Archiv für November 2004

Mode marginal – Ringel für Herrn kid

Donnerstag, 18. November 2004

Nach der Vorführung von Herrn kid37 selbst und der wunderbaren Vorlage von Frau Lu beweise ich hiermit, dass die Frau von Welt nicht nur spanische Umhänge hat, sondern auch Ringelstrümpfe.

Ringel für kid

Mode marginal – die Capa

Montag, 15. November 2004

Von diesem Kleidungsstück träumte ich, seit ich zwölf war: eine Capa. Ich sah die Capa, einen enormen Umhang aus schwerem Wolltuch, an einem fränkischen Freund meiner Eltern, der in Madrid studiert und sie von dort mitgebracht hatte. Sie war so weit, dass seine kleine Tochter auf seinem Arm bequem darin mit Platz hatte.

Die Capa ist das eine Kleidungsstück in Kastilien, das einem traditionellen Alltagsgewand noch am nächsten kommt (im Gegensatz zu Bayern mit seinen vielen Jankern, Dirndln, Landhausmoden). In seiner klassischen Form besteht der Umhang aus einer vollständigen Scheibe Tuchs, ergänzt durch eine seidengefütterte Pellerine aus demselben Stoff. An der Öffnung ist der Umhang noch mit schwarzem Samt ausgeschlagen. Geschlossen wird die Capa lediglich am Hals mit zwei Häkchen, eines unaffällig schwarz innen, das äußere aus dezent verziertem und geschwärztem Silber, in der Art der Silberschmiede-Kunst von Salamanca.

Von Hand hergestellt und verkauft werden Capas in Madrid in einer Seitenstraße der Plaza Mayor, in der Casa Seseña. Vor drei Jahren machten meine Eltern gerade in dieser Gegend Urlaub und erinnerten sich an den seltsamen Wunsch ihrer Tochter. Und weil sie ihre Tochter kannten, ließen sie sich nicht mit einer modischen Version – leicht, in Rot und mit Knöpfen – abspeisen, sondern beharrten auf dem schwarzen, schweren traditionellen Modell. Sie blieben auch dann noch standhaft, als sie den Preis für das Stück erfuhren und ihnen klar wurde, dass sie ihren Urlaub möglicherweise um den einen oder anderen Tag kürzen mussten.
Am darauffolgenden Heilig Abend lag die Capa als Geschenk unterm Christbaum und nahm mir den Atem.

Praktisch, nein, praktisch ist eine Capa nicht. Sie gehört zu den Kleidungsstücken, die den Träger dominieren. Allein zum stilgerechten Anlegen braucht man viel Platz, denn dieser Umhang will selbstverständlich um die Schultern geschwungen werden wie das gleichnamige Tuch im Stierkampf. Sie ist nicht einmal besonders wärmend, die Capa, dafür ist sie zu weit. Außerdem weht jeder Wind sie auf, man kann sich höchstens ein Ende schräg um die Schulter werfen. Derselbe Wind pappt auch gerne mal die Pellerine auf frisch geschminkte Lippen.

Der Umhang ist zudem so riesig, dass die Trägerin nach dem Einsteigen in ein Auto erst mal damit beschäftigt ist, ihn gesamt im Innenraum zu verstauen. Und er ist so schwer, dass ich einen Gastgeber, der ihn mir freundlich abnahm, erschrocken fast in die Knie habe gehen sehen.
Halt, eine praktische Seite hat die Capa dennoch durch ihr Gewicht: Sie muss nie gebügelt werden. Selbst nach mehreren Sommermonaten in einer Tüte hängt sie sich innerhalb von 48 Stunden selbst wieder glatt.

Und nicht zuletzt: Die Capa verleiht dem Träger eine solche Größe, eine Grandezza und Bedeutung, dass beim Durchschreiten windiger Altstadtgassen ganz deutlich die Overtüre von Mozarts Don Giovanni ertönt…

No logo

Der dünne Herr Lagerfeld

Montag, 15. November 2004

Dass jemand, der Jahrzehnte seine Lebens in leiblichen Genüssen geschwelgt hat, an einen Punkt kommt, an dem er sich sicher ist, dass es nichts mehr gibt, was seinen Sinnen einen neuen Reiz bieten kann. Dass dieser jemand nun das physische Schwelgen darin sucht, sich leiblichen Genüssen völlig zu verweigern – kann ich verstehen.

Dennoch hoffe ich, dass ich niemals an diesen Punkt komme.

