Journal Montag, 21. August 2017 – Spanienurlaub 2, Neñao nach Laxe

Dienstag, 22. August 2017 um 8:34

Puh, das war sehr schön, aber anstrengend. Statt der 22 angegebenen Kilometer summierte sich die Strecke auf fast 25 (der Umweg durch falsche Abzweigung bereits rausgerechnet), und diese zusätzlichen (fast acht statt angekündigter fünf) waren auch noch der unerwartet auf- und abstiegreiche Schlussabschnitt. So waren wir mit zwei nicht besonders langen Pausen mehr als acht Stunden unterwegs.

Eine Ankündigung die eintraf: Das Wetter. Es war sehr heiß, und da ein Großteil des Weges abseits der Küste ins Inland führte, kühlte kaum ein Wind. Dennoch war ich die meiste Zeit frohgemut und genoß die herrlich abwechslungsreichen Wege und Aussichten; erst am Ende, als wir auf schmalen Pfaden immer noch eine Bucht umrundeten und noch eine, als das Wasser aus war und unser Ziel nie erreichbar schien, grantelte ich. Erschöpfung und Granteln führen zu Stolpern, eine Wurzel brachte mich schließlich zu Fall (nichts passiert, nur Kratzer, Dreck und Grantverstärkung).

Wir hatten den Wecker auf sieben gestellt, um früh loszukommen und so lange wie möglich die Morgenkühle zu nutzen, doch es wurde erst um acht überhaupt hell. Also ließen wir uns mit dem Frühstück Zeit, ganz altmodisch café con leche und tostada (ich fürchte, viel mehr hätte die Bar im Hotel auch nicht hergegeben).

Für den ersten kurzen Abschnitt brauchten wir sehr lang, denn in der Ría gab es einen aufregenden Vogel nach dem nächsten zu entdecken. Keine Fotos, weil Herr Kaltmamsell seine Superduperkamera diesmal nicht mitschleppen wollte.

Ausgesprochen bezaubernd war der Mühlenweg, Rego dos Muiños, mit ganz vielen kleinen ehemaligen Mühlengebäuden, hier auf Spanisch ein wenig Hintergrund und eine Skizze der (für mich ungewöhnlichen) Funktionsweise dieser Mühlen.

Zum kleinen Gemüsegarten scheint hier Mais zu gehören.

Icon-Atavismus: Wer kann sich wohl noch erinnern, dass so mal Fotoapparate ausgesehen haben?

Bronzezeit-Siedlung Castro de Boneiro (die Schilder mit der Bitte, nicht auf die Mauern zu steigen, nur auf Galicisch):

Auf dem Weg lag auch die archäologische Ausgrabung eines Dolmen (Dolmen von Dombate). Das Gebäude, das über den Fund gebaut wurde, war architektonisch interessant – und kühlte ganz hervorragend (mittlerweile hatte eine stechende Mittagshitze eingesetzt).

Außerdem spiegelte die Verglasung genau richtig.

Hier hatten wir eigentlich Mittagspause geplant, doch die schönen Bänke am Museumsgebäude lagen im Süden und damit in der prallen Hitze. Wir gingen nur aufs Klo und wanderten weiter.

Das war der zweite öffentliche Brunnen, an dem wir vorbeikamen, hier bei Fontefría (das war wohl mal das Waschhaus). Der Wanderführer hatte behauptet, an der gesamten Strecke im Hinterlang gebe es keinerlei Versorgungsmöglichkeit – aber er hatte ja auch behauptet, dass Leitungswasser sei hier nicht trinkbar und man solle unbedingt Flaschenwasser kaufen. Letzteres hatte mich bereits zum Kopfschütteln gebracht: 1. Woraus glauben die, wird ihr Morgenkaffee im Hotel zubereitet? 2. Wie bitte? Ja, hier wird das Trinkwasser gechlort, das schmeckt einer Deutschen nicht recht (wobei auch in München das Wasser in Ausnahmefällen, nämlich nach vielem sehr starken Regen, leicht gechlort wird), aber ihm gleich die Tauglichkeit für menschlichen Verzehr abzusprechen (ein anderer Grund für das Urteil fällt mir nicht ein weil: EU)? Das Brunnenwasser schmeckte übrigens nicht gechlort, wir tranken uns daran satt und füllten unsere Flaschen wieder nach.

