Journal Sonntag, 13. Jui 2021 – Geschwommen!

Montag, 14. Juni 2021 um 6:47

Bessere Nacht, ich bekam genug Schlaf.

Am Vorabend hatte es nach Wolken und ein wenig Regen abgefrischt, der Morgen war trotz strahlender Sonne deutlich zu kalt für Balkonkaffee.

Ich wartete mit dem Aufbruch ins Dantebad: Zwar wusste ich, dass es kein heißer Tag werden sollte, aber ein bisschen Wärme erhoffte ich mir doch.

Erst deutlich nach zehn ließ ich mir von Herrn Kaltmamsell den Rücken sonnencremen und radelte los zum Dantebad (im Schyrenbad hatte ich keinen Slot mehr für gestern erwischt), ich nahm die Panoramastrecke Hackerbrücke, Nymphenburger Straße, Gern – am verkehrsarmen Sonntag schreckt das Verkehrsführungschaos am Rotkreuzplatz nicht ab.

Vor dem Haupteingang des Dantebads, den ich vom Winterfreischwimmen kenne, stand eine längere Schlange. Angestellte checkten die QR-Codes der Reservierungen, dann durfte man in die Kassenschlange. Verzögerungen durch Menschen, die sich bei diesen Angestellten über die User-Unfreundlichkeit der Website beschwerten (offensichtlich in der Annahme, die dafür Verantwortlichen anzusprechen), durch Familien, die an der Kasse Schwimmhilfen ausliehen, und durch Schwimmwillige, deren Bäderkarte nicht mehr einlesbar war und die eine neue ausgestellt bekamen (ich).

Ich musste mich völlig neu orientieren, als Sommerbad hatte ich das Dantebad noch nie genutzt, und jetzt standen ganz andere Türen offen. Von der Liegewiese aus, auf der ich mich in der Sonne ausbreitete, sah ich ein weiteres Schwimmbecken, marschierte aber doch zum winters gewohnten. Die beiden abgetrennten Schwimmbahnen waren rege beschwommen, doch ich konnte ungestört durchziehen. Das Wasser kam mir auch nicht zu warm vor. Die neue Hüfte und meine seltsamen Rückenschmerzen spürte ich recht bald, ignorierte aber beides für brav nur 2000 Meter – für die ich länger als jemals seit Beobachtung meiner Schwimmzeiten brauchte.

Es war tatsächlich sommerlich warm geworden – und sehr voll. Im Schneckensprudelbecken neben dem Schwimmbecken tummelten sich die Menschen dicht an dicht, die Pandemie wird offensichtlich für beendet erklärt. Ich holte von meinem Liegeplatz Handtuch, Wechselbikini, Sonnencreme und ging damit in die gewohnte Sammelumkleide (im Dantebad gibt es nur zwei Einzelkabinen und zwar von der Sammelumkleide abgeteilt), um mich abzutrocknen, sonnenzucremen und umzuziehen.

Ich legte mich in die Sonne und hörte Musik: Unter den ausgemusterten und vorher auf Festplatte gespeicherten CDs war auch Astor Pizzaollas Album Verano porteño – ganz wundervoll und genau das Richtige. (Richtig wohl auch für ein anderes Szenario: Der Halbschlaf spielte mir dazu Bilder von großbürgerlichen Wohnungen und alternden Akademikern ein, die sich über ihre Barolo-Vorlieben unterhalten und einander damit zuprosten, gespielt von August Zirner und Jan Josef Liefers.)

Nach einer Stunde hatte ich genug Musik und Sonne, außerdem Hunger. Ich radelte gemütlich dieselbe Panoramastrecke heim, die Nymphenburger Straße ist im Sommerlicht wunderschön, das Thermometer am Cinema zeigte im Schatten die angekündigten 22 Grad an. Um drei gab’s zum Frühstück ein Restl Parmigiana, außerdem Apfel, Mango, Marajuca mit Joghurt.

Ich setzte mich auf den Balkon, nicht durch die Marquise beschattet: Ich hatte erst mal automatisch die Sonne ausgesperrt, doch ohne fröstelte ich. Perfektes Sommerwetter ist, wenn ich die Wärme der Sonne suche – deshalb war der schönste Sommer meines Lebens auch der in Wales 1992 (der trockenste dort seit Menschengedenken). Ich las Zeitung und Internet, dann trieb es mich doch noch zu einem Spaziergang an die Theresienwiese. Sie war wieder sehr bevölkert, die Brise (gefährlichstes Sonnenbrandwetter) lockte Drachensteigenlasser*innen, es wurde gescateboarded, geturnt, im Schatten der südwestlichen Theresienwiese Cricket gespielt.

