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Die Kaltmamsell
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31.3.2004 10:07 AM CET
Morgen-Grauen

So. Hiermit gestehe ich mir weiterhin Nölen zu, selbst wenn ich an dem Missstand selbst schuld sein sollte (erlaube ich mir normalerweise nicht, weil ich mir sofort mit dem Zeigefinger vor der eigenen Nase rumfuchtel: „Hättest du halt...“).

Aaaaaaaber - wenn der Tag mir schon als allererstes die ZEITUNG vorenthält!!!

Lebensqualität hängt bei mir sehr von einem Leben VOR Arbeitsbeginn ab. Ich nehme sogar die Kosten einer Zweitwohnung in Kauf, um mich vom Pendeln nicht zu morgendlicher Eile zwingen zu lassen.

Mein Wecker schellt 80 Minuten, bevor ich das Haus verlassen muss. In dieser Zeit
- stehe ich auf,
- ziehe mir Schlumpfklamotten oder einen Bademantel an,
- schalte auf dem Weg zur Wohnungstür den Herd mit der Cafetera ein (am Vorabend geladen),
- gehe zu meinem Briefkasten,
- hole daraus die Zeitung,
- fahre mit dem Aufzug zurück in den 3. Stock,
- mache mir Milchkaffee,
- schalte das Radio an (Bayern 5, weil ich Deutschlandradio hier nicht reinkriege)
- setzte mich mit Tasse und Zeitung an den Tisch,
- lese etwa 45 Minuten Zeitung.
Dann erst geht’s ins Bad, zum Anziehen und zum Schminken.

Kann sich IRGENDJEMAND vorstellen (außer Lyssa), was los ist, wenn dieser Tagesanfang an der Stelle „hole daraus die Zeitung“ umkippt? Weil keine Zeitung im Briefkasten ist?
Es geht nicht etwa nur darum, dass ich meiner morgendlichen Lektüre beraubt bin. Ich weiß einfach nicht, was ich mit dieser kostbaren Zeit anfangen soll! Ich MUSS praktisch sofort in die Arbeit gehen.
So stand ich heute morgen sicher eine Minute fassungslos vor meinem leeren Briefkasten. Da soll sich noch irgend jemand wundern, dass ich nach dem perfekten Suizid forsche.


30.3.2004 5:29 PM CET
Frisch genölt ist halb gelächelt

Weil heute morgen mein Handy mehrfach bewies, dass der Akku kaputt ist, indem es trotz Anzeige „voll geladen“ nach wenigen Sätzen „wiep-wiep-wiep“ machte und ausging.

Weil ich beim dritten Mal Ausgehen einen solch lauten Wutbrüller ausstieß, dass mir danach der Hals weh tat.

Weil mein Chef vergessen hatte, mich bei der vormittäglichen Veranstaltung anzumelden und ich kein Namensschild hatte.

Weil ich so viele Unterlagen von der Veranstaltung mitnahm, dass meine Tasche enorm schwer war und ich sie auf hohen Absätzen zum Bahnhof schleppen musste.

Weil mich eine blondierte und verzweifelt dünne Vorstandssekretärin schon wieder wie eine untergebene weitere Sekretärin behandelt hat.

Weil ich in einer einzigen fließenden Bewegung
- eine Glaskanne so ans Waschbecken dotzte, dass sie einen Sprung bekam,
- den kalten Wasserrest im Wasserkocher über meine Füße goss
- den Ellbogen einer Kollegin in die Brust rammte.

Weil mir nach einer Woche Ohrenschmerzen rechts jetzt das linke Ohr weh tut.

Weil die Einkaufsabteilung in Dänemark immer noch nicht kapiert, dass die Umstrukturierung des Einkaufsbereichs auf der Website für sie eine Verbesserung ist.

Weil ich nicht vergessen darf, heute Abend noch Teefilter, 15-den-Strumpfhosen und Honig einzukaufen.


Deswegen unter anderem bin ich angefressen.


30.3.2004 7:55 AM CET
Ausbildungsziele

Sagen Eltern heute noch von ihren heranwachsenden Töchtern, sie seien „heiratsfähig“? Der Freundeskreis meiner Eltern zumindest verteilte dieses Attribut noch. Allerdings machte sich meine Mutter allein schon dadurch zur Rebellin, dass sie nicht für meine Aussteuer sorgte. Dennoch attestierte mir der Freundeskreis schon früh diese Heiratsfähigkeit: Mit 15 Jahren hatte ich mein großes Interesse für die Zuckerbäckerei entdeckt und sorgte von da an nicht nur für die Kuchen und Torten auf den Kaffeetischen, sondern auch für die Nachspeisen bei Einladungen. Und unter die „Oh“s und „Ah“s der Gäste mischte sich dann die Bemerkung, ich sei ja schon richtig heiratsfähig. (Über meinen wirklich entzückenden Bruder, der sich immer freiwillig beim Servieren, Abräumen, Nachschenken nützlich machte, hieß es das natürlich nie.)

Ich komm deshalb drauf, weil ich gerade meinen Nachspeisen-Klassiker in der Rubrik „heiratsfähig“ online gestellt habe: Mousse au chocolat.


29.3.2004 8:54 AM CET
Tschernobyl

Ist das schon fast 18 Jahre her? Dieser April, der alle Ängste berechtigte, die wir Zeit Lebens mit Atomkraftwerken verbunden hatten?

Wir wohnten gerade mal zwei Jahre in dem Eck-Reihenhaus, das für meine Eltern die Erfüllung ihrer Einwandererträume bedeutete. Nein, ich kann mich nicht mehr an den Augenblick erinnern, in dem ich vom größten anzunehmenden Unfall im Kraftwerk von Tschernobyl erfuhr. Aber ich weiß, dass ich erst mal schwankte, wem ich mehr misstraute: der bayerischen Regierung, die wieder und wieder betonte, es bestehe keine Gefahr - oder Leuten wie der Öko-Familie im Nebenhaus, die in heller Panik tagelang nicht nach draußen ging und das Ende der Welt beschwor.

Außerdem war ich zu dieser Zeit damit beschäftigt, einen jungen Mann zu vermissen, mit dem ich gerade eine stürmische Beziehung begonnen hatte, und der sich zu dieser Zeit in Spanien aufhielt.

Ich war in der 13. Klasse, in der Schule nutzten alle Lehrer naturwissenschaftlicher Fächer ihren Unterricht, um über die verschiedenen Strahlungsarten aufzuklären und den Nutzen eines Geigerzählers zu relativieren. Das führte bei mir zu weiterem Misstrauen gegenüber den offiziellen Stellen und gleichzeitig den Medien, die das alles ganz offensichtlich nicht wussten und in den ersten Wochen meiner Erinnerung nach ziemlich viel unwissenschaftlichen Blödsinn verbreiteten.

Allerdings verlor ich die ganze Sache in den darauf folgenden Jahren aus den Augen. Ein kurzer Aufhorcher, weil eine örtliche Firma mit dem „Sarkophag“ für das Kraftwerk beauftragt wurde. Ein weiterer, wenn Jahr für Jahr vor dem Verzehr von Waldpilzen gewarnt wurde, weil sie immer noch stark radioaktiv belastet seien.

Don Dahlmann hat eine Website gefunden, auf der ich zum ersten Mal eine ukrainische Sicht der Ereignisse von damals bis heute las (englischsprachig). Die erwachsene Tochter eines örtlichen Nuklearphysikers nutzt die Todeszone um Tschernobyl für ausgedehnte Motorrad-Ausflüge.

… “It appears that stubborn people, those of fortitude- are first victims”…
... namenlose Dörfer, die auf keiner Karte eingezeichnet sind...
... Przewalski-Pferde, die den Mitbewohner so faszinieren....
… „it is last day of Pompei sort of place”…
Dazu kommt die Exotik, die alle Bilder aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion für mich haben (Ausnahme Moskau).

Die Website dieser jungen Frau bringt mir zum ersten Mal die Ausmaße der Katastrophe nahe. Die Vernunftfilter verflüchtigen sich, die Distanz weicht - und ich trauere.


28.3.2004 7:46 PM CET
Auch Lindau

Netze


28.3.2004 6:30 PM CET
Und warum eigentlich nicht Lindau!

Lindau (49k image)


28.3.2004 6:22 PM CET
Bubblesort

VillinoGarten (50k image)

Den größten Teil der Zugfahrt war ich empört: Ich hatte ein Wochenende im Frühling geplant und sah aus allen Fenstern verschneites Allgäu. Aber das Mikroklima des Bodensees erfüllte meine Erwartungen. Also:
- Blumenerkunden im Garten
- Kaffee und Prosecco im Kaminzimmer
- Spazieren durch Villen
- Ausruhen auf dem Zimmer
- Feinmachen für den Abend
- Speisen sonder Zahl mit den passenden Weinen
- Absacker im Kaminzimmer
- tiefer Schlaf
- "Landhausfrühstück"
- Spaziergang durch Lindau
Und nach allem Sortieren ganz oben auf der Liste: Endlich wieder Gespräche mit Dir - danke für das Wochenende!

