Journal Donnerstag, 25. September 2025 – South Downs Way Tag 5: Upper Beeding nach Kingston

Freitag, 26. September 2025 um 8:23

Ein Scheißtag, so. Denn: Ende scheiße, alles scheiße. Und an diesem Ende wartete ich über eine Stunde aufs bestellte und bestätigte Taxi, fühlte mich scheiße, weil ich telefonisch mehrfach nachfragte, recherchierte bereits alternative Wege zu meiner Unterkunft per Linienbus und zu Fuß (umständlich, aber in einer zusätzlichen Stunde machbar). Das ist genau die Art Stress, von der ich Urlaub brauche, danke schön.

Schließlich tauchte das Taxi fünf Minuten vor Abfahrt des Linienbusses auf (der Fahrer legte sich unterwegs auch noch mit einer Autofahrerin an, die ihm seiner Meinung nach Platz machen sollte!), das brachte mich zu einer Unterkunft am Rand des Industriegebiets von Lewes – wo mein Zimmer das kleinste der bisherigen Reise war (und ich hatte schon an beiden Vortagen um meinen Koffer klettern müssen) und nicht mal ein Fenster hatte.

Um das Foto aufzunehme, musste ich auf den Gang treten.

Das letzte Mal, dass ich im Urlaub in einem fensterlosen Zimmer schlief, war nach dem Abitur in Sevilla – als meine Freundin und ich unseren Camping-Versuch abbrachen und einfach nach der billigsten Übernachtung suchten, die in einem Haus angeboten wurde. Ich glaube, das hier sind einfach Privatleute, die das doofste Zimmer ihres Hauses vermieten.

Zum nächsten Abendessen wären es 15 Minuten zu Fuß gewesen (das wusste ich bereits aus den Unterlagen), aber durchs Industriegebiet, ich passte. Zum nächsten Supermarkt war es noch weiter. Lewes ist eine schöne alte Stadt, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es hier keine besseren Zimmer gab – und beginne, der bislang so geschätzten Wander-Agentur zu unterstellen, dass sie mehr Geld für sich rausschlagen wollte. Es ist nie gut, wenn mir im Urlaub einfällt, wie viel ich dafür gezahlt habe. (Inklusive 78 Euro Single-Zuschlag pro Übernachtung.)

Und wenn wir schon bei scheiße sind: Ausgerechnet gestern wich der GPS-Track deutlich von der ausgeschilderten Strecke ab. Das konnte ich bei angekündigten 29 Kilometern Distanz, unter Druck weil Deadline Taxi, überhaupt nicht brauchen.

Auf der Positivseite (jajaja): Wieder ein komplett regenfreier Tag mit schönem Wetter. Wobei. Schon an Tag 4 hatte der Wind angefangen an mir zu nagen. Und auch heute wurde mir das unaufhörliche scharf Angeblasenwerden unangenehm und nervte; ich hätte eine Mütze über die Ohren vertragen und wünschte, ich hätte die neue Fleecejacke dann doch mit Kapuze gekauft (“ist doch bloß alberne Deko”).

Los ging es früh in Upper Beeding (ohne R nach dem B): Ich fühlte mich trotz der zusätzlichen halben Stunde für Taxi-Verabredung unter Druck. Der Wirt überreichte mir statt Frühstück wie vereinbart ein Cheese Sandwich, fragte mich nach meiner Tagesetappe: “Oh, that’s a big one.” Ich startete zum ersten Mal zu einer Atemwolke vor dem Mund.

Hier hatte ich übernachtet, rechtes Fenster oben.

Bitte beachten Sie den Dampf über dem Pferdemisthaufen.

Trotz Druck nahm ich mir die Zeit zum Äpfelpflücken: Am Vortag hatte ich in der Nähe ein Grundstück passiert, das mit handgemaltem Schild einlud, sich an den Apfelbäumen darin zu bedienen.

Apfelernten hatte ich ja im Kartoffelkombinat gelernt: Wenn sich bei leichtem Drehen der Frucht der Stiel vom Ast löst, ist sie reif. Ich nahm vier Äpfel mit und freute mich sehr. Danke, unbekannte Schenker*innen!

Ab dann legte ich das Tempo vor, mit dem ich sonst in die Arbeit marschiere, gönnte mir fast kein Stehenbleiben und Gucken, schon gar keinen Umweg.

Von Bankerln machte ich immer Fotos (hier hinter mir natürlich ein Parkplatz), sollte es ein nächstes Mal geben, nutze ich die Geo-Koordinaten zum Einplanen.

Upper Beeding von oben.

Kühe mit der Silhouette von Brighton. (Per E-Mail letzte Abmachungen mit dem Ferienwohnungsvermieter dortselbst, mal sehen, ob meine Bitte um Waschmittel erfüllt wird.)

Allerdings war fast zu meiner geplanten ersten Pause ein Café am Weg eingezeichnet. Wenigstens einmal wollte ich doch wohl an diesen sieben Tagen unterwegs eingekehrt sein, also gab’s Pause bereits nach zwei Stunden Wanderung.