Ein Rettungshubschrauber war gelandet: Die Abendzeitung erklärte letztes Jahr, was der Hintergrund solcher Landungen ist.

Zurück daheim gönnte ich mir eine Runde Yoga, die wohltuende Einheit vom Freitag. Der Ernteanteil hatte einen ordentlicher Bund Salbei enthalten. Teile davon servierte Herr Kaltmamsell zum Abendessen mit Hermannsdorfer Schweinekoteletts und gebratenen Äpfeln.

Nachtisch Schokolade.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 12. Juni 2021 – Gesellschaftliches Ereignis in Corona-Zeiten

Sonntag, 13. Juni 2021 um 8:28

Uuuuund zurück zur zerhackten Nacht.
Balkonkaffee, nach Bloggen wechselte ich aber doch nach drinnen, weil es mir zu kühl war.

Als gestriges Sportprogramm turnte ich Krafttraining rundum, recht anstrengend.

Dann machte ich mich sehr fein und spazierte mit Herrn Kaltmamsell zum ersten gesellschaftlichen Ereignis seit März 2020. Dort verbrachte ich die nächsten drei Stunden – das war schön, aber auch sehr seltsam. (RKI-Präsident Wieler wies vergangene Woche in der Bundespressekonferenz darauf hin, dass die derzeitigen Infektionszahlen fast zehnmal so hoch sind wie vor einem Jahr: am 9.6.2020 waren es 350 Neuinfektionen in Deutschland, am 9.6.2021 waren es 3254 Neuinfektionen.) Abschied genommen.

Auf dem Heimweg kaufte ich Semmeln fürs Frühstück ein. Nach Frühstück (zwei Semmeln, derzeit mag ich darauf besonders Erdnussbutter mit Orangenmarmelade) Werkeln in der Wohnung: Wir brachten das Garerobenhaken-Gestell an, die Regale im Kammerlregal aber, ehemalige Bücherregale, leider nicht: Die Bohrmaschine ließ sich bereits fürs Garderobenhakenloch sehr bitten, im Kammerl ging sie gar nichts mehr. Mag mit den Funken zu tun haben, die sie beim Bohren kurz aus dem Gehäuse sprühte.

Dann räumten wir die Regale halt erst mal ohne Befestigung an der Wand ein (alle Schuhe), die wird nachgeholt. Auch den Rest des Kammerls räumten wir in einer ersten Version ein, mal sehen, ob die sich bewährt. Übrig blieben leere Schachteln, die ich auf einige Male und kleingerissen entsorgte. Wieder sieht die neue Wohnung ein schönes Stück weiter und lichter aus.

Deutliches Sommerzeichen: Viel Bügelwäsche. Beim Bügeln hörte ich ein Interview mit Ted Chiang. Das ist der Autor, dessen Kurzgeschichtenband Stories of Your Life and Others mich ungeheuer beeindruckt hatte. In der Ezra Klein Show der New York Times spricht er überlegt und durchdacht über seine Haltung zu religiöser Weltsicht, Superheldengeschichten, freiem Willen, Künstlicher Intelligenz – und zu jedem dieser Themen äußert er Gedanken, die mir völlig neu waren. Große Empfehlung.

Drink des Abends war der Rest Maibowle. Zu Essen servierte Herr Kaltmamsell Spaghetti mit Ernteanteil-Agretti und gerösteten Pinienkernen.

Es ist spannend, den Sonnenlauf in der neuen Wohnung zu erleben. Seit ein paar Tagen steht die Sonne kurz vor acht noch so hoch, dass sie über dem Nebengebäude ins Wohnzimmer scheint. Das wird dann wohl nur drei, vier Wochen im Jahr so sein, sonst steht sie niedriger und wird spätestens um sieben von diesem Nebengebäude verdeckt.

Fürs Dessert gingen wir nochmal raus und holten uns ein Eis, diesmal aber ein schickes: An der Ecke Müller-/Pestalozzistraße hat ein alteingesessener Juwelier geschlossen, jetzt ist darin eine weitere Eisdiele Jessas. Ich hatte Schokolade-Ingwer sowie Italienischer Käsekuchen (mit kandierten Früchten drin), beides sehr gut. Das Probierel Joghurt-Granatapfel setzte diese Sorte umgehend auf die Bestellung für den nächsten Besuch. (Die Kugel Eis kostet hier 1,90 Euro.)

