Journal Samstag, 23. August 2025 – Wien 2 mit Karmelitermarkt, Tofu, Rosebar
Sonntag, 24. August 2025 um 9:58Lang geschlafen und auch recht gut. Erstmal Milchkaffee, dafür liebe ich Übernachtung in einer Ferienwohnung.
Und wenn das Wetter schön genug ist, braucht man auch keinen direkten Blick zum Himmel, um es zu erkennen. Außerdem haben wir sogar eine Terrasse!
Von innen.
Von außen. Ich muss gestehen, dass mich die gestalterische Energie dieser Innenhofnutzung ein bisschen beeindruckt (Typus corrales). Unser corral ist eh nicht nutzbar, weil es durchgehend vom Balkon darüber tropft und alles nass ist.
Für gestern hatte ich einen Marktbesuch geplant, und da der Wiener Naschmarkt vielen verlässlichen Quellen zufolge reine Touristenabfütterung geworden ist (siehe auch Boquería in Barcelona), wollte ich den Karmelitermarkt sehen.
Weil ja meine Orientierung in Wien besser werden soll, gingen wir zu Fuß hin – und kamen erstmal nur sehr langsam voran, weil es so viel Aufregendes zu sehen gab (und in meinem Fall zu fotografieren). Das ist ja das Schöne am befreundeten Ausland: Dass sich bereits auf den anderthalbten Blick all die Unterschiede im Detail zeigen – Unterschiede im Sinne von Vielfalt, nicht von Andersheit. Andere Typografie, anderes Vokabular, andere Wegführung. Ich war schockverliebt in praktisch alles davon.
Nächstes Herzhüpfen: Ich entdeckte, dass das Wiener Hallenbad, das ich per regelmäßigen Fotos am besten kenne, nur fünf Minuten zu Fuß von der Ferienwohnung entfernt liegt -> Schwimmpläne.
Es war bei freundlichem Wetter kühl, kurz bereute ich meine Entscheidung der Jackenlosigkeit, doch über die nächsten Stunden erwies sie sich als richtig.
Nächster Wien-Effekt: Ich fühlte mich angesichts der Großzügigkeit von Straßen, Grünanlagen, Bauwerken wie eine Besucherin aus der Provinz.
Trotz Touristensaison war nicht viel los; erst am Heldenplatz stießen wir auf die erwarteten Besucherhorden, die nach nicht mal einem Kilometer Richtung Salztorbrücke über den Donaukanal schon wieder verschwunden waren.
Noch bei in unserem 15. Bezirk erste Male: Anführungszeichen in einer URL. (Die Uhr geht falsch.)
Aww, wie im Münchner Glockenbachviertel.
Immer wieder Begegnung mit wiener Wörtern, die hochsprachifiziert wurden – sehr sympathisch.
In der Westbahnstraße standen wir lange vor den Schaufenstern von Baiers Enkel: So viel spannendes Werkzeug!
Gussformen. Auch sonst heiteres Raten und Recherche, wozu welches der Exponate wohl diente.
Mehr bemerkenswerte Anführungszeichen.
Auf der anderen Seite des Donaukanals.
Vielfache Begegnung mit orthodoxen Juden im Schabbat-Festgewand.
Karmelitermarkt (die Uhr stimmt). Entgegen anderslautenden Informationen wurde kurz nach zwölf bereits abgebaut. Dass zahlreiche Stände im Sommerurlaub waren, überraschte mich dagegen nicht. Auf diesem Markt hatte ich ein spezielles Ziel: Ich hatte von der ersten Wiener Tofu-Manufaktur gelesen, die hier eingezogen war. Da wir ziemlich lange suchten, hier ein Foto von der Lage:
Und von der Beute, die Herr Kaltmamsell darin machte.
Jetzt hatten wir Hunger. Ich hatte ein Lokal notiert, das diesen selbstgemachten Tofu servierte (sie stehen hinter der Manufaktur) und auch sonst sehr attraktiv klang: Liwei’s Kitchen. Dorthin gingen wir.
Herr Kaltmamsell bestellte Mapu Tofu, ich gebratenen Tofu mit Gemüse.
Ganz hervorragend, meine Sauce mit einer bislang unbekannten Note, der gebratene Tofu sehr aromatisch. Dazu trank ich Reistee, ebenfalls sehr schmackhaft.