Tatsächlich Mittag machten wir dann an einer praktisch unbefahrenen Straße in einem Pinienwaldstück, während über uns die Pinienzapfen in der Hitze mit Knarzen und Knacken barsten.

Nächstes Ziel war der Monte Castelo do Lourido, zu dem es natürlich bergauf ging, der aber zum Dank eine sensationelle Aussicht bot. Hier begegneten wir zum ersten Mal anderen Wanderern (ich machte sogar Wander-Smalltalk! auf Spanisch!).

Aus dem Ort oben waren wir am Morgen aufgebrochen.

Und hierhin sollte die Tagesetappe uns führen.
Der Abstieg ging durch einen Ort mit herrlichen Pfirsichbäumen.

Hier startete der letzte Abschnitt des Tages, nämlich die Küste entlang, siehe oben.

Ich fürchte, ich bin zu doof für einen Wanderstock. Nachdem so viele Leserinnen und Leser hier davon schwärmten, war Herr Kaltmamsell tatsächlich losgezogen und hatte ein Paar gekauft. Das teilten wir uns gestern. Und während der Herr exakt so sofortbegeistert war, wie Sie es in den Kommentaren geschildert hatten, stellte der Stock für mich eine Belastung dar: Wenn ich schnell etwas fotografieren wollte, war er im Weg – ich ging dazu über, ihn einfach von mir zu werfen, wenn ich fotografieren wollte, und ihn danach wieder einzusammeln. Auf breiten und bequemen Wegen störte er nicht, doch die sehr schmalen Küstenpfade stellten mich vor das Platzproblem: er oder meine Stiefel. Ständig musste ich für den Stecken mitdenken statt einfach zu gehen. Bei einigen sehr steilen Felsen, für deren Überwindung ich beide Hände brauchte, stand er mir so im Weg, dass ich ihn hoch oder runter warf und hinterher kletterte. Heute lasse ich ihn im Koffer, den Einsatz probiere ich lieber erst wieder auf vertrauten Strecken aus.

§

An unserem Zielort Laxe fielen wir erst mal in eine Bar ein und tranken etwas. Hotel ist diesmal mehr als anständig, und das mit dem Abendessen hatte auch geklappt. Herr Kaltmamsell zwang mich, meinen tagsüber geäußerten Plan umzusetzen, noch im Atlantik zu baden (sonst werde! er! mitgehen!). War wirklich sehr kurz, denn der Strand war voll und ich hatte Angst, nach einem weitergreifenden Schwumm nie wieder mein kleines Kleidungshäuflein bestehend aus Sandalen, Hemd und Handtuch zu finden. Aber bitte! Ich war im Atlantik.

Nach Duschen und Fotosortieren (Herr Kaltmamsell guckte so lange spanische Fernseh-Quizshows) war es Abendessenszeit. Man gab uns typisch Spanisches: Gemischten Salat mit Dosenspargel sowie wirklich gute merluza (Seehecht, den ich als default-Speisefisch von meiner spanischen Familie kenne) mit ausgesprochen guten Salzkartoffeln. Im Glas diesmal ein Ribeiro, ich hatte keine Energie, mich nach Details zu erkundigen.

Während Herr Kaltmamsell im Bett las, bloggte ich. Und stellte den Wecker auf sieben, um vor dem Frühstück noch die Bilder für den Blogpost zu bearbeiten. Hm – auf Dauer mag ich nicht zwei bis drei Stunden meiner Urlaubstage fürs Bloggen verwenden, ich muss mir was überlegen.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 20. August 2017 – Spanienurlaub 1, Anreise

Montag, 21. August 2017 um 8:00

Ein bisschen fühlte sich tatsächlich schon die S-Bahn-Fahrt wie Urlaub an, mit vielen, aber nicht zu vielen anderen Rollkofferzieherinnen und -ziehern.
Auf dem Weg zum Stachus die Sonnenstraße entlang hatten wir noch viele Partygänger auf der Feierbanane und viele Obdachlose gesehen, die vorm Kaufhof schliefen – was man so mitbekommt, wenn man mal zu ganz ungewohnten Zeiten aus dem Haus geht.