Zudem: Warum alles kaputt geht ist dann doch ein Buch.


26.3.2004 3:52 PM CET
To whom it may bring joy

Noam Chomsky (the cunning linguist) bloggt:
Turning the Tide
via ITW


26.3.2004 1:03 PM CET
Diätterror - die Serie (9): Meine ganz persönliche Körpersemiotik

Zum Anziehen fällt mir eigentlich immer was ein, dieser Teil der Inszenierung meines Bildes nach außen ist für mich nicht nur einfach, er macht mir Spaß. Gerne sind diese Inszenierungen sogar sehr privat, wenn ich zum Beispiel beim Anziehen eine Engländerin der 30er Jahre auf Safari vor Augen habe.

In meinem Fall ist es, wie beständige Leser unausweichlich mitbekommen haben, mein Körper, der das falsche Zeichen ist. Schauen wir uns mal die hochpersönliche Semiotik meines Körpers an, so, wie ich sie als Regisseurin meiner Inszenierung empfinde. Das entspricht übrigens nur in Ausnahmen der Deutung des Zeichens „dick“ bei anderen Frauen!

In meinen Augen steht mein dicker Körper unter anderem für:
Unattraktiv, ältlich, träge, behäbig, festgefahren, langsam, unsportlich, plump, unbeherrscht, schlampig, passiv, nicht zur Gruppe begehrenswerter Frauen gehörig.

Dazu kommt, dass dieses Dicksein bei mir überbordend weibliche Formen hat. Jegliche Betonung durch Kleidung sieht in meinen Augen also nicht etwa lebenslustig aus, körperbewusst, verführerisch, sondern ordinär und verzweifelt.

Unweigerlich führt das zu der Frage: Warum also nicht etwas dagegen unternehmen? Zur Erinnerung: Meine persönliche Diätkarriere begann, als ich drei Jahre alt war. Ich bin praktisch ausdiätiert. Ja, mein Körper hatte zehn Jahre lang die Formen für Konfektionsgröße 38. Für die Selbstinszenierung durch Kleidung stand mir damals ein fast weißes Blatt zur Verfügung, ein Körper nahezu ohne Eigenaussage. In dieser Zeit trieb ich sehr viel Ausdauersport und ließ mehrfach in der Woche das Abendessen ausfallen.

Zudem: Schlanke Frauen, die ihre Figur nur mit Dauerdiät oder täglichem Sport halten können, wirken auf mich verbissen, freudlos, genussfeindlich - möglicherweise sogar rückgratlos, weil sie sich knebeln lassen.

Langsam komme ich zum Kern meines Haderns. Dieser Denkansatz der weiblichen Inszenierung erklärt mir auch, warum ich keinerlei Probleme mit anderen Seiten an mir habe, die ebenso wenig dem Schönheitsideal entsprechen wie meine Figur. Ganz besonders mag ich nämlich:
- meine große Nase (steht für Charakterstärke und meine halbspanische Abstammung)
- die Narben auf meinem linken Knie (lebendig, abenteuerlustig, eine Frau mit Geschichte)
- dass mindestens 20 Prozent meiner dunklen Kopfbehaarung weiß sind (Individualität, Mut zur Exotik, Widerstand gegen gängige Schönheitsideale)

Die ideale Mischung wäre eine selbstbewusste, schöne, schlanke Frau, die gerade ein zweites Dessert ordert (und nach der Schlemmerei nicht etwa aufs Restaurantklo verschwindet, um die Kanalratten damit zu füttern).

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25.3.2004 1:07 PM CET
Mehr Wettbewerb

Mein Chef entdeckt auf einer Nachrichten-Website eine Meldung zu einem Attentat im Irak. Er kommt zu mir rüber um sie mir zu zeigen, wir überlegen, ob das etwas mit unserem größten Konkurrenten zu tun hat.

Hm, wo könnte man das wohl rauskriegen...? Schweigen. Wir schauen uns an, mein Chef zischt „wer’s als erster findet“ und fetzt zurück in sein Büro.
Konzentriertes Webrecherchieren in vierzig Sprachen. Da! Eine heiße Fährte, noch dazu auf Englisch. Doch da ruft’s schon aus dem Nachbarbüro: „Gewonnen!“

Na ja, nicht ganz. Er war lediglich auf derselben Seite wie ich gelandet. Von dort war es durchaus noch ein Klick bis zur Info.
Nein, es hatte nicht.


25.3.2004 10:55 AM CET
Antike Perry-Mason-Cover

Geh Spatzl, schau wia'r i schau...

Schaut wirklich arg einsam aus, die Erbin.


24.3.2004 2:52 PM CET
Bevor ich platze

Da schreibt der Alex Rühle in der Süddeutschen Zeitung eine Glosse mit dem Titel "Das Kind als Start-up-Unternehmen" über die bayerische Schulpolitik. Er prangert darin die "Mogelpackung" G8 an, schimpft darüber, dass Bildung durch Ausbildung ersetzt werde. Und dann steht da gleich im zweiten Absatz: "Entgegen des bayerischen Naturgesetzes Laptop mal Lederhose gleich ewiger Aufschwung geht es der Wirtschaft momentan nicht so toll."

"NA!", muss ich ihm jetzt dann doch zubrüllen, "SO TOLL WAR DAS MIT IHRER BILDUNG JA WOHL AUCH NICHT, WAS?!"

Entgegen DEM bayerischen Naturgesetz, zum Teufel, entgegen DEM!!!!

Und genau dafür gibt es Blogs. Jetzt geht's mir besser.


24.3.2004 10:33 AM CET
„Was soll ich bloß anziehen?“

Hätte ich nicht selbst mal eine Freundin mit dieser Marotte gehabt, hielte ich dieses Frauenklischee „Was soll ich bloß anziehen?“ für eine böswillige Erfindung der Medien. Ich habe nie einen Menschen kennen gelernt, der mehr Kleidung besessen hätte als diese Freundin. Selbst auf Reisen hatte sie für jede Gelegenheit und jeden Tag mehrere Outfits dabei. Vor dem gemeinsamen Ausgehen machte sie sich fertig und stellte dann jedes Mal die gefürchtete Frage: „Wie sehe ich aus?“ Ich lernte schnell, dass „super, lass uns gehen“ gaaaaanz falsch war. Denn dann war ihre Reaktion: „Oder soll ich doch was anderes anziehen? Wart ich zeig’s dir.“ Damit war der Abend für mich gelaufen, denn nun begann eine Modenschau, die im schlimmsten Fall komplettes Umschminken und Umfrisieren einschloss. Das konnte ich verhindern, indem ich die gefürchtete Frage mit einem zehnminütigen detailreichen Vortrag beantwortete: „Das schaut klasse aus, weil die Hose deine langen Beine betont / du zu dem Rock diese schönen roten Pumps anziehen kannst / ich dir das Shirt schon lange neide / die Jacke ja wohl bloß noch cool ist / die Knöpfe von der Bluse genau zu deiner Augenfarbe passen etc., etc.“ Brauchte Anstrengung und Improvisationstalent, sparte aber Zeit und Nerven. Als Sahnehäubchen wurde solch ein Vortrag mit einem Verbesserungsvorschlag abgeschlossen. „Hast du dazu nicht diese silbernen langen Ohrringe? Die müssten phänomenal passen. Wart, ich bring sie dir.“

Doch ich werde wütend, wenn dieses Drama als typisch weiblich bezeichnet wird - oder gar als Beweis für Weiblichkeit gilt. Tendenziell verachte ich Frauen sogar, wenn sie solch ein Theater anstellen. Doch gestern hat mir eine Psychologin erklärt, was dahinter steckt. Und seither kann ich mich wenigstens zu Mitleid durchringen. Ich fasse mal in meinem Worten zusammen (wodurch alle Argumentationsfehler bitte auf meine Kappe gehen und nicht auf die der Frau Psychologin).

Frauen stehen unter dem Druck, sich ständig inszenieren zu müssen. Schließlich werden bei Frauen erheblich mehr äußere Kriterien zur Beurteilung herangezogen, als wenn es sich um einen Mann handelte. Die erstbesten Beispiele, die mir einfallen: Angela Merkel, die neue Chefin meines Mitbewohners (die hinter ihrem Rücken „Schneewittchen“ oder „Barbie“ genannt wird - was sich sicher nicht auf ihren Führungsstil bezieht), Schlagersängerinnen, Uschi Glas. Es geht also nicht einfach nur darum gut auszusehen, sondern richtig, die Inszenierung zu kontrollieren.