Beim Rausgehen fragte ich nach einem großen Glasbehälter auf der Theke, in dem kleinkugliges Obst in einer dunklen Flüssigkeit schwamm: Eingelegte Baum-Erdbeeren, erklärte mir der freundliche Wirt, aus seiner Heimat. Die kenne ich ja von Begegnung und Probieren auf meiner Mallorca-Wanderung vergangenes Jahr – jetzt spiele ich mit dem Plan, für ein Verkosten dieser Variante nochmal hier einzukehren.
Rückweg nur leicht variiert zum Hinweg.
Aber mit Kalauer.
Kurz vor der Ferienwohnung wurden wir auf die Tüte mit Tofu angesprochen: Ob es den wohl auch in der Nähe gebe? Stellte sich heraus, dass die Fragerin gestern diesen handgefertigten Tofu auf dem Karmelitermarkt gegessen hatte und auf eine Quelle näher daheim hoffte.
Die nächsten Stunden lasen und ruhten wir in der Ferienwohnung. Für den Abend machten wir uns ein wenig fein: Ich hatte einen Tisch im empfohlenen Rosebar Centrala reserviert, animiert u.a. von dieser Restaurant-Besprechung.
Zwei Straßenbahnen schaukelten uns eine längere Weile auf die andere Seite des Donaukanals, noch ein Stück nördlicher als mittags. Dann aßen wir sehr gut und lernten einen spannenden Wein kennen. Der freundliche Service erklärte uns das hier praktizierte Prinzip sharing dishes: Man bestellt zusammen eine ganze Reihe kleinere Gerichte, die in die Mitte gestellt und geteilt werde. Das kenne ich seit vielen Jahren aus England, vor allem aus London, habe auch den Versuch in München erlebte – wo er bald wieder verschwand, das scheint bei uns nicht recht zu funktionieren.
Der Wein von der kleinen, Naturwein-betonten Karte:
Ein Pinot noir Didon aus dem Burgund, leicht moussierend und mit der typischen Note des spontanvergorenen – schmeckte mir sehr gut, und ich bleibe bei der Ansicht, dass der Einstieg in Naturweine mit roten einfacher ist als mit den oft stark mostig schmeckenden Orange Wines. Rechts sieht man eine der Speisen: köstliche Schweine-Rilettes und Karotten.
Auch gab es eine wundervolle geschmorte Tomate mit Sardelle, brauner Butter und Thymian, davor steht der Teller mit Maispuree, roter Paprika, Sonnenblumenkernen – ganz hervorragend, wir fragten uns sofort, warum Herr Kaltmamsell nicht viel mehr mit Sonnenblumenkernen kocht.
Ebenfalls ein Highlight: Fisolen mit Pfirsich auf Mandelcreme – diese Kombination verstand sich besonders gut mit dem Wein.
Als Hauptgericht hatten wir Schlesische Knödel mit Eierschwammerl-Sauce und Salbei bestellt: Die Knödel stellten sich als Kartoffelteig heraus, die Pilze waren besonders gut.
Damit waren wir satt und hatten kein Bedürfnis nach Dessert (!), nahmen bald die Bim zurück zur Westbahnstraße. Auf den Anschluss zur Wohnung hätten wir über zehn Minuten warten müssen: In dieser Zeit, so wussten wir bereits, waren wir auch zu Fuß dort, also spazierten wir durch die kühle Augustnacht.
2 Kommentare zu „Journal Samstag, 23. August 2025 – Wien 2 mit Karmelitermarkt, Tofu, Rosebar“
Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)
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24. August 2025 um 10:33
Falls ihr dazu kommt und Lust habt, und noch Zeit, in Wien hat kürlich eine Mehl-Greisslerei eröffnet und mich würde ja interessieren, wie die sich macht: https://krusteundkrume.at/greisslerei/
24. August 2025 um 11:23
Ich habe vor einiger Zeit auch Sonnenblumenkerne wieder neu entdeckt, als ich festgestellt habe, dass Walnüsse meistens aus den USA kommen und mir die Länge des Transportwegs und die politische Situation dort nicht gefallen haben.
Einiges in Rezepten kann man auch mit anderen Kernen/Nüssen ersetzen.