Journal Mittwoch, 24. September 2025 – South Downs Way 4: Amberley nach Upper Beeding
Donnerstag, 25. September 2025 um 7:58(Amberley war doch dieser eine Song von Roger Whittaker?)
Nach guter Nacht etwas zu weit vor Weckerklingeln aufgewacht. Eigentlich lag dieses Pub/B&B am hintersten Ende des Dorfes in der kompletten Stille, wegen der Stadtleute Urlaub auf dem Land machen – doch irgendein Stück Haustechnik brummte durchgehend, ich verdächtige eine Bad-Lüftung.
Aussicht!
Gestiefelt und gepackt setzte ich mich sogar in den Frühstücksraum auf eine Tasse Tee, plauderte mit einer vierköpfigen Wandergruppe in meinem Alter, die mich am Vortag beim Ankommen angesprochen hatte (Ich so: “So are you from around here?” “We‘re from Australia.” “Well it doesn‘t get any further from around here than that, does it.” Smalltalk kann ich.) Keine Bitte um Sandwich, unter anderem weil ich schnell dem Raum mit dem dauerkläffenden Hund eines Übernachtungsgasts entkommen wollte.
Außerdem telefonierte ich tapfer: Heute werde ich am Ende meiner Etappe in Kingston von einem Taxi abgeholt und zur Unterkunft in Lewes (kenne ich bereits von Brighton-Urlauben) gefahren, die Unterlagen der Agentur betonten, dass ich diese Abholung rechtzeitig telefonisch bestätigen müsse. Ich nutzte die Gelegenheit, die Zeit des Treffpunkts um eine halbe Stunde nach hinten zu schieben: Die Tagesetappe umfasst sportliche 29 Kilometer, ich möchte mich nicht hetzen müssen.
Da die gestrige Strecke mit nur 21 Kilometern angekündigt war, nahm ich mir in deutlicher Morgenfrische Zeit, mich in Amberley umzusehen und den überall empfohlenen Dorfladen zu besuchen. Ersteres tatsächlich entzückend (und offensichtlich teuer), letzteres enttäuschend: Angeboten wurde in verwinkelten Regalen lediglich Supermarkt-Ware (ich fragte vergeblich nach lokalen Äpfeln: Die würden alle für Cider verwendet), manche davon (Schokonüsse und weitere Süßigketen) halt umverpackt in Tütchen mit hübsch gestalteten Etiketten “Amberley”.
Die typischen Stroh-gedeckte Häuser der Gegend – in anderen Gebieten Englands werden verschiedene andere Materialien fürs thatching verwendet.
Am spannendsten fand ich in den Unterstand der Gemeinde mit Schwarzem Brett (dort erfuhr ich, dass das Pub/B&B The Sportsman Inn, in dem ich untergekommen war, verkauft wird: Um es als unabhängiges Community Pub zu erhalten und selbst zu kaufen, wird Geld in Form von Anteilen gesammelt, “Own a piece of the pub!”), Büchertauschkiste – und dem Pendant zur deutschen Tafel: Eine Kühlbox für Lebensmittelspenden für Bedürftige. (Für Herrn Kaltmamsell machte ich noch Fotos von vielen weiteren Details und Plakaten im Häusl. Große Vermissung, England ohne ihn ist seltsam – ich habe das Gefühl, die Hälfte an Interessantem zu verpassen, weil sein doch anderer zusätzlicher Blick fehlt.)
Amberley von oben.
Die gestrige Etappe führte mich mal unter dunklen Wolken, mal in Sonne vor allem Hügelrücken entlang, mit weiten Ausblicken in beide Richtungen – und ordentlich Wind (vierter Tag in Folge ohne Regen! so ein Scheißglück!). Sonne naturgemäß bei einer Wanderung Richtung Osten nur von einer Seite – auch wenn ich mich täglich mit LSF 50 eincreme, fürchte ich am Ende des Wegs etwas einseitige Braunfärbung meines Gesichts.
Ich kam unter anderem durch das Weingut Wiston Estate, von dem am Vorabend die Rede gewesen war, kreuzte zweimal die Wege mit dem australischen Wander-Quartett (lachender banter). Das Highlight aber war gegen Ende die piggery: Frei gehaltene Schweine in einer Form, die ich aus Deutschland überhaupt nicht kenne.
Weit vor dem Weingut der ersten Weinberg am Wegesrand auf sehr Kalk-haltigem Boden – das edle Restaurant zum Weingut heißt Chalk.
Päuschen nach zweieinhalb Stunden auf einer recht gemütlichen Wiese.
Die Unterlagen der Agentur legten dringend nahe, etwa in der Mitte der Wanderung einen Umweg zu machen, um das gefährliche Kreuzen von und Entlangehen an einer mehrspurigen verkehrsreichen Straße zu vermeiden. Dem folgte ich gerne, zumal ich dadurch durch ein weiteres Dorf kam: Washington.
Vor dem Übergang über die schlimme große Straße: Pferde bitte schieben.
Kirche von Washington: Ich ging hinein um herauszufinden, ob sie so alt war, wie sie tat – nee, Imitation aus dem 19. Jahrhundert.
Typischer hiesiger Stein.
Brotzeitpause mit ersten Ausblick auf Brighton: Äpfelchen, Nüsse, Trockenfeigen und -plaumen (schmeckt mir weiterhin richtig gut).