Wir stiegen in ein Flugzeug nach Santiago de Compostela, denn der Plan für diese knapp drei Wochen Spanien lautet:
– eine Woche Wandern an der Costa de la muerte
– ein paar Tage galicischer Strand
– eine Woche Madrid

Die Aussichten während des Flugs (immer Fensterplatz) waren herrlich und erinnerten mich daran, wie groß und vielfältig die iberische Halbinsel ist.

Ausruf der Passagierin vor mir, als sie beim Anflug auf Santiago die Landschaft auf dem untersten Foto sah: „Aber das sieht ja gar nicht aus wie Spanien!“ Nun, herzlich willkommen zum nördlichen Drittel dieses Lands.

Ein Shuttle des Reiseveranstalters fuhr uns in einer guten Stunde vom Flughafen nach Norden an die Küste, wo unsere Wanderung morgen beginnt. In den Orten, durch die wir kamen, sah ich Graffiti für die Unabhängigkeit Galiciens, auf Galicisch. Der Rest Europas (mit einer winzigen Ausnahme) sucht seit Jahrzehnten nach einer möglichst breiten Basis für Austausch und Kommunikation, die spanischen autonomen Regionen (weitaus unabhängiger als die Länder im deutschen Föderalismus) möchten bitte gerne das Kleinfürstentum nachholen, das ihnen nach der Reconquista im 16. Jahrhundert versagt blieb, weil gleich ein Nationalstaat gegründet wurde.
Aber auch einen mutmaßlichen Bussard sah ich und viel exotische Vegetation.

Wir bezogen unser schlichtes Zimmer, bis dahin hatte alles geklappt. Nur dass sich jetzt herausstellte, dass dieses Hostal kein Abendessen anbietet – wir haben allerdings sieben Übernachtungen mit Abendessen gebucht und gezahlt (ich hatte mir nicht vorstellen können, dass wir nach den teilweise ganz schön happigen Tagesetappen noch Lust haben würden, ein Lokal für den Abend zu suchen). Dass das angegebene Internet-Passwort nicht funktionierte, war für die eine Übernachtung verschmerzbar, dank EU-Roaming scheue ich mich nicht, per Telefon online zu gehen.

Da es erst früher Nachmittag und ein strahlender Sommertag war, gingen wir Richtung Strand (Zitronen-, Apfel-, Birnen-, Pfirsichbäume mit Früchten) und sahen uns um.

Von diesen Hórreos, die in meiner Erinnerung vom letzten Aufenthalt eng mit Galicien verbunden sind, werden Sie wahrscheinlich noch viele Fotos hier sehen: Es gibt sie in allen möglichen Varianten und Stilen.

Vielleicht werde ich auf dieser Spanienreise Schriftarten sammeln, die für mich typisch spanisch sind. Diese könnte man allerdings auch in Italien finden (sofort setzt die Musik der Don Camillo und Peppone-Verfilmungen ein).

Sogar verfallende Fischerboote haben sie den Fotografierwütigen an den Strandweg gestellt.

Ausführliche Siesta (Herr Kaltmamsell hatte sich zu Mittag süße Teile in einer Bäckerei gekauft, ich hatte aus dem Wanderproviant gesalzene Erdnüsse zu Mittag gegessen) und Buchlesen. Zu meiner Überraschung schlief mein Reisebegleiter mehrere Stunden, ich musste ihn um neun wecken, weil wir ja noch Abendessen wollten. Das bekamen wir in einem schraddligen Lokal an der Straße: Muscheln und Calamari mit Salat, dazu tatsächlich guten Albariño.

§

Am Samstag versank ich mal wieder in einem Text von Herta Müller: die SZ hatte ihre Rede zur Eröffnung der Ruhrtriennale abgedruckt. Zu meiner großen Freude steht er kostenfrei lesbar online:
“Ein Ausweg nach innen”.