Diese Inszenierung, neudeutsch das „Styling“, beruht in erster Linie auf Kleidung. Beim Anziehen entscheiden sich Frauen für das Bild, mit sie wahrgenommen werden möchten. Viele Frauen sind aber in genau diesem Punkt existenziell verunsichert. Frauen stehen in einem Kreuzfeuer von Informationen, welche Kleidung welchen Eindruck vermittelt. Die typischen Attribute, mit denen Kleidung angepriesen wird, lauten vorteilhaft, modern, modisch, flott, zum Typ passend, feminin oder figurbetont. Der Eindruck, der erreicht werden soll, ist unter anderem: reflektiert, aktiv, offen, kreativ, lustvoll, gehorsam, flexibel oder erfolgreich, weltgewandt.
Dazu kommen die Auswirkungen der eigenen Erziehung, zum Beispiel eine Mutter mit der Überzeugung, dass niemand Frauen mit tiefem Ausschnitt für integre Menschen hält.

Nur sind all diese Informationen oft widersprüchlich, ändern sich ständig, sind ideologisch belegt und führen in ihrer Gesamtheit zu inneren Konflikten. Nach außen dringen diese Konflikte dann so: „Was soll ich bloß anziehen?“


24.3.2004 9:49 AM CET
Von wegen

Von wegen die Jugend heutzutage könnte nichts mehr mit Büchern anfangen:
hier der dokumentarische Gegenbeweis.


23.3.2004 9:20 AM CET
Zwangsleser - Reprise

Erst eben haben wir uns aus unseren Löchern getraut und zugegeben, dass wir zwangslesen. Und schon findet sich beim Kutter der Link zu einer Website, auf der das Zwangsgelesene auch noch aufgeschrieben steht: text on things.



23.3.2004 8:10 AM CET
Brighton

fWestPier (38k image)
via West Pier

Eben habe ich den diesjährigen Brighton-Aufenthalt festgezurrt: 4. bis 8. Juni. Wir sind wieder im schrägen Hotel Pelirocco untergekommen. Dass ich dort inzwischen eine Red Carpet Number habe, kratzt gefährlich an meinem Spießertum. Andererseits: Wer zum fünften Mal im selben Hotel Urlaub macht, ist ja schon wieder spießig.

Sonst noch jemand da? Wir könnten ja auf ein Pint gehen.


22.3.2004 1:20 PM CET
Beruf Nativespeaker

„Aber das hat doch der Herr McNeely geschrieben!“ In deutschen Unternehmen scheinen ausländische Nativespeaker automatisch sprachliche Fachkompetenz zu besitzen. Sie dürfen mit Texten ihrer Muttersprache machen was sie wollen, haben mit jeder Aussage zu Schreibung, Zeichensetzung, Aussprache, Wortgebrauch und Stil absolut recht. Zumindest in den Augen der Nicht-Nativespeaker, Widerspruch ist zwecklos.

Als Beleg für Übersetzerfähigkeiten reicht es, einige Zeit im Ausland gelebt zu haben oder auch nur mit Ausländern verwandt zu sein. „Den Fragebogen kann doch unsere Frau Rizzo vom Empfang übersetzen, die hat italienische Eltern.“ Warum Leute jahrelang auf Übersetzerschulen gehen? Keine Ahnung.

Heißt das, dass ich künftig Verona Feldbusch meine Texte redigieren und Korrektur lesen lasse? Die ist doch deutscher Nativespeaker!


22.3.2004 9:24 AM CET
Alter Bekannter als Unwort entlarvt

Verunreinigung

Das ist ja wohl überdurchschnittlicher und kompletter Blödsinn.


21.3.2004 7:19 AM CET
Früher

Pretentious - moi?

Habe ein Kinderfoto von mir gefunden. Das war die Zeit, in der ich unbedingt aussehen wollte wie ein Bub. Die Mädchen in meinem Alter wurden da gerade immer langweiliger.


20.3.2004 11:35 AM CET
Literaturverfilmungen

Der Gipfel war dann, als ich im Kino auf den Beginn der Vorführung von Homo Faber wartete und in der Reihe hinter mir eine Sie zu ihrem Nachbarn sagte: „Das Buch ist sicher besser.“ Das ist die weit verbreitete Grundeinstellung: Das Buch ist sicher besser.
Hallo? Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch. Und ein Film ist ein Film ist ein Film. Wenn ich das versuche zu tanzen, kommt wieder etwas anderes raus.

Zwar hat mich mein Mitbewohner in den Diskussionen der letzten Jahre davon überzeugt, dass man manchmal sehr wohl Äpfel und Birnen vergleichen kann. Aber ich habe immer noch Probleme, dieses Vergleichen mit einer Hierarchisierung zu verbinden. Man kann aus einem guten Roman einen schlechten Film machen. Man kann aus einem guten Roman einen guten Film machen, auch wenn er sich sehr weit von der Vorlage entfernt.

Jede Literaturverfilmung muss sich für einzelne Aspekte der Vorlage entscheiden, die meisten anderen weglassen.* Für mich als nichtgläubige, also säkulare Christin ist das Neue Testament ein literarisches Werk – wenn auch in unserem Kulturkreis das einflussreichste der letzten 2000 Jahre. Mel Gibson hat für seine Verfilmung den Aspekt des Leids des Protagonisten, der Folter, der Qual in den Mittelpunkt gestellt. Für ihn war es eigenen Aussagen zufolge mehr als eine künstlerische Entscheidung; ich behalte mir als Rezipientin vor, die Entscheidung aus künstlerischer Perspektive zu sehen.

Zum Vergleich: John Irving wollte mit seinem Roman The Cider House Rules nach eigener Aussage durchaus zur Abtreibungsdiskussion Stellung nehmen. Die Verfilmung, für die er selbst das Oscarprämierte Drehbuch geschrieben hat, konzentriert sich auf andere Aspekte. Soweit ich mich erinnere, hat in diesem Fall niemand darauf herumgehackt.

Ich mag Splatter-Movies nicht. Und wenn The Passion of the Christ auch nur eine Splatter-Szene mehr enthält als die diversen Trailer, grause ich mich zu sehr als dass mich alles andere interessiert. Warum sollte ich einem Splatter-Movie vorhalten, dass er zu brutal ist? Schließlich versuche ich seit Jahren, meiner Mutter den Unsinn des Vorwurfs klar zu machen, James-Bond-Filme seien unrealistisch.

Dass gläubige Christen den Film aus einer ganz anderen Perspektive sehen, ist selbstverständlich. In dieser Zielgruppe soll er die Funktion der Oberammergauer Passionsspiele erfüllen. Ob und in welchem Maß er das tut, kann ich nicht beurteilen.


*Buchtipps dazu:
William Goldman, Adventures in the Screen Trade und Which Lie did I Tell? More Adventures in the Screen Trade


20.3.2004 10:37 AM CET
Friday Five

If you...

1. ...owned a restaurant, what kind of food would you serve?
Jüdische Küche, sortiert nach Regionen. Ist in der deutschen Fresslandschaft, mit Ausnahme von Bagels, komplett zu Unrecht unterrepräsentiert. In München gibt es zwar das Schmock - feine Küche, edles Ambiente - und nicht weit davon das Cohen’s - herzhaft ostjüdisch, inklusive polnischen Köchinnen in Kittelschürzen und mit Achselbehaarung, die auch mal das Essen auftragen -, aber das ist viel zu wenig.

2. ...owned a small store, what kind of merchandise would you sell?
Bücher, ganz klar. Allerdings eher als Antiquariat, spezialisiert auf englischsprachige Autoren. Und am liebsten zusammen mit dem Mitbewohner, der dann über die Bereiche Comics, Science Fiction und Pulp Fiction herrscht.

3. ...wrote a book, what genre would it be?
Die Geschichte von vier spanischen Einwanderern in Bayern. Semihistorisch.

4. ...ran a school, what would you teach?
Englische Literatur.

5. ...recorded an album, what kind of music would be on it?
A capella Chormusik, meine Lieblingsstücke von Paläestrina über Bach und Verdi bis Benjamin Britten und Distler.

von Friday Five


19.3.2004 1:12 PM CET
Latein

Hat eigentlich keiner außer mir mitgekriegt, dass in der Süddeutschen Zeitung vom gestrigen 18.3. ein Artikel auf Latein stand? "Dominabiturne 'Passio''?" hieß er, stand auf Seite 14 rechts unten. (Nein, von meinen sieben Jahren Latein ist nicht genug übrig, um ihn ganz zu verstehen.)

Wenn jemand nachgucken will: Noch ist die Online-Version kostenlos.

Nachtrag: Bei den Klopfzeichen gibt's eine Inhaltsangabe.


