war uns von unserer früheren August-Geschichte vertraut.

Unter einem großen roten Sonnenschirm ein Tisch mit Metallfüßen und Glasplatte, rechts sitzt daran im Sonnenlicht ein Mann in grünem Hemd, der nach hinten in die Weite blickt

Gedeckt war zunächst auf der Terrasse rechts an der Villa (als es in der Dämmerung kühler wurde, bat man uns in den wunderschönen Salon), und dann begann ein viereinhalb-stündiger Reigen an Lukullitäten. Der Tisch, an dem wir aßen, hatte eine Schublade unter der Glasplatte, die nicht nur unterschiedlich leuchtete, sondern auch für die Vorbereitung folgender Gänge eingesetzt wurde.

Neben den beiden genannten Personen tauchten im Service zwei weitere auf (eine davon wohl auch in der Küche unterstützend), die Erklärung der Teller und die Anweisungen für die Ess-Reihenfolge gab meist Christian Grünwald selbst.

Wir starteten mit einer langen Folge abgefahrener Kleinigkeiten, die “Snack’s” genannt wurden, und einem Glas Champagner, ließen uns danach mit Weinen begleiten.

Abgefahren war alles an allen Tellern, die jeweils aus mindestens zehn Geschmacksquellen komponiert waren. Zum Teil heimische und jahrezeitliche Zutaten (u.a. Fichtenspitzen, getrocknete Erbeerscheiben, Morcheln, Spargel, Blüten von der eigenen Terrasse), zum Teil selbst konserviert (u.a. Tomate, Blütenparfüm), zum Teil von weiter her (u.a. Iberico-Schwein, Lamm, Aubergine). Jeder Gang und jedes Detail ein Abenteuer.

(Ich bitte Sehbehinderte um Entschuldigung für fehlende Alt-Texte der folgenden Bilder – heute und bei der Fülle von Fotos sind sie mir zu mühsam. Soll eine Ausnahme bleiben, versprochen.)

Feuchte Tücher zum Händewaschen.

Foto: Herr Kaltmamsell

Lassen Sie sich nicht verwirren: Sie sehen Durchsichtiges auf verschiedenen Ebenen, zum Beispiel den nächsten Snack zwischen Deko-Scherben unter der Glasplatte des Tisches.

Jetzt begann das Menü, das wir auf einer Karte mitnehmen konnten. Jeder Gang hatte einen Titel wie ein Gemälde.

“Mit den Füßen im Sand”: Links im Glas heißer Spargelsud mit Butter.

Unter dem Löcherteller versteckte sich “Mit den Füßen im Sand” 2.

“Wenn das Meer das Land verdeckt” – der Schaum war mal eine Auster.

Der Salon mit Aussicht auf einen Balkon.

“Samt” – die Kombination Mohn/rote Paprika gefiel mir besonders gut.

“Holzgereift” – u.a. Pata-negra-Schwein.

“French classic” – mit u.a. einer Apfel-gefüllten Morchel und Foie aus Aubergine.

“Terroir mon amour” – Maibock und unter anderem Kornelkirsche.

Zum Nachtisch Kopfsalat mit Erdbeeren.

Außer uns war den Abend über nur ein weiterer Tisch besetzt, mit einem weiteren Paar. Wir hörten mit, wie Christian Grünwald im Abschiedsgespräch mit diesen beiden erzählte, dass er nur drei Abende öffne, weil er die anderen vier Tage der Woche zur Vorbereitung benötige.

Kurz nach elf baten wir um ein Taxi, das uns zum Augsburger Hauptbahnhof brachte, wo wir die letzte Regionalbahn nach München nahmen – trotz des vielen Weins lediglich angetrunken, aber sehr müde.

Daheim auf direktestem Weg ins Bett, Herr Kaltmamsell muss ja am heutigen Freitag arbeiten – auch wenn er sich einen deutlich späteren Arbeitsbeginn als sonst genehmigte.

§

Das Wunder moderner Medizin hört nicht auf mich zu faszinieren (das wird auch nicht durch unfassbare Fehlschläge gemindert). katatonik beschreibt ihr jüngstes Erlebnis:
“Prosecco und Disko für frisch Operierte”.

§

Seit gestern gelten in Deutschland neue Namensregeln. Ich hoffe mal wieder, dass damit der Druck auf Frauen sinkt, bei Eheschließung mit einem Mann hinter seinem Nachnamen zu verschwinden (Männer verspüren diesen Druck umgekehrt statistisch erheblich seltener):

Auch Kinder, deren Eltern sich gegen einen Doppelnamen entscheiden, können nach dem neuen Namensrecht einen Doppelnamen bekommen. Wenn die Eltern nach der Geburt ihres Kindes keinen Familiennamen bestimmen, bekommt das Kind sogar automatisch einen Doppelnamen.