§

Über den neuen Twitterkanal @FHerrndorf (Freunde Wolfgang Herrndorf) stieß ich auf eine neue Website über Wolfgang Herrndorf (beides verantwortet von seiner Witwe Carola Wimmer):
Über Wolfgang.
Sehr viel interessantes Material über den 2013 verstorbenen Künstler (oh Gott, ist das schon wieder so lange her…), in vielen Medienformen (zum Beispiel ein Stück Lesung aus seinem aberwitzigen Roman Sand, der sofort Wiederlesesehnsucht weckte).

§

Adreas Kluth schreibt für Bloomberg eine Analyse der 16 Jahre Kanzlerinnenschaft Merkel mit vielen Grafiken.
“The Post-Heroic Legacy of Angela Merkel”.

One lesson of Merkelism to students of leadership is that keeping your own ego under control when others don’t control theirs is one of the most effective instruments of power. The most vital character trait — one that voters should look for more often in candidates — is low vanity.

(…)

History’s verdict, I believe, will be that Merkel deserves huge and lasting credit for managing situations that could have become disasters, but that her departure became necessary for a new era to be born. Once Merkel walks out of her chancellery later this year, the post-heroic age in German history will be over.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 11. Juni 2021 – Sommerfeierabend

Samstag, 12. Juni 2021 um 7:50

Wieder nahezu durchgeschlafen, ich nahm’s als Geschenk. Nach dem Aufstehen erst mal eine halbe Stunde Haushalt: Spülmaschine ausräumen, programmierte Waschmaschine ausräumen und Wäsche aufhängen, Pflanzen gießen, Brotzeit einpacken.

Die von meiner Mutter vorgezogenen Stangenbohnen nehmen die Rankhilfe (so schöne neue Wörter!) in Form von Schnur an, ich gab ihnen manuell ein wenig Ranknachhilfe fürs Holzgitter.

Der Morgen war sonnig, ich ließ gegen Aufheizen die Rollläden auf der Südseite der Wohnung herab.

Arbeit in der Arbeit, ich fühlte mich nützlich.

Mittags gab es ein Laugenzöpferl, einen Apfel, Hüttenkäse.

Pünktlicher Feierabend. Draußen weiter ein herrlicher Sommertag mit viel Sonne, aber ohne Hitze. Ich machte deshalb auf dem Heimweg einen Umweg über den Rand des Westparks, in dem die Wiesen und Wege von Sonnengenießenden genutzt wurden.

Zu Hause setzte ich nochmal Waldmeisterbowle an (am Vorabend abgetrennte und angetrocknete Zweiglein kopfüber in die Weißweinflasche stecken), machte mal wieder eine Runde Yoga – die ich sehr genoss, ich sollte die Regelmäßigkeit nach Feierabend wieder aufnehmen.

Einläuten des Wochenendes mit Waldmeisterbowle.

Als Abendessen hatte ich mir Parmigiana gewünscht, die mein Leibkoch Herr Kaltmamsell liebenswürdigerweise zubereitet hatte (wieder nach diesem Rezept, das ein wenig zu suppig ausfiel).

Wir aßen erstmals auf dem Balkon zu Abend.

Fürs Dessert gingen wir nochmal raus zur Eisdiele um die Ecke, eigene vorgekühlte Porzellanschälchen und Löffel in der Hand.

Im Bett las ich Helen Macdonalds Vesper Flights (eben auch auf Deutsch erschienen als Abendflüge): Eine Sammlung von Essays, die zwar alle mit “Natur” im weitesten Sinn zu tun haben, aber immer wieder aus ungewohntem Blickwinkel (Verdacht: die ohnehin kluge und fachlich versierte Helen Macdonald geht von einem praktikablen Konzept Mensch-Natur aus, das die beiden Seiten weder als voneinander getrennte Gegensätze annimmt, noch den Menschen als komplett gleichgestellten Faktor wie alle anderen). Bezaubernd und überraschend zum Beispiel ihr Text über die nächtliche Zugvogel-Beobachtung vom New Yorker Empire State Building aus.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 10. Juni 2021 – Markus Ostermair, Der Sandler

Freitag, 11. Juni 2021 um 6:36

Richtig gut geschlafen! Tief und bis Weckerklingeln!