Ich weiß nicht, ob ich einsam war, weil ich das Wort nicht kannte. In der Dorfsprache gab es nur das Wort allein. Und im Dialekt heißt das alleinig. Es hat eine Silbe mehr, nimmt sich ein bisschen mehr Zeit und klingt trauriger als allein. Weil ich das Wort einsam nicht kannte, kannte das Wort mich auch nicht. Ich wurde nicht zu dem, was das Wort bedeutet. Es schaute mir nicht in den Kopf, wollte gar nicht wissen, was ich tu und wie ich dabei bin. Manchmal macht es die Dinge einfacher, wenn man im Kopf nicht weiß, wie man gerade ist.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 19. August 2017 – Sammlung für Absprung

Sonntag, 20. August 2017 um 5:37

Urlaubsvorbereitungen:
– Zu Packendes auf dem Bett versammeln (auf der Kommode neben dem Bett hatte sich über die vergangenen Tage bereits ein Nest mit Dingen gebildet, die ich auf keinen Fall vergessen wollte)
– Duschen mit Haarpflege
– Beine rasieren und pflegen
– Zehen hübschen und lackieren (Unterlack, zweimal Farbe, Überlack)

Dazwischen Semmeln zum Frühstück holen und einen Raid gewinnen.

– Bügeln
– Packreihenfolge diskutieren und umsetzen
– Herrn Kaltmamsell nochmal an die Abflugzeit erinnern, ihn entscheiden lassen, um welche Zeit wir das Haus verlassen, die ihm entspannte Anreise ermöglicht
– spontanen Elternbesuch (?) empfangen, Eltern den restlichen Ernteanteil mitgeben
– Geschirrspüler durchlaufen lassen, alles danach anfallende Geschirr von Hand spülen
– Wohnunssitter Gieß- und Postleeranweisungen hinterlassen

§

Da werden wir wandern.

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https://youtu.be/bnkKb0f7kLg

Soso, ein Art Kobolde (trasnos) haben sie da oben in Galicien.
Ich hatte mir die Strecke nicht so bevölkert vorgestellt wie in dem Filmchen – nun, wir werden sehen.

§

Diesen Text über die Übergriffigkeit evangelischen Religionsunterrichts in Kindergarten und Grundschule eines westdeutschen Dorfs habe ich mit großem Interesse gelesen – hätte ihn aber eher nicht weiterverteilt, weil er vielleicht ja doch nur einen Einzelfall beschreibt und ich meine eigene Religionsaversion oft übertrieben finde. Doch dann fiel mir ein, wie sehr mich mein katholisches Aufwachsen (Grundschule: Stadtpfarrer Harrer, Gymnasium fast ausschließlich Pfarrer und Padres) verformt hat, eigentlich schon verkrüppelt,1 wie mein katholisch aufwachsender, sonst so wagemutiger Neffe laut seinem Vater in der Nacht vor der ersten Beichte nicht schlafen konnte – es ist eben kein Einzelfall und ich halte es für bekämpfenswert, dass wir als Gesellschaft noch nicht weiter sind.
“Gastbeitrag: Die Sache mit der Religion”.

§

Hillary Mantel – ich habe den immer stärkeren Eindruck, dass sie nicht nur eine überragende Schriftstellerin ist, sondern auch sehr klug. In der Financial Times steht ein Interview mit Mantel (gelernt: die rosarote FT interessiert sich für Literatur):
“Novelist Hilary Mantel on truth and Thomas Cromwell”.

In Tudor times, news and rumour were barely distinguishable. Today Mantel sees the world again “at the mercy of a rumour system”, this time online news.

(…)

Mantel prides herself on ambiguity. Rereading her diary has reinforced her doubts about memory: she has noticed that the most important things “never made it near the page”. “I think it’s a real lesson to anyone concerned with history — how very hard it is to get the simplest things preserved.”

  1. Zur speziellen Ingolstädter Variante des Katholizismus lesen Sie am besten die Dramen von Marieluise Fleißer. []
die Kaltmamsell

Journal Freitag, 18. August 2017 – Abschied vom Münchner Hochsommer

Samstag, 19. August 2017 um 8:15

Schon beim Morgenkaffee auf dem Balkon war es warm, auf dem Fußweg in die Arbeit bereits heiß. Doch da für Samstag ein Temperatursturz angekündigt war und ich dann erst wieder Mitte September nach München komme, war das ziemlich verlässlich mein Abschied vom Münchner Sommer.

