Journal Sonntag, 24. August 2025 – Wien 3 mit Grätzl-Spaziergang und Heurigen-Wanderung
Montag, 25. August 2025 um 8:10Gut und noch länger geschlafen.
Gute Aussichten!
Während ich bloggte (was wieder länger dauerte als gedacht mit all den Fotos – und dabei habe ich sogar aus Erschöpfung vor einiger Zeit aufgegeben, für jedes Foto auch noch einen Alt-Text zu erfinden, schlechtes Gewissen hin oder her), hatte Herr Kaltmamsell die Aufgabe, fürs Tagesprogramm Heuriger eine Anfahrt plus Wanderung zu recherchieren. Das Ergebnis seiner Recherche ließ uns Zeit für Erkunden unserer Wohngegend im 15. Bezirk und für Mittagscappuccino.
Kardinal-Rauscher-Platz, strahlend sonnig, aber deutlich jackenkühl.
Überrraschend, wie vielen Trinkwasserbrunnen wir in Wien begegnen, da stellt sich eine Großstadt auf höhere Temperaturen ein. Das Modell oben kenne ich aus Berlin, sonst gibt es in Wien größere Metalltürme mit viel Text darauf.
Typo-Liebe, manchmal auch in Rätselform (es soll M77 heißen, das Restaurant am Eck gibt es aber nicht mehr).
Diese Kleingartenanlage des Vereins Zukunft auf der Schmelz ist so weitläufig, dass die Wege fürs Spazieren und für Sport genutzt werden (oben einer der schmalsten Wege, hinten sieht man die Graf-Radetzky-Kaserne). Für uns Deutsche überraschend: Wo in uns vertrauten Kleingartenanlagen Hütten stehen, waren das hier überwiegend große, meist schicke und bis zu zweigeschoßige Wohnhäuser mit allem Drum und Dran, manche von englischem Rasen umgeben statt von Gemüsebeeten – die Satzungen der hiesigen Kleingartenvereine müssen sich deutlich von denen unterscheiden, die wir gewohnt sind.
Mittagscappuccino im (nachvollziehbarerweise) empfohlenen Café Kriemhild.
(Schwarzer Schlabberrock, dunkle Biker Boots, hochgeschlossene Reißverschluss-Sportjacke aus dunkelgrau glänzendem dickeren Material, unterm Bund lugte ein Tuch um die Hüften gebunden hervor, dessen Muster auch Schwarz und Jackengrau enthielt, die Haare zottelig kurz, darin Metall-Klupperl, wie sie beim Haareschneiden verwendet werden – das Styling der jungen Frau gefiel mir so gut, dass ich es ihr sagen musste.)
Zurück in der Wohnung aß ich zum Frühstück ein ordentliches Stück Picknick Pie, das Herr Kaltmamsell in München aus Ernteanteilgemüse zubereitet hatte. Dann begannen wir den Öffi-Triathlon, der uns nach Grinzing zur Weinberg-Wanderung brachte: Bim, U-Bahn, Bus. Der Bus war dicht besetzt mit als Bayer*innen verkleidetem Volk, und wir mussten vor der eigentlichen Endhaltestelle der Linie raus: Akkrat an diesem Wochenende fand der Neustifter Kirtag statt, der das letzte Stück der Buslinie belegte. Ich konnte mir nicht recht vorstellen, dass Wiener*innen Oktoberfestbesucher*innen cosplayen – als was fühlten die sich wohl angezogen?
Das schmale Landsträßchen war nicht nur für uns Fußgänger*innen die Umgehung des Volksfestgebiets (und wir waren bei weitem nicht die einzigen Sonntagsspaziergänger*innen), sondern auch für die Autos: Einige Male mussten wir in die Weinberge steigen, um auszuweichen.
Harmlos scheinende Mariensäule.
Mit echtem katholischen Grusel beschriftet.
Dagegen wirkte die Reblaus-Figur niedlich.
Der Wanderweg, den Herr Kaltmamsell gefunden hatte, war wunderschön. Er bot sonnige Nahblicke in die Weinberge und weite Aussichten auf Wien, zwei Stunden mit viel Abwechslung. Die erste Stunde für mich leider getrübt von absurden Kreislauf-Purzelbäumen, die mich vor Schwindel einmal sogar eine Bank benötigen ließen (nicht lang, denn sie stand riechbar neben einer Sickergrube).
Die Wanderung führte uns auch an der umgebauten Sisi-Kapelle Am Himmel vorbei, hier die Geschichte.
Ich hatte mir den kleinen Heurigen Zawodsky empfehlen lassen, schön klein und grün eingewachsen.
