Journal Donnerstag, 2. Oktober 2025 – Abenteuer in den Brighton Sea Lanes
Freitag, 3. Oktober 2025 um 10:10Wieder gut geschlafen – das ist für mich weiterhin so wenig selbstverständlich, dass ich es festhalte. Es tagte wieder hell und freundlich – also ging ich doch nochmal das mit dem Schwimmen in den Sea Lanes an. Ich war 2014 in Tel Aviv im Januar draußen Schwimmen (allerdings noch mit Natur-Neopren), da würde ich das doch wohl in Brighton im Oktober schaffen!
Vorher aber gemütliches Bloggen, Internetlesen über Milchkaffee, Wasser, Schwarztee – ich wollte der Lufttemperatur etwas Vorsprung zum Warmwerden geben.
Selbst wurde ich warm beim halbstündigen Marsch raus zum Schwimmbad (auf der Website Fotos). Die Formalitäten waren dann einfach: Ich fand den Eingang leicht, einer Neu-Schwimmerin vor mir wurde eh alles erklärt, ich musste nur noch 11,45 Pfund zahlen (exakt so viel hatte am Vortag die Kino-Karte gekostet). Für einen Spind hätte ich ein Vorhängeschloss gebraucht (habe ein übriges daheim, beim nächsten Brighton-Urlaub mitnehmen), die Angestellte riet mir, mein Zeug einfach beim Pool in einem der offenen Fächer abzulegen.
Umkleiden und Duschen waren nicht nach Gender getrennt, aber in Einzelkabinen.
Nachher-Fotos:
Die wenig beschwommenen Bahnen (je 1-2 Schwimmer*innen), hier im Uhrzeigersinn (in Deutschland andersrum), sortiert nach Slow, Medium und Fast (“maximum 1 minute per length”), ein großes Schild erklärte freundlich ein paar Benimmregeln (z.B.: nicht zu lange am Rand rumstehen). Ich nahm die mittelschnelle Bahn und wurde nur einmal überholt.
Und fragte mich sofort beim Gleiten ins Wasser, ob ich mehr als vier Bahnen durchstehen würde, weil SCHEISSKALT! 19,4 Grad waren auf einer Tafel angeschrieben gewesen, aber ich konnte mir nichts darunter vorstellen – auch wenn ich nachgeschlagen hatte, dass Münchner Sportschwimmbecken auf 27 Grad Wassertemperatur geheizt sind.
Ich biss mich dann zu meinem Erstaunen durch 1.500 Meter, zum Schluss sogar in Sonnenschein. Mein Körper war von Anfang an so kalt, dass ich es nicht mehr als Frieren bezeichnen würde, ich schwamm einfach flott, und bei 1.500 Metern wollte ich nicht mehr. Die heiße Dusche tat gut, wärmte mich aber nicht durch. Trocknen und Eincremen ganz mechanisch, immer noch völlig steifes Haaretrocknen (Föhne wurden gestellt).
Auf den Spaziergang zurück Richtung Brighton merkte ich, dass mein Körper völlig überfordert war: “Was war das bitte gerade?!” Mir schwindelte, die Jeans fühlte sich eine Nummer zu groß an, ich gähnte in einem fort, Fersen (?) und Fingerspitzen blieben fast eine Stunde lang taub, im Hirn Splitterbombengefühl.
Ich hätte auch ein anderes Schwimm-(Bade-)becken haben können (Brighton Beach House).
Darauf einen Mittagscappuccino mit sehr englischer Aussicht (Leute bei Mittagessen vor Pub).
Apropos Körper: Ich bin begeistert von dem Blasenpflaster, das ich auf die große und scheinbar blöd platzierte Blase vom Joggen am Dienstag geklebt hatte. Der Schmerz war sofort weg, beim Gehen spürte ich dort nichts, und beim Schwimmen hielt sie perfekt. Es lebe der Fortschritt!
Frühstück um zwei: Vollkornsemmel mit viel Butter, Mango mit Joghurt.
Den Nachmittag verbrachte ich auf dem Sofa, las Zeitung, holte mir hin und wieder frisches Wasser, ging hin und wieder aufs Klo und merkte: Mir geht’s gut! So soll das doch im Urlaub.
Abendessen hatte ich schon mittags im Restaurant beschlossen, und um mir selbst spätere Unentschlossenheiten zu ersparen, gleich mal einen Tisch reserviert. In diesem Lokal war ich mit Herrn Kaltmamsell immer wieder in seinen verschiedenen Inkarnationen gewesen, aß jedesmal sehr gut. Nachfrage ergab als Konstante die Besitzer (bei denen ich zum Beispiel den spanischen Gewürztraminer von Enate kennenlernte), also ging ich diesmal wieder hin, obwohl mich das derzeitige Konzept, “Authentic Spanish Food and Drink”, sonst eher abschreckt (weil: und dann servieren sie nicht mal Brot zu allem, was die Basis der Authentizität wäre).
Spaziergang dorthin in wunderbarer Luft; ich ließ mich an der Bar platzieren.
Ich startete mit dem signature dish, den ich von meinem vorherigen Besuch dort in bester Erinnerung hatte: Goat’s cheese curros, also Churros mit Ziegenfrischkäse im Teig, darüber Trüffelhonig und geriebener Manchego – hervorragend. Dazu ließ ich mir einen Spangroni rühren, der den Negroni mit spanischen Zutaten und Grapefruit variiert (gut!).