Ich genoss also bewusst ein letztes Mal die Farben und Gerüche.

Die Miniermotte sorgt auch dieses Jahr für vorgezogenen Herbst der Kastanien.

Es wurde nochmal richtig heiß. Mittags verfutterte ich weitere Teile des Ernteanteils, es gab Tomaten und Gurken mit einem Stück Manouri. Ich machte früh Feierabend und spazierte möglichst wenig schweißtreibend nach Hause (zwei Einzel-Raids gewonnen).

Pfirsichbowle begleitete den Abend, zum Nachtmahl verzehrten wir aus dem Ernteanteil Mangold mit Frühlingszwiebeln auf der Pfanne, Kartoffeln aus dem Ofen, dazu ein wunderbares Stück Entrecôte (alles von Herrn Kaltmamsell zubereitet). Zum Nachtisch ging ich unter verdüstertem Himmel ums Eck in die Whole-in-the-wall-Eisdiele und holte zwei kleine Eisbecher. Beim Sandalenanziehen riss meine fadenscheinig gewordene Lieblingsbluse. Ich hatte sie ohnehin wegen ihrer Gebrechlichkeit nur noch selten getragen, der Abschied war also fast in Ordnung.

Am späten Abend brachen Gewitterstürme aus, die auch ein paar Hand voll Hagel mitbrachten – ich hoffe, dass genug Münchnerinnen und Münchner mit Isarpartyplänen rechtzeitig die Warnung der Münchner Feuerwehr vor stark steigendem Pegelstand (Ablass Sylvensteinstausee) mitbekommen haben.

§

Ich weiß, dass Sie alle meterweit über einem Interesse an Königshäusern stehen – großartig. Doch ich lese sehr gerne das Mode(?)blog Go fug yourself, unter anderem, weil praktisch nie Paparazzifotos verwendet werden und die Körper selbst der Abgebildeten kein Thema sind. Die Autorinnen haben’s sehr mit Royals – unter Modegesichtspunkten, und so bin ich zu meiner Überraschung besser über Königshäuser informiert als je zuvor in meinem Leben. Den Fuglys ist sehr klar, dass sie in Wirklichkeit absolut nichts von diesen Menschen wissen – und so erfinden sie ihnen einfach einen Charakter. Eine ihrer besten erfundenen Figuren ist Princess Anne, zweitältestes Kind der britischen Königin. Da die Dame meist mit skeptischem Blick auf Fotos auftaucht, haben sie beschlossen, dass sie in Wirklichkeit Geheimagentin ist und texten ihr zu jedem Foto die entsprechenden Gedanken (hier ein paar wunderbare Beispiele).

Zu ihrem Geburtstag haben die Fugly-Ladies eine schöne Rückschau auf Outfits aus dem Leben von Princess Anne zusammengestellt:
“Celebrating The Many Doubtful Looks of Princess Anne, Upon Her Birthday”.

§

Der Economist sieht sich Deutschland vor der Wahl an – und entdeckt die größten wirtschaftlichen Unterschiede nicht etwa zwischen Osten und Westen, sondern zwischen Norden und Süden:
“Germany’s new divide”.

