Journal Mittwoch, 1. Oktober 2025 – Strandpromenade Hove und The Roses

Donnerstag, 2. Oktober 2025 um 9:26

Ich wachte nach gutem Schlaf auf zu fettem Halsweh – das hatte ich nun wirklich nicht kommen sehen. Zwar wusste ich, dass solches Morgenhalsweh beim Aufwachen am stärksten ist und dann abklingt, aber es passte wirklich nicht zu Schwimmen in 19 Grad kaltem Wasser unter freiem Herbsthimmel. Während ich mich am Vorabend noch enthusiastisch auf das Schwimmabenteuer gefreut hatte, war ich jetzt nur ein bisschen enttäuscht. Nächstes Mal. (Tatsächlich verschwand das Halsweh im Lauf des Vormittags völlig.)

Beim Einschlafen hatte die neue Blase vorm linken Fußballen zudem gehörig geschmerzt, vielleicht probierte ich einfach mal diese Rekonvaleszenz aus, von der man im strukturierten Sporttreiben manchmal hört.

Also stellte ich um auf Gammeltag (darf man das denn auf Reisen, statt die raren Tage in der Ferne zu NUTZEN?!), überlegte Spaziergänge durch Brighton.

Auf der Tonspur wurde seit dem Vortag beim Bewohnen der Ferienwohnung einiges geboten: In der Wohnung über mir hatte es am Dienstag Besuch von vielen Menschen gegeben, darunter einigen kleinen Kindern, die Abenteuerspielplatzlärm machten. Mindestens eines davon blieb über Nacht, am gestrigen Morgen war viel Streitens und Weinens. Die große Baustelle am Eck ging wieder um acht in Betrieb, doch der markerschütternde Baulärm mit Bohren und sonstigem Kaputtmachen kam direkt aus dem Nebenhaus auf der anderen Seite, an dem ein Baugerüst hängt. Noch fühlte ich mich nicht sehr gestört.

Das Spazieren führte mich erst durch den Ortsteil Seven Dials: Wenn ich schon gezielt eine Unterkunft darin gewählt hatte, sollte ich mich auch mal umsehen. Das bereitete Vergnügen: Viele kleine Läden, die Greek Bakery, an die Einheimische sofort bei Seven Dials denken (eigentlich eine Bäckerei plus Feinkostgeschäft), Pubs, Cafés.

Jetzt ging ich hinunter zum Meer und am Strand entlang bis ans Ende des (hervorragend ausgebauten) Wegs in Hove. Gestern sollte laut Vorhersage jetzt aber wirklich der letzte regenfreie Tag sein, ich bekam tatsächlich ein paar Regenspritzer ab.

Aus dem hölzernen Meeting Place war ein steinernes geworden.

Neue Scheußlichkeiten an der Strandpromenade.

Doch insgesamt wurde sehr deutlich, dass dieser Abschnitt bei Hove sich herausgeputzt hatte: Viel neue Gastronomie, viele neue Sportanlagen.

Am Ende des Wegs fiel mir schon von weitem ein Schild auf, das für “The Cheese Man” warb, eigentlich bereits im Industriegebiet.

Ich schaute in den kleinen Laden – und stieß zu meiner großen Freude auf ein Angebot an heimischem Käse. Gleich mal für daheim eingekauft.

Das setzte ich zurück in Brighton fort: In dem Weinladen an der Western Road, an den ich mich erinnerte, fragte ich nach heimischen Weinen, durch deren Weinberge ich beim Wandern gekommen war. Genau die hatten sie zwar nicht im Sortiment (Sekt von Wiston eigentlich schon, lediglich im Moment nicht), aber ich ließ mir Neues vom englischen Weinbau erzählen: Weiter hauptsächlich Schaumweine nach Méthode Champenoise, mit den dafür angebauten Pinot-noir-Trauben auch ein wenig Rotwein (sehr leicht), als Weißweintraube dominant Bacchus. Markterfolg bei Schaumweinen durchaus, andere heimische Weine seien vor allem zu teuer für große Akzeptanz (kann ich mir gut mit den kleinen Anbaugebieten und viel manueller, teurer Arbeit erklären). Als der freundliche Herr mir auch zwei Pinot gris vorstellte, schlug ich zu: Grauburgunder mag ich ja sehr gerne, ich freue mich auf einen Test daheim.

