Journal Dienstag, 3. Juni 2025 – Verschiedene Vergangenheiten zur selben Zeit
Mittwoch, 4. Juni 2025 um 6:33Es regnete morgens genau den sanften Landregen, den der Boden gerade dringend benötigt. Total super, nur gestern ungeschickt getimet, weil ich auf dem Weg in die Arbeit beide Hände voller Tablett mit Nussbaierkuchen haben würde und keine frei für Regenschirm.
Hier das Rezept.
Ich schlüpfte in meinen Kapuzenmantel, und tatsächlich erwies sich dieser als genau richtig: Es ging nicht der geringste Wind, die weite Kapuze blieb schützend über meinem Kopf.
Diesmal war ich gerüstet für Nässe von unten, hatte Wechselfußkleidung eingesteckt – doch bei leicht trocknenden Schuhen und lediglich feuchten großen Zehen brauchte ich sie nicht.
Einen zweiten Bildschirm beantragt, weil ich
– beim Hantieren mit Kalendern, Listen, Websites für eine meiner zentralen Aufgaben davon wirklich profitieren könnte,
– Angst habe, zu der einen alten Kollegin zu werden, die sich störrisch an ihre veraltete Ausstattung klammert, weil MEHR BRAUCHT’S JA WOHL NICHT, IHR WEICHEIER!
Etwas tumultöser Vormittag, aber ich floh auf einen Mittagscappuccino ins Westend. Als ich zurückkam, standen alle vorm Bürogebäude: Feueralarm. (Nichts passiert, nach wenigen Minuten durften alle zurück.)
Später gab es zu Mittag eingeweichtes Muesli mit Joghurt, außerdem Aprikosen (überraschend gut). Mehr heftiges Arbeiten.
Nachmittags Kreislaufturbulenzen mit Schweißausbruch, anschließendem Frieren und Fressattacke: Zwei Stücke Kuchen in der Teeküche mussten dran glauben.
Insgesamt war ich zu Feierabend schon wieder so durch und erschöpft, dass ich es fast nicht auf den Heimweg schaffte.
Nach Hause über Einkäufe im Vollcorner, die Luft sehr schwül.
Kurz vor daheim fiel mich ein wundervoller Blütenduft an. Ich indentifizierte die Quelle.
Daheim Waschmaschine gefüllt, Erdbeeren geschnippelt, Brotzeit vorbereitet.
Ich lasse mich ja von Ihnen influencen, auf Empfehlung von Sylvia gingen wir also fürs Abendessen zur Slurp Nudelbar am Bahnhof.
Anblick unterwegs – lasst die Litfaßsäule doch nicht so nackig rumstehen, zieht ihr doch wenigstens ein Röckchen an.
Baukastensystem mit sechs verschiedenen Zutaten-Zusammenstellungen: Für mich mit gebratenem Hühnchen, viel Gemüse, Glasnudeln. Schmeckte wirklich gut, die Spielkomponente des Zutaten-Buffets fehlte natürlich. Als Nachtisch gekamen wir eine Kugel Vanilleeis spendiert.
Auf dem Heimweg immer wieder Regentropfen, zu Hause gab es als zweiten Nachtisch Erdbeeren und Mini-Schokoküsse.
§
Bereits am Montag bloggte Maximilian Buddenbohm:
“Entscheidungsfragen”.
Ich habe die Vermutung, aber das ist nur ein vollkommen unbelegter Gedanke ohne jede empirische Grundlage, dass in den Jahrgängen der Söhne Zufallsverbindungen eine größere Rolle bei der Berufswahl spielen werden als bei denen, die vor ihnen dran waren. Etwa im Sinne von: „Ein Kumpel macht gerade was in einer Werbeagentur, dann sehe ich mir das da auch einmal an.“ Was dann eine eher lapidar anmutende Art wäre, zu großen Entscheidungen zu kommen. Aber vielleicht ist es auch die genau passende Art für eine Generation, die sich jederzeit umentscheiden kann. Nach aller Voraussicht sogar für lange Zeit, vielleicht lebenslang. Denn sie wissen natürlich, dass dies so ist.
Nun, man wird sehen. Die furchtbare Grundangst jedenfalls, bei der Richtungswahl schwere und folgenreiche, kaum jemals wiedergutzumachende Fehler zu begehen, die meiner Generation noch so vertraut war, die uns auch von den damals wirtschaftswundergeprägten Erwachsenen so gründlich eingeimpft wurde, die nehme ich bei dem, was mir an Jugend zur Beobachtung gelegentlich zur Verfügung steht, bisher jedenfalls nicht wahr.
Und wieder fällt mir auf, dass man zur selben Zeit im selben Alter und in derselben Kultur komplett verschiedene Vergangenheiten haben kann (soviel zur Abgrenzbarkeit von Generationen, in diesem Fall der Generation X). Denn mein eigenes Gefühl am Ende der Gymnasialzeit 1986 war: Ich kann ALLES machen, was nehm ich nur? Mich damit für alle Zeit und Ewigkeit zu etwas zu verpflichten, gehörte überhaupt nicht dazu. Um ein Zeitungs-Volontariat bewarb ich mich nicht nach sorgfältiger Recherche und Überlegung oder weil ich dort vorher bereits tätig gewesen wäre, sondern weil mein hoch geschätzter Griechischlehrer diese Ratlosigkeit kommentierte mit: “Sie sind so vielseitig interessiert – warum gehen Sie nicht in den Journalismus?”