Die Weinkarte:
Er schmeckte mir sehr gut: blumig, vielfältig, kräftig, mit Nachhall. Nachfrage ergab: ein Gemischter Satz.
Dieser Heurige ist bekannt für Gegrilltes, wir aßen je eine Scheibe Schweinernes mit Salat, ich ließ mir zusätzlich einen Maiskolben grillen.
Und wir genossen die Aussicht mit Abendsonne.
Reschpekt, Sievering: Eine Barock-Kirche mit Show-Treppen. Und als hätte das nicht gereicht, heißt sie auch noch Wallfahrtskirche Mariä Schmerzen Kaasgraben – Humor konnte man der katholischen Kirche noch nie absprechen.
Für den Heimweg gingen wir das erste Drittel des Öffi-Triathlons zu Fuß, dann brachten uns Regional- und U-Bahn zu unserer Straße.
Erstmal gingen wir aber auf ein Eis als Nachtisch 1 zur Gelateria di Jimmy (kosmopoliter wird’s wahrscheinlich nicht), spazierten dann mit dem (wirklich guten) Eis in der Hand durch die Abenddämmerung.
Vor dem Schlafengehen gab es als Nachtisch 2 einen Teil der Tofu-Desserts, die wir am Samstag in der Tofu-Manufaktur entdeckt hatten:
Von rechts: Säuerlicher, schaumiger und nur leicht süßer Tofu / Cheesecake / Schoko-Tofu, ziemlich fest. Alles ganz ausgezeichnet und überraschend.
Stärkstes Glücksgefühl: Es war Sonntagabend, und ich musste am nächsten Tag NICHT in die Arbeit!
In der Wochenend-SZ hatte ich den Selbstversuch von Sebastian Strauß gelesen, der wie die jungen Leute heutzutage seinen Amsterdam-Urlaub anhand von Tiktok-Empfehlungen organisierte (€):
“Wie die Generation Tiktok Urlaub macht”.
Ergebnis nicht überraschend, ich kenne die ohne Tiktok-Empfehlung nicht erklärbaren Schlangen vor random Lokalen und Geschäften ja aus der Münchner Innenstadt. Und bin sehr sicher, dass es auch anders planende junge Leute gibt.
Selbst folge ich sehr gerne persönlichen Empfehlungen, meist von Menschen, die ich kenne (manche habe ich diesmal mitgeschrieben, als jemand anders kürzlich auf Mastodon um Wien-Tipps bat, unter anderem den Heurigen Zawodsky). Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht: An den Bremen-Urlaub entlang den Empfehlungen einer Freundin, die dort studiert hatte, denke ich bis heute sehr gern, das englische Bath mit der Tipp-Liste einer Kollegin, die dort das Auslandsjahr ihres Studiums verbracht hatte, brachte mich an viele sehens- und erinnernswerte Stellen, auf die ich sonst nie gekommen wäre (von denen die meisten tatsächlich in keinem Reiseführer auftauchten). Aber: Meine FOMO ist stark unterentwickelt. Alles (wovon eigentlich?) schaffe ich eh nicht, Superlativen misstraue ich (“schönstes”, “bestes” – nach welchen Kriterien?), bevorzuge Eigen- und Besonderheiten, die auch Menschen schätzen, die an meinem Urlaubsort leben.
5 Kommentare zu „Journal Sonntag, 24. August 2025 – Wien 3 mit Grätzl-Spaziergang und Heurigen-Wanderung“
Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)
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25. August 2025 um 9:15
Mein goto im 15. seit 1987: https://www.heidingers.at/ Leider gehen die Wirtsleute in Pension.
Viel Spaß in meiner geliebten good old Wienertown
Bernd
25. August 2025 um 9:16
Das, was Sie in den Kleingartenanlagen beobachtet haben, hat mir auch Rätsel aufgegeben. Teilweise nehmen die Häuser ja die Hälfte der Parzelle ein und wirken außerordentlich komfortabel. Wohnen die Pächter dort ganzjährig? Rätsel über Rätsel.
25. August 2025 um 9:22
Sisi-Kapelle in der Himmelstrasse in Wien. Eine schönere Adresse kann es kaum geben.
25. August 2025 um 10:23
Seit Anfang der Neunziger Jahre darf man in Wien im Kleingarten auch ganzjährig wohnen, wenn das Grundstück dementsprechend gewidmet ist, was mittlerweile bei 2/3 der Kleingärten der Fall ist. Die bebaute Fläche darf 50 m2 betragen. Eine Bekannte, die vor Jahren nach Wien gezogen ist, steht auf diversen Wartelisten und hofft auf einen entsprechenden Garten.
25. August 2025 um 11:42
Danke für die Aufklärung, sehr interessant!