Mittagscappuccino am Norfolk Square, dann Rückweg hoch in die Ferienwohnung.

Immer wieder entdecke ich neue Gässchen und Durchgänge.

Kurz vor zwei gab es in der Ferienwohnung Frühstück: Birne, rote Paprika, Butterbrote. Den Nachmittag verbrachte ich mit Lesen und Schreiben am Fenster. Und ich suchte mir einen Kinofilm aus: Das Odeon wird nämlich hinterm Baugerüst doch noch betrieben. Am späten Nachmittag spazierte ich zu einer Vorführung von The Roses mit Benedict Cumberbatch und Olivia Colman, Remake von The War of the Roses von 1989 mit Michael Douglas und Kathleen Turner.

Auffallend im Werbeblock: Einige Aufrufe zu Spenden für Organisationen, die aus deutscher Sicht staatliche Aufgaben übernehmen, zum Beispiel die Fort- und Weiterbildung von arbeitslosen Jugendlichen – wirklich eine andere gesellschaftliche Haltung hier, historisch bedingt.

Im Kino wurde ich gut unterhalten, wenn ich auch in dieser Version weder nachvollziehen konnte, was das zentrale Paar zusammengebracht hatte, noch warum sie später so gemein zueinander waren. Das ganze funktioniert nur auf der Basis einer ganzen Reihe von Prämissen zu romantischen Gefühlen, die ich für überholt gehalten hatte. Außerdem glaubte ich die Chemie zwischen Benedict Cumberbatch und Olivia Colman nicht, im Grunde war das gesamte Ensemble disparat – zum einen hinkte meiner Ansicht nach das Drehbuch (die Kinder? ernsthaft?), zum anderen könnte das an schlechter Regie liegen. Ich fürchte, der Film funktioniert einfach nicht.

Was immer funktioniert: Brightons West Pier. Als ich durchs Baugerüst nach draußen trat, empfing mich Abendrot in allen 70er Rosa-lila-blau-Tönen.


Und ein ungemein dekorativer Mond.

Nach atemlosen Fotografieren hielt ich inne und sah mich um: Einige Leute saßen tatsächlich einfach da und guckten, allein oder in kleinen Gruppen. Ohne Fotos zu machen. Verrückt.

Eine Weile machte ich es ihnen nach, sog die wundervolle Meeresluft ein (die immer noch etwas Sommerliches hatte).

Langes inneres Hin und Her, ob ich Essen gehen sollte (mit Alkohol, auf den ich große Lust hatte) oder eingekaufte Lebensmittel aufbrauchen. Es siegte die Aussicht auf die Süßigkeitenvorräte in der Ferienwohnung. Also gab es dort Linsenrest, Käserest, Paprika-Hummus. Und dann Apple Pies sowie Schokolade.

§

Selbstverständlich sind nach Katastrophen Menschenleben das wichtigste. Doch auch Kulturgüter sollen überleben, dafür gibt es, lernte ich gestern, ehrenamtliche Kulturgutretter*innen. Ein Artikel in der Süddeutschen über das Training dafür (€):
“‘Wenn wir nichts machen, macht es keiner'”.

§

Deutschlehrer @herr_rau hatte eine Unterrichtsidee – und unser gutes, altes, rosenduftendes Internet spielte begeistert mit (ich glaube, das wird den Schüler*innen am schwierigsten zu erklären sein: dass es auch heute noch Bereiche der social media gibt, in denen nicht vermarktet wird, nicht Content-Produzierende auf der einen Seite, -Konsumierende auf der anderen – sondern Leute, die miteinander Spaß haben).

So ging es los (die Vorschläge hinter dem Link oben):

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Journal Mittwoch, 1. Oktober 2025 – Strandpromenade Hove und The Roses

  1. Uschi aus Aachen meint:

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    Gerne gelesen

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