Was unterschied mich wohl?
1. Meine Eltern (“Gastarbeiter” und Zwangsarbeiter-Tochter – deutlicher Unterschied zur gebürtig deutschen Nachkriegsgeneration) erzeugten eher Druck mit: Wir haben dir alle Möglichkeiten verschafft, die uns selbst nicht zur Verfügung standen, und der Hergott hat dir Talent geschenkt – das MUSST du zu Großartigem nutzen. (Unter anderem kam das von meiner Mutter als Empowerment gemeinte “Du kann alles werden, was du willst” bei mir so an.) Sie unterstützten alle meine Ideen: Ich erinnere mich, wie mein Vater nach Verlautbarung meiner Journalismus-Pläne Broschüren aus der Audi-Presseabteilung als Infomaterial heimbrachte – <3.
2. Meine impulsive und wissbegierige Persönlichkeit: Ich fand SO viel spannend und versuchenswert.
Meine Zuversicht, dass ich spannende Dinge ausprobieren konnte, ohne mich damit für alle Zeit festzulegen, mag auch eher an Persönlichkeitsstruktur liegen.
3. Ich hatte keinerlei Familienpläne, im Gegenteil war mein Nichtkinderwunsch von klein auf ausgeprägt (erste bezeugte Äußerung “Also ich will mal KEINE Kinder haben!”, als ich sieben war). Das verschaffte mir enorme Freiheit, weil ich in meiner Lebensplanung (welcher junge Mensch hat die wirklich?) nicht einkalkulieren musste, irgendwann eine Familie zu versorgen / zu betreuen.
Gleichzeitig gab es in meinem Abiturjahrgang (nur 49-köpfig, weil altsprachliches Gymnasium) viele, die BWL oder Maschinenbau studierten: Das versprach in der Audi-Stadt Ingolstadt Job-Sicherheit – ein Irrtum, wie sich erwies, viele mussten mit diesem Studienabschluss Anderes tun.
Über die Jahrzehnte Berufstätigkeit erlebte ich dann unter anderem im ca. ersten Jahrzehnt des Jahrtausend (komplett nicht repräsentativ natürlich) eine Generation, die als Studierende ungemein zielgerichtet und erfolgsorientiert war, unter anderem jedes Praktikum auf Wirkung im Lebenslauf abklopfte, das Auslandssemester lieber bleiben ließ, um schneller den Abschluss zu schaffen – und dann mit 22 und einem Uni-Abschluss auf der Straße stand, weil sie den Unternehmen trotz aller schicker Praktika einfach zu jung und unerfahren waren.
Derzeit erlebe ich wieder eher Azubis und Studierende, die mir offen für Vieles vorkommen, und nicht alles muss gleich gelingen.
4 Kommentare zu „Journal Dienstag, 3. Juni 2025 – Verschiedene Vergangenheiten zur selben Zeit“
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4. Juni 2025 um 6:41
Passend zu Deiner frühen Äußerung, keine Kinder haben zu wollen, ist übrigens mein erster geäußerter Berufswunsch in früher Kindheit: “Ich will Rentner werden.” Bezogen auf das, was etwa in unseren Texten steht, sind wir beide also als sehr konsistent zu betrachten, denke ich.
4. Juni 2025 um 9:30
Ich komme aus der Generation, die im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends studiert hat und kann aus meinem damaligen Umfeld bestätigen: der Druck, möglichst viele möglichst tolle Praktika bei renommierten Firmen/Agenturen zu absolvieren, war real. Den Satz “das sieht gut aus im Lebenslauf” hörte man in der Mensa und der Bib ständig, Zeit, das Unileben zu genießen, blieb wenig. Gefühlt war das Ziel auch immer irgendeine Führungsposition. Ich persönlich konnte diesen Stress damals schon nicht mitmachen und blieb immer etwas schulterzuckend zurück – “wird schon alles” war meine Devise und in Führungspositionen wollte ich auch noch nie. Ich kann 20 Jahre später sagen, dass das so geklappt hat.
4. Juni 2025 um 11:30
zur situation der elterngeneration in den 50-er jahren, die durch zuwanderung hier ein zuhause fanden (und deren kinder) bei der berufswahl gibt es ein sehr lesenswertes buch: Ira Peter, Deutsch genug? Goldmann
4. Juni 2025 um 19:03
Als Generation der Studienabschluss in den frühen 90ern möchte ich noch die Kohl’schen Jahre mit konstant realen Zahlen zur Arbeitslosigkeit erwähnen (und ich bin noch nicht mal Ostdeutschland geprägt), was die Frage nach gewünschter Sicherheit im Arbeitsmarkt unterstrich.
Und mangels Internet/überschaubarem Tellerrand kommt vielleicht auch die fehlende Überschaubarkeit hinzu, was es denn überhaupt alles für Möglichkeiten gäbe hinzu. Jenseits der klassischen Fächer, Berufe,
Interessante Themen jedenfalls, auch gestern zum Alterdiskriminierung der jetzigen Ü50 am Arbeitsmarkt.