Journal Dienstag, 23. September 2025 – South Downs Way 3: FÜNFUNDREISSIG KILOMETER! von South Harting nach Amberley
Mittwoch, 24. September 2025 um 8:42Es waren dann doch nur 33,7 Kilometer, und ohne die zusätzliche halbe Stunde Fußweg von der Wanderstrecke zur Unterkunft wären es wahrscheinlich sogar nur 32 gewesen.
Wieder vor Wecker und nach guten Schlaf aufgewacht.
Zwar hatte ich wie immer keinen Frühstücks-Appetit, kostete aber die Luxus-Ausstattung zur Kaffee- und Tee-Zubereitung aus: Nespresso-Maschine – und die Milch stand in einem kleinen Kühlschrank darunter bereit. Außerdem machte ich mir eine große Tasse schwarzen Tee mit Zucker und Milch.
Wanderkleidung wie gehabt Shirt unter Fleecejacke. Gestern schlüpfte ich allerdings in mein älteres Paar Wanderschuhe: Sie haben einen einen höheren Schaft, von dem ich mir mehr Anstrengungsverteilung auf das ganze Bein und weg von den Füßen erhoffte.
Früh verabschiedete ich mich – bat allerdings nicht um ein Sandwich statt Frühstück: Das am Vortag hatte mich nach der Brotzeit müde gemacht, ist für mich (!) keine ideale Wanderbrotzeit.
Zum Start meiner Wanderung fühlte ich mich erstmal ein wenig verarscht.
Schon am Vorabend war ich an der einen Straße durchs Dorf hängengeblieben und am riesigen Schild “NO PEDESTRIAN ACCESS!”, also Fußgänger verboten – nachvollziehbar, wenn die ohnehin schmale Stelle ohne Fußweg auch noch durch eine Baustelle verengt wird. Auf die Schnelle hatte ich auf Google Maps aber keine alternative Route zu meiner Unterkunft gefunden und war kaltschnäuzig einfach trotzdem durchgegangen. Jetzt am nächsten Morgen für den Weg zurück zum Wanderweg wollte ich aber brav sein und setzte zu einem weeeeeiten Umweg an – der mich aber in die falsche Richtung führte. Ich kehrte um und fragte vorsichtig eine Fußgängerin mit Hund, wie ich bitte zu Fuß auf die andere Seite des Dorfs käme. Die greise Dame winkte ab: Gehen Sie einfach durch, es gibt keinen anderen Weg. Das machte ich also, mit einheimischem Segen.
Zurück hoch zum Wanderweg, die Sonne schien wieder herrlich.
Bankerl! Und zwar mit Blick auf South Harting, wo ich übernachtet hatte. Und warum Bankerl? Weil Autoparkplatz – der ebenfalls diesen wundervollen Ausblick bot. Und der mich daran erinnerte, was ich bereits in meinem Studienjahr in Wales Anfang der 90er gelernt hatte: Der Brite und die Britin fahren gern mit dem Auto auf Parkplätze mit schöner Aussicht und machen dort Picknick. Im Auto. Meine britischen Freundinnen erklärten das nachvollziehbar mit dem wechselhaften Wetter: Da es so oft regne, mache man halt im regengeschützten Auto Picknick.
Hier sah ich zwei Krähen, die zwei Falken ärgerten.
Man dekoriert hier kahle Bäume mit Paraglidern.
Die Wegführung war gestern schlichter als an den Tagen zuvor, über lange Strecken sah es gleich aus. Wie hier auf dem links und rechts abgesperrten Durchgang durch einen weitläufigen Estate.
Perfekter Sitzstamm für meine erste Pause nach zweieinhalb Stunden.
Gestern sah bekam ich sehr viele unterschiedliche Schafe geboten, unter anderem die Rasse Badger Face.