19.3.2004 11:03 AM CET
Aphrodisiaka

Der hilfreiche Admin am Telefon: „Ich spiegel mich mal schnell auf Ihre Session“ - und ich geh in die Knie.
Bei anderen mögen Fremdsprachen aphrodisierend wirken, bei mir ist es diese Art Computersprech, möglichst sachlich und routiniert gebracht. Rrrrrrrrrrrrrrrrrrr.


19.3.2004 8:51 AM CET
Pfadfinder kommen ganz schön rum

Er war vermutlich der erste Augustiner-Pfadfinder, der es zu Model-Ehren brachte - zumindest in seiner Heimatstadt. Wahrscheinlich bekam mein Gesicht den bislang dümmsten Ausdruck seiner 17-jährigen Existenz, als ich auf dem Schulweg an einem Friseursalon vorbeiradelte, in dessen Schaufenster DinA2 groß der Lockenkopf des Schuler Tom prangte.* Vor grünem Hintergrund. Der junge Mann sah darauf recht cool drein, seine dunklen Locken sollten wohl Klientel anlocken (ja, das waren die 80er).

Der Schuler Tom lächelte sonst ohnehin fast nur mit den Augen. Selbst wenn er auflachte, schloss er schnell die Lippen: Ihm waren wohl seine etwas schiefen Zähne peinlich. Aber schon klar, dass dieser Reflex ihn ganz besonders schnuckig machte, oder?

Durch Pfarrei übergreifende Pfadfinderfeste hatten wir uns kennengelernt. Er war unter den Augustiner-Pfadfindern der hübsche, zurückhaltende. Später begegneten wir uns wieder in der Redaktion des Lokalblattes, wo er ein Jahr vor mir sein Volontariat begonnen hatte. Er fiel durch außergewöhnlich gute Arbeit auf. Dazu gehörte ein Dossier über die Machenschaften des damaligen Verlegers zwischen 1933 und 1945. Es enthielt im damaligen Arbeitsstadium vor allem Material darüber, wie dieser Verleger bis dato jeden Rechercheversuch zum Thema unterbunden hatte. Das war natürlich eine höchst inoffizielle Kladde, die unter den Tischen von Volontärshand zu Volontärshand weitergereicht wurde. (Wartet da vielleicht noch ein Buch auf Veröffentlichung?)

Dann ging der Schuler Tom hinaus in die weite Welt. Über Jahre las ich alle paar Wochen in der Süddeutschen Zeitung Geschichten von ihm auf der Medienseite, ganz offensichtlich war er in Amerika. Irgendwann hörten diese Geschichten auf. Das nächste, was ich vom Schuler Tom mitbekam, waren Reisebücher und dass er bei einer Berliner Zeitung arbeitete. Dann wieder lange gar nichts.

Doch jetzt, jetzt hat der Schuler Tom wohl ein Buch über die Bertelsmann-Familie Mohn geschrieben. Und in der heutigen Ausgabe des SZ-Magazins steht eine Geschichte von ihm über die vergessene erste Frau Mohn. Auf der dritte Seite des Magazins ist zu sehen, dass er mittlerweile wohl keine Probleme mehr hat, beim Lächeln seine Zähne zu zeigen.

Kann es Zufall sein, dass die Seite drei der SZ am selben Tag eine Reportage über deutsche Pfadfinder bringt?


*Beweiskräftiges Indiz, dass ich jemand noch aus meiner Geburtsstadt kenne: Mir fällt sein Name in der Reihenfolge Nachname Vorname ein. Wird wie ein Wort ausgesprochen, Betonung auf dem Nachnamen; also der POLLingerHans, die WEIserVeronika.


18.3.2004 2:56 PM CET
Spanischer Café

Drüben bei der Meisterköchin wird über Kaffee, Caffé und Espresso fachgesimpelt. Wieder und wieder tauchen als Gralshüter stilvollen Koffein-Konsums die Italiener auf. Ich bin viel zu selten in Italien um verifizieren zu können, ob die Welschen tatsächlich eher Hand an sich legen würden, als nach 12 Uhr einen caffé latte zu trinken oder je eine entkoffeinierte Variante zu bestellen. Allerdings hege ich den Verdacht, dass auch in dieser Hinsicht italienische Auswanderer und Italophile die eigentlichen Gralshüter sind. Probieren Sie einfach mal in einem Münchener Ristorante nach dem Essen einen Cappuccino zu bestellen. Das böse Zischeln von den Nebentischen und der eisige Hauch im Raum müssten bis weit über die Donau hinaus reichen. Als echter Gaudibursch sprechen Sie die Bestellung am besten „Kaputzino“ und ergänzen: „Mit Sahne bitte.“

Garantiert stillos sind da die Spanier. Der spanische Espresso, also der café, schmeckt anders als der italienische. Ich mag ihn, und da er praktisch nicht exportiert wird, setze ich ihn immer packerlweise auf die Bestellliste von Spanienreisenden. Und damit machen die Spanier Sachen! Ich habe in Bars noch nach Sonnenuntergang Gäste café con leche bestellen sehen. Und trinken! Wenn sie über 40 sind, bestellen echte Spanier gerne und sogar öffentlich descafeinado. Einfach so. Ohne dass ihnen die Staatsbürgerschaft aberkannt wird. Auch an Cappuccino haben sie inzwischen Gefallen gefunden.

Espresso-Maschinen in Privatwohnungen sind wohl sehr selten - mit eigenen Augen habe ich noch nie eine gesehen. Daheim hat man eine cafetera, also diese Alu-Kanne zum Zusammenschrauben. Und wenn vom Frühstück café übrig bleibt, wird er später gerne in der Mikrowelle aufgewärmt.

Aber das sind ja auch dieselben Spanier, die keine Probleme mit Eiswürfeln im Rotwein haben. Die, im Fall der mit mir verwandten Spanier, die Minze, den Thymian und den Rosmarin vor der Mauer ihres Landhauses als mala hierba (Unkraut) verachten und lieber getrocknete Kräuter im Supermarkt kaufen. Oder mit einer Pfanne von 20 cm Durchmesser Fleisch für 15 Personen braten, dafür allerdings Rouladenfleisch verwenden.

Äh - hatte ich schon mal das Lieblingsspiel unter Einwanderern zweiter Generation erwähnt?
Meine Verwandten in Spanien / Italien / Kroatien / der Türkei etc. sind schlimmer als deine.


18.3.2004 9:34 AM CET
Quellenforschung

Ich bin ja gerne mal launig drauf (Kollegen haben das zu fürchten gelernt). Wenn ich also während eines Telefonats etwas suche oder aus einem anderen Grund das Gespräch unterbrechen muss, sage ich hin und wieder “Ich unterhalt’ Sie während dessen mit Musik“ und summe die Melodie von Girl from Ipanema.

Kürzlich habe ich rausgefunden, warum eigentlich: Blues Brothers während des Showdowns. Draußen sammeln sich Bundes- und Staatspolizei sowie Militär, machen einen Höllenlärm beim Stürmen des Gebäudes. Dazwischen wird immer wieder auf Jake und Elwood geschnitten, die im Aufzug nach oben fahren. Hier ist es fast völlig still, man hört nur als Fahrstuhlmusik Girl from Ipanema. Genau diese Stimmung versuche ich im Grunde am Telefon zu erzeugen, wenn ich summe. Ich hatte es nur vergessen.


17.3.2004 10:00 AM CET
Alltag

Teebeutelhalter (23k image)

Für die einen ist es eine Büroklammer. Für andere der vermutlich genialste Einweg-Teebeutelhalter der Welt.


16.3.2004 9:50 AM CET
Synchron

Die Badehaube war derart krachgelb, dass sie im Schwimmbad einfach auffallen musste – zumal heutzutage eigentlich niemand mehr mit Badehauben schwimmt. Außerdem hatte sie auf einer Seite drei dicke schwarze Punkte. Ich amüsierte mich noch: „Sieht ja aus wie eine Blindenbinde…“, als ich auch schon begriff, dass die Haube genau das war. Denn der alte drahtige Mann, der sie trug, schwamm sehr vorsichtig und so nah am Beckenrand, dass seine Hand bei jedem Zug den Rand berühren konnte.

Derzeit sehe ich überall Blinde. Angefangen hat das mit dem Film Erbsen auf halb 6. Den habe ich zwar nicht gesehen, habe auch zu wenig Gutes darüber gelesen, als dass ich große Lust darauf hätte. Aber darin geht es um Blinde; ein frisch Erblindeter lernt von einer blind Geborenen, wie man ohne zu sehen den Alltag überlebt.