Morgens am Laptop bearbeitete ich die Rechnung für die mittwöchliche Schranklieferung – um festzustellen, dass ich lediglich die Schranktüren bestellt hatte (und auf diese vier Wochen gewartet). Also bestellte ich den Korpus nach (wird ein teurer Schrank), Lieferzeit acht Wochen – *schluchz*.

Da schönes Wetter vorhergesagt wird, hoffte ich auf eine Schwimmmöglichkeit am Sonntag und ging auf die Reservierungsseite: Das Schyrenbad war bereits ausgebucht, ich schaute versuchsweise zum Dantebad (hat auch eine 50-Meter-Bahn) – und da gab’s noch Schwimm am Sonntag! Bevor ich lang überlegte, ob mir geheiztes Wasser und Bahnenziehen unter Rückenpaddlerinnen auch wirklich gefallen würde, holte ich mir erst mal einen Slot.

Im Lauf des Vormittags plagte mich wieder Kopfweh, im Grunde wartet wahrscheinlich die Migräne auf ihr großes Comeback.

Zu Mittag gab es Sahnequark mit Joghurt, nachmittags brauchte ich wieder Überbrückungsschokolade.

Nachmittags wurde es richtig sonnig und schwül-warm, ich kämpfte mit großer Müdigkeit.

Auf dem Heimweg Erdbeeren fürs Abendessen besorgt. Die gab es mit Schlagsahne nach dem Ernteanteil-Salat, in den ich ein Reststück Feta gemischt hatte.

§

Alltagstrick gegen fliegende Sommerröcke beim Radeln.
(Dürfen halt nicht knitterempfindlich sein.)

§

Mittwochabend hatte ich Markus Ostermair, Der Sandler ausgelesen, ein beeindruckendes Romandebut, das die Welt der Obdachlosen in München durchspielt. Deren Alltag, sonst nur Requisite von eigentlicher Romanhandlung, wird mit vielen kundigen Details erzählt, die in ihrem Realismus an eine Sozialreportage erinnern – wären sie nicht so behutsam geschildert, zeichneten sie nicht oft sogar poetische Beziehungen zwischen Außen und Innnen.

Das Resultat der äußersten sprachlichen und strukturellen Sorgfalt ist keine Freiheitsromantik (die beim Thema Obdachlosigkeit nur verlogen sein könnte), sondern Mitgefühl. Es gibt keine Lösungsvorschläge, keine Urteile, statt dessen Sichtbarmachen, Bedeutunggeben, Hinschauen und den Anblick Ertragen.

Die Handlung erleben wir zum größten Teil aus der Perspektive der zentralen Figur Karl (manchmal als innerer Monolog). Andere Kapitel werden personal erzählt aus Sicht anderer Obdachloser oder Sozialarbeiterinnen. Dadurch entsteht ein vielfältiges Bild aus sehr unterschiedlichen Individuen, mit verschiedenem Bildungsniveau, aus verschiedenen Gegenden der Welt, jeder und jede mit einem anderen Temperament und Charakter. Die Obdachlosen, bayerisch “Sandler”, sind aus den verschiedensten Ursachen auf der Straße gelandet. Und die meisten dieser beängstigend komplexen Ursachen, äußere wie innerere, verhindern, dass sie in ein gesicherteres Leben finden.

Die vielen Alltagsdetails über Teestuben, Kleiderausgabe, Betteln schaffen eine Nähe zu den Figuren, die mich oft bis an den Rand des Erträglichen bedrückte. Als Bewohnerin des Bahnhofsviertels gehören diese Menschen und Themen seit Jahrzehnten zu meinen alltäglichen Anblicken (unter anderem deshalb weiß ich sie vom Gschwerl im Nußbaumpark zu unterscheiden – die in einem Kapitel als “die Besuffkis” vom Nußbaumpark auftauchen und gerade nicht zum Personal des Romans gehören).

Die Ansiedlung des Romans im heutigen und realen München ist ein wirkungsvoller Kunstgriff: Das abgundtiefe Elend der Schilderungen findet vor der Glitzerkulisse einer oft abstoßend reichen Stadt statt.