Ein alter Wohnwagen mit Theke davor, auf der eine Siebträgermaschine betrieben wurde, außerdem gab es Kuchen und WLAN (totales Funkloch). Der Cappuccino erfreute mich sehr, es war viel los auf den wild zusammengewürfelten Tischen und Stühlen vor dem Wohnwagen. Ich traf wieder auf das australische Wander-Quartett (sie erzählten, sie hätten eine Abkürzung genommen und seien nicht den ganzen Weg gegangen – ich hatte mich schon gewundert, dass sie vor mir lagen). Und es gab ein Klo! Einmal Waldpinkeln weniger.

Wundervolle Beschallung von dem Rotkehlchen auf der Mauer neben mir.

Kirche in Pyecombe, Church of the Transfiguration – die ist echt alt aus dem 12. und 13. Jahrhundert.

Auch mal Pferde.

Menschen: „Katzen können wirklich in jeder Haltung schlafen.“
Kuh so: „You were saying?“

GPS-Anzeige, während ich

vor diesem South-Downs-Way-Schild stand. Nach einer Weile folgerte ich, dass die tatsächliche Strecke ein Stück kürzer war als der Track – und fuhr mein zackiges Marschtempo ein wenig herunter. Brotzeitpause kurz vor zwei.

Äpfelchen vom selben Tag (köstlich!), Cheese Sandwich – ich hatte schon wieder vergessen, dass man hier den Käse dafür nicht in Scheiben schneidet, sondern raspelt. Schmeckte mir sehr gut, machte mich wieder etwas müde.

Word of the day an der Autobahn-Fußgängerbrücke: Fly-tipping, also wörtlich Auskippen im Fliegen, heißt offensichtlich illegale Müllentsorgung. (Hebe ich mir auf für metaphorische Verwendung.)

Weg zwischen Autobahn und Bahntrasse.

Unter den Bahngleisen durch.

Zurück ins nervig Windige, eine gute Stunde hatte ich Pause gehabt.

Jetzt zweigte ich vom Wanderweg zum Treffpunkt mit dem Taxi in Kingston ab.

Zu diesem Zeitpunkt war ich erleichtert, weil alles geklappt hatte. Am Rand von Kingston naschte ich von einem unerwarteten Erdbeerbaum – wie vor einem Jahr auf Mallorca!, nahm mir zwei Äpfel aus einer Schüssel vor einem Einfamilienhaus. Es waren dann gemessene 26 Kilometer, drei weniger als angekündigt – aber sonst hätte ich die Strecke auch nicht in knapp acht Stunden geschafft.

Doch dann, siehe oben. Bei Ankunft in dem Minizimmer wäre ich original fast in Wuttränen ausgebrochen, sah mich aber zu Freundlichkeit gegenüber der sehr, sehr freundlichen Gastgeberin verpflichtet.

Abendessen war also, auf dem Bett sitzend (in Pulli und Jacke, Zimmer auch noch nicht heizbar) und aufs Nachkastl bröselnd: Äpfelchen, Käse (ein Stück, das ich genau für diesen Notfall bei Ankunft am Samstag im Supermarkt besorgt hatte), Trockenfeigen – und die drei Kekse, die beim Wasserkessel auf dem anderen Nachkastl gelegen hatten.

Abendbeschäftigung Bloggen, mir fehlte ja die gute Stunde, die ich mit Warten aufs Taxi verbracht hatte. In Funkloch ohne Internet. Weswegen ich für die Telefonate mit dem Taxidienst auf der Jagd nach dem zweiten Balkon 5G herumlief. Zefix. Aber ich komm vor lauter Wandern ja eh zu nix. In Brighton wird gegammelt und gelesen. Und gefernseht und gegessen. Sonst nichts.
(HAHAHAHAHA!)

§

Vanessa Giese wird ja nun nicht Bürgermeisterin von Haltern am See – ich finde dennoch sehr interessant, welche Konzepte sie für eine Verbesserung des Lebens in ihrer Heimatstadt hat (und danke fürs Ausführen):
“Ideen für die Stadt”.

§

Ähnliches Thema, aber bereits in der Praxis im österreichischen Trofaiach, Steiermark:
“Wo Frauen sich wohlfühlen, ziehen Familien hin – und Gemeinden gewinnen”.

§

Neues von ChatGPT:
“Das mit den Gemsen kann er ja nicht wissen”.

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 25. September 2025 – South Downs Way Tag 5: Upper Beeding nach Kingston“

  1. Sebastian meint:

    “Sheep to Waterhole” hätte ich gerne als Poster. Eigentlich auch ein guter Pubname. “Shepard’s Waterhole”? Freu mich auf Brighton.

  2. Herr ICE-Fahrer meint:

    Oha, ohne Fenster und ohne Heizung grenzt schon an unverschämt.
    Bei dem Wasserloch-Foto hatte ich sofort Kalahari-Vibes! (Heißt die Wüste so da in Namibia?)

  3. adelhaid meint:

    ich hab mal eine frage zu den gps dingen – was ist das und warum? also, jetzt nicht gps selbst, das weiß ich schon, aber jetzt beim wandern. ich verstehe, dass es ein büchlein gibt, und ich sehe wanderwegbeschilderung. was ist das mit dem gps dann? ein misstrauen der anderen zwei quellen? oder sind die anderen zwei quellen quasi old-school, und gps das, was man heute so macht?
    (beim segeln isses ähnlich – neue yachten werden ohne kartentische gebaut, weil alle nur mit tablets navigieren und plotter usw haben…bis dann das gps über der ostsee gestört ist und der plotter anzeigt, dass man schon an land sei).

Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)

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