Zeit für eine Runde politische Naivität

Samstag, 13. November 2004

Meine Eltern sind von woanders

Wenn die Leute wüssten, wie harmlos wir Nachkommen der Einwanderer sind, würden sie sich vielleicht nicht mehr so fürchten. Und bräuchten nicht mehr NPD oder DVU wählen. Dazu müssten wir Gastarbeiterkinder aber als solche zu erkennen sein. Mir zum Beispiel sieht man gar nicht an, dass meiner Väter Väter Väter und meiner Mütter Mütter Mütter nicht innerhalb der heutigen deutschen Grenzen wohnten.

Don Dahlmann hat unsereiner Gastarbeiterkinder in seinem Shirt-Shop ermöglicht, deutlich auf unsere Abstammung hinzuweisen: Kaufen!

Linguistische Zeugen Jehovas

Freitag, 12. November 2004

Sie kennen Apokalyptiker und Integrierte von Umberto Eco? Ich finde diese Klassifizierung sehr nützlich und weiß, dass Integrierte mir immer die lieberen sein werden. Skeptische Integrierte am allerliebsten.

Genau deswegen habe ich mich heute unverhältnismäßig über das “Streiflicht” der Süddeutschen Zeitung amüsiert:

“(…) Eine der enervierendsten Vereinigungen in diesem Land ist die Gesellschaft für deutsche Sprache. Das sind diese linguistischen Zeugen Jehovas, deren Mitglieder in Sack und Asche durch die Straßen laufen, weil das Deutsch dauernd kaputt geht. Sie wählen das Unwort des Jahres, verwalten den deutschen Sprachschatz und überziehen einen mit Anrufen und Leserbriefen des Inhalts, dass doch unser aller Muttersprache schon längst in Agonie liege. Allein schon die Werbung, Englisch allerorten, quengel, quengel, quengel. (…)”

Kaltmamsell liest pepa

Donnerstag, 11. November 2004

pepas “diskret aufkommende Nervosität” (Idee bei kathleen gefunden)

Hier zum Mitlesen.

(Damit kann ich mich doch wohl beim nächsten Synchronsprecher-Casting für ER bewerben?)

90. Gotten married

Mittwoch, 10. November 2004

(Eine weitere Geschichte zu dieser Liste.)

Ich war 1996 sehr arm, weil ich auf eigene Faust promovierte. Doktorandenstellen gibt es in den Geisteswissenschaften praktisch nicht, die eine vorhandene an meiner Provinz-Uni war besetzt. Doktoratsstipendien bekam ich nicht, weil ich mich vorher noch nie um Stipendien beworben hatte. (Als erstes Familienmitglied seit Menschengedenken, das überhaupt studieren ging, durchschaute ich das System nicht. Ich hatte es all die Uni-Jahre trotz Spitzennoten für unnötig gehalten, mich um ein Stipendium zu bewerben, da ich ja in drei Monaten Semsterferien als Zeitungsredakteurin gut Geld machte. Die Stipendien überließ ich denen, die es aus meiner Sicht nötiger hatten – weil sie zum Beispiel über keine Berufsausbildung verfügten. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass Stipendien nichts mit Bedürftigkeit zu tun haben?) Hätte ich mein Promotionsthema politisch und geografisch günstiger gewählt, wäre vielleicht noch ein lokales Stipendium rausgekommen – aber ich wollte nunmal über ein Thema forschen, das mich wirklich interessierte und von dem ich glaubte, dass es die Welt weiterbrachte.

Geld war also ausgesprochen knapp, mein einziges Einkommen bezog ich aus Englischstunden, die ich Managern örtlicher Unternehmen gab.
Mein Partner und Geliebter seit drei Jahren absolvierte zu dieser Zeit sein Lehramts-Referendariat weit weg in einer anderen bayerischen Provinzstadt. An Wochenenden wohnte er in einer Altstadt-WG mit einer gemeinsamen Freundin bei mir ums Eck.

Eines Abends saß er in meinem vor Alter krummen und schiefen Wohnzimmer und informierte mich, verheiratete Referendare bekämen 500 Mark monatlich zusätzlich, nur fürs Verheiratetsein. Ah! Das war doch wohl eindeutig der sprichwörtliche Silberstreif am Horizont! 250 Mark monatlich für jeden von uns beiden – damit hatte ich damals fast meine Wohnungsmiete abgedeckt. Ich ließ also meine Augen spitzbübisch glitzern und sprach: „Lass uns das machen,“ womit der Herr einverstanden war. Eine Versorgungsehe, die zudem eine Versetzung des Mannes in die Nähe wahrscheinlicher machte.
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