Auch sprachlich ist der Roman vielfältig (vielleicht sogar ein wenig überbordend): Verschiedene Tonlagen und Sprachstile, dazwischen kursiv gesetzt die auf Zetteln hinterlassenen Fragmente des Philosophen Lenz, den Karl auf der Straße vor die Hunde hat gehen sehen, und der sich seinen Traum von einer besseren Welt von der Seele geschrieben hat.

Lesevergnügen bereitet der Roman ganz sicher nicht; ich las auch deshalb so lange daran, weil es mich immer wieder eine gewissen Überwindung kostete, in diese brutale Welt einzutauchen, in der der Alltag nur aus Gefahren besteht und in der es keine erstrebenswerte Zukunft zu geben scheint. Dennoch große Empfehlung, in deutschsprachiger Literatur hatte ich das nicht erwartet.

Empfehlenswerte Besprechung von Alex Rühle in der Süddeutschen Zeitung (auch wenn er St. Matthäus “Markuskirche” nennt):
“Ein Wunder namens Wohnung”.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 9. Juni 2021 – Schifferlsitzen auf der Alten Utting

Donnerstag, 10. Juni 2021 um 6:37

Nach dem letzten Zwischenaufwachen kurz nach vier nur schwierig wieder eingeschlafen, dafür um dreiviertel sechs vom Wecker aus tiefem Schlaf gerissen.

Ein neuer Anblick: Nach sechs Jahren Baustelle ist die neue Portalklinik so weit, dass der angrenzende Gehweg wieder begangen werden kann. Wenn aber die aktuelle Ankündigung auf der Website eingehalten werden soll, laut der die Eröffnung “in der ersten Jahreshälfte 2021” stattfindet, pressiert’s jetzt.

Vor lauter Begeisterung rief ich einem der Gärtner zu: “Schee is worn!”1

Mit langen Ärmeln brauchte ich auch morgens für den Arbeitsweg keine Jacke, das fühlte sich wundervoll an.

Emsigkeit im Büro, viel davon unvorhergesehen, aber fruchtbar.

Mittgessen: Rest Heringsalat von Montagabend, Butterbreze (ungebutterte waren schon aus), nachmittags ein Stück schwarze Schokolade.

Nachmittags zog der Himmel zu, es wurde schwül, hin und wieder grollte Donner – aber es blieb trocken.

Auf dem Heimweg noch ein jetzt von Bauzäunen unverstellter Blick auf die neue Klinik.

Notaufnahme.

Haupteingang.

Ich war verabredet mit Herrn Kaltmamsell, zum Abendessen auf die Alte Utting zu spazieren: Seit drei Jahren kann man mitten im Münchner Schlachthofviertel in einem ehemaligen Ammersee-Ausflugsdampfer einkehren, der auf einer stillgelegten Eisenbahnbrücke steht.

Wir sahen uns erst mal um: Gesessen wird halt, wo man auf einem Ausflugsschiff sitzt.

Drinks holten wir uns innen an einer Theke, zu Essen gab es an Stationen außerhalb des Schiffs. Herr Kaltmamsell brachte uns afrikanische Gerichte, Gemüse mit Tamarinde, Rindfleisch und Gemüse mit Erdnuss-Soße, beides mit Couscous. Schmeckte beides sehr gut.

Das war der Ausblick von unserem Tisch auf dem obersten Deck. Die Sensation des Abends: Wir sahen einen Turmfalken vorbeifliegen, mit Beute in den Krallen, wahrscheinlich einer Maus. Außerdem sah ich unweit das neu gebaute und noch uneröffnete Volkstheater.

Heimweg durchs Schlachthofviertel, unter anderem um am Volkstheater vorbei zu gehen (sensationell!).

Daheim Tagesschau und als Nachtisch Süßigkeiten.

§

Klaus Kastberger (den ich als Juror de Bachmannpreises kennengelernt habe) versucht, das Gesamt-Sprachkunstwerk Friederike Mayröcker zu beschreiben:
“Es war ihr gegeben. Ein Nachruf auf Friederike Mayröcker (20.12.1924 – 4.6.2021)”.

§

Kate Crawford untersucht die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz. Sie ist research professor of communication and science and technology studies an der University of Southern California und arbeitet für Microsoft Research.