(Quelle)

Um auch den Wunsch nach Loswerden eines verhassten Nachnamens von der Übernahme des Ehepartner-Namens zu entkoppeln (auch das eine regelmäßig gehörte Erklärung von Frauen), wünsche ich mir jetzt noch eine Erleichterung der Nachnamensänderung ohne Eheschließung.

Journal Mittwoch, 30. April 2025 – Balkoneröffnung

Donnerstag, 1. Mai 2025

Nach tiefem Schlaf hätte ich bei Weckerklingeln sehr gern weitergeschlafen, auch wenn der Himmel draußen bereits hell leuchtete, wolkenlos.

Trotz deutlicher Morgenkälte marschierte ich jackenlos in die Arbeit: Dann fror ich halt eine halbe Stunde ein wenig, aber beim Heimweg würde mir so keine Jacke im Rucksack Platz für Einkäufe wegnehmen.

Große begrünte Straßenkreuzung in Morgensonne unter blauem Himmel mit weißen Wolken, gegenüber im Sonnenlicht ein Gründerzeitbau mit Backstein und Türmchen

Von oben aufgenommene hellblaue Turnschuhe an Füßen, die auf sonnigen Pflastersteinen stehen

Waren: Alte Aerobicschuhe. Sind: Meine neuen Sommersneakers. Und schaun Sie mal, WIE SAUBER die sind!

Am Schreibtisch nach Öffnen des Postfachs gleich mal beherzt losgearbeitet, gut vorangekommen.

Schon um halb elf traf die SMS des Radlschraubers ein, dass ich ab 12 Uhr mein Rad abholen könne und es 99,95 Euro koste – bitte bar mitbringen.

Im Vordergrund Cappuccino auf weißer Tischplatte, im Hintergrund Glaswand mit offener Tür, die auf eine Terrasse führt, darauf sitzen unscharf zu sehen zwei Personen mit hellem Oberteil unter einem Sonnenschirm

Mittagscappuccino bei Nachbars, aber dann noch eine Runde um den Block (Westendstraße, Trappentreustraße) – Wetter und Luft waren zu herrlich.

Mittagessen Apfel, Granatapfelkerne, Eiweißriegel.

Knackiger Arbeitsnachmittag, ich hatte einen Feierabendtermin anzuzielen: Beinenthaarung. Nach Lebensmitteleinkäufen unterwegs erzählte die Enthaarungsfachfrau wieder eine Menge, und ich bekam Beine wie Delphin. Beflügelter Heimweg mit Freude auf vier freie Tage am Stück (1. Mai, St. Brück, Wochenende).

Zu Hause stellte ich nur kurz meine Einkäufe ab – und freute mich ungeheuer über Duft und Anblick:

Fliederstrauß in Glasvase vor weißer Wand auf dunklem Holztischchen

Fliederstrauß in Glasvase vor Fenster, durch das man sonnige grüne Laubbäume sieht

Nach Wochen vergeblicher Suche hatte Herr Kaltmamsell mir Flieder erkämpft, ich werde nie verstehen, wovon der Verkaufszeitpunkt abhängt: Vor Jahren hatte es geheißen, man bekomme ihn kurz bevor er in den Vorgärten sichtbar werde, aber dieses Jahr begann diese Sichtbarkeit ja schon vor zwei Wochen.

Das Radlabholen wurde durch ein unerwartetes Straßenfest erschwert: Der Teil der Hans-Sachs-Straße zwischen Müllerstraße und Ickstattstraße war gesperrt, dort wurde laut Plakaten “Maikönigin” gefeiert, und zwar mit Diskomusik und sehr viel Volk. Inklusive Zaun mit Taschenkontrolle, mein hilfloses “Ich will doch bloß mein Radl abholen” bewahrte mich nicht davor. Auch Herr Radlschrauber war davon überrascht worden und ungehalten. Als ich ihm nach Übergabe des Radls fröhlichen Tanz in den Mai wünschte, betonte er energisch: “Des is so gar net meine Welt.”

Daheim Pilates mit Gabi Fastner, die anstrengende 45-Minuten-Kraft-Folge (ich hatte schon wieder die abschließenden Bauchübungen mit gestreckt kreisenden Beinen vergessen). Mit immer wieder Fliederduft in der Nase.

Für den Abend war ich mit Herrn Kaltmamsell auf dem Balkon verabredet. Der war noch nicht grundgereinigt, weil vom frühen Sommereinbruch überrascht (außerdem: Faulheit) – ich fegte einmal durch und wischte die Möbel ein wenig ab, das musste reichen.

Balkon von innen und im Gegenlicht, darauf Holzbank und Holztisch, auf dem Tisch zwei große Gläser mit Aperol Spritz

Wie gewohnt Aperol Spritz als erster Balkondrink.

Herr Kaltmamsell bereitete auch das gewohnte erste Balkonabendessen vor: Salade niçoise. Allerdings hatten wir so lange auf dem Balkon aperitiviert, dass wir doch lieber drinnen aßen. Nachtisch Osterschokolade.