via @MarcusJHBrown

§

Warum auch immer er mir gerade heute einfiel, noch bevor ich das unten eingebettete Filmchen sah: Ein Mitturner aus Augsburger Aerobic-Zeiten. In meiner ersten Sportstudio-Zeit vor 20 Jahren besuchte ich ausschließlich Turnstunden. Auch damals hatten sie absurde Namen, doch drin waren in erster Linie Aerobic und Step-Aerobic mit Choreographie, außerdem Gymnastik zum Kraftaufbau. Auch damals waren diese Stunden fast ausschließlich von Frauen besucht, sie galten als unmännlich. Umso mehr fiel der eine Mann auf, der regelmäßig teilnahm, akzeptierter Teil unserer Stammturngruppe war, die mindestens viermal die Woche mitturnte: Klassischer geölter Guglhupf (in diesem Sportstudio wurde auch Gewichtheben trainiert, wir hörten es beim Hopsen regelmäßig über uns Rumsen), zudem zweite Generation Zuwanderer aus traditioneller Machokultur. Ursprünglich war er eigener Auskunft nach von seinem Gewichthebe-Trainer in die Stunden geschickt worden, um Kondition und Flexibilität zu steigern. Doch dann habe ihm das Gehopse so viel Spaß gemacht (und er habe gemerkt, wie anstrengend es war) und habe so spürbar Kondition und Flexibilität erhöht, dass er aus eigenem Antrieb wiedergekommen sei. Also hopste er und bog sich regelmäßig in seinem Ringerleibchen mit uns Damen – ganz offensichtlich ohne dass er seine Männlichkeit dadurch gefährdet sah.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/nWu44AqF0iI

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 17. August 2017 – Herausforderung Ernteanteil

Freitag, 18. August 2017 um 6:50

Der Wecker klingelte sehr früh, damit ich vor der Arbeit noch bei der Hausärztin das Rezept für mein Migränemedikament holen konnte, auch Urlaubsvorbereitung.

Über den Tag wurde es unangenehm heiß, auf dem Heimweg mit ein paar Besorgungen tropfte ich.

Geht gerade rum, auch ich machte Bekanntschaft mit einer gefälschten YouPorn-Rechnung.

Abends begann die Herausforderung: Der Ernteanteil dieser Woche, mitten in der höchsten Erntesaison, muss in 2,3 Tagen verfuttert werden. Denn dann sind wir weg.

Wir begannen mit einer großen Salatschüssel (Blattsalat, Tomaten, Gurke – mit Tahinidressing) und panierten Auberginenscheiben.

§

Sehr gern gelesen habe ich diesen Artikel über erfundene Berufe von Anthropologie-Professor David Graeber (vielleicht werde ich in meinem nächsten Leben doch nicht Tänzer/Tänzerin, sondern befasse mich hauptberuflich mit Anthropologie):
“Why Capitalism Creates Pointless Jobs”.

In the year 1930, John Maynard Keynes predicted that technology would have advanced sufficiently by century’s end that countries like Great Britain or the United States would achieve a 15-hour work week. There’s every reason to believe he was right. In technological terms, we are quite capable of this. And yet it didn’t happen. Instead, technology has been marshaled, if anything, to figure out ways to make us all work more. In order to achieve this, jobs have had to be created that are, effectively, pointless. Huge swathes of people, in Europe and North America in particular, spend their entire working lives performing tasks they secretly believe do not really need to be performed.

(…)

… rather than allowing a massive reduction of working hours to free the world’s population to pursue their own projects, pleasures, visions, and ideas, we have seen the ballooning not even so much of the “service” sector as of the administrative sector, up to and including the creation of whole new industries like financial services or telemarketing, or the unprecedented expansion of sectors like corporate law, academic and health administration, human resources, and public relations. And these numbers do not even reflect on all those people whose job is to provide administrative, technical, or security support for these industries, or for that matter the whole host of ancillary industries (dog-washers, all-night pizza deliverymen) that only exist because everyone else is spending so much of their time working in all the other ones.

These are what I propose to call “bullshit jobs.”

(…)

According to economic theory, at least, the last thing a profit-seeking firm is going to do is shell out money to workers they don’t really need to employ. Still, somehow, it happens.

(…)

… in our society, there seems a general rule that, the more obviously one’s work benefits other people, the less one is likely to be paid for it. Again, an objective measure is hard to find, but one easy way to get a sense is to ask: what would happen were this entire class of people to simply disappear? Say what you like about nurses, garbage collectors, or mechanics, it’s obvious that were they to vanish in a puff of smoke, the results would be immediate and catastrophic. A world without teachers or dock-workers would soon be in trouble, and even one without science fiction writers or ska musicians would clearly be a lesser place. It’s not entirely clear how humanity would suffer were all private equity CEOs, lobbyists, PR researchers, actuaries, telemarketers, bailiffs or legal consultants to similarly vanish.