“Microsoft’s Kate Crawford: ‘AI is neither artificial nor intelligent’”.

via @AndreasSchepers

Sehr interessant, u.a. weil sie mit dem Glauben aufräumt, größere Datenmengen würden Vorurteile aufwiegen: Die Kategorien, in denen einsortiert wird, sind ja immer noch von (durch Stereotype geprägte) Menschen vorgegeben. Und dann widerspricht sie einer weiteren gefährlichen Fehlannahme: Dass man Menschen ansehen könne, wie es ihnen geht.

The idea that you can see from somebody’s face what they are feeling is deeply flawed. I don’t think that’s possible. I have argued that it is one of the most urgently needed domains for regulation. Most emotion recognition systems today are based on a line of thinking in psychology developed in the 1970s – most notably by Paul Ekman – that says there are six universal emotions that we all show in our faces that can be read using the right techniques. But from the beginning there was pushback and more recent work shows there is no reliable correlation between expressions on the face and what we are actually feeling. And yet we have tech companies saying emotions can be extracted simply by looking at video of people’s faces.

  1. Schön ist es geworden. []
die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 8. Juni 2021 – Spargelquiche

Mittwoch, 9. Juni 2021 um 6:39

Aufgewacht mit schmerzhaft zusammengebissenen Zähnen – wie gut, dass ich seit Jahren nachts Beißschiene trage. Die zwar den Zahnschmelz vor Sprüngen schützt, aber nicht resultierendes Kopfweh verhindert.

Draußen war es weiter mild, den ganzen Tag auch hell mit Wolken, machmal Sonnenschein.

Mittags gab es ein Restl Graupensalat vom Vortag, außerdem eine Mango. Nachmittags ein Stück schwarze Schokolade.

Seltsamer Tag mit vielen Gefühlen.

Auf dem Heimweg kaufte ich beim Vollcorner fürs Abendessen ein. Ich hatte grünen Spargel für die abendliche Quiche auf der Liste, doch es gab nur weißen. Ich bin eine deutlich faulere Einkäuferin als Herr Kaltmamsell, deshalb schwenkte ich auf weißen Spargel um statt in anderen Läden grünen zu suchen.

Ich bereitete Spargel-Quiche nach diesem Vorbild (wie schön, dass das Blog weiter online steht, auch wenn es nicht mehr betrieben wird) und ziemlich frei Schnauze. Wurde sehr gut, das nächste Mal aber mit grünem Spargel.

§

Wenn jemand, die du schon immer im Internet liest, also seit 20 Jahren, Heather Armstrong aka dooce, die du durch ihre erste Schwangerschaft, ihre zweite, ihre Scheidung, ihre endlosen, nie versiegenden Gesundheitsprobleme begeleitet hast, aber auch durch ihre Buchprojekte, ihre weltweiten sozialen Projekte. Die du gelesen hast, weil sie immer sehr crazy und oft sehr klug schrieb, die eine von den Bloggerinnen war, durch die du Einblicke in eine fremde, ferne Alltagsrealität bekommen hast. Die als erste in deinem Sichtfeld vom Bloggen leben konnte, Jahre bevor es das Wort “Influencer” gab. Wenn diese nach langem Schweigen wieder auftaucht, um darüber zu bloggen, dass sie seit 22 Jahren schwere Alkoholikerin ist, auch in ihren Schangerschaften und auch mit massiver psychischer Medikation war, mit welchen immer absurderen Finten sie das vertuscht hat, und wenn du nach ein paar Absätzen Schmunzeln über den neuesten Scherz merkst: Oh Gott, das ist ernst. Und es dir das Herz vor Trauer zusammenzieht.
“What long nights would end”.

Are you still with me? I hope so. Because I need you to stick around. I need you understand that bestselling books and wikipedia pages and three-page spreads in People magazine tell you nothing about who I really am. The photos I’ve taken while exploring the world with organizations and celebrities and various lovers, they don’t tell you that when I traveled by plane I always checked two suitcases filled with liquid and I knew exactly how much I could pack so that those bags didn’t exceed the weight limit.

Wie klein der Bruchteil von Heathers Lebens immer war, den sie in ihrem Blog zeigte, das doch anscheinend ihr ganzes Leben offenlegte, war mir spätesten bei der Trennung von Jon, dem Vater ihrer Kinder klar: Sie hatte sich in keinem Detail angekündigt. (Möglicherweise ist Diskretion bei scheinbarer Offenheit sogar am einfachsten.)

Doch die jetzige Offenlegung lässt ja das gesamte Blog in einem anderen Licht erscheinen. Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, welche Qual und welcher Schmerz da verborgen war.