Vor allem aber sah ich sehr, sehr viele Fasane, fast so viele wie Krähen (auf dem Feld oben zählte ich 24 – halt, 25). Kann es sein, dass Fasane ein bissl blöd sind? Oft hätte ich sie gar nicht bemerkt in Buschwerk am Wegesrand oder in Maisfeldern – wären sie nicht bei meinem Passieren laut kakelnd aufgeflogen. Ein paar Mal erschrak ich davon und dachte mir: Wenn ich Jägerin wäre, hätte ich innerhalb einer Stunde reichlich Abendessen geschossen. Wegducken und Verstecken ist wohl nicht Fasanen-Art. Zudem liefen sie einige Male in Gruppen auf dem Weg vor mir her, immer wieder versuchte einer irgendwie durch die zu kleinen Maschen im Zaun zur Weide zu kommen. Hin und wieder fiel dann einem oder einer der Gruppe ein, dass sie ja fliegen konnten.
Diese neue Wanderhose (Tchibo) wurde umgehend meine Lieblingswanderhose: Sie passt perfekt, vor allem aber ist sie die paar Zentimeter länger, die es braucht, um über den Schaft meiner Wanderstiefel zu reichen. Meine anderen Wanderhosen sind dafür alle zu kurz: Meine Wanderstiefel sammeln also immer Pflanzenteile und Steinchen – keine Wanderung ohne mindestens einmal Stiefelausziehen und Ausleeren.
Um halb zwei nutzte ich eine sonnenbeschienene Wiese zur Brotzeit, fand sogar wieder einen Baumstamm zum Sitzen. In der Sonne saß ich jackenlos, machte auf der weichen Wiese ein paar Dehnübungen.
Es gab Äpfelchen, restlichen Kefir, Trockenpflaumen und Nüsse – genau das richtige zur Stärkung ohne zu belasten.
Auch solche Abschnitte waren gestern dabei – in industrieller Landwirtschaft sind Feldwege echt nicht interessant.
Blick auf die Isle of Wight; nach links sah ich am Horizont Portsmouth.
Alte Römerstraße. Dunkle Wolken auf meinem letzten Wanderabschnitt, doch es blieb trocken.
Vor meinem Zielort Amberley kreuzte ich den Fluss Arun.
Die letzte Stunde zog sich: Zum einen musste ich lange eine Feierabendverkehr-befahrene Straße in Abgasen entlanggehen (E-Autos gibt’s hier wohl nicht), zum anderen eine zusätzliche halbe Stunde bis hinter den Dorfrand zu meiner Unterkunft in Amberley – die machte mich grantig.
Nachher-Foto. Der Körper spielte super mit, die Entscheidung für die hochschaftigen Stiefel war richtig gewesen: Darin schrumpfte sogar die Blase an dem Prinzessinen-Zeh, der am Montag dringend zusätzliche Polsterung gegen den bösen flachen Stiefelboden bauen musste.
Leider war das nicht die ideale Unterkunft für Entspannung nach solch einer körperlichen Anstrengung: Kleines Zimmer ohne Schreibtisch, keine Badewanne (aber hey! heißes Wasser in der winzigen Eck-Dusche!), Föhn fand ich keinen.
Doch nach Duschen und Umziehen aß ich ein wirklich gutes Abendessen von ausgesprochen herzlicher Bedienung zu meinem Pint Real Ale: Die Tagessuppe war aus gerösteten Pastinaken und Birnen zubereitet und sah wirklich hausgemacht aus, ich bekam einen großen Teller Salat (gemischter Salat mit Oliven und Feta heißt hier “griechisch”) – und dann stand auch noch Sticky Toffee Pudding auf der Dessertkarte.
Meine Unterhaltung war das Gespräch zwischen zwei anderen Tischen: Ein Gast stellte sich als örtliche Winzerin heraus, die von der gerade laufenden Weinlese berichtete und welche Sorten es gibt. Später kam ich ins Gespräch mit anderen Einheimischen (sie sprachen mich auf meine Wanderung an, wir tauschten Wander- und Anreiseerfahrung mit dem Zug durch ganz Europa aus), die mir von diesem Weingut erzählten: Wiston Estate. Vorsatz in Brighton bei dem Weinladen von vor zwei Jahren mt vielen heimischem Produkten danach suchen.