Überlegen Sie allein mal, wie viele Job es inzwischen allein in der Meta-meta-Branche “Change Management” gibt, innerhalb von Unternehmen und als externe Beratungsfirmen!

§

Giardino hat Schiffsurlaub um schottische Inseln gemacht (selbst bezahlt, das muss man ja inzwischen explizit ergänzen) und die Reise in mehreren Teilen verbloggt – mit atemberaubenden Bildern.
Hier geht’s los.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 16. August 2017 – Fahrradgedanken

Donnerstag, 17. August 2017 um 6:17

Mittags hatte ich nochmal einen Termin bei der Anfasserin. Ich hatte geplant, mir für die Fahrten des Tages das Omafahrrad des Herrn Kaltmamsell auszuleihen, auf dem ich wegen aufrechten Sitzens den Kopf entspannter halten kann als auf meinem sportlichen Fahrrad mit seiner tiefen Kopfhaltung. Doch ich wachte zu Regenrauschen auf, befürchtete bereits, dass ich viel Fahrzeit mit dem Bus auf mich würde nehmen müssen. Netterweise hörte der Regen rechtzeitig auf, ich konnte radeln (allerdings nur für den Nacken bequemer, ich komme weiterhin nicht mit dem kurzen Abstand zwischen Sitz und Lenker zurecht).

Das Anfassen in der Mittagspause tat gut, vor allem merkte ich nochmal, wie viel besser als vor zwei Wochen der Schmerz inzwischen geworden ist. Ich befürchte nicht mehr, dass er mir den Wanderurlaub verderben wird.

Der Tag wurde noch sommerlich und warm. Zwar hatte ich fest vorgehabt, nach Feierabend des Rest Bügelwäsche wegzubügeln, doch dann derart keine Lust darauf, dass ich es bleiben ließ. Ich bin stolz auf mich.

Nachdenken über neues Fahrrad. Langsam brauche ich wirklich eines, reines Überholen einmal im Jahr reicht nicht mehr. Vergangenes Jahr hatte eine Bastlerin mich auf die Idee gebracht, mir ein Fahrrad um den picobello intakten vorhandenen Rahmen bauen zu lassen, und bislang bin ich immer am liebsten mit sportlichen Modellen gefahren. Doch wahrscheinlich ist es an der Zeit, mich nach wirbelsäulenfreundlichen Alternativen zu erkundigen.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 15. August 2017 – Hirschgarten in Wandershorts

Mittwoch, 16. August 2017 um 6:52

Feiertag Mariä Himmelfahrt.
Ab sofort mache ich zwar Sportpause, um für den Wanderurlaub zu regenerieren und dem gereizten Nerv Heilzeit zu gönnen. Ein wenig sanftes Krafttraining wollte ich gestern aber doch machen, deshalb spaziert ich an den Ostbahnhof zu “BodyArt (m.Schwungphase)”. Ja, so habe ich auch geschaut.

Und da man ja auf einem Wanderurlaub auf keinen Fall ein Ausstattungsstück zum ersten Mal tragen sollte, testete ich die neuen Wandershorts.

Traumhaftes Sommermorgenlicht.

Die Sportstunde stellte sich als eine Art Speed-Yoga mit Wiederholungen heraus, ohne viel Erklärungen, und war ganz schön schweißtreibend. Allerdings für meine Halswirbelsäule gar nicht gut, unter anderem weil der Kopf viel überstreckt wurde. Auf dem Heimweg zahlte ich mit atemberaubenden Armschmerzen.

Nachmittags legte ich mich zu einer langen Siesta hin – dann war der Nackennerv zum Glück wieder wie vor der Turneinheit.

Ausführliches Bügeln, allerdings nicht bis zum Boden des Wäschebergs, bis ich mich mit Herrn Kaltmamsell per S-Bahn zum Biergarten Hirschgarten aufmachte – da war ich dieses Jahr noch gar nicht gewesen.

Wieder einen Tisch direkt am Gehege gefunden, Rehaugen und -schnauzen bewundert, die sich uns bettelnd entgegenreckten. Gefüttert wurden sie aber von Gästen ein paar Meter weiter, direkt unter dem Schild, auf dem ausführlich und innig darum gebeten wird, genau das nicht zu tun.