§

Politischer Aktivismus leidet in den vergangenen Jahren immer wieder unter Polarisierung in Details – und davon abgeleiteten vehementen Hasskampagnen, die Menschen und Organisationen zerstören können. Feministin Kristina Lunz wurde Ziel einer solchen und analysiert die Mechanismen:
“Nichts darf jemals digitale Hetzjagden rechtfertigen: Wie digitale Lynchjustiz Menschen und Demokratien zerstört”.

(via Antje Schrupp, die hier schildert, wie sie selbst Ziel einer solchen Kampagne aus eigentlich eigenen Reihen wurde)

Ich will das an einer aktuellen Studie aus Großbritannien der Organisation More in Common verdeutlichen, die sich in mehreren Ländern für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stärkung demokratischer Kulturen engagiert. Darin wird gezeigt, dass sogenannte progressive activists dazu neigen, in ihren Kampagnen eine vollständige ideologische Übereinstimmung zu verlangen. Da die öffentliche Meinung selten entlang festgelegter ideologischer Linien verlaufe, fielen viele mögliche Allianzen in der Sache aus. Dieser Starrsinn führe dazu, dass progressive Bewegungen kaum anschlussfähig und oft durch interne Konflikte lahmgelegt seien. Oder, um es mit Rutger Bregman zu sagen: „Auf diese Weise erhalten Sie eine Bewegung, die zu 100 Prozent rein, aber zu 0 Prozent effektiv ist.“ Eine Organisation wird also so zur Zielscheibe, wenn sie nicht ausschließlich und exakt so arbeitet, wie es eine selbsternannte Führungsriege von progressive activists fordert.

Kristina Lunz schildert sorgfältig und detailliert, wie weit Menschen mit Vernichtungswillen zu gehen bereit sind – und welche Anstrengungen es erfordert, sich immer wieder gegen Falschbehauptungen zu wehren, vor allem wenn Sie auf Social-Media-Plattformen erhoben und verbreitet werden.

Das Steinewerfen gegen uns ging weiter: Immer neue, haltlose Anschuldigungen tauchten in Form nichtssagender Instagram-Kacheln auf. Wir hätten Angestellte wegen ihrer pro-palästinensischen Haltung entlassen. Investigative Journalist:innen, die diesen Vorwurf sowie einen vermeintlich „offenen“, tatsächlich aber anonymen, Brief prüften, recherchierten vermeintlich Betroffene. Doch es fand sich niemand. Im Rahmen der juristischen Auseinandersetzung habe ich diese neuen Behauptungen durch eidesstattliche Versicherung als auch Personal- und Vertragsunterlagen klar widerlegt. Doch all das hatte für die Anarchie von Social Media keine Relevanz. Der Mob zog einfach weiter, hin zu anderen Themen und Eskalationen. Einer der Hauptakteure, ein hasserfüllter, junger Mann hetzt(e) und postet(e) weiter, zu viele taten und tun es ihm gleich. Eine Handhabe gab und gibt es nicht. Der Hass schwappte von kleinen Accounts auf größere über, Personen mit zehntausenden Followern griffen die Diffamierungen auf, teilten sie in ihren Instagram-Stories. Organisationen riefen auf der Grundlage der Falschinformationen zum Boykott gegen uns auf, Geldgeber beendeten Projekte. Der substanzielle finanzielle Schaden war das Eine, das Andere noch schlimmer: Wir mussten sofort zwei Projektmanagerinnen entlassen, deren Gehalt vollständig über eines dieser Projekte finanziert war.

Lunz spricht auch einen Punkt an, der mir besonders große Angst macht:

Wenn Menschen erst einmal öffentlich „fertiggemacht“ wurden, beginnt ein weiterer Prozess: Je öfter falsche oder überzogene Anschuldigungen inszeniert werden, desto größer wird die Skepsis gegenüber tatsächlichen Fällen von Gewalt und Diskriminierung. Das schwächt nicht nur die demokratische Kultur, sondern trifft besonders feministische und antirassistische Bewegungen – jene, die auf Differenzierung, Glaubwürdigkeit und den Schutz von Betroffenen angewiesen sind. So droht eine gefährliche Verengung des demokratischen Spektrums.

(…)

Es stellt sich zunehmend heraus, dass Menschen nicht zwingend Wert darauf legen, ob die Informationen, die sie lesen und weiterverbreiten, tatsächlich richtig sind. Sie wollen bestimmten Quellen – so auch Influencer:innen – glauben. Und deren wünschenswerte Charakteristik ändert sich: Vertrauen wird in der Gegenwart oft nicht mehr durch journalistische Sorgfaltspflichten oder faktenbasierte Recherche definiert, sondern durch persönliche Bindung und emotionale Übereinstimmung.

tl;dr Beteiligen Sie sich nicht an Hass und Hetze, auch nicht wenn bestimmte Reizwörter heftige Gefühle bei Ihnen auslösen.