Links gegrillter Oktopus mit Fenchel, viel Kartoffel und Zitrusfrüchten – die nicht wirklich zum Rauch-Aroma des Tintenfischs passten. Rechts Rote und Gelbe Bete mit gerösteten Haselnüssen und Chorizo-Öl – eine Hammer-Kombi, das baue ich nach. Beide Teller schwammen in köstlichen Sößchen, doch das Brot zum Auftunken musste ich als Extra-“Tapa” bestellen (sag ich doch). Als Wein hatte ich ein Glas Mencía aus der mir unbekannten Weingegend Monterrei bestellt: Passte überhaupt nicht, ein Fehlgriff.
Als Nachtisch Schokoladen-Ganache auf einem Orangenkeks: Eine etwas eigenartige Zusammenstellung, die ich nicht mit Besteck essen konnte und statt dessen Finger nahm.
Auf dem Heimweg genoss ich nochmal die milde Nacht, laut Wetter-App bei 17 Grad.
In der Ferienwohnung schaltete ich endlich mal den Fernseher an, hüpfte durch ettliche Reality- und Quiz-Shows – und war sehr amüsiert, als dies auftauchte:
In England läuft IMMER irgendwo Sound of Music, sag ich doch.
§
Was ich auch schon lange behaupte: Körper macht Gefühle. Dieser Artikel in der Süddeutschen dreht sich vordergründig um das Wahrnehmen von körperlichen Signalen; am interessantesten finde ich aber die Belege dafür, dass es physische Vorgänge sind, die Gefühle auslösen – was ich nur halb scherzhaft als “Somatopsychik” bezeichne (€):
“Interozeption
Wie man in sich hineinhorcht …”
Die Bedeutung der inneren Signale [wurde] in den vergangenen Jahrhunderten kräftig ignoriert. „Das Gehirn wurde als Kommandozentrale wahrgenommen und der Körper nur als ausführendes Organ“, sagt Johannes Michalak, der an der Universität Witten/Herdecke unter anderem zur Interozeption forscht. Angestoßen hat das Konzept der französische Gelehrte René Descartes, als er vor rund 400 Jahren den Leib-Seele-Dualismus ausrief. Aber das Gehirn verarbeitet nur Informationen, es generiert sie nicht. Daran ist der Körper ganz wesentlich beteiligt.
Auf die Idee, dass der Körper sogar eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Emotionen spielt, kamen der US-Amerikaner William James und der Däne Carl Lange sogar schon vor rund 150 Jahren. Die nach ihnen benannte James-Lange-Theorie besagt, dass der Körper wichtige Anstöße für Gefühle liefert. Demnach schlägt das Herz nicht schneller, weil man Angst hat. Vielmehr hat man Angst, weil das Herz schnell schlägt. Das Gehirn nimmt wahr, dass im Körper etwas los ist, und zieht daraus seine Schlüsse.
Die Theorie wurde über die Jahre vielfach kritisiert und auch durch Experimente stark infrage gestellt. Doch mittlerweile zeigen Daten, dass es die Entstehung von Gefühlen aus dem Körper durchaus geben könnte, wie Philip Tovote erzählt, der am Universitätsklinikum Würzburg zu den neurobiologischen Mechanismen der Interozeption forscht. So bauten Forschende aus Stanford vor zwei Jahren spezielle Gene in die Herzzellen von Mäusen ein, die sich durch Rotlicht aktivieren ließen und den Herzschlag der Tiere beschleunigten. „Sobald die Herzen der Mäuse schneller schlugen, zeigten diese verstärktes Angstverhalten“, sagt Tovote.
So ordne ich zum Beispiel meine Ängste beim nächtlichen Wachliegen ein: Da passiert irgendwas mit Stoffwechsel und Herzschlag, das mein Gesamtsystem als “Angst” einordnet.
2 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 2. Oktober 2025 – Abenteuer in den Brighton Sea Lanes“
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3. Oktober 2025 um 12:58
Vielleicht sollte man den Forschern mal eine Wippe zeigen… Wo sich egal, welches Ende sich bewegt, es das andere beeinflusst.
Ich bin ja heilfroh, mal gelesen zu haben, dass man wegen des Melatoninspiegels nachts buchstäblich alles schwarzer sieht. So kann ich manche Reaktionen von Familienmitgliedern viel besser einordnen.
3. Oktober 2025 um 15:00
Das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen von Körper und “Seele” sind viel komplexer, als man gewohnt ist anzunehmen. So gibt es unzählige Forschungen aus der Alltagspsychologie, die z.B. empfehlen, bei einem wichtigen Telefonat, bei dem man sich durchsetzen will, nicht im Bürostuhl zu fläzen, sondern aufzustehen, weil die Stimme dadurch viel entschlossener und bestimmter wirkt und sich die “äußere” Haltung auf die “innere” überträgt. Man ist auch nicht in der Lage, mit einem echten Lächeln im Gesicht jemandem deutlich seine Meinung zu sagen.
Das funktioniert auch in umgekehrter Richtung.
Die Botenstoffe, die das alles übertragen und auslösen, sind die Hormone. Sehr viele Empfindungen in unserem Körper, ob Liebe, Hass, Angst, Furcht… werden durch Hormone ausgelöst und gesteuert.