§

Christiane Frohmann hat einen Vortrag online gestellt, den sie im Mai auf den Solothurner Literaturtagen gehalten hatte:
“Wer verstehen will, muss mitspielen
Die Literatur erzeugt ganz selbstverständlich virtuelle Realitäten, doch kaum eine Branche tut sich so schwer mit „diesem Internet“. Eine Kritik der digitalen Performanz – und eine Aufforderung zum Mitspielen.”

Sehr interessant, gerade weil auch ich schon wieder beobachten muss, wie Menschen ohne eigenen Bezug zu Social Media in ihrem beruflichen Umfeld Unheil anrichten, weil sie glauben, durch das Lesen von drei Statistiken und einem Fachbuch die Social-Media-Geschicke lenken zu können.

Mithilfe von Kleists Marionettentheater-Aufsatz möchte ich Entwicklungen beschreiben, die ich in den letzten Jahren im Internet beobachtet habe. Ich greife dabei nicht auf den Teil mit den Marionetten zurück, sondern allein auf die Dornauszieher-Szene, wo es darum geht, dass jemand unbewusst sehr graziös ist, diese Grazie aber, sobald sie ihm bewusst wird, verlieren kann. Etwas Ähnliches ist auch mit vielen Flow-Menschen im Internet geschehen.

Das Netz wirkt immer da und dann graziös, wenn sich alle miteinander der Performanz überlassen, neue Formen von Erfahrung, Ästhetik und Nähe zulassen, dies kann unbewusst oder reflektiert geschehen. Das Netz erscheint plump und wird faktisch böse, wo es hermeneutisch rückgekoppelt wird – im ersten Falle unbewusst, im zweiten manipulativ.

Menschen, die sich im digitalen Flow durch günstige Umstände wie ein Fisch im Wasser bewegen können, sind dem unbewusst graziösen Dornauszieher bei Kleist vergleichbar. Dieser ist durch seine Naivität anziehend, er weiß nicht, was er tut, und er sieht dabei gut aus. Dieser Zustand ist nach innen und außen angenehm, der Dornauszieher ruht unzerrissen in sich selbst und löst bei Betrachtenden Wohlgefallen aus. Im Internet waren viele Menschen in den späten Nuller- und frühen Zehnerjahren in dieser Phase, als in den sozialen Netzwerken die Grenzen verwischten zwischen Stars und Normalsterblichen, professionell und einfach so Schreibenden, Privatmenschen und öffentlichen Personen, biologisch Älteren und Jüngeren. Menschen poetisierten damals vor aller Augen virtuell, glaubten an Post Privacy und an gerechtere Gesellschaftsstrukturen, die sich antihierarchisch herausbildeten. Ein paar Jahre lang fühlte sich das Internet an wie Woodstock oder die Love Parade

Doch klugerweise plädiert Frohmann durchaus dafür, sich offen mit dem beständigen Wandel des Web auseinander zu setzen.

Wer (…) klagt, wie es in Deutschland so mancher im 20. Jahrhundert groß gewordene Indiemusiker tut, die Jugend habe keine „richtigen“ Bands oder Überzeugungen mehr, sagt performativ in der Mehrheitswirklichkeit von heute: Ich bin ein alter Sack, denn ich habe den Anschluss verloren. Weil er aber ein prominenter alter Sack ist, der für die Coolness von früher steht, werden sich im Netz immer genügend Menschen finden, die seine Tiraden teilen und liken, immer wieder, was diese zunehmend plausibler klingen lässt.

§

Dass Sexismus in der Spitzengastronomie großen Einfluss hat, ist nicht neu. Kürzlich wurde das offensichtlich, als das Magazin Rolling Pin eine Liste mit den „50 besten Köchen Deutschlands“ veröffentlichte – 48 davon weiß und männlich.

Ein Interview zum Phänomen in Edition F:
“Mary Scherpe: ‘Manche glauben wirklich, dass es so wenige Köchinnen gibt, weil die Pfannen zu schwer sind’“.

die Kaltmamsell