Während (aaaah, endlich wieder Umlaute!) unseres Brighton-Urlaubs überließen (aaaah, endlich wieder ß!) der Mitbewohner und ich unsere Wohnung meinen Eltern für einen ausgedehnten München-Ausflug. Bei der gestrigen Rückkehr war ich auf einige Konsequenzen gefasst, nicht aber darauf, dass die beiden unsere Küche auseinandergenommen hatten.
Nicht gewundert hätte ich mich zum Beispiel, wenn der sichtlich benutzte Backofen flecken- und spritzerfrei geglänzt hätte. Mein Vater ist nämlich ein sauberkeitsfimmliger Putzteufel (zack, wieder ein Spanier-Klischee zerschossen). Übernimmt in anderen Familien die Mutter, vor allem wenn Schwiegermutter, die Aufgabe, mit dem Finger über Möbeloberflächen zu fahren, um die Putzsorgfalt der Bewohner zu testen, ist es bei mir der Herr Papa, der versonnen hoch zur Deckenlampe schaut (welcher normale Mensch schaut da überhaupt hin?!) und fragt, ob wir jetzt unter die Insektenzüchter gegangen seien, da oben im Lampenschirm hätten wir ja bereits eine beachtliche Sammlung. Die Spülmaschine im Haus meiner Eltern wird nie benutzt: Mein Vater steht auch während Gelagen mit über zehn Gästen an der Spüle und „macht das schon mal weg“. Wenn ich ihn frage, warum er den Job nicht der dafür erworbenen Maschine überlässt (was ich schon lang nicht mehr tue, weil er dann böse wird), erklärt er, dass sich das bei so wenig Geschirr nicht lohne.
Ah, endlich Gelegenheit für die Geschichte mit der Querflöte. Im Alter von neun Jahren war ich eine der ersten Querflöten-Schülerinnen in der Städtischen Sing- und Musikschule meiner Geburtsstadt. Da dieses Angebot neu war, gab es noch keine Leihinstrumente, und so kauften meine kleinen, eisern aufs Eigenheim sparenden Arbeitereltern mir ein eigenes, teures Instrument. Es war von Yamaha und versilbert. Meine Begeisterung für das Querflötenspielen erlahmte sehr schnell (üben? wie, üben?), doch nun war das Instrument schon angeschafft, also musste ich da durch. Das Spielen der Querflöte ist mit Feuchtigkeit (Atem, Speichel) verbunden. Diese verursachte Flecken auf der versilberten Oberfläche meines Instruments, die mein Vater regelmäßig bemängelte, wenn er meine oft achtlos herumliegenden Flöte sah.
Eines Tages kam ich von der Schule, und mein Vater (hatte wohl Spätschicht) hielt mir strahlend meine ebenso strahlende Flöte entgegen. Ich erschrak und fragte, was er mit dem Instrument gemacht habe. Er bestätigte meine böse Ahnung: Der Mann hatte der Flöte ein Silberputzbad verpasst. Die Klappen einer Querflöte bewegen sich mit Hilfe zahlreicher Scharniere, Tasten und Gelenke, zudem ist jede Klappe gepolstert. Es braucht keinen Instrumentenbauer, um die Folgen eines Bades zu fürchten. Das örtliche Musikhaus beschäftigte glücklicherweise einen solchen, der die Flöte komplett auseinander nehmen musste, um die Scharniere von Flüssigkeit zu befreien, zudem alle Klappenpolster ersetzen musste (bei dieser Gelegenheit lerne ich, dass sie mit Fischhaut bespannt sind). Kostete mehrere hundert Mark. Mein zerknirschter Vater tat mir so leid, dass ich die Geschichte bis heute nur in seiner Abwesenheit erzähle, um ihn nicht an diese Schmach zu erinnern.
Je nun, dem ersten Anschein nach hatte der Münchenbesuch meiner Eltern zu keinem solchen Unfall geführt (im Gegenteil: Den Balkon hätten sie ruhig mal fegen können.). Sondern zu einem anderen. Der eiserne Handspüler Papa ignorierte natürlich auch bei uns die Spülmaschine. So stellte er fest, dass das Wasser im Spülbecken nicht besonders gut abläuft. Und schritt zur Tat.
Als wir gestern nach Hause kamen, klingelte binnen Minuten das Telefon: Meine Mutter wollte uns eiligst davor warnen, das Spülbecken zu benutzen. Mein Vater habe die abführenden Rohre zerlegt und gereinigt, sei auf brüchige Dichtungen gestoßen, habe im Internet nach Baumärkten gesucht, um Ersatz zu besorgen. Da wir in der Innenstadt wohnen, sei auch der nächst gelegene Baumarkt recht weit weg gewesen, er habe ihn aber nach einer Stunde Fußmarsch erreicht. Die dort erworbenen Dichtungen hätten leider nicht ganz gepasst, so dass mein Vater uns leider habe ein Provisorium hinterlassen müssen. Na prima.
Was tut man nach einer Reise bald? Wäsche waschen. Doch die Waschmaschine in der Küche gab nach dem Einschalten keinen Mucks von sich: die Sicherung. An diesem Stromkreis hingen auch Kühl- und Gefrierschrank; das Strawberry-Cheesecake-Eis hatte gerade die richtige Konsistenz zum Löffeln. Selbst bei ausgeschalteter Waschmaschine sprang die Sicherung immer wieder heraus. Ich verbrachte eine unruhige Nacht, immer auf das Klacken der Sicherung lauschend, weil ich sie mehrfach zurückdrücken musste. Eine genauere Untersuchung heute Morgen ergab, dass ganz hinten unter der Spüle eine Mehrfachsteckdose liegt, an der alle Küchengeräte stecken. Und in die war bei der Rohr-Aktion vermutlich Wasser geraten.
Eben hat mein Vater für heute seinen Besuch angekündigt. Er habe in einem heimischen Baumarkt die richtigen Dichtungen besorgt und werde die Küche wieder benutzbar machen. Wehe, wenn nicht!
Nachtrag: Zur Strafe musste sich mein Vater heute mit dem Auto durch die allgegenwärtigen Münchner Fronleichnams-Prozessionen kämpfen. Ich empfehle ihm ja immer, mit einem „Aus dem Weg, ich bin Jesus!“ mitten durch zu fahren, aber eigenartigerweise scheut er solche Scherze mit seinem Vornamen. Jawohl, er hatte die passenden Dichtungen dabei, beseitigte auch den Kurzschluss. Dann zwang er mich allerdings, alle Wasserhahn-Aufsätze abzuschrauben und zum Entkalken in ein Essigbad zu legen („Aber Papa, das habe ich doch erst vor drei Jahren gemacht“, war offensichtlich nicht die richtige Reaktion.)