Ich schaffte es dann doch nicht, einfach ein zweites Pint zu bestellten und Bloggen Bloggen sein zu lassen, sondern zog mich zu eben diesem in mein Zimmer zurück. Zumindest die Fotobearbeitung verschob ich auf den nächsten Morgen: Es steht ein kürzerer Wandertag an (21 km), ich kann mir Zeit lassen.
9 Kommentare zu „Journal Dienstag, 23. September 2025 – South Downs Way 3: FÜNFUNDREISSIG KILOMETER! von South Harting nach Amberley“
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24. September 2025 um 10:23
Es gibt eine App mit der die Fotos schon vorab im drei Klicks auf dem Handy skaliert werden können und ich lade sie dann gleich vom Smartphone auf den Server vom Blog hoch. Sie können dann während dem Schreiben auf dem Rechner problemlos eingesetzt werden. U want?
Grüße aus einem völlig verregneten Luxemburg mit bereits gelbem Alarm für Hochwasser. Weiterhin eine schöne Wanderung und viele schöne Fotos.
24. September 2025 um 10:29
Ich lese begeistert und beeindruckt mit und wünsche weiterhin eine gute Wanderzeit mit genug Bänken.
Viele Grüße
Ilka
24. September 2025 um 12:38
Als langjähriger stiller Mitleser erstmal vielen Dank, dass Sie uns immer so anschaulich an Ihren Wanderungen teilhaben lassen.
Als langjähriger Lokführer kann ich im Übrigen die Dämlichkeit der Fasane nur bestätigen. Sie ergreifen viel zu spät fliegend die Flucht sondern versuchen zuerst davonzulaufen. Deshalb werden sie auch bei eher niedrigen Geschwindigkeiten (so ab ca. 50 km/h) von Zügen platt gemacht.
Wünsche weiterhin gutes Wanderwetter und ab und an eine Bank am Wegesrand!
24. September 2025 um 14:00
So schön, etwas dabei zu sein. Und Glückwunsch zur 35 (bestimmt).
Und ja, Fasane sind schon doof, im Burgenland lassen sie sich problem- und absichtslos mit dem Auto erlegen, wenn sie vom Motor aufgeschreckt aus den Weingärten auf die Straße eilen. Zu Fuß, genau Herr ICE.
24. September 2025 um 14:06
Wie schön, dass du wieder in England unterwegs bist :) Besonderen Dank für die alte Römerstraße; die Hälfte meiner Jugendbücher spielt dort. Alles Gute für die weiteren Etappen! #daswandernderandern
24. September 2025 um 14:58
Ich habe einfach zu viel in diversen realen und fiktionalen Downs spielende Bücher gelesen, diese Art von Landschaft bewegt mein Herz auch in abgewirtschafteter Form.
Und das weiße Schaf, muss, so meine auf Social Media erworbene Expertise, ein Border Leicester sein wie die unsterbliche Ethel:
https://x.com/herdyshepherd1/status/1255825917026471936
24. September 2025 um 17:15
Vielen Dank für das Angebot, Joël, doch die meiste Zeit kostet mich das Benamsen, die Auswahl und das Bearbeiten (Farbe, Helligkeiten, Ausschnitt, Perspektive – nicht nur Skalieren) – das bleibt leider.
24. September 2025 um 17:59
Reiter*innen pflegen auch eine besondere Begeisterung für Fasane. Nix schöneres als so ein Vieh, das wie ein Silvesterkracher neben dem Fluchttier Pferd hochgeht.
24. September 2025 um 23:15
FÜNFUNDDREISSIG KILOMETER! Das ist wirklich beeindruckend heldinnenhaft!