Und dann kamen die Schweine, mindestens 500 Meter lang links und rechts des South Downs Way, laut quiekend und riechend. (Viele Schilder “Don’t feed the pigs!”)
Bei den Ferkeln (alle mit Ringelschwanz) massenhaft Vögel: Krähen und Dohlen, die vielen Stare kletterten sogar auf den Schweinderln herum. Neuzugang bei der Vogelsichtung: Bachstelze. Außerdem neben Schwalben besoners viele Falken gesehen, im Wind rüttelnd.
Menschen: Gestern vor allem Mountainbiker mit Motor, allein und in Gruppen. Aber insgesamt immer noch ein Bruchteil der Begegnungen von vergangenem Jahr auf Mallorca!
Zurück am river Arun.
Die Weißdorne, die ich ja schon mal blühend auf unserer ersten Wanderung in den Cotwolds erlebt habe, tragen reiche Frucht, ebenso Schlehen und (seltenere) Kornelkirschen.
Diesmal lag meine Unterkunft in Upper Beeding nur zehn Minuten vom Wanderweg entfernt: Ankunft nach gut 20 Kilometern in knapp sechseinhalb Stunden. Füße mittelmüde, mein Körper verlangte insgesamt nach Erholung. Mal sehen, wie fit er auf der heutigen zweitlängsten Etappe ist. Äuglein leicht gerötet nach all dem Wind.
Im zugehörigen Pub (am Wochenende mit live Musik) mit gemütlichen locals bekam ich wieder gutes Abendessen: Ich musste kein Fleisch bestellen, sondern konnte zwischen verschiedenen Gemüse-Optionen wählen. Das Veggie-Chilli stellte sich als bunter Gemüseeintopf mit Bohnen auf Reis heraus, super. Dazu ein Pint Ale, danach noch ein Apple Crumble (fast so gut wie meiner).
Nebenbei hatte ich erfahren, dass ich der einzige Übernachtungsgast war. Ich dachte rechtzeitig daran, mich fürs Frühstück abzumelden (nicht dass jemand wegen mir umsonst früher aufstand) und um ein Sandwich zu bitten.
Früh zurück auf mein Zimmer – das sogar geheizt war! Die drei vorherigen Abende auf dem Zimmer musste ich zu den vorsichtshalber eingesteckten dicken Socken greifen und mich mit Jacke wärmen.
Das Zimmer lag der Geräuschkulisse nach direkt überm Pub, ich hörte dumpf Gesprächsgeräusche. Süße Erinnerungen an meine Studienzeit und die Wohnung über einer Kneipe. Zum Glück wurde es nicht lauter: Die Unterkunft liegt auch an der tagsüber vielbefahrenen Einfallskreuzung des Dorfs mit großer Tankstelle schräg gegenüber. Doch nachts verschwand hier der Verkehr.
Lichtaus sehr früh wegen großer Müdigkeit.
7 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 24. September 2025 – South Downs Way 4: Amberley nach Upper Beeding“
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25. September 2025 um 8:18
Guten Morgen,
kann es sein, dass sich bei Upper Beeding ein R eingeschlichen hat?
Ich verfolge die Strecke sehr interessiert, da ich im Juli genau in dieser Gegend mit dem Fahrrad unterwegs war (Lancing nach Steyning über St. Botolphs).
Danke für den schönen Bericht,
Eva
25. September 2025 um 8:21
Ja, Eva, danke für den Hinweis!
25. September 2025 um 8:32
Albany – jetzt hab ich einen Ohrwurm!!
25. September 2025 um 8:35
Inspiriert durch Englandaufenthalte habe ich mal nach Freiland-Schweinehaltung und Piggerys in Deutschland gesucht. Es gibt sie, aber die Betriebe lassen sich vermutlich an zwei Händen abzählen. Wenig Freiland-Weidehaltung, noch weniger Piggerys. In der Nähe von MÜnchen fand ich https://www.herrmannsdorfer.de/landwirtschaft/symbiotisch/ (im Detail dann aber auch nicht die englische Form).
25. September 2025 um 8:57
Eben, southpark: In Glonn bei den Herrmannsdorfern war ich schon, habe auch schon das herrliche Fleisch der Weideschweine gegessen – das ist etwas Anderes.
https://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2012/08/auszeitjournal-mittwoch-29-august-2012-schweine.htm
25. September 2025 um 10:40
Ach, Weideschweine – die haben wir bei unserem Urlaub in GB auch gesehen. Kürzlich habe ich mit einer Landwirtin bei uns (Niederrhein) gesprochen, die früher Schweine auf der Weide gehalten haben, nun aber nur noch im Offenstall. Gerne würden sie die Tiere wieder auf die Weide lassen, sagt sie, die Auflagen dafür wären aber in Deutschland kaum umsetzbar: Meterhohe, doppelte (!) Elekrtozäune und weitere teure Sicherheitsmaßnahmen (Seuchenschutz).
25. September 2025 um 11:10
Diese Art der Schweinehaltung habe ich das erste Mal in Nordjütland gesehen. Lustigerweise standen lauter deutsche Touristen davor und waren ganz hingerissen ;)
Nun ja, ich lebe zwar in einer Region mit der zweithöchsten Schweinedichte Deutschlands, aber man sieht sie nur im Transporter zum Schlachthof. Ich denke, das hängt auch mit der Afrikanischen Schweinepest zusammen, von der Dänemark und England bislang verschont blieben.
Weiterhin noch einen schönen Urlaub!