Und plötzlich sind überall Blinde. In der Straßenbahn tasten sie sich mit ihrem zwei Meter langen Stock die Stufen hoch und zu einem Sitzplatz. Ob sie bemerken, wie die sehenden Passagiere vor dem schwingenden, tastenden Stock wegspritzen, um Platz zu machen? Ich hoffe es, denn vor einem inneren Auge muss das noch lustiger sein als ohnehin schon. Auf der Einkaufsstraße kommen sie mir paarweise entgegen.

Zumindest müsste ich inzwischen das rechte Maß an Geräuschen gefunden haben, die Blinde zur Ortung von Mitmenschen brauchen. Während meines Jahres in Wales arbeitete ich einige Monate in einem Pub als Bedienung. Einmal die Woche gab es im kleinen „function room“ im ersten Stock Jazz-Konzerte. In den Pausen setzten sich die Musiker an die Bar, ich versorgte sie mit Getränken. Eines Abends war unter den Musikern auch einer ohne Augenlicht. Ich wollte alles superrichtig machen, rief mir ein paar Grundregeln ins Gedächtnis (zum Beispiel: nie den Arm nehmen, immer eigenen Arm anbieten; das hatte ich, glaub ich, aus Scent of a Woman) und kommunizierte meine Gegenwart durch geräuschvolles Gläserräumen. Nur dass ich vor lauter Eifer viel zu laut und viel zu nah an dem blinden Herrn räumte: Er fiel vor Schreck fast vom Barhocker. Mist.

Gestern dann wartete ich spätmorgens an einer Kreuzung auf meine Straßenbahn. Mein Blick fiel auf eine ältere Frau im Trenchcoat mit weißem Blindenstock und einen jungen Mann in Lederjacke. Er legte ihre Hand gerade auf den gelben Kasten an der Fußgängerampel. Die Ampel schaltete auf Grün, die beiden gingen los. Die Frau murmelte vor sich hin, der Mann wies sie freundlich an: „Nicht die Schritte zählen!“ Sie kreuzte tastend die Straßenbahnschienen, ertastete den abgesenkten Bürgersteig der Verkehrsinsel – fast. Der Mann musste sie mit einem beherzten Griff davor bewahren, in den fließenden Verkehr der zweiten Fahrspur zu marschieren. Abgesenkte Bürgersteige sind wohl ein ewiger Konfliktpunkt zwischen Rollstuhlfahrern und Blinden. Die beiden kehrten um, überquerten die Straße bei der nächsten Grünphase in die andere Richtung. Immer wieder führte der junge Mann die Hand der Frau oder richtete ihre Schultern aus. Sie wirkte durchaus vertraut mit dem Stock, aber vielleicht war sie eben erst in diese Straße umgezogen und musste die Umgebung kennen lernen.

Plötzlich wurde ich mir bewusst, dass ich die beiden die ganze Zeit schon anstarrte. Zwar machte ich dabei sicher eine freundliche Miene – aber das konnte die blinde Frau ja nicht sehen. Sie konnte meine Blicke nicht erwidern, konnte sie nicht abweisen. Verunsichert sah ich weg.


15.3.2004 6:05 PM CET
O-Töne Mitbewohner

„Die Chinesen haben ja bekanntlich nur ein Wort für ‚Erkältung’ und ‚Chance’“, als er mich eben vom Bahnhof abholte.

„Schau mal wie süß ich schauen kann! Schau mal wie süß ich schauen kann!“, als ich zur Tüte mit den am Samstag gekauften indischen Knabbereien griff, kurz bevor ich feststellte, dass er sie leergefressen hat.

Und jetzt vergnüge ich mich dabei ihm zuzuhören, wie er zwischen Mitflüstern und absichtlich laut Reden schwankt.


15.3.2004 9:09 AM CET
Ich doch nicht!

ICH Pferdenatur werd’ doch nicht richtig krank! Dass meine Stimmbänder sich kein Wort mehr abringen lassen, dass ich wechselnd schwitze und fröstle, dass ich vor lauter Bronchien-Schmerzen jeden Hustenreiz brutal niederringe, dass ich auf den Treppen zu meinem Büro zwei Pausen einlegen musste - das führe ich ausschließlich auf meinen niederen Wunsch zurück, das Wochenende zu verlängern.

Andererseits hat mich die Betriebsärztin (Old Economy Rulez!) eher besorgt angesehen, mir zwei Hände voll Medikamente überreicht und von „dringend ins Bett“, „Virus“, „auf keinen Fall sprechen“ und „kann sich durchaus über Wochen hinziehen“ geredet. Na ja, niedere Motive hin oder her - ein verschwimmender Bildschirm ist dann doch übertrieben. Also ab ins Bett.


14.3.2004 1:04 PM CET
Und dann...

...war da noch der spanische Polizist, der im baskischen Pamplona einen Ladenbesitzer erschoss, allem Anschein nach weil der sich weigerte, die spanische Flagge (mit Trauerflor) zu hissen.
Quelle: El Mundo


13.3.2004 7:51 AM CET
Munich Wildlife

Specht_bunt (41k image)

Darf ich vorstellen: Das ist unser Buntspecht. Na ja, möglichweise ist er ja nur Mitglied einer riesigen Familie von Buntspechten, von denen sich immer einer auf der Kastanie vor unsrem Fenster niederlässt und in einer unfassbaren Geschwindigkeit - äh - spechtet? Hackt? Klopft? Mitten im zentralsten München.


12.3.2004 1:55 PM CET
Which book are you




You're To Kill a Mockingbird!

by Harper Lee

Perceived as a revolutionary and groundbreaking person, you have
changed the minds of many people. While questioning the authority around you, you've
also taken a significant amount of flack. But you've had the admirable guts to
persevere. There's a weird guy in the neighborhood using dubious means to protect you,
but you're pretty sure it's worth it in the end. In the end, it remains unclear to you
whether finches and mockingbirds get along in real life.



Take the Book Quiz
at the Blue Pyramid.


Yep, so gefalle ich mir. War seinerzeit auch einer der ersten Romane, die ich auf Englisch gelesen habe.
via Lisa Neun


12.3.2004 11:07 AM CET
Verschdupfd

Vermutlich liegt es einfach nur daran, dass ich so gut wie nie krank bin. Wenn mich dann doch mal, wie jetzt, alle zwei Jahre eine Erkältung erwischt, nehme ich das übel. Mein Körper und ich haben ohnehin nicht das beste Verhältnis, aber drückende Stirnhöhlen, wunde Atemwege und verschwollene Augen sehe ich dann doch als persönliche Beleidigung an.

Von Hanns Dieter Hüsch, den ich hier ohnehin viel zu selten erwähne, habe ich die Familienweisheit: Was von allein kommt, geht auch wieder von allein. (Damit, meint Herr Hüsch, habe er sich schon viel Geld gespart.)

Bis dahin gibt’s Nasentropfen für besseres Schnaufen, Wick MediNait für besseres Schlafen und schlechte Laune, die nur durch eine fein abgewogene Mischung von Mitleid und In-Ruhe-Lassen gemildert wird.

Oder sollte ich die seltene Gelegenheit nutzen, zusätzlich das Köpfchen schieflegen und mir den massiven Schokohasen sowie das Schweizer USB-Taschenmesser wünschen?

Via Melody und ITW


12.3.2004 9:27 AM CET
Wieder mal die Fliege

Aus offenen Rechnungen lässt sich keine ehrliche Bilanz ziehen.

bei Mimmy


11.3.2004 5:32 PM CET
Basta ya

basta (12k image)

Keine Nachrichten von Verwandten und Freunden in Madrid sind gute Nachrichten. Keine Nachrichten von Verwandten und Freunden in Madrid sind gute Nachrichten. Keine Nachrichten von Verwandten und Freunden in Madrid sind gute Nachrichten. Keine Nachrichten von Verwandten und Freunden in Madrid sind gute Nachrichten....

Etwas eigenartig die lokale Berichterstattung. Dieses Special von El País wirkt, als sei die Redaktion stolz darauf, dass in ihrem Land endlich etwas passiert, was sich sofort in internationaler Berichterstattung niederschlägt.


11.3.2004 2:17 PM CET
34

Die Schwägerin wird heute 34, ich gratuliere telefonisch. Ein klasse Alter sei das, habe sie sich heute bereits mehrfach gedacht: „Das Leben steht auf den Gleisen, man hat sich für einen Partner entschieden, die generelle Richtung von Beruf und Familie festgelegt, die Kinder sind auf der Welt, man kann wieder ein wenig mehr auf sich selbst schauen.“

Zum ersten Mal begreife ich, warum sich meine Freundinnen und Bekannten in diesem Alter an ihren Geburtstagen immer so quälen.


11.3.2004 9:19 AM CET
Kann es sein,

dass die aufdringlichen Herrschaften, die am Münchener Flughafen American-Express-Karten verchecken, sich allesamt aus abgesprungenen Zeugen Jehovas rekrutieren?