§

Es soll keiner sagen, wir hätten das mit den Auswirkungen des Klimawandels nicht rechtzeitig gewusst. Hier Angela Merkel in einer NDR-Talkshow 1997.

§

Apropos: Was ist eigentlich eine Emission? Expertin Dr. Miriam Vollmer erläutert den rechlichen Hintergrund.
“Was ist eine Emission: Zu OVG BB 12 B 14/20”.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 7. Juni 2021 – Schwierige Urlaubsbuchung

Dienstag, 8. Juni 2021 um 6:31

Ich erwachte früher als gewollt zu einem grauen Tag, der aber nicht kalt war.

Vormittags informierte mich ein Anruf, dass die am Vorabend gebuchte Urlaubsunterkunft doch nicht frei war, weil bereits ausgebucht – das hatte das Hotel vergessen auf dem Portal zu aktualisieren. Man schickte mir Alternativen.
So schwierig habe ich noch nie eine Urlaubsbuchung erlebt, schon gar nicht zweieinhalb Monate vor Urlaub, die ich nicht für last-minute halte. Anscheinend sind wirklich selbst die Ägypten- oder Türkei-Strand-Pauschalistinnen auf Deutschlandurlaub umgeschwenkt. Unter anderem befürchte ich jetzt überlaufene Wanderwege – die ich in den vergangenen Monaten wirklich genug hatte.

Mittags gab es Graupensalat mit roten Paprika, Gurke, Petersilie, den Herr Kaltmamsell für uns beide Sonntagabend als Brotzeit zubereitet hatte. Nachmittags brauchte ich ausnahmsweise noch ein großes Stück schwarze Schokolade.

Ich forschte einer Bestellung für die neue Wohnung hinterher, die ohnehin fünf Wochen Lieferzeit hatte und jetzt seit zwei Wochen auf dem DHL-Status “Beschädigte Sendung nachverpackt – Weitertransport zum Empfänger” steht. Da es sich um eine Lampe mit drei Glasschirmen handelt, fürchte ich kaputt. Erst telefonierte ich mit einer Maschine (als ich nach viermal vergeblichem deutlichen Sendungsnummer-Aufsagen eine Roboterstimme ausprobierte, brauchte es nur zwei weitere Anläufe), dann hatte ich einen Menschen dran: Er fand die Sendung auch nicht, der Absender muss einen Nachforschungsauftrag stellen. Also schrieb ich eine E-Mail an die Lieferfirma.

Ich fühlte mich nicht besonders: Mir war wacklig mit Schwindel und Temperatur-Achterbahn. ABER! Aus dem grauen Tag war ein sonniger mit gemischten Wolken geworden, für den Heimweg ging ich eine Extra-Schleife im Sonnenschein.

Daheim machte ich meinen Standard-Quiche-Teig für Dienstagabend (250 gr. Butter, 250 gr. ausgepresster Magerquark, 250 gr. Mehl, eine Prise Salz – Menge reicht für zwei Quiches/Tartes) und stellte ihn kalt, war enttäuscht von einer lahmen Runde Yoga (Atmen… wem das nichts gibt, kann Folge 26 von Adrienes Breath auslassen).

Herr Kaltmamsell servierte auf meinen Wunsch zum Abendessen Heringsalat mit Ernteanteil-Roten-Beten, dazu gekocht die jetzt aber wirklich letzten Lagerkartoffeln aus Ernteanteil.

Neuerliche Buchung einer Urlaubsunterkunft im Bayerischen Wald, diese hat kein Restaurant, wir werden abends nochmal rausgehen müssen. Wenn das nicht klappt, versuchen wir’s in Nordfranken und wandern im “Grünen Band”.

§

Sie erinnern sich an das Containerschiff, das im März den Suezkanal blockierte? Vielleicht mögen Sie wissen, was damit seither passierte und wie der Stand der Ursachenforschung ist.

§

Porträt der Frau, die nach 77 Männern an der Spitze des US-Finanzministeriums steht: Janet Yellen.
“Die Erste ihrer Art”.

via @miriam_vollmer

Doch Yellens Biografie erzählt noch viel mehr. Sie verdeutlicht, wie sich das wirtschafts­politische Denken in den Vereinigten Staaten – und mit ihm eine ganze Debatten­kultur – über die Jahre fundamental verändert hat.

die Kaltmamsell