10.3.2004 12:54 PM CET
Unerwartet

Es ist der letzte Vormittag der bayerischen Schultheatertage, irgendwann Mitte der 80er in Ingolstadt. Wir jungen bis sehr jungen Leute, die den Zuschauerraum des „Großen Hauses“ füllen, sind vom vielen Gucken, Spielen, Feiern erschöpft und sehen eher gelangweilt auf die Bühne, auf der noch eine letzte Truppe auftritt. Sie gehört zum örtlichen Apian-Gymnasium und ist nur wegen des Gastgeber-Bonusses dorthin gekommen; alle anderen Truppen mussten sich qualifizieren.

Mit mehr Inbrunst als Können schauspielern die Schüler im Scheinwerferlicht Ausschnitte eines dialoglastigen Stücks. In der Schluss-Szene stehen nur noch zwei Menschen am Rand der Bühnenmitte: Ein junger Mann mit halblangen, dunklen flaumigen Haaren, um die Lippen ein Musketier-Bärtchen. Ihm zugewandt ein junges Mädchen im Kleid und mit langen, hellen Locken. Am Ende ihres Dialogs umarmen sie sich. Ein Kuss.

Nach wenigen Sekunden will sie sich von ihm lösen. Doch er lässt nicht los, dehnt den Kuss aus. Ihr Körper stutzt. Er küsst sie weiter, legt seine Hand auf ihren Nacken. Der Raum wird still. Und da beginnt sie zu schmelzen. Muskel für Muskel gibt sie nach, fällt in den Kuss, sinkt dahin. Die Intimität der Szene überträgt sich auf die Zuschauer. Sie halten den Atem an, ihre Blicke gebannt. Der Kuss dauert an, die beiden Menschen verwachsen miteinander.

Endlich löst er sich, blickt in ihre Augen, tritt einen Schritt zurück. Sie bewegt sich nicht, starrt ihn an, sekundenlang. Bis er sich mit einer fließenden Bewegung den Zuschauern zuwendet, gleichzeitig ihre Hand nimmt und sich verbeugt. Zögerlich setzt Applaus ein, die anderen Darsteller kommen zur Verbeugung auf die Bühne. Das junge Mädchen reiht sich ein, immer noch in Trance und mit erhitztem Gesicht. Mechanisch lächelt sie, verbeugt sich mit den anderen, verschwindet hinter der Bühne.

Und im Blick jeder Zuschauerin spiegelt sich die Sehnsucht, nur einmal im Leben so geküsst zu werden.

Inzwischen ist der junge Mann übrigens Komiker...


9.3.2004 12:51 PM CET
I’ve got a little list ...

… auf die kommt der Kollege, der an Besprechungen grundsätzlich unvorbereitet teilnimmt und sich nicht mal dafür schämt („Ach, könnten Sie mir das alles mal kurz kopieren?“). Der das damit wettmacht, dass er sich während der Besprechung an Details festbeißt, die alle anderen Beteiligten vorher schon durchdacht und als unwichtig ausgefiltert haben. Wenn sie sich dann aber auf seine Anmerkungen einlassen, schneidet er ihnen nach zwei Sätzen das Wort ab: „Wir müssen weiterkommen.“

Der zudem ganzganzganz wichtig ist und deshalb alle 15 Minuten „mal kurz“ weg muss. Um sich bei seiner Rückkehr zu allen den Punkten großspurig auszulassen, die in seiner Abwesenheit abgehakt wurden.

Das ist natürlich derselbe Kollege, der nie auf schriftliche Bitten um Vorschläge oder Feedback reagiert. Der aber zum Ausgleich der erste ist, der das Endergebnis in allen Details auseinander nimmt.

Inner poise, Kaltmamsell, inner poise....


7.3.2004 3:13 PM CET
Diätterror - die Serie (8): Catch 22

Betty Boop aus den 30ern, LaraCroft aus den 90ern

Folgen (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)

Draußen scheint die gelbe Sau(TM), von meinem Bürofenster aus sehe ich ganz viel blauen Himmel, auf dem zwei Haufenwölkchen surfen. Mein Herz hüpft und schickt Visionen in mein Hirn: Ich im geblümten Tüftelimüfteli-Kleid, die nackten Füße in hochhackigen Sandälchen spazieren mich über eine Wiese, Wind zaust an meinen Haaren, die Sonne erkundet meine nackten Schultern.
BLÄÄP, BLÄÄP, BLÄÄP! Der automatische Illusionsalarm zerschießt das Bild: In einem schulterfreien Tüftelimüfteli-Kleid sähe ich bei Größe 46 aus wie eine flusige Qualle in Horrorfilm-Format, Schuhgröße 41 verbietet jeden Diminutiv an der Sandale.

Und jetzt kommt der Catch: Eine Frau wie ich DARF sich damit nicht quälen. Unsereiner MUSS auf Teufel komm raus darüber stehen.

Wir haben ein klasse Elternhaus, liberal und offen. Unser Geist ist brillant, unsere soziale Intelligenz macht uns sympathisch. Es gibt keine offensichtlichen Kindheitstraumen (Missbrauch, Gewalt, Todesfälle). Ich selbst kann nicht mal auf die heute so weit verbreitete Hochbegabung als Entschuldigung zurückgreifen. Unsereiner findet sich bevorzugt in gesellschaftlichen Positionen, in denen wir von vielen Frauen beneidet werden.

Unsere psychische Karriere sieht üblicherweise wie folgt aus:

In der Pubertät sind wir noch auf die Diät-Maschinerie reingefallen. Brigitte-Diät war die weit verbreitete Einstiegsdroge, da sie so schön ernährungswissenschaftlich unterfüttert war. Wir waren schon damals reflektiert und ließen uns keine kurzfristige und einseitige Ananas- oder Würstchen-Diät (gab’s in den 80ern übrigens tatsächlich) einreden. Mittelfristig führte das dennoch zu nichts.
Also haben wir die grundlegende Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper erkannt und daran gearbeitet:
- Das weibliche Schönheitsideal ist lediglich eine subtile Unterdrückung aller Errungenschaften des Feminismus.
- Wahre Schönheit kommt von innen.
- Eine gute Figur oder auch nur Attraktivität kann nicht in Kilos gemessen werden.
- Selbst Models sehen nicht aus wie auf den nachbearbeiteten Fotos.
- Erfolg in der Liebe hängt nicht nur vom Aussehen ab.
- Wir lassen und vom Diätterror nicht unterdrücken!

Oft ging das ein paar Jahre lang gut. „Warum darf es große wie kleine Menschen geben, aber nicht dünne wie dicke?“, riefen wir. Wir bildeten uns, kamen voran, sammelten Erfolge. Hin und wieder sahen wir uns unvermutet und ohne Vorbereitung im Spiegel und gingen dann an diesem Tag lieber erst gar nicht vor die Tür. Nicht etwa, weil wir unseren Anblick nicht ertragen hätten – WIR waren doch nicht so oberflächlich! Sondern weil, weil, weil… – wir ohnehin lieber an diesem einen schwer verdaulichen Buch rumlasen. Hin und wieder wurden wir beim Anblick einer schönen, schlanken Frau oder eines unglaublich begehrenswerten Mannes schlagartig todtraurig. Nicht etwa weil uns die Erkenntnis durchfahren hatte, dass uns der Zugang zu dieser Welt für immer versperrt war – diese Leute verachteten wir ja! Sondern weil, weil, weil… – wir vermutlich dieser Tage unsere Periode bekommen würden. Vielleicht fanden wir ja irgendwann die Energie, die eine oder andere Kleidergröße weniger zu werden und diese Figur mit ungeheurem Aufwand und Selbstbetrug zu halten. Aber selbst dann fühlten wir uns wie Betrügerinnen, in denen die eigentliche Dicke lediglich unterdrückt war.

Gerne gab es an jeder Stelle dieser Diät-Karriere Ausreißer ins Pathologische, also Anorexie oder Bulimie. Oder und.

Frauen, die schon immer intellektuell frühreif waren, haben sich in der Lebensmitte bereits mehrere hundert Mal durch diese Möbius-Schleife der Selbstreflexion gedacht.

Uns geht es deshalb tatsächlich erst mal um die Erlaubnis, uns so richtig scheiße zu fühlen. Das haben wir uns nämlich nicht zugestanden - aus all den genannten Gründen. Unsereiner DARF gar nicht unter solchen Oberflächlichkeiten leiden. Die einen wurden esskrank, die anderen depressiv, einige beides. Wobei das natürlich nie nur eine Ursache hatte.

Damit abfinden? Was heißt hier abfinden? Mit einer chronischen Krankheit muss man sich abfinden, mit dem Verlust eine Beines, des Augenlichts. Die eigene Körperform sollte nichts sein, mit dem wir uns „abfinden“ müssen.

Aber ja aber natürlich aber sowieso wissen wir um unser geniales Hirn, mind the size of the universe etc., etc. Aber wie gut diese Assets erst kämen, wenn wir sie in einem roten Schlauchkleid der Größe 36 präsentieren könnten...!

Lara Croft ist ja wohl das Ideal (man vergleiche dazu Betty Boop der 30er!): Messerscharfer Intellekt, Bibliotheksfüllende Bildung, artistische Körperbeherrschung - und ein Körper, der nur aus Zopf, Busen und Beinen zu bestehen scheint.
(Interessant daran übrigens, dass ihr meines Wissens alle weiblichen Klischee-Eigenschaften fehlen. Vermutlich kann Lara Croft sogar EINPARKEN!)

Lara Croft passt sogar auf einer tieferen Ebene: In dieser Schlacht ist jede eine Einzelkämpferin. Der Unterschied: Ich habe keine Ahnung, wo der Weg zum Happy End ist.

Grammatikalischer Disclaimer: Sollte niemand diese Gedanken nachvollziehen können, bitte „wir“ durch „ich“ ersetzen.


7.3.2004 9:58 AM CET
28 Tage

28 Days lief gestern im Fernsehen - ein Durchschnittsfilm, dem es ganz besonders schadet, ständig von Werbung zerschnipselt zu werden. Die große Leistung des Films: Steve Buscemi in einer Rolle, in der er nicht widerlich und eklig ist.
Zentrales und lahmes Thema des Films: sich helfen lassen. Lustig, mir ist wieder mal aufgefallen, dass der einzige, der sich immer getraut hat mir zu helfen - trotz meiner überzeugenden Ausstrahlung, dass ich wirklich alles, alles allein schaffe - mein kleiner Bruder war.


6.3.2004 9:19 PM CET
Wort des Tages

Expansyl.

Das meinen die von der L'Oreal-Werbung ernst!! Da stand es, auf meinem Fernseher, in Quietschmagenta. Expansyl. Dabei KLINGT das nicht mal gut!


6.3.2004 3:31 PM CET
Nette Leute!

In einem Teeladen, den ich zum ersten Mal aufsuche, nach Roibusch mit Honiggeschmack gefragt. Der junge Mann hinter der Theke ist höchst bestürzt, dass er damit nicht dienen kann. Er wälzt so lange Kataloge, bis er ein entsprechendes Angebot findet, dankt mir für den Tipp, lässt sich meine Telefonnummer geben, um mich beim Eintreffen der Lieferung zu verständigen.

Lebensmittelabteilung eines Kaufhauses: Der alte Mann vor mir an der Kasse gibt dem jungen Kassierer durch Aufrunden des Endbetrags über 50 Cent Trinkgeld.

Auf dem Heimweg an einem Straßenstand Blumen gekauft: 20 Iris und 20 Narzissen. Die Blumenfrau rundet den Gesamtbetrag großzügig ab.

Und dann läuft mir ein Mann eine ganze große und verampelte Kreuzung hinterher, um mir den Jackenknopf zu geben, der mir unbemerkt abgefallen ist.

Danke!


5.3.2004 3:01 PM CET
Nice Work

Hey, da kann ich ja was reinschreiben!

Aus der Ferne hatten wir uns von Anfang an beäugt: Ich ihn, weil er groß und hübsch ist, schon sehr jung auf einem verantwortungsvollen Posten saß, außerdem einen klugen, forschen Blick hat. Er mich wohl, weil ich als eine der wenigen Frauen hier eingestiegen war, und als eine der noch viel wenigeren Frauen auf oberster Ebene mitmischte.

In direkten Kontakt kamen wir letztes Jahr auf einem Seminar für Kronprinzen. Er ergriff die erstbesten Gelegenheiten, mich aus einer ironischen Macho-Haltung heraus anzupinkeln. Bot ich zum Beispiel an, in einer Arbeitsgruppe mitzuprotokollieren, feixte er: „Ist doch immer gut, wenn man eine Sekretärin dabei hat.“ (Meine Reaktion: „Da wird sich meine Mutter aber freuen, dass doch noch was aus mir geworden ist.“) Nachdem ich eine englische Kurzpräsentation gehalten hatte, korrigierte er mich in der Aussprache eines Fachbegriffs. Ich äußerte Zweifel an seiner Version, und schon schoss seine Hand aus dem Anzugärmel: „Um was wett’ma?“ Na gut, ich bin es ja durchaus gewohnt, dass sich Männer vor mir fürchten. Ich schlug also ein, obwohl ich es gar nicht mit dieser Kindergarten-Wetterei habe; Wetteinsatz war eine Tafel leckere Schokolade. Ich hoffte sogar, dass er Recht haben würde - dann bräuchte er sich, so mein Kalkül, nicht mehr vor mir fürchten. Recht hatte dann doch ich. Na gut, forderte ich also nicht nur Bitterschokolade vom Feinsten ein, sondern gleich auch das Du.

Das hätte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden können, glaube ich. Praktischerweise sind wir ja auch beide verheiratet. Wenn, ja wenn der junge Mann nicht gerade in diesem Moment mächtig die Karriereleiter hochgerempelt worden wäre. Als ich mir meine Tafel Lindt Excellence abholte, saß er bereits in einem knapp-unter-Vorstand-Büro mit Vorzimmer. Über einen Austausch von kumpelhaften Scherzen waren wir kaum hinaus gekommen.
Zumindest traute ich mich, einem Impuls zu folgen und ihm zur Beförderung Nice Work von David Lodge zu schenken. Ausgangssituation für diese comic novel, die im Nordengland der 80er spielt, ist ein Austauschprogramm: Eine junge Uni-Dozentin für Englische Literaturwissenschaft (Spezialgebiet englischer Industrieroman des 19. Jahrhunderts) begleitet einmal die Woche den Arbeitstag eines Geschäftsführers in der Industrie.
In den vergangenen Monaten war fast alles, was ich von dem jungen Mann hörte, dass ihm das Buch gut gefalle. Zuletzt schneite er an meinem Büro vorbei um mir zu sagen, dass das ein ganz ausgezeichnetes Buch gewesen sein und er sich sehr über weitere Empfehlungen freuen würde.

Wie sehr dieses Geschenk bei ihm Vertrauen erzeugt hat, kam dann heute heraus.

Nach einer Besprechung bat er mich um „zwei Minuten“ unter vier Augen: Er brauche meine „Menschenkenntnis“. Oha.
Wir setzten uns in mein Büro und er packte aus: Dass er doch Herrn X habe entlassen, der damals auch an dem Kronprinzen-Seminar teilgenommen habe. Er berichtete, was ihm selbst jetzt vorgehalten wird, wie er die Situation einschätzt. Und bat mich um meine Sicht.
Ja, ich kenne solche Situationen aus eigener Erfahrung. Ja, ich weiß dass das die unangenehmste Seite einer Führungsposition sein kann. Und ich wusste das eine oder andere zu sagen. Dann tauschten wir uns noch über einige andere geschäftliche Aspekte aus, nach einem Viertelstündchen verabschiedete er sich, blieb noch kurz am Kalender neben meiner Tür hängen.

Ich bin immer noch völlig perplex.


5.3.2004 8:23 AM CET
Abenteuer Joghurt

schokomuffin (5k image)

Sehr zu empfehlen: Die beiden neuen Joghurtsorten von Ehrmann "Heidelbeermuffin" und "Schokomuffin". Bei den Wintersorten fand ich ja "Russischer Zupfkuchen" eine ausgezeichnete Idee, die die amerikanische Speiseeis-Mode aufnahm, Kuchen- oder Keksstückchen zu verarbeiten. "Spekulatius"-Joghurt hingegen war meinem Geschmack nach nicht so gelungen.
(Hat jemand eigentlich diesen "Becherlöffel" schon mal getestet?)


4.3.2004 2:42 PM CET
Bill

bill (32k image)

via New York Times

Man sah ihm so sehr an, dass er wusste: Ich habe soeben die einzige Chance meines Lebens verpasst, einen Oscar zu bekommen. Bill, here's to you.


4.3.2004 8:03 AM CET
Parasiten-Befall

Wenn der menschliche Körper sich einen Parasiten einfängt, wehrt er sich.

Zunächst reagiert er mit Unwohlsein; Übelkeit und Schwindel sind verbreitete Symptome.
Dann richtet sich der Körper allmählich auf ein Zusammenleben mit dem Parasiten ein. Der Schmarotzer zieht ihm Energie ab, schwächt ihn. Der Körper muss Mangelerscheinung hinnehmen, fehlende Mineralien können zum Verlust des einen oder anderen Zahnes führen. Bewegung wird immer beschwerlicher, der Kreislauf reagiert mit Schwankungen im Blutdruck, die Gelenke schmerzen. Die gesamt äußere Erscheinung des Körpers leidet: strähnige Haare, fahle Gesichtshaut. Kurz bevor der Zustand unerträglich wird, ist der Parasit auf dem Zenit seiner Schmarotzer-Existenz; er ermöglicht dem Körper, sich mit gewaltigen Krämpfen von ihm zu befreien.

Bei Frauen nennt man das Schwangerschaft.


3.3.2004 4:48 PM CET
Gleich modern

„Früher haben wir nur klassisch gemalt. Aber hier in Deutschland haben wir gleich modern gemalt. Wenn man eine gute Ausbildung hat, mit Fabrkompositionslehre und so, kann man sich schnell umstellen.“

Russischstämmige Grafik-Praktikantin, als sie mir den Flyer zur Ausstellung in die Hand drückt, die sie gerade mit ihren Eltern im Münchener Hertie laufen hat.


3.3.2004 7:34 AM CET
Bloß weil

es sonst wieder niemand merkt: Ich sage immer noch nichts zu Lord of the Rings. Mit Anstrengung schweige ich zudem derzeit zu Sex and the City.


2.3.2004 9:58 AM CET
teinete toxa

Wir waren 1984-86 der größte Leistungskurs in einem Abiturjahrgang von nicht mal 50: Altgriechisch. Und so ein Fach nimmt man nicht aus Verlegenheit. Wir hatten bereits Jahre der blöden Fragen hinter uns, die begannen, als wir in der 9. Klasse als dritte Fremdsprache nicht Französisch wählten, sondern uns sogar eine neue Schrift antaten: „Wozu brauchst du das denn?“, „Und wozu soll das gut sein?“, „Aber das spricht doch keiner.“ Unsere Motive für die Leistungskurswahl waren sehr verschieden; darunter durchaus die erblich belasteten der Apothekers-, Ärzte- und Notarkinder, aber bemerkenswerterweise saßen hier auch alle fünf waschechten Arbeiterkinder des Jahrgangs.
Nicht nur diese hatten den Kurs zu einem großen Stück wegen seines Leiters gewählt.

Der nämlich hatte fast alle von uns schon in den Jahren zuvor im Deutsch-, Latein oder Griechischunterricht mit dem Virus der Philo-Sophie infiziert, dem Streben nach und der Liebe zur Weisheit. (Und uns nebenbei die Totschlag-Erwiderung auf blöde Fragen geliefert: „Schule bildet. Schule bildet nicht aus.“) Wir fingen mit Homer an, lasen die Lyriker, die ersten Geschichtsschreiber, die Vorsokratiker, Platon. Und nahmen dabei die Gedanken und Argumente der Dame (Sappho) und der Herren ordentlich auseinander.
Wir fühlten uns natürlich cool ohne Ende.

Ich wüsste gerne, wie die anderen Teilnehmer des Kurses das heute sehen. Ob es für sie eine Verbindung zwischen intensivem Altgriechisch und ihrem Lebensweg gibt.
Von einem weiß ich, dass er zunächst die Karriere eines Berufssoldaten eingeschlagen hat, aber nach zwei Jahren nicht mehr mit dem systemimmanenten Denkverbot zurecht kam und statt dessen Slavistik studierte.
Zwei gingen nach Eichstätt und studierten Lehramt Grundschule (die eine hatte zu Abiturzeiten noch Apothekerin werden wollen, die andere Archäologin - dann schlugen die Brauthormone zu). Ich weiß von einer Architektin, einer Kinderärztin, zwei Priestern, einem Kardiologen, einem Informatiker, einer Mathe-Professorin. Bleiben noch ein paar.
Der Verbleib der ehemaligen Mitschüler müsste sich rausfinden lassen, auch wenn gerade Frauen in diesem Alter oft unter einem Alias untergetaucht sind. Ich könnte ihnen einen Fragebogen schicken:
- Wie beurteilst Du im Nachhinein Deine Kurswahl? Gut / schlecht / irrelevant
- Hast Du in Deinem weiteren Leben von diesem Kurs profitiert? Nein / ja, privat, nämlich ............. / ja, beruflich, nämlich .................................
- Würdest Du Deinen Kindern Altgriechisch empfehlen? Ja / nein / egal.
- Gibst Du Altgriechisch im Fächerkanon bayerischer Gymnasium langfristig eine Chance? Ja / nein.
- Kommentare: ...............................................

Ich tu’s ja doch wieder nicht. Oder vielleicht unter dem Vorwand, das Ergebnis dem damaligen Griechischleher zu schicken und ihm eine Freude zu machen?

Dieser Lehrer Nusser ist mittlerweile auch "Fachmitarbeiter des Ministerialbeauftragten (Griechisch)" und treibt sich zudem in der Lehrerausbildung rum. Mitteloffiziell wurde allerdings vom bayerischen Kultusministerium ausgegeben, dass Latein gefördert wird, das Aussterben von Altgriechisch aber hingenommen.

Klar steht das Fach auf verlorenem Posten in einem Zeitgeist, der selbst vom Gymnasium fordert, dass jedes Fach anwendbares, also praktisches Wissen vermittelt. (Marginalie: Mit welcher Wucht solch ein Schuss nach hinten losgehen kann, sieht man in Bayern an der Einführung von Informatik als Pflichtfach. Informatik, wohlgemerkt, nicht etwa EDV.)

Der Titel des Eintrags „teinete toxa“? Wir waren derart cool, dass wir immer wieder Sprachschnipsel ins Griechische übertrugen. Eines der größeren Vergnügen unserer Alterstufe war es damals, in der Öffentlichkeit spontan und im Chor „Spannt die Bogen!“ zu rufen, dieses dann pantomimisch auch zu tun, und die imaginär abgeschossenen Pfeile mit Zungenfurzen zu beschallen. (Ich erinnere mich nur vage, wie das bescheuerte Spielchen entstand. Irgendein Kneipenabend? Aber wir haben sehr gelacht.) Und „spannt die Bogen“ heißt auf Griechisch „teinete toxa“, womit wir diesem abstrusen Spiel noch eins drauf setzten. Das wiederum ist mir heute auf dem Weg in die Arbeit wieder eingefallen.


1.3.2004 4:30 PM CET
Agentur versus Industrie

Ob ich je bereut habe, vor zwei Jahren der Agenturwelt den Rücken gekehrt zu haben?

Einerseits: Ja, täglich. Die Industriewelt, der ich mich statt dessen zugewendet habe, beheimatet keine solchen Spinner, wie sie sich in Agenturen ansiedeln, gleich Moos an der Wetterseite von Bäumen. Spinner, wie sie Anke beschreibt, die um den Namen ihres ungeborenen Kindes pitchen lassen. Spinner, wie ich sie am Wochenende auf zwei Festen von Ex-Kolleginnen, jetzt Freundinnen wiedergetroffen habe. Die zum Beispiel einem gemeinsamen Freund zum Geburtstag eine Tupperparty schenken. Die mit mir täglich Trailer nahender Filmgenüsse auf dem Rechner ansehen, selbst wenn sie als Bildschirmhintergrund einen Fußballspieler des FC Bayern München eingerichtet haben.
Hier in der Industrie gehen die Leute entweder im Ernst auf solche Tupperparties oder wissen nicht mal, was das ist. Und so habe ich in den knapp zwei Jahren hier noch niemanden zum Spielen gefunden. (Der Herr auf der Suche nach dem Schraubenzieher spinnt noch am ehesten. Aber einer unter 2.000 Kollegen?)

Andererseits: Nein, nie. Ich bin einfach draufgegangen, damals. Nicht wegen der Spinner, sondern wegen der Möglichkeit, Spitzenleistung zu bringen. Weil in den inhabergeführten PR-Agenturen meiner Vergangenheit alles darauf angelegt war, dass ich mir Freiräume schaffen konnte und so richtig klotzen - notfalls an der Geschäftsleitung vorbei, solange der Umsatz meines Teams stimmte. Ich bin darauf gepolt, solche Möglichkeiten zu nutzen und meine gesamte Energie reinzustecken. Bis Job sich mit Leben deckt.
Hier in der Industrie sind die Strukturen fest und behäbig. Und ich bin vor mir selbst geschützt.


1.3.2004 11:59 AM CET
Der nächste Sommer

tuefteli (17k image)

Soso, die New Yorker tun sich also schwer mit der Aussprache des zentralen Trends in der weiblichen Sommermode: "That's F-L-O-U -- not flu, or frou, short for froufrou."
Für mich wird das immer tüftelimüfteli bleiben, seit meine Schulfreundin Gunda ein entsprechendes Kleid